Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 4555/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 590/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19.10.2007 insoweit abgeändert, als der Beklagte zur Feststellung des Nachteilsausgleichs aG verurteilt worden ist. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt ein Viertel der außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens. Außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Berechtigung der Klägerin für den Nachteilsausgleich "außergewöhnliche Gehbehinderung" (aG).
Die 1952 geborene, allein lebende Klägerin geht seit 1986 einer beruflichen Tätigkeit als Montagearbeiterin mit einer täglichen Arbeitszeit von sechs Stunden nach. Bei ihr erfolgten im Jahr 1990 die operative Entfernung eines Uterus myomatosus durch eine Hysterektomie, im Jahr 1994 eine Leistenhernien-Operation links und im Jahr 1995 eine Narbenrevisions-Operation mit Neurolyse des Nervus genito hypogastrikus.
Bei der Klägerin wurde mit dem das angenommene Anerkenntnis ausführenden Bescheid des Versorgungsamts (VA) vom 14.10.1999 der Grad der Behinderung (GdB) mit 50 ab 21.07.1997 festgestellt. Außerdem stellte das VA mit Bescheid vom 07.02.2000 eine "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (Merkzeichen G) fest. Im weiteren Verlauf lehnte das VA den Neufeststellungsantrag vom 26.10.2000 mit Bescheid vom 05.01.2001 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 23.07.2001 und den Antrag auf Feststellung des Merkzeichens aG vom 07.03.2001 mit Bescheid vom 20.08.2001 ab.
Am 09.09.2004 beantragte die Klägerin erneut die Neufeststellung ihres GdB sowie die Feststellung weiterer gesundheitlicher Merkmale für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen. In dem Formularantrag gab sie an, das chronische Schmerzsyndrom sowie das Wirbelsäulensyndrom hätten sich verschlimmert und eine Hypoglykämie sowie eine chronische Gastritis seien neu aufgetreten. Beigefügt war die vom Arzt für Innere Medizin und Betriebsmedizin Dr. Sch. unter dem 12.07.2004 ausgestellte ärztliche Bestätigung einer schwerwiegenden chronischen Krankheit (Diagnosen: chronisches Schmerzsyndrom bei Zustand nach multiplen Bauchoperationen, Wirbelsäulensyndrom mit rezidivierenden Neuralgien und Myopathien, Osteoporose, Neigung zu Hypoglykämien, Verdacht auf endokrinologische Erkrankung, Cholecystopathie und chronische Gastritis). Das VA holte die Befundberichte des Facharztes für Orthopädie, physikalische Medizin und Rehamedizin Dr. K. vom 15.09.2004 (Diagnosen: Meralgia paraesthetika links bei Neurinombildung in der linken Leiste nach Leistenbruchoperation, chronische rezidivierende Lumbalgien bei Spondylolisthesis L5/S1 Grad I nach Meyerding, Fingergelenkspolyarthrose, Carpaltunnelsyndrom beidseits und beginnende Omarthrose beidseits) ein und zog von dem Internisten, Gastroenterologen und Endokrinologen Dr. S. dessen Arztbriefe vom 11.03.2004 (Diagnosen: Ausschluss einer Nebenniereninsuffizienz, einer Hypothyreose und eines Diabetes mellitus) sowie vom 18.06.2004 (Diagnosen: postprandiale Hypoglycämie bei Verdacht auf idiopathisches postprandiales Syndrom IPPS) bei.
Dr. T.-T. brachte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.11.2004 als Behinderungen eine Polyneuropathie, eine Polyarthrose, eine Teillähmung des linken Ischiasnervs (Teil-GdB 30), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, eine Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose) und ein chronisches Schmerzsyndrom (Teil-GdB 30) sowie ein Schulter-Arm-Syndrom, eine Mittelnervendruckschädigung beidseits (Carpaltunnelsyndrom) und eine Fingerpolyarthrose (Teil-GdB 10) in Ansatz und bewertete den Gesamt-GdB mit 50. Die Gehfähigkeit sah er nicht auf das Schwerste eingeschränkt. Sodann lehnte das zwischenzeitlich zuständig gewordene Landratsamt B.-H. (LRA) den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 08.04.2005 ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 14.04.2005 Widerspruch ein. Sie führte unter anderem aus, sie habe Bewegungseinschränkungen und Schmerzen im Bereich der Arme und der Schulter, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie Probleme in der linken Leiste. Sie könne sich weder bücken noch strecken. Notwendige Behörden- und Arztbesuche seien ihr wegen der starken Schmerzen beim Gehen, Sitzen und Stehen nicht ohne Begleitung möglich. Alle Arbeiten im Haushalt nähmen sehr viel Zeit in Anspruch und könnten nur durch viele Unterbrechungspausen und unter großen Schmerzen beziehungsweise gar nicht erledigt werden. Selbst kleinste Einkäufe brächten sie an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Eine Einkaufstasche mit nur wenigen Artikeln zwinge sie bereits, nach 30 bis 40 Metern zum Ausruhen. Bei größeren Einkäufen sei sie auf die Hilfe anderer angewiesen. Das LRA holte den Befundbericht von Dr. Sch. vom 09.06.2005 ein, welchem der Arztbrief des Dr. K. vom 11.06.2004 (Diagnosen: chronische Dorsalgien und Lumbalgien bei Spondylolisthesis L5/S1 Grad I nach Meyerding) sowie die Arztbriefe des Facharztes für Neurologie Dr. W. vom 23.04.2001 (Diagnose: chronisches postoperatives Schmerzsyndrom der linken Leiste), von Dr. Sch., Oberarzt an der Universitäts-Frauenklinik des Universitätsklinikums F., vom 19.02.2001, von Dr. S. vom 18.06.2004 und das erste Blatt des Reha-Entlassungsberichts der Rehabilitationsklinik S. über eine vom 11.06.2002 bis zum 02.07.2002 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme (Diagnosen: Meralgia peraesthetica links, Neurinombildung linke Leiste nach Leistenbruchoperation, Lendenwirbelsäulensyndrom bei Pseudo-Spondylolisthesis L5/S1, initiale Omarthrose beidseits, beginnende Polyarthrose der Hände, Hypercholesterinämie sowie psychasthenische Grundpersönlichkeit und konversionsneurotische Fehlhaltung) beigefügt waren.
Nachdem Dr. M. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 19.08.2005 keine weiteren Behinderungen in Ansatz gebracht hatte, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2005 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 02.11.2005 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen führte sie aus, die Bewegungseinschränkungen hätten dazu geführt, dass ihr im Rahmen eines Antrages auf Kfz-Hilfe die Mehrkosten für ein Automatikgetriebe bezahlt worden seien. Wenn sie aber bei Einkäufen, Arzt- und Behördenbesuchen weiter als 20 bis 40 Meter laufen müsse, seien die Milderungen, die das Automatikgetriebe bringe, wieder zunichte gemacht. Ohne die Möglichkeit, einen öffentlichen Behindertenparkplatz nützen zu können, könne sie solche Wege nicht selbständig, das heißt ohne Begleitung, angehen.
Das SG holte die sachverständigen Zeugenauskünfte der Heilpraktikerin U. vom 29.01.2006, von Dr. Sch. vom 31.01.2006, welchem u. a. die Arztbriefe von Dr. K. vom 24.08.2005 (Diagnosen: Fingergelenkpolyarthrose, chronische rezidivierende Lumbalgien bei Spondylolisthesis L5/S1 Grad I nach Meyerding und Ausschluss einer Coxarthrose) und von Prof. Dr. Z., Chefarzt der Abteilung Innere Medizin des St. Josefskrankenhauses F., vom 30.06.2005 (Diagnosen: Postprandiale Hypoglykämie bei Verdacht auf idiopathisches postprandiales Syndrom und DD Insulinom) beigefügt waren, und von Dr. K. vom 02.02.2006 ein. Die Heilpraktikerin U. führte aus, das Gehvermögen sei auf Grund der sich in Folge der am 09.09.1990 durchgeführten Unterleibsoperation stetig verschlechternden Schmerzen im linken Unterbauch und in der linken Leiste stark eingeschränkt, so dass schnelles Überqueren einer Straße nicht möglich sei. Die Gangart der Klägerin sei langsam und beschwerlich, sie müsse häufig rasten. Langsames Gehen und viele Zwangsruhepausen machten es unmöglich, einen Weg von zwei Kilometern in 30 Minuten zurückzulegen. Fremde Hilfe brauche die Klägerin nicht beim Gehen, aber es koste sie große Anstrengung und viel Zeit. Ohne Ruhepausen könne die Klägerin ca. 25 Meter an einem Stück zurücklegen. Dr. K. führte aus, die Klägerin gebe im linken Leistenbereich Dysästhesien und Hypästhesien an. Es liege hier höchstwahrscheinlich eine Neurinombildung bei Zustand nach einem Leistenbruch vor. Durch diese Neurinombildung sei die aktive Beweglichkeit der Hüftgelenke deutlich schmerzhaft. Bei der passiven Beweglichkeitsprüfung beider Hüftgelenke zeige sich eine freie Beweglichkeit beidseits. Auf Grund des Wirbelsäulenleidens und der schmerzhaften aktiven Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks bei Neurinombildung im Bereich der linken Leiste liege eine Einschränkung des Gehvermögens vor. Bereits bei einer Gehstrecke von 500 Metern träten hier heftigste Schmerzen auf. Wegen der starken Schmerzen im Bereich der linken Leiste könne sich die Klägerin nur noch mit großer Anstrengung zu Fuß bewegen. Dr. Schulte führte aus, es liege eine anhaltende Schmerzsymptomatik im Bereich der ganzen Wirbelsäule mit Ausstrahlung in die Beine und deutlichen Gangstörungen bei bekannten, schweren Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule vor. Das chronische Schmerzsyndrom, die Meralgia peraesthetica in der linken Leiste nach Herniotomie und die chronisch rezidivierenden Lumbalgien bei Spondylolisthesis im Bereich der Lendenwirbelsäule führten zu einer deutlichen Einschränkung des Gehvermögens. Nach 10 Metern Gehstrecke träten Schmerzen der linken Leiste mit Ausstrahlung in das linke Bein auf.
