L 17 B 274/08 U PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 U 6/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 B 274/08 U PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Zur Zulässigkeit der Untätigkeitsklage: Steht fest, dass das vom Kläger verfolgte Klageziel nicht durch die Erteilung des Bescheides erreicht werden kann, so ist die Untätigkeitsklage mangels Rechtsschutzbedürfnis abzuweiesen.

2. Nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens kommt eine Vorschussgewährung nach § 42 Abs 1 SGB I nicht in Betracht.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 25.02.2008 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin (Bf) ist die Witwe und Rechtsnachfolgerin des 1960 geborenen und am 11.08.2008 verstorbenen Versicherten A ... Der Versicherte erlitt am 06.04.2001 einen Wegeunfall mit multiplen Verletzungen. Die Beschwerdegegnerin (Bg) holte Sachverständigengutachten ein (ua mit Auftrag vom 18.09.2003 ein HNO-ärztliches Gutachten von Prof. Dr. H. - erstellt am 23.08.2005). Sie zahlte Verletztengeld bis 07.03.2005.

Mit Schreiben vom 15.03.2005 teilte sie dem Versicherten mit, dass dieser einen Vorschuss auf die voraussichtlich zu gewährenden Geldleistungen an Verletztenrente für die Zeit vom 08.03.2005 bis 30.04.2005 in Höhe von 1.113,00 EUR erhalte. Die Zahlung erfolge unter dem Vorbehalt, dass ihre Entschädigungspflicht anerkannt werde und dass Leistungen mindestens in Höhe der gezahlten Vorschüsse zu gewähren seien. Für den Fall, dass eine Leistungspflicht nicht bestehe oder die endgültig zu gewährenden Leistungen niedriger seien als die gezahlten Vorschüsse, sei der überzahlte Betrag zu erstatten. Zur Begründung wird ausgeführt: Da die Feststellungen noch nicht hätten abgeschlossen werden können, sei der Höhe des Vorschusses die voraussichtliche Leistung zu Grunde gelegt worden. Dem Versicherten werde abschließend ein rechtsbehelfsfähiger Verwaltungsakt erteilt. Gleichlautende Schreiben ergingen am 10.05.2005, 13.06.2005, 13.07.2005, 19.09.2005 sowie am 30.11.2005 jeweils für Vorschusszahlungen in Höhe von monatlich 627,00 EUR für Zahlungszeiträume bis 31.12