Hierzu führte Dr. B. in der vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 28.03.2006 aus, die Beeinträchtigung der Gehfähigkeit sei bereits durch den Nachteilsausgleich G ausgeglichen. Bereits im Jahr 2001 sei der Verdacht auf ein Neurinom geäußert worden. Dass dies trotz dieses Verdachts bis heute bei der angegebenen Beschwerdesymptomatik nicht zu einer Abklärung geführt habe, sei nicht nachvollziehbar. Die Vorstellung, dass aus dieser Symptomatik die Gleichstellung mit einem Doppeloberschenkelamputierten oder rollstuhlpflichtigen Querschnittsgelähmten resultieren könne, wie dies im Klagebegehren zum Ausdruck komme, sei in keiner Weise begründet. Daneben bestehe eine konversionsneurotische Fehlhaltung bei psychasthenischer Grundpersönlichkeit. Möglicherweise bestünden hier entsprechende Überlagerungen.
Sodann holte das SG das fachorthopädische Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Chirurgie Prof. Dr. St. vom 03.07.2006 ein. Der Sachverständige diagnostizierte ein chronisches Schmerzsyndrom in der linken Leiste bei Verdacht auf ein Narbenneurinom nach Leistenbruchoperation mit davon ausgehender schmerzhafter Funktionsbeeinträchtigung des linken Beines, ein Lumbalsyndrom ohne radikuläre Symptomatik mit mäßiger schmerzhafter Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule bei Pseudospondylolisthesis L5/S1 mit interpartikularer Spondylolyse L5 und geringgradiger thorakolumbaler Skoliose, ein geringes Cervicalsyndrom ohne radikuläre Symptomatik, ein geringes Supraspinatussyndrom in der rechten Schulter, eine mäßige Heberden-Arthrose an den radialwärtigen Endgelenken der Langfinger beidseits und eine Osteoporose. In Bezug auf die linke Leiste führte Prof. Dr. St. aus, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit könne davon ausgegangen werden, dass die beeinträchtigende linksseitige Leistensituation nach neurologischer Abklärung durch neurochirurgisches Vorgehen zumindest wesentlich zu bessern, wenn nicht zu beheben, sei. Dieses seit 1994 bestehende Schmerzsyndrom sei stark beeinträchtigend, führe aber in keinem Fall zu einer Beeinträchtigung, die den Veränderungen entspreche, die die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs aG rechtfertigen würden. Es liege zwar eine erhebliche Gehbeeinträchtigung, aber keine der Definition entsprechende außergewöhnliche Gehbeeinträchtigung vor. Die Klägerin könne ohne Hilfsmittel gehen. Durch die wahrscheinlich neurinombedingte verkürzte Schrittlänge sei auch die zumutbare und mögliche Gehstrecke stark eingeschränkt. Damit liege aber noch keine der Definition entsprechende außergewöhnliche Gehbehinderung vor. Auch habe er keine Veränderungen gefunden, mit denen sich bei der noch möglichen Gehstrecke eine besondere Sturzgefahr erklären ließe. Im Ergebnis führte Prof. Dr. St. aus, die Gehgeschwindigkeit sei leistenschmerzbedingt reduziert. Zumutbar ohne Pausen und ohne Aufwendung besonderer Kräfte seien Wegstrecken von bis zu 100 Metern möglich. Wahrscheinlich sei es aber nicht möglich, zwei Kilometer innerhalb von 30 Minuten zurückzulegen, wobei aber weniger funktionelle Beeinträchtigungen als eine psychasthenische Grundpersönlichkeit und eine konversionsneurotische Fehlhaltung eine Rolle spielten. Die Klägerin leide beim Gehen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht unter besonderen Schmerzen, wenn und weil sie die Schrittlänge zur Schmerzverringerung verkürze und das Gehtempo verringere. Außerdem bestünden an den Beinen etwa seitengleiche Muskelverhältnisse, was eine einseitige schmerzbedingte Funktionsbeeinträchtigung ausschließe.
Sodann holte das SG das psychosomatisch-schmerztherapeutische Gutachten vom Facharzt für Innere Medizin, Psychotherapeutische Medizin und Physikalische sowie Rehabilitative Medizin Dr. G., Chefarzt an der Reha-Klinik G., vom 28.03.2007 ein. Der Sachverständige diagnostizierte ein chronisches Schmerzsyndrom mit bio-psychosozialen Konsequenzen und eine leicht bis mittelgradig anhaltende depressive Episode. Zur Gehfähigkeit führte Dr. G. aus, es sei ihm glaubhaft und nachvollziehbar erschienen, dass bereits extrem kurze Wegstrecken von weniger als 20 Metern mit erheblichen Schmerzen verbunden seien. Auch in der Gesprächssituation sei durchgängig zu beobachten gewesen, dass die Klägerin eine eher liegende Position habe einnehmen und zwischendurch aufstehen müssen, um die Schmerzen zu kompensieren. Das Konstatieren einer außergewöhnlichen Gehbehinderung würde der Klägerin ein sehr viel höheres Maß an Selbständigkeit zugestehen, da sie dadurch sowohl Arztbesuche wie auch Einkäufe aber auch weitere Möglichkeiten des sozialen Lebens wahrnehmen könnte. Dies würde seines Erachtens zu einer Stabilisierung der Gesamtpersönlichkeit und der beschriebenen Gesundheitsstörungen beitragen. Die Klägerin könne ohne Hilfsmittel in sehr langsamer Geschwindigkeit etwa 20 Meter ohne Pausen zurücklegen. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit sei es ihr allerdings nicht mehr möglich, zwei Kilometer innerhalb von 30 Minuten zurückzulegen. Von Hilfsmitteln jeglicher Art sei keine wesentliche Veränderung dieser Einschätzung zu erwarten. Die Klägerin leide beim Gehen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit unter besonderen Schmerzen, was während der Untersuchung bei Gängen durch die Klinik mehrfach zu beobachten gewesen sei. Auf dem Hintergrund neurobiologischer Erkenntnisse zur Schmerzentwicklung sei zu dieser Einschätzung das äußere Maß an Schrittlänge und Gehtempo nicht ausschlaggebend, sondern vielmehr das Erleben der betroffenen Person selbst. Da mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Aggravation oder Simulation auszuschließen seien, bestehe kein Zweifel an dem subjektiven Erleben der Klägerin.
Hierzu führte Dr. F. in der vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.07.2007 aus, der Gesamt-GdB betrage 60. Eine Beeinträchtigung des Gehvermögens, die in ihrem Ausmaß den Gesundheitsstörungen für die Feststellungen des Nachteilsausgleichs aG gleichzusetzen wäre, sei nicht anzunehmen. Das hierauf basierende Vergleichsangebot des Beklagten vom 11.07.2007 nahm die Klägerin nicht an.
Mit Urteil vom 19.10.2007 hob das SG den Bescheid vom 08.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 12.10.2005 auf und verpflichtete den Beklagten, seit 09.09.2004 einen GdB von 60 sowie das Vorliegen der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich aG festzustellen. Zur Begründung führte es aus, es sei davon überzeugt, dass die Klägerin sich bereits vom ersten Schritt an nur mit großer Anstrengung zumutbar bewegen könne. Das SG stützte sich dabei auf die eingeholten sachverständigen Zeugenauskünfte, das Gutachten von Dr. G. sowie den gewonnenen persönlichen Eindruck von der Klägerin. In beiden Verhandlungsterminen habe die Klägerin einen extrem schmerzgeplagten Eindruck gemacht. So habe sie in Folge der Schmerzen häufig die Körperposition wechseln müssen. Auch sei offensichtlich gewesen, dass ihr das Herumgehen im Sitzungssaal große Schwierigkeiten gemacht habe. Die Verkürzung der Schrittlänge und die Verringerung des Gehtempos zeige im Gegensatz zu der Einschätzung von Prof. Dr. St., dass die Klägerin die Schmerzen tatsächlich erleide. Auch die von Prof. Dr. St. festgestellte seitengleiche Bemuskelung spreche nicht gegen die große Anstrengung. Denn beim Gehen müssten notgedrungen beide Beine verwendet werden. Weil die besondere Anstrengung der Klägerin beim Gehen die Überwindung ihrer Schmerzen überhaupt darstelle, müsse dies nicht zwingend mit einer Verschmächtigung eines Beines einhergehen. Auch sei es unerheblich, ob das Schmerzerleben der Klägerin auf einer somatischen oder psychischen Erkrankung beruhe oder ob das Schmerzempfinden der Klägerin durch eine besondere psychische Disposition heraufgesetzt sei. Auch für die Feststellung der Voraussetzungen von Nachteilsausgleichen sei der Behinderungsbegriff maßgebend. Danach sei alleine Voraussetzung, dass die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweiche und die Teilhabe der betroffenen Person am Leben in der Gesellschaft in Folge dessen beeinträchtigt sei. Selbst wenn die von der Klägerin empfundenen Schmerzen, die letztlich die besonderen Anstrengungen beim Gehen erforderlich machten, allein psychogen wären oder das besondere Schmerzempfinden der Klägerin allein auf eine bestimmte Persönlichkeitsstruktur zurückgehen sollte, stünde dies der Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs aG nicht entgegen, solange die Klägerin die Schmerzen nur überhaupt in dieser Form verspüre und sie ihr beim Gehen besondere Anstrengungen abverlangten. Das SG führte weiter aus, eine Unterscheidung nach den Gründen für Schmerzen, die besondere Schwierigkeiten beim Gehen verursachten, sei gleichheitswidrig. Zwar ließen sich Schmerzen nicht messen. Dennoch wäre es eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem, wenn ein behinderter Mensch mit einem normalen Schmerzempfinden den Nachteilsausgleich aG in Anspruch nehmen könnte, während eine Person mit stärkerem Schmerzempfinden bei gleichstark empfundenen Schmerzen und in Folge dessen gleich hohen Anstrengungen bei der Fortbewegung der Nachteilsausgleich aG verwehrt würde. Denn Vergleichsmaßstab für die erforderliche Anstrengung für das Gehen sei nicht, welche körperliche, geistige oder seelische Veränderung üblicherweise oder im Durchschnitt der Betroffenen zu Schmerzen führe, die eine große Anstrengung zur Folge hätten, sondern welche Schmerzen der Betroffene nachgewiesenermaßen erleide.
Gegen das ihm am 24.01.2008 zugestellte Urteil des SG hat der Beklagte am 06.02.2008 Berufung eingelegt. Die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung dürfe nur auf eine Einschätzung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden. Das SG hätte keinesfalls zu dem Ergebnis gelangen dürfen, dass hier eine außergewöhnliche Gehbehinderung tatsächlich vorliege, weil einerseits die medizinische objektive Befundsituation dies bereits widerlegt habe und andererseits die bislang festgestellten Beeinträchtigungen auf keine schmerzbedingte außergewöhnliche Gehbehinderung schließen ließen. Erhebliche Zweifel an einer solch schmerzbedingten außergewöhnlichen Gehbehinderung ergäben sich daraus, dass die Klägerin täglich sechs Stunden arbeite. Zweifel ergäben sich auch daraus, dass die Klägerin ihre Schmerzmedikamente abgesetzt habe. Da somit zusammenfassend aus dem objektiven Akteninhalt eine außergewöhnliche Gehbehinderung nicht abgeleitet werden könne, weil subjektives Empfinden der Klägerin nicht nachvollziehbar sei und deshalb eine Berücksichtigung ohne jeden Bewertungsmaßstab erfolge und damit dem Gleichheitsgrundsatz zuwider laufen würde, könne die erstinstanzliche Entscheidung keinen Bestand haben.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19.10.2007 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit er zur Feststellung des Nachteilsausgleichs aG verurteilt worden ist.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat ergänzend ausgeführt, ihr Arbeitgeber nehme große Rücksicht auf ihre Einschränkungen und betraue sie nur mit Arbeiten, die sie trotz ihrer schweren Behinderung ohne zusätzliche Schmerzen ausführen könne. Ein Verlassen des Arbeitsbereichs, beispielsweise zum Besuch der Kantine oder des Pausenbereichs in ihrer Abteilung, seien auf Grund der Bewegungseinschränkung nicht möglich. Die Klägerin hat des Weiteren angegeben, sie benötige für den täglichen Weg zum Arbeitsplatz ca. 45 Minuten. Von ihrer Wohnung seien ihre Garage ca. 30 Meter und ihr Arbeitsplatz ca. 9 Kilometer entfernt. Auf dem Weg von Parkplatz zum Arbeitsplatz müsse sie schon nach wenigen Metern pausieren, um dann nach einigen Minuten bis zur nächsten Pause weitergehen zu können. Dieser Vorgang wiederhole sich mindestens sechsmal.
Der Senat hat zunächst die ergänzende Stellungnahme von Dr. G. vom 15.04.2008 eingeholt. Dr. G. hat ausgeführt, die Klägerin habe während der Untersuchung nach ca. 20 Metern schmerzbedingt stehen bleiben müssen. Insgesamt habe es sich während des Untersuchungstages um das Zurücklegen zweier kürzerer Strecken mit einer Länge von ca. 30 bis 40 Metern gehandelt. Dabei sei auch ein Stockwerk zu überwinden gewesen. Ob hierfür der Fahrstuhl oder die Treppen benutzt worden seien, sei nicht mehr erinnerlich. Weiter hat der Senat die schriftliche Zeugenauskunft des Arbeitgebers der Klägerin, der P. GmbH, vom 15.08.2008 eingeholt. Der Personalleiter N. und die Personalsachbearbeiterin F. haben ausgeführt, die Arbeitshaltung der Klägerin sei überwiegend stehend. Eine Stehhilfe, spezielle Fußmatten und ein elektrisch verstellbarer Arbeitstisch stünden zur Verfügung. Die Klägerin sei nur an diesem einen Schonarbeitsplatz einsetzbar. Während der Arbeitszeit müssten keine Wegstrecken zurückgelegt werden. Eine arbeitsplatznahe Toilette könne die Klägerin nutzen. Außerdem stehe der Klägerin auf Grund ihrer Behinderung ein arbeitsplatznaher Parkplatz in einer Entfernung von 150 Metern zur Verfügung. Beim Zurücklegen dieser Strecke sei auffällig, dass die Klägerin mehrere Pausen einlegen müsse und diese Strecke nicht ohne schmerzbedingte Unterbrechungen zurücklegen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist begründet.
Zu Unrecht hat das SG die Verpflichtung des Beklagten ausgesprochen, bei der Klägerin die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs aG festzustellen.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 69 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Hiernach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen aG einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Vierte Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes [SchwbAwV]). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) nach sich, insbesondere die Nutzung von gesondert ausgewiesenen Behindertenparkplätzen (Rollstuhlfahrersymbol, Zusatzzeichen 1020-11, 1044-10, 1044-11 StVO) und die Befreiung von verschiedenen Parkbeschränkungen (zum Beispiel vom eingeschränkten Halteverbot für die Dauer von drei Stunden). Darüber hinaus führt sie unter anderem zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer (§ 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz [KraftStG]) bei gleichzeitiger Möglichkeit der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (§ 145 Abs. 1 SGB IX) und gegebenenfalls zur Ausnahme von allgemeinen Fahrverboten nach § 40 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG). Sie macht die steuerliche Geltendmachung von Kosten des Kraftfahrzeugs, soweit sie nicht schon Werbungs- oder Betriebskosten sind, als außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) in angemessenem Umfang möglich. Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung ist Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO; abgedruckt in "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2008 [AHP], Nr. 27, S. 135; Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz [BVG] [VG]). Danach ist außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann (Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO; AHP Nr. 31 Abs. 2, S. 139; VG Teil D Nr. 3 b Satz 1, S. 116). Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind (Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO; AHP Nr. 31 Abs. 3 Halbsatz 1, S. 139; Teil D Nr. 3 b Satz 2 Halbsatz 1, S. 116), sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind (Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO; AHP Nr. 31 Abs. 3 Halbsatz 2, S. 139; VG Teil D Nr. 3 b Satz 2 Halbsatz 2, S. 116). Die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung darf nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden (AHP Nr. 31 Abs. 4 Satz 1, S. 139; VG Teil D Nr. 3 c Satz 1, S. 116). Bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist zu beachten, dass das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt sein muss und deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist (AHP Nr. 31 Abs. 4 Satz 2, S. 139; VG Teil D Nr. 3 c Satz 2, S. 116). Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigten, sind beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen (AHP, Nr. 31 Abs. 4 Satz 4; VG Teil D Nr. 3 c Satz 5, S. 116). Während die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO aufgeführten Schwerbehinderten relativ einfach zu bestimmen sind, ist dies bei der Gruppe der gleichgestellten Schwerbehinderten nicht ohne Probleme möglich. Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG, Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 1/97 R - BSGE 82, 37). Schwierigkeiten bereitet hierbei der Vergleichsmaßstab, weil die verschiedenen, in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO aufgezählten Gruppen in ihrer Wegefähigkeit nicht homogen sind und einzelne Vertreter dieser Gruppen - bei gutem gesundheitlichem Allgemeinzustand, hoher körperlicher Leistungsfähigkeit und optimaler prothetischer Versorgung - ausnahmsweise nahezu das Gehvermögen eines Nichtbehinderten erreichen können (BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R - BSGE 90, 180). Solche Besonderheiten können aber angesichts des mit der Zuerkennung des Merkzeichens aG bezweckten Nachteilsausgleichs nicht als Maßstab für die Bestimmung der Gleichstellung herangezogen werden. Vielmehr muss sich dieser strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren; dies ist Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO beziehungsweise § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG (BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R - BSGE 90, 180). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen Schwerbehinderten geschaffen werden sollte, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen (BT-Drucks 8/3150, S. 9 und 10 in der Begründung zu § 6 StVG). Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten (BSG, Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 1/97 R - BSGE 82, 37). Für die Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen. Dabei lässt sich ein anspruchsausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren (BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R - BSGE 90, 180). Weder der gesteigerte Energieaufwand noch eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugen grundsätzlich dazu. Denn die maßgeblichen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften stellen nicht darauf ab, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt. Der gleichzustellende Personenkreis beschränkt sich daher auf Schwerbehinderte, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maß eingeschränkt ist und die sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen können wie die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Vergleichsgruppen (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R -; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - Behindertenrecht 2008, 138; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R - VersorgVerw 2007, 61). Auch soweit diese großen körperlichen Anstrengungen festzustellen sind, kann nicht allein auf eine gegriffene Größe wie die schmerzfrei zurückgelegte Wegstrecke abgestellt werden. Unabhängig von der Schwierigkeit, eine solche Wegstrecke objektiv, fehlerfrei und verwertbar festzustellen, ist die Tatsache, dass ein Betroffener nach einer bestimmten Strecke eine Pause machen muss, lediglich Indiz für eine Erschöpfung. Für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs aG reichen überdies nicht irgendwelche Erschöpfungszustände aus. Sie müssen in ihrer Intensität vielmehr gleichwertig mit den Erschöpfungszuständen sein, die Schwerbehinderte der in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Gruppen erleiden. Gradmesser hierfür kann die Intensität der Schmerzen beziehungsweise der Luftnot nach dem Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke sein. Ein solches Erschöpfungsbild lässt sich unter anderem aus der Dauer der erforderlichen Pause sowie den Umständen herleiten, unter denen der Schwerbehinderte nach der Pause seinen Weg fortsetzt. Nur kurzes Pausieren mit anschließendem Fortsetzen des Weges ohne zusätzliche Probleme ist im Hinblick auf den durch die Vergleichsgruppen gebildeten Maßstab zumutbar (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R -; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - Behindertenrecht 2008, 138; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R - VersorgVerw 2007, 61). Ob die danach erforderlichen großen körperlichen Anstrengungen beim Gehen vorliegen, ist Gegenstand tatrichterlicher Würdigung, die sich auf alle verfügbaren Beweismittel, wie Befundberichte der behandelnden Ärzte, Sachverständigengutachten oder einen dem Gericht persönlich vermittelten Eindruck, stützen kann. Gerade bei multimorbiden Schwerbehinderten liegt auf der Hand, dass allein das Abstellen auf ein starres Kriterium keine sachgerechte Beurteilung ermöglicht, weil es eine Gesamtschau aller relevanten Umstände eher verhindert. Gerade die Anwendung eines einzelnen starren Kriteriums birgt die Gefahr eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R -; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - Behindertenrecht 2008, 138; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R - VersorgVerw 2007, 61). Ein an einer bestimmten Wegstrecke und einem Zeitmaß orientierter Maßstab liegt auch nicht wegen der Methode nahe, mit der die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G) festgestellt werden (vergleiche dazu AHP Nr. 30, S. 136; VG Teil D Nr. 1, S. 114). Denn für den Nachteilsausgleich aG gelten gegenüber dem Nachteilsausgleich G nicht gesteigerte, sondern andere Voraussetzungen (BSG, Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 3/94 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 11). Ebenso wenig lässt sich ein allein maßgebliches Wegstrecken-Zeit-Kriterium aus dem straßenverkehrsrechtlichen Zweck des Nachteilsausgleichs aG herleiten. Insofern kommt es nicht auf die üblicherweise auf Großparkplätzen zurückzulegende Strecke zwischen allgemein nutzbaren Parkplätzen und Gebäudeeingängen an. Der Nachteilsausgleich aG soll die stark eingeschränkte Gehfähigkeit durch Verkürzung der Wege infolge der gewährten Parkerleichterungen ausgleichen (BSG, Urteil vom 06.11.1985 - 9a RVs 7/83 - SozR 3870 § 3 Nr. 18). Ein bestimmtes Wegstreckenkriterium erschiene nur dann als sachgerecht, wenn die betreffende Wegstrecke grundsätzlich geeignet wäre, den bestehenden Nachteil auszugleichen. Das könnte es nahelegen, auf die Platzierung gesondert ausgewiesener Behindertenparkplätze abzustellen. Aber auch diesem Ansatz ist nicht zuzustimmen. Abgesehen davon, dass es keine empirischen Untersuchungen zur durchschnittlichen Entfernung zwischen gesondert ausgewiesenen Behindertenparkplätzen und den Eingängen zu Einrichtungen des sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens gibt, greift die alleinige Ausrichtung auf Behindertenparkplätze (Zusatzzeichen 1020-11, 1044-10, 1044-11 StVO) zu kurz. Denn daneben werden nach Abschnitt I Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO weitere umfangreiche Parkerleichterungen, wie zum Beispiel die Ausnahme vom eingeschränkten Halteverbot, gewährt (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R -; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - Behindertenrecht 2008, 138; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R - VersorgVerw 2007, 61). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin außergewöhnlich gehbehindert ist. Weder gehört sie zu dem in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO aufgeführten Personenkreis, noch ist sie nach Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Abs. 2 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 WvW-StVO aufgrund ihrer Erkrankungen diesem Personenkreis gleichzustellen. Denn der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass das Gehvermögen der Klägerin auf das Schwerste eingeschränkt ist und mit dem Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten gleichzusetzen ist.
Zwar sieht der Senat, dass eine beträchtliche Einschränkung der Gehfähigkeit der Klägerin vorliegt. Diese ist aber angemessen mit der Zuerkennung des Merkzeichens G berücksichtigt. Eine das Merkzeichen aG rechtfertigende Einschränkung der Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße, also derart, dass sich die Klägerin unter ebenso großen Anstrengungen wie beispielsweise ein Doppeloberschenkelamputierter oder sich nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann, ist nicht festzustellen.
Die Klägerin ist immerhin in der Lage, ihren Haushalt zu führen. Zwar nimmt die Haushaltsführung nach Angaben der Klägerin sehr viel Zeit in Anspruch und kann nur durch viele Unterbrechungspausen und unter Schmerzen erledigt werden. Dabei ist aber nicht zu verkennen, dass die Klägerin nach eigenen Angaben immer noch in der Lage ist, kleinere Einkäufe alleine durchzuführen. So hat sie angegeben, sie müsse sich bei ihren Einkaufsgängen, bei denen sie auch eine Einkaufstasche zu tragen habe, nach 30 bis 40 Metern ausruhen. Wie oben bereits dargelegt, ist aber für die Zuerkennung des Merkzeichens aG erforderlich, dass der Betroffene bereits von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeugs fremder Hilfe bedarf beziehungsweise nur mit großer Anstrengung gehen kann. Dies ist aber bei einer Gehstrecke von 30 bis 40 Metern nicht der Fall. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin noch in der Lage ist, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Zwar sieht der Senat, dass der Arbeitgeber der Klägerin die Tätigkeit an einem Schonarbeitsplatz ermöglicht. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach der Auskunft ihres Arbeitgebers vom 15.08.2008 immerhin alleine - wenn auch mit Pausen - die tägliche Strecke von 150 Metern zwischen Parkplatz und Arbeitsplatz zweimal zurückzulegen in der Lage ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben zur Dauer der von ihr täglich zum Arbeitsplatz zurückgelegten Strecken und der von ihr hierbei eingelegten Pausen. Diese Angaben waren insgesamt nicht in sich widerspruchsfrei. So hat die Klägerin angegeben, sie müsse auf dem Weg vom Parkplatz zum Arbeitsplatz schon nach wenigen Metern, beispielsweise nach zwei oder vier Metern, pausieren, um dann nach circa drei bis vier Minuten bis zur nächsten Pause weitergehen zu können. Träfen diese Angaben zu, müsste die Klägerin auf dem 150 Meter langen Weg mindestens 37 und nicht, wie von ihr in anderem Zusammenhang angegeben, rund sechs Pausen, einlegen. Der Senat konnte sich daher nicht von einer außergewöhnlichen Einschränkung der Gehfähigkeit überzeugen. Dass die Klägerin mit dem Personenkreis der Doppeloberschenkelamputierten nicht vergleichbar ist, ergibt sich auch daraus, dass sie die Frage des Senats, ob sie bereits einen Versuch unternommen habe, ihre Gehfähigkeit beziehungsweise -geschwindigkeit durch Benutzung eines Hilfsmittels, beispielsweise eines Gehstocks zu verbessern, verneint hat. Nach Ansicht des Senats wäre dies aber bei den von ihr angegebenen Schmerzen zu erwarten.
Eine andere Beurteilung lässt sich nach Ansicht des Senats auch nicht aus den aktenkundigen medizinischen Unterlagen herleiten. So hat die Heilpraktikerin U. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 29.01.2006 lediglich ausgeführt, dass der Klägerin schnelles Überqueren einer Straße nicht möglich sei und viele Zwangsruhepausen es der Klägerin unmöglich machten, einen Weg von zwei Kilometern in 30 Minuten zurückzulegen. Weitergehende Einschränkungen machte die Heilpraktikerin U. jedoch nicht. Sie gab sogar an, die Klägerin benötige keine fremde Hilfe beim Gehen. Ohne Ruhepausen könne die Klägerin ca. 25 Meter an einem Stück zurücklegen. Daraus ergibt sich eben gerade nicht, dass bei der Klägerin bereits vom ersten Schritt nach Verlassen ihres Kraftfahrzeugs die oben dargelegten für die Feststellung des Nachteilsausgleichs aG erforderlichen Einschränkungen vorliegen. Demgegenüber rechtfertigt es die Einschätzung von Dr. Sch. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 31.01.2006, Schmerzen in der linken Leiste träten bereits nach einer Gehstrecke von 10 Metern auf, nicht die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs aG, zumal er den Schweregrad dieser Schmerzen nicht beschrieben hat und Dr. K. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 24.08.2005 erst ab einer Gehstrecke von 500 Metern das Auftreten heftigster Schmerzen konstatierte.
Dass das bei der Klägerin vorhandene Beschwerdebild nicht mit denjenigen eines Doppeloberschenkelamputierten vergleichbar ist, ergibt sich auch aus dem Gutachten von Prof. Dr. St. vom 03.07.2006. Dieser hat für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin in der Lage ist, ohne Hilfsmittel zu gehen. Auch hat er keine Veränderungen gesehen, mit denen sich bei der noch möglichen Gehstrecke eine besondere Sturzgefahr erklären ließe. So kam er zutreffend zu dem Schluss, dass die bloße leistenschmerzbedingte Reduzierung der Gehgeschwindigkeit die Klägerin nicht daran hindere, Wegstrecken bis zu 100 Metern zurückzulegen. Diese Gehstrecke sah er als möglich an, wenn die Klägerin ihre Schrittlänge und ihr Gehtempo verringere. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten von Dr. G. vom 28.03.2007. Er hat nach Einschätzung des Senats zu sehr in den Vordergrund gerückt, dass die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs aG zu einer Stabilisierung der Gesamtpersönlichkeit der Klägerin und der von ihm beschriebenen Gesundheitsstörungen beitragen könne. Auf derartige therapeutische Erwägungen kommt es aber nicht an. Vielmehr ist es entscheidend, ob die Klägerin mit einem Doppeloberschenkelamputierten vergleichbar ist.
Hiergegen spricht nach Einschätzung des Senats schließlich auch, dass die Klägerin nach ihren Angaben die Einnahme von Schmerzmitteln abgesetzt hat, sich nicht in fachärztlicher schmerztherapeutischer Behandlung befindet und sich trotz des Verdachts auf das Vorliegen eines Neurinoms bislang - worauf Dr. B. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 28.03.2006 und Prof. Dr. St. in seinem Gutachten vom 03.07.2006 zutreffend hingewiesen haben - keinem operativen Eingriff unterzogen hat. Diese Gesichtspunkte sprechen gegen das Vorliegen eines massiven Leidensdrucks.
Nach alledem hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Feststellung des Merkzeichens aG.
Daher war das Urteil des SG vom 19.10.2007 insoweit abzuändern, als der Beklagte zur Feststellung des Nachteilsausgleichs aG verurteilt wurde, und die insoweit gegen den Bescheid vom 08.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2005 erhobene Klage abzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Der Beklagte trägt ein Viertel der außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens. Außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Berechtigung der Klägerin für den Nachteilsausgleich "außergewöhnliche Gehbehinderung" (aG).
Die 1952 geborene, allein lebende Klägerin geht seit 1986 einer beruflichen Tätigkeit als Montagearbeiterin mit einer täglichen Arbeitszeit von sechs Stunden nach. Bei ihr erfolgten im Jahr 1990 die operative Entfernung eines Uterus myomatosus durch eine Hysterektomie, im Jahr 1994 eine Leistenhernien-Operation links und im Jahr 1995 eine Narbenrevisions-Operation mit Neurolyse des Nervus genito hypogastrikus.
Bei der Klägerin wurde mit dem das angenommene Anerkenntnis ausführenden Bescheid des Versorgungsamts (VA) vom 14.10.1999 der Grad der Behinderung (GdB) mit 50 ab 21.07.1997 festgestellt. Außerdem stellte das VA mit Bescheid vom 07.02.2000 eine "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (Merkzeichen G) fest. Im weiteren Verlauf lehnte das VA den Neufeststellungsantrag vom 26.10.2000 mit Bescheid vom 05.01.2001 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 23.07.2001 und den Antrag auf Feststellung des Merkzeichens aG vom 07.03.2001 mit Bescheid vom 20.08.2001 ab.
Am 09.09.2004 beantragte die Klägerin erneut die Neufeststellung ihres GdB sowie die Feststellung weiterer gesundheitlicher Merkmale für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen. In dem Formularantrag gab sie an, das chronische Schmerzsyndrom sowie das Wirbelsäulensyndrom hätten sich verschlimmert und eine Hypoglykämie sowie eine chronische Gastritis seien neu aufgetreten. Beigefügt war die vom Arzt für Innere Medizin und Betriebsmedizin Dr. Sch. unter dem 12.07.2004 ausgestellte ärztliche Bestätigung einer schwerwiegenden chronischen Krankheit (Diagnosen: chronisches Schmerzsyndrom bei Zustand nach multiplen Bauchoperationen, Wirbelsäulensyndrom mit rezidivierenden Neuralgien und Myopathien, Osteoporose, Neigung zu Hypoglykämien, Verdacht auf endokrinologische Erkrankung, Cholecystopathie und chronische Gastritis). Das VA holte die Befundberichte des Facharztes für Orthopädie, physikalische Medizin und Rehamedizin Dr. K. vom 15.09.2004 (Diagnosen: Meralgia paraesthetika links bei Neurinombildung in der linken Leiste nach Leistenbruchoperation, chronische rezidivierende Lumbalgien bei Spondylolisthesis L5/S1 Grad I nach Meyerding, Fingergelenkspolyarthrose, Carpaltunnelsyndrom beidseits und beginnende Omarthrose beidseits) ein und zog von dem Internisten, Gastroenterologen und Endokrinologen Dr. S. dessen Arztbriefe vom 11.03.2004 (Diagnosen: Ausschluss einer Nebenniereninsuffizienz, einer Hypothyreose und eines Diabetes mellitus) sowie vom 18.06.2004 (Diagnosen: postprandiale Hypoglycämie bei Verdacht auf idiopathisches postprandiales Syndrom IPPS) bei.
Dr. T.-T. brachte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.11.2004 als Behinderungen eine Polyneuropathie, eine Polyarthrose, eine Teillähmung des linken Ischiasnervs (Teil-GdB 30), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, eine Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose) und ein chronisches Schmerzsyndrom (Teil-GdB 30) sowie ein Schulter-Arm-Syndrom, eine Mittelnervendruckschädigung beidseits (Carpaltunnelsyndrom) und eine Fingerpolyarthrose (Teil-GdB 10) in Ansatz und bewertete den Gesamt-GdB mit 50. Die Gehfähigkeit sah er nicht auf das Schwerste eingeschränkt. Sodann lehnte das zwischenzeitlich zuständig gewordene Landratsamt B.-H. (LRA) den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 08.04.2005 ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 14.04.2005 Widerspruch ein. Sie führte unter anderem aus, sie habe Bewegungseinschränkungen und Schmerzen im Bereich der Arme und der Schulter, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie Probleme in der linken Leiste. Sie könne sich weder bücken noch strecken. Notwendige Behörden- und Arztbesuche seien ihr wegen der starken Schmerzen beim Gehen, Sitzen und Stehen nicht ohne Begleitung möglich. Alle Arbeiten im Haushalt nähmen sehr viel Zeit in Anspruch und könnten nur durch viele Unterbrechungspausen und unter großen Schmerzen beziehungsweise gar nicht erledigt werden. Selbst kleinste Einkäufe brächten sie an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Eine Einkaufstasche mit nur wenigen Artikeln zwinge sie bereits, nach 30 bis 40 Metern zum Ausruhen. Bei größeren Einkäufen sei sie auf die Hilfe anderer angewiesen. Das LRA holte den Befundbericht von Dr. Sch. vom 09.06.2005 ein, welchem der Arztbrief des Dr. K. vom 11.06.2004 (Diagnosen: chronische Dorsalgien und Lumbalgien bei Spondylolisthesis L5/S1 Grad I nach Meyerding) sowie die Arztbriefe des Facharztes für Neurologie Dr. W. vom 23.04.2001 (Diagnose: chronisches postoperatives Schmerzsyndrom der linken Leiste), von Dr. Sch., Oberarzt an der Universitäts-Frauenklinik des Universitätsklinikums F., vom 19.02.2001, von Dr. S. vom 18.06.2004 und das erste Blatt des Reha-Entlassungsberichts der Rehabilitationsklinik S. über eine vom 11.06.2002 bis zum 02.07.2002 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme (Diagnosen: Meralgia peraesthetica links, Neurinombildung linke Leiste nach Leistenbruchoperation, Lendenwirbelsäulensyndrom bei Pseudo-Spondylolisthesis L5/S1, initiale Omarthrose beidseits, beginnende Polyarthrose der Hände, Hypercholesterinämie sowie psychasthenische Grundpersönlichkeit und konversionsneurotische Fehlhaltung) beigefügt waren.
Nachdem Dr. M. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 19.08.2005 keine weiteren Behinderungen in Ansatz gebracht hatte, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2005 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 02.11.2005 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen führte sie aus, die Bewegungseinschränkungen hätten dazu geführt, dass ihr im Rahmen eines Antrages auf Kfz-Hilfe die Mehrkosten für ein Automatikgetriebe bezahlt worden seien. Wenn sie aber bei Einkäufen, Arzt- und Behördenbesuchen weiter als 20 bis 40 Meter laufen müsse, seien die Milderungen, die das Automatikgetriebe bringe, wieder zunichte gemacht. Ohne die Möglichkeit, einen öffentlichen Behindertenparkplatz nützen zu können, könne sie solche Wege nicht selbständig, das heißt ohne Begleitung, angehen.
Das SG holte die sachverständigen Zeugenauskünfte der Heilpraktikerin U. vom 29.01.2006, von Dr. Sch. vom 31.01.2006, welchem u. a. die Arztbriefe von Dr. K. vom 24.08.2005 (Diagnosen: Fingergelenkpolyarthrose, chronische rezidivierende Lumbalgien bei Spondylolisthesis L5/S1 Grad I nach Meyerding und Ausschluss einer Coxarthrose) und von Prof. Dr. Z., Chefarzt der Abteilung Innere Medizin des St. Josefskrankenhauses F., vom 30.06.2005 (Diagnosen: Postprandiale Hypoglykämie bei Verdacht auf idiopathisches postprandiales Syndrom und DD Insulinom) beigefügt waren, und von Dr. K. vom 02.02.2006 ein. Die Heilpraktikerin U. führte aus, das Gehvermögen sei auf Grund der sich in Folge der am 09.09.1990 durchgeführten Unterleibsoperation stetig verschlechternden Schmerzen im linken Unterbauch und in der linken Leiste stark eingeschränkt, so dass schnelles Überqueren einer Straße nicht möglich sei. Die Gangart der Klägerin sei langsam und beschwerlich, sie müsse häufig rasten. Langsames Gehen und viele Zwangsruhepausen machten es unmöglich, einen Weg von zwei Kilometern in 30 Minuten zurückzulegen. Fremde Hilfe brauche die Klägerin nicht beim Gehen, aber es koste sie große Anstrengung und viel Zeit. Ohne Ruhepausen könne die Klägerin ca. 25 Meter an einem Stück zurücklegen. Dr. K. führte aus, die Klägerin gebe im linken Leistenbereich Dysästhesien und Hypästhesien an. Es liege hier höchstwahrscheinlich eine Neurinombildung bei Zustand nach einem Leistenbruch vor. Durch diese Neurinombildung sei die aktive Beweglichkeit der Hüftgelenke deutlich schmerzhaft. Bei der passiven Beweglichkeitsprüfung beider Hüftgelenke zeige sich eine freie Beweglichkeit beidseits. Auf Grund des Wirbelsäulenleidens und der schmerzhaften aktiven Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks bei Neurinombildung im Bereich der linken Leiste liege eine Einschränkung des Gehvermögens vor. Bereits bei einer Gehstrecke von 500 Metern träten hier heftigste Schmerzen auf. Wegen der starken Schmerzen im Bereich der linken Leiste könne sich die Klägerin nur noch mit großer Anstrengung zu Fuß bewegen. Dr. Schulte führte aus, es liege eine anhaltende Schmerzsymptomatik im Bereich der ganzen Wirbelsäule mit Ausstrahlung in die Beine und deutlichen Gangstörungen bei bekannten, schweren Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule vor. Das chronische Schmerzsyndrom, die Meralgia peraesthetica in der linken Leiste nach Herniotomie und die chronisch rezidivierenden Lumbalgien bei Spondylolisthesis im Bereich der Lendenwirbelsäule führten zu einer deutlichen Einschränkung des Gehvermögens. Nach 10 Metern Gehstrecke träten Schmerzen der linken Leiste mit Ausstrahlung in das linke Bein auf.
Hierzu führte Dr. B. in der vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 28.03.2006 aus, die Beeinträchtigung der Gehfähigkeit sei bereits durch den Nachteilsausgleich G ausgeglichen. Bereits im Jahr 2001 sei der Verdacht auf ein Neurinom geäußert worden. Dass dies trotz dieses Verdachts bis heute bei der angegebenen Beschwerdesymptomatik nicht zu einer Abklärung geführt habe, sei nicht nachvollziehbar. Die Vorstellung, dass aus dieser Symptomatik die Gleichstellung mit einem Doppeloberschenkelamputierten oder rollstuhlpflichtigen Querschnittsgelähmten resultieren könne, wie dies im Klagebegehren zum Ausdruck komme, sei in keiner Weise begründet. Daneben bestehe eine konversionsneurotische Fehlhaltung bei psychasthenischer Grundpersönlichkeit. Möglicherweise bestünden hier entsprechende Überlagerungen.
Sodann holte das SG das fachorthopädische Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Chirurgie Prof. Dr. St. vom 03.07.2006 ein. Der Sachverständige diagnostizierte ein chronisches Schmerzsyndrom in der linken Leiste bei Verdacht auf ein Narbenneurinom nach Leistenbruchoperation mit davon ausgehender schmerzhafter Funktionsbeeinträchtigung des linken Beines, ein Lumbalsyndrom ohne radikuläre Symptomatik mit mäßiger schmerzhafter Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule bei Pseudospondylolisthesis L5/S1 mit interpartikularer Spondylolyse L5 und geringgradiger thorakolumbaler Skoliose, ein geringes Cervicalsyndrom ohne radikuläre Symptomatik, ein geringes Supraspinatussyndrom in der rechten Schulter, eine mäßige Heberden-Arthrose an den radialwärtigen Endgelenken der Langfinger beidseits und eine Osteoporose. In Bezug auf die linke Leiste führte Prof. Dr. St. aus, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit könne davon ausgegangen werden, dass die beeinträchtigende linksseitige Leistensituation nach neurologischer Abklärung durch neurochirurgisches Vorgehen zumindest wesentlich zu bessern, wenn nicht zu beheben, sei. Dieses seit 1994 bestehende Schmerzsyndrom sei stark beeinträchtigend, führe aber in keinem Fall zu einer Beeinträchtigung, die den Veränderungen entspreche, die die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs aG rechtfertigen würden. Es liege zwar eine erhebliche Gehbeeinträchtigung, aber keine der Definition entsprechende außergewöhnliche Gehbeeinträchtigung vor. Die Klägerin könne ohne Hilfsmittel gehen. Durch die wahrscheinlich neurinombedingte verkürzte Schrittlänge sei auch die zumutbare und mögliche Gehstrecke stark eingeschränkt. Damit liege aber noch keine der Definition entsprechende außergewöhnliche Gehbehinderung vor. Auch habe er keine Veränderungen gefunden, mit denen sich bei der noch möglichen Gehstrecke eine besondere Sturzgefahr erklären ließe. Im Ergebnis führte Prof. Dr. St. aus, die Gehgeschwindigkeit sei leistenschmerzbedingt reduziert. Zumutbar ohne Pausen und ohne Aufwendung besonderer Kräfte seien Wegstrecken von bis zu 100 Metern möglich. Wahrscheinlich sei es aber nicht möglich, zwei Kilometer innerhalb von 30 Minuten zurückzulegen, wobei aber weniger funktionelle Beeinträchtigungen als eine psychasthenische Grundpersönlichkeit und eine konversionsneurotische Fehlhaltung eine Rolle spielten. Die Klägerin leide beim Gehen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht unter besonderen Schmerzen, wenn und weil sie die Schrittlänge zur Schmerzverringerung verkürze und das Gehtempo verringere. Außerdem bestünden an den Beinen etwa seitengleiche Muskelverhältnisse, was eine einseitige schmerzbedingte Funktionsbeeinträchtigung ausschließe.
Sodann holte das SG das psychosomatisch-schmerztherapeutische Gutachten vom Facharzt für Innere Medizin, Psychotherapeutische Medizin und Physikalische sowie Rehabilitative Medizin Dr. G., Chefarzt an der Reha-Klinik G., vom 28.03.2007 ein. Der Sachverständige diagnostizierte ein chronisches Schmerzsyndrom mit bio-psychosozialen Konsequenzen und eine leicht bis mittelgradig anhaltende depressive Episode. Zur Gehfähigkeit führte Dr. G. aus, es sei ihm glaubhaft und nachvollziehbar erschienen, dass bereits extrem kurze Wegstrecken von weniger als 20 Metern mit erheblichen Schmerzen verbunden seien. Auch in der Gesprächssituation sei durchgängig zu beobachten gewesen, dass die Klägerin eine eher liegende Position habe einnehmen und zwischendurch aufstehen müssen, um die Schmerzen zu kompensieren. Das Konstatieren einer außergewöhnlichen Gehbehinderung würde der Klägerin ein sehr viel höheres Maß an Selbständigkeit zugestehen, da sie dadurch sowohl Arztbesuche wie auch Einkäufe aber auch weitere Möglichkeiten des sozialen Lebens wahrnehmen könnte. Dies würde seines Erachtens zu einer Stabilisierung der Gesamtpersönlichkeit und der beschriebenen Gesundheitsstörungen beitragen. Die Klägerin könne ohne Hilfsmittel in sehr langsamer Geschwindigkeit etwa 20 Meter ohne Pausen zurücklegen. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit sei es ihr allerdings nicht mehr möglich, zwei Kilometer innerhalb von 30 Minuten zurückzulegen. Von Hilfsmitteln jeglicher Art sei keine wesentliche Veränderung dieser Einschätzung zu erwarten. Die Klägerin leide beim Gehen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit unter besonderen Schmerzen, was während der Untersuchung bei Gängen durch die Klinik mehrfach zu beobachten gewesen sei. Auf dem Hintergrund neurobiologischer Erkenntnisse zur Schmerzentwicklung sei zu dieser Einschätzung das äußere Maß an Schrittlänge und Gehtempo nicht ausschlaggebend, sondern vielmehr das Erleben der betroffenen Person selbst. Da mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Aggravation oder Simulation auszuschließen seien, bestehe kein Zweifel an dem subjektiven Erleben der Klägerin.
Hierzu führte Dr. F. in der vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.07.2007 aus, der Gesamt-GdB betrage 60. Eine Beeinträchtigung des Gehvermögens, die in ihrem Ausmaß den Gesundheitsstörungen für die Feststellungen des Nachteilsausgleichs aG gleichzusetzen wäre, sei nicht anzunehmen. Das hierauf basierende Vergleichsangebot des Beklagten vom 11.07.2007 nahm die Klägerin nicht an.
Mit Urteil vom 19.10.2007 hob das SG den Bescheid vom 08.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 12.10.2005 auf und verpflichtete den Beklagten, seit 09.09.2004 einen GdB von 60 sowie das Vorliegen der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich aG festzustellen. Zur Begründung führte es aus, es sei davon überzeugt, dass die Klägerin sich bereits vom ersten Schritt an nur mit großer Anstrengung zumutbar bewegen könne. Das SG stützte sich dabei auf die eingeholten sachverständigen Zeugenauskünfte, das Gutachten von Dr. G. sowie den gewonnenen persönlichen Eindruck von der Klägerin. In beiden Verhandlungsterminen habe die Klägerin einen extrem schmerzgeplagten Eindruck gemacht. So habe sie in Folge der Schmerzen häufig die Körperposition wechseln müssen. Auch sei offensichtlich gewesen, dass ihr das Herumgehen im Sitzungssaal große Schwierigkeiten gemacht habe. Die Verkürzung der Schrittlänge und die Verringerung des Gehtempos zeige im Gegensatz zu der Einschätzung von Prof. Dr. St., dass die Klägerin die Schmerzen tatsächlich erleide. Auch die von Prof. Dr. St. festgestellte seitengleiche Bemuskelung spreche nicht gegen die große Anstrengung. Denn beim Gehen müssten notgedrungen beide Beine verwendet werden. Weil die besondere Anstrengung der Klägerin beim Gehen die Überwindung ihrer Schmerzen überhaupt darstelle, müsse dies nicht zwingend mit einer Verschmächtigung eines Beines einhergehen. Auch sei es unerheblich, ob das Schmerzerleben der Klägerin auf einer somatischen oder psychischen Erkrankung beruhe oder ob das Schmerzempfinden der Klägerin durch eine besondere psychische Disposition heraufgesetzt sei. Auch für die Feststellung der Voraussetzungen von Nachteilsausgleichen sei der Behinderungsbegriff maßgebend. Danach sei alleine Voraussetzung, dass die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweiche und die Teilhabe der betroffenen Person am Leben in der Gesellschaft in Folge dessen beeinträchtigt sei. Selbst wenn die von der Klägerin empfundenen Schmerzen, die letztlich die besonderen Anstrengungen beim Gehen erforderlich machten, allein psychogen wären oder das besondere Schmerzempfinden der Klägerin allein auf eine bestimmte Persönlichkeitsstruktur zurückgehen sollte, stünde dies der Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs aG nicht entgegen, solange die Klägerin die Schmerzen nur überhaupt in dieser Form verspüre und sie ihr beim Gehen besondere Anstrengungen abverlangten. Das SG führte weiter aus, eine Unterscheidung nach den Gründen für Schmerzen, die besondere Schwierigkeiten beim Gehen verursachten, sei gleichheitswidrig. Zwar ließen sich Schmerzen nicht messen. Dennoch wäre es eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem, wenn ein behinderter Mensch mit einem normalen Schmerzempfinden den Nachteilsausgleich aG in Anspruch nehmen könnte, während eine Person mit stärkerem Schmerzempfinden bei gleichstark empfundenen Schmerzen und in Folge dessen gleich hohen Anstrengungen bei der Fortbewegung der Nachteilsausgleich aG verwehrt würde. Denn Vergleichsmaßstab für die erforderliche Anstrengung für das Gehen sei nicht, welche körperliche, geistige oder seelische Veränderung üblicherweise oder im Durchschnitt der Betroffenen zu Schmerzen führe, die eine große Anstrengung zur Folge hätten, sondern welche Schmerzen der Betroffene nachgewiesenermaßen erleide.
Gegen das ihm am 24.01.2008 zugestellte Urteil des SG hat der Beklagte am 06.02.2008 Berufung eingelegt. Die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung dürfe nur auf eine Einschätzung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden. Das SG hätte keinesfalls zu dem Ergebnis gelangen dürfen, dass hier eine außergewöhnliche Gehbehinderung tatsächlich vorliege, weil einerseits die medizinische objektive Befundsituation dies bereits widerlegt habe und andererseits die bislang festgestellten Beeinträchtigungen auf keine schmerzbedingte außergewöhnliche Gehbehinderung schließen ließen. Erhebliche Zweifel an einer solch schmerzbedingten außergewöhnlichen Gehbehinderung ergäben sich daraus, dass die Klägerin täglich sechs Stunden arbeite. Zweifel ergäben sich auch daraus, dass die Klägerin ihre Schmerzmedikamente abgesetzt habe. Da somit zusammenfassend aus dem objektiven Akteninhalt eine außergewöhnliche Gehbehinderung nicht abgeleitet werden könne, weil subjektives Empfinden der Klägerin nicht nachvollziehbar sei und deshalb eine Berücksichtigung ohne jeden Bewertungsmaßstab erfolge und damit dem Gleichheitsgrundsatz zuwider laufen würde, könne die erstinstanzliche Entscheidung keinen Bestand haben.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19.10.2007 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit er zur Feststellung des Nachteilsausgleichs aG verurteilt worden ist.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat ergänzend ausgeführt, ihr Arbeitgeber nehme große Rücksicht auf ihre Einschränkungen und betraue sie nur mit Arbeiten, die sie trotz ihrer schweren Behinderung ohne zusätzliche Schmerzen ausführen könne. Ein Verlassen des Arbeitsbereichs, beispielsweise zum Besuch der Kantine oder des Pausenbereichs in ihrer Abteilung, seien auf Grund der Bewegungseinschränkung nicht möglich. Die Klägerin hat des Weiteren angegeben, sie benötige für den täglichen Weg zum Arbeitsplatz ca. 45 Minuten. Von ihrer Wohnung seien ihre Garage ca. 30 Meter und ihr Arbeitsplatz ca. 9 Kilometer entfernt. Auf dem Weg von Parkplatz zum Arbeitsplatz müsse sie schon nach wenigen Metern pausieren, um dann nach einigen Minuten bis zur nächsten Pause weitergehen zu können. Dieser Vorgang wiederhole sich mindestens sechsmal.
Der Senat hat zunächst die ergänzende Stellungnahme von Dr. G. vom 15.04.2008 eingeholt. Dr. G. hat ausgeführt, die Klägerin habe während der Untersuchung nach ca. 20 Metern schmerzbedingt stehen bleiben müssen. Insgesamt habe es sich während des Untersuchungstages um das Zurücklegen zweier kürzerer Strecken mit einer Länge von ca. 30 bis 40 Metern gehandelt. Dabei sei auch ein Stockwerk zu überwinden gewesen. Ob hierfür der Fahrstuhl oder die Treppen benutzt worden seien, sei nicht mehr erinnerlich. Weiter hat der Senat die schriftliche Zeugenauskunft des Arbeitgebers der Klägerin, der P. GmbH, vom 15.08.2008 eingeholt. Der Personalleiter N. und die Personalsachbearbeiterin F. haben ausgeführt, die Arbeitshaltung der Klägerin sei überwiegend stehend. Eine Stehhilfe, spezielle Fußmatten und ein elektrisch verstellbarer Arbeitstisch stünden zur Verfügung. Die Klägerin sei nur an diesem einen Schonarbeitsplatz einsetzbar. Während der Arbeitszeit müssten keine Wegstrecken zurückgelegt werden. Eine arbeitsplatznahe Toilette könne die Klägerin nutzen. Außerdem stehe der Klägerin auf Grund ihrer Behinderung ein arbeitsplatznaher Parkplatz in einer Entfernung von 150 Metern zur Verfügung. Beim Zurücklegen dieser Strecke sei auffällig, dass die Klägerin mehrere Pausen einlegen müsse und diese Strecke nicht ohne schmerzbedingte Unterbrechungen zurücklegen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist begründet.
Zu Unrecht hat das SG die Verpflichtung des Beklagten ausgesprochen, bei der Klägerin die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs aG festzustellen.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 69 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Hiernach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen aG einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Vierte Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes [SchwbAwV]). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) nach sich, insbesondere die Nutzung von gesondert ausgewiesenen Behindertenparkplätzen (Rollstuhlfahrersymbol, Zusatzzeichen 1020-11, 1044-10, 1044-11 StVO) und die Befreiung von verschiedenen Parkbeschränkungen (zum Beispiel vom eingeschränkten Halteverbot für die Dauer von drei Stunden). Darüber hinaus führt sie unter anderem zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer (§ 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz [KraftStG]) bei gleichzeitiger Möglichkeit der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (§ 145 Abs. 1 SGB IX) und gegebenenfalls zur Ausnahme von allgemeinen Fahrverboten nach § 40 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG). Sie macht die steuerliche Geltendmachung von Kosten des Kraftfahrzeugs, soweit sie nicht schon Werbungs- oder Betriebskosten sind, als außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) in angemessenem Umfang möglich. Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung ist Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO; abgedruckt in "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2008 [AHP], Nr. 27, S. 135; Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz [BVG] [VG]). Danach ist außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann (Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO; AHP Nr. 31 Abs. 2, S. 139; VG Teil D Nr. 3 b Satz 1, S. 116). Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind (Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO; AHP Nr. 31 Abs. 3 Halbsatz 1, S. 139; Teil D Nr. 3 b Satz 2 Halbsatz 1, S. 116), sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind (Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO; AHP Nr. 31 Abs. 3 Halbsatz 2, S. 139; VG Teil D Nr. 3 b Satz 2 Halbsatz 2, S. 116). Die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung darf nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden (AHP Nr. 31 Abs. 4 Satz 1, S. 139; VG Teil D Nr. 3 c Satz 1, S. 116). Bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist zu beachten, dass das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt sein muss und deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist (AHP Nr. 31 Abs. 4 Satz 2, S. 139; VG Teil D Nr. 3 c Satz 2, S. 116). Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigten, sind beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen (AHP, Nr. 31 Abs. 4 Satz 4; VG Teil D Nr. 3 c Satz 5, S. 116). Während die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO aufgeführten Schwerbehinderten relativ einfach zu bestimmen sind, ist dies bei der Gruppe der gleichgestellten Schwerbehinderten nicht ohne Probleme möglich. Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG, Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 1/97 R - BSGE 82, 37). Schwierigkeiten bereitet hierbei der Vergleichsmaßstab, weil die verschiedenen, in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO aufgezählten Gruppen in ihrer Wegefähigkeit nicht homogen sind und einzelne Vertreter dieser Gruppen - bei gutem gesundheitlichem Allgemeinzustand, hoher körperlicher Leistungsfähigkeit und optimaler prothetischer Versorgung - ausnahmsweise nahezu das Gehvermögen eines Nichtbehinderten erreichen können (BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R - BSGE 90, 180). Solche Besonderheiten können aber angesichts des mit der Zuerkennung des Merkzeichens aG bezweckten Nachteilsausgleichs nicht als Maßstab für die Bestimmung der Gleichstellung herangezogen werden. Vielmehr muss sich dieser strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren; dies ist Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO beziehungsweise § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG (BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R - BSGE 90, 180). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen Schwerbehinderten geschaffen werden sollte, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen (BT-Drucks 8/3150, S. 9 und 10 in der Begründung zu § 6 StVG). Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten (BSG, Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 1/97 R - BSGE 82, 37). Für die Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen. Dabei lässt sich ein anspruchsausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren (BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R - BSGE 90, 180). Weder der gesteigerte Energieaufwand noch eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugen grundsätzlich dazu. Denn die maßgeblichen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften stellen nicht darauf ab, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt. Der gleichzustellende Personenkreis beschränkt sich daher auf Schwerbehinderte, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maß eingeschränkt ist und die sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen können wie die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Vergleichsgruppen (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R -; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - Behindertenrecht 2008, 138; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R - VersorgVerw 2007, 61). Auch soweit diese großen körperlichen Anstrengungen festzustellen sind, kann nicht allein auf eine gegriffene Größe wie die schmerzfrei zurückgelegte Wegstrecke abgestellt werden. Unabhängig von der Schwierigkeit, eine solche Wegstrecke objektiv, fehlerfrei und verwertbar festzustellen, ist die Tatsache, dass ein Betroffener nach einer bestimmten Strecke eine Pause machen muss, lediglich Indiz für eine Erschöpfung. Für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs aG reichen überdies nicht irgendwelche Erschöpfungszustände aus. Sie müssen in ihrer Intensität vielmehr gleichwertig mit den Erschöpfungszuständen sein, die Schwerbehinderte der in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Gruppen erleiden. Gradmesser hierfür kann die Intensität der Schmerzen beziehungsweise der Luftnot nach dem Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke sein. Ein solches Erschöpfungsbild lässt sich unter anderem aus der Dauer der erforderlichen Pause sowie den Umständen herleiten, unter denen der Schwerbehinderte nach der Pause seinen Weg fortsetzt. Nur kurzes Pausieren mit anschließendem Fortsetzen des Weges ohne zusätzliche Probleme ist im Hinblick auf den durch die Vergleichsgruppen gebildeten Maßstab zumutbar (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R -; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - Behindertenrecht 2008, 138; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R - VersorgVerw 2007, 61). Ob die danach erforderlichen großen körperlichen Anstrengungen beim Gehen vorliegen, ist Gegenstand tatrichterlicher Würdigung, die sich auf alle verfügbaren Beweismittel, wie Befundberichte der behandelnden Ärzte, Sachverständigengutachten oder einen dem Gericht persönlich vermittelten Eindruck, stützen kann. Gerade bei multimorbiden Schwerbehinderten liegt auf der Hand, dass allein das Abstellen auf ein starres Kriterium keine sachgerechte Beurteilung ermöglicht, weil es eine Gesamtschau aller relevanten Umstände eher verhindert. Gerade die Anwendung eines einzelnen starren Kriteriums birgt die Gefahr eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R -; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - Behindertenrecht 2008, 138; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R - VersorgVerw 2007, 61). Ein an einer bestimmten Wegstrecke und einem Zeitmaß orientierter Maßstab liegt auch nicht wegen der Methode nahe, mit der die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G) festgestellt werden (vergleiche dazu AHP Nr. 30, S. 136; VG Teil D Nr. 1, S. 114). Denn für den Nachteilsausgleich aG gelten gegenüber dem Nachteilsausgleich G nicht gesteigerte, sondern andere Voraussetzungen (BSG, Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 3/94 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 11). Ebenso wenig lässt sich ein allein maßgebliches Wegstrecken-Zeit-Kriterium aus dem straßenverkehrsrechtlichen Zweck des Nachteilsausgleichs aG herleiten. Insofern kommt es nicht auf die üblicherweise auf Großparkplätzen zurückzulegende Strecke zwischen allgemein nutzbaren Parkplätzen und Gebäudeeingängen an. Der Nachteilsausgleich aG soll die stark eingeschränkte Gehfähigkeit durch Verkürzung der Wege infolge der gewährten Parkerleichterungen ausgleichen (BSG, Urteil vom 06.11.1985 - 9a RVs 7/83 - SozR 3870 § 3 Nr. 18). Ein bestimmtes Wegstreckenkriterium erschiene nur dann als sachgerecht, wenn die betreffende Wegstrecke grundsätzlich geeignet wäre, den bestehenden Nachteil auszugleichen. Das könnte es nahelegen, auf die Platzierung gesondert ausgewiesener Behindertenparkplätze abzustellen. Aber auch diesem Ansatz ist nicht zuzustimmen. Abgesehen davon, dass es keine empirischen Untersuchungen zur durchschnittlichen Entfernung zwischen gesondert ausgewiesenen Behindertenparkplätzen und den Eingängen zu Einrichtungen des sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens gibt, greift die alleinige Ausrichtung auf Behindertenparkplätze (Zusatzzeichen 1020-11, 1044-10, 1044-11 StVO) zu kurz. Denn daneben werden nach Abschnitt I Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO weitere umfangreiche Parkerleichterungen, wie zum Beispiel die Ausnahme vom eingeschränkten Halteverbot, gewährt (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R -; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - Behindertenrecht 2008, 138; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R - VersorgVerw 2007, 61). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin außergewöhnlich gehbehindert ist. Weder gehört sie zu dem in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO aufgeführten Personenkreis, noch ist sie nach Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Abs. 2 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 WvW-StVO aufgrund ihrer Erkrankungen diesem Personenkreis gleichzustellen. Denn der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass das Gehvermögen der Klägerin auf das Schwerste eingeschränkt ist und mit dem Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten gleichzusetzen ist.
Zwar sieht der Senat, dass eine beträchtliche Einschränkung der Gehfähigkeit der Klägerin vorliegt. Diese ist aber angemessen mit der Zuerkennung des Merkzeichens G berücksichtigt. Eine das Merkzeichen aG rechtfertigende Einschränkung der Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße, also derart, dass sich die Klägerin unter ebenso großen Anstrengungen wie beispielsweise ein Doppeloberschenkelamputierter oder sich nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann, ist nicht festzustellen.
Die Klägerin ist immerhin in der Lage, ihren Haushalt zu führen. Zwar nimmt die Haushaltsführung nach Angaben der Klägerin sehr viel Zeit in Anspruch und kann nur durch viele Unterbrechungspausen und unter Schmerzen erledigt werden. Dabei ist aber nicht zu verkennen, dass die Klägerin nach eigenen Angaben immer noch in der Lage ist, kleinere Einkäufe alleine durchzuführen. So hat sie angegeben, sie müsse sich bei ihren Einkaufsgängen, bei denen sie auch eine Einkaufstasche zu tragen habe, nach 30 bis 40 Metern ausruhen. Wie oben bereits dargelegt, ist aber für die Zuerkennung des Merkzeichens aG erforderlich, dass der Betroffene bereits von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeugs fremder Hilfe bedarf beziehungsweise nur mit großer Anstrengung gehen kann. Dies ist aber bei einer Gehstrecke von 30 bis 40 Metern nicht der Fall. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin noch in der Lage ist, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Zwar sieht der Senat, dass der Arbeitgeber der Klägerin die Tätigkeit an einem Schonarbeitsplatz ermöglicht. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach der Auskunft ihres Arbeitgebers vom 15.08.2008 immerhin alleine - wenn auch mit Pausen - die tägliche Strecke von 150 Metern zwischen Parkplatz und Arbeitsplatz zweimal zurückzulegen in der Lage ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben zur Dauer der von ihr täglich zum Arbeitsplatz zurückgelegten Strecken und der von ihr hierbei eingelegten Pausen. Diese Angaben waren insgesamt nicht in sich widerspruchsfrei. So hat die Klägerin angegeben, sie müsse auf dem Weg vom Parkplatz zum Arbeitsplatz schon nach wenigen Metern, beispielsweise nach zwei oder vier Metern, pausieren, um dann nach circa drei bis vier Minuten bis zur nächsten Pause weitergehen zu können. Träfen diese Angaben zu, müsste die Klägerin auf dem 150 Meter langen Weg mindestens 37 und nicht, wie von ihr in anderem Zusammenhang angegeben, rund sechs Pausen, einlegen. Der Senat konnte sich daher nicht von einer außergewöhnlichen Einschränkung der Gehfähigkeit überzeugen. Dass die Klägerin mit dem Personenkreis der Doppeloberschenkelamputierten nicht vergleichbar ist, ergibt sich auch daraus, dass sie die Frage des Senats, ob sie bereits einen Versuch unternommen habe, ihre Gehfähigkeit beziehungsweise -geschwindigkeit durch Benutzung eines Hilfsmittels, beispielsweise eines Gehstocks zu verbessern, verneint hat. Nach Ansicht des Senats wäre dies aber bei den von ihr angegebenen Schmerzen zu erwarten.
Eine andere Beurteilung lässt sich nach Ansicht des Senats auch nicht aus den aktenkundigen medizinischen Unterlagen herleiten. So hat die Heilpraktikerin U. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 29.01.2006 lediglich ausgeführt, dass der Klägerin schnelles Überqueren einer Straße nicht möglich sei und viele Zwangsruhepausen es der Klägerin unmöglich machten, einen Weg von zwei Kilometern in 30 Minuten zurückzulegen. Weitergehende Einschränkungen machte die Heilpraktikerin U. jedoch nicht. Sie gab sogar an, die Klägerin benötige keine fremde Hilfe beim Gehen. Ohne Ruhepausen könne die Klägerin ca. 25 Meter an einem Stück zurücklegen. Daraus ergibt sich eben gerade nicht, dass bei der Klägerin bereits vom ersten Schritt nach Verlassen ihres Kraftfahrzeugs die oben dargelegten für die Feststellung des Nachteilsausgleichs aG erforderlichen Einschränkungen vorliegen. Demgegenüber rechtfertigt es die Einschätzung von Dr. Sch. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 31.01.2006, Schmerzen in der linken Leiste träten bereits nach einer Gehstrecke von 10 Metern auf, nicht die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs aG, zumal er den Schweregrad dieser Schmerzen nicht beschrieben hat und Dr. K. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 24.08.2005 erst ab einer Gehstrecke von 500 Metern das Auftreten heftigster Schmerzen konstatierte.
Dass das bei der Klägerin vorhandene Beschwerdebild nicht mit denjenigen eines Doppeloberschenkelamputierten vergleichbar ist, ergibt sich auch aus dem Gutachten von Prof. Dr. St. vom 03.07.2006. Dieser hat für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin in der Lage ist, ohne Hilfsmittel zu gehen. Auch hat er keine Veränderungen gesehen, mit denen sich bei der noch möglichen Gehstrecke eine besondere Sturzgefahr erklären ließe. So kam er zutreffend zu dem Schluss, dass die bloße leistenschmerzbedingte Reduzierung der Gehgeschwindigkeit die Klägerin nicht daran hindere, Wegstrecken bis zu 100 Metern zurückzulegen. Diese Gehstrecke sah er als möglich an, wenn die Klägerin ihre Schrittlänge und ihr Gehtempo verringere. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten von Dr. G. vom 28.03.2007. Er hat nach Einschätzung des Senats zu sehr in den Vordergrund gerückt, dass die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs aG zu einer Stabilisierung der Gesamtpersönlichkeit der Klägerin und der von ihm beschriebenen Gesundheitsstörungen beitragen könne. Auf derartige therapeutische Erwägungen kommt es aber nicht an. Vielmehr ist es entscheidend, ob die Klägerin mit einem Doppeloberschenkelamputierten vergleichbar ist.
Hiergegen spricht nach Einschätzung des Senats schließlich auch, dass die Klägerin nach ihren Angaben die Einnahme von Schmerzmitteln abgesetzt hat, sich nicht in fachärztlicher schmerztherapeutischer Behandlung befindet und sich trotz des Verdachts auf das Vorliegen eines Neurinoms bislang - worauf Dr. B. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 28.03.2006 und Prof. Dr. St. in seinem Gutachten vom 03.07.2006 zutreffend hingewiesen haben - keinem operativen Eingriff unterzogen hat. Diese Gesichtspunkte sprechen gegen das Vorliegen eines massiven Leidensdrucks.
Nach alledem hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Feststellung des Merkzeichens aG.
Daher war das Urteil des SG vom 19.10.2007 insoweit abzuändern, als der Beklagte zur Feststellung des Nachteilsausgleichs aG verurteilt wurde, und die insoweit gegen den Bescheid vom 08.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2005 erhobene Klage abzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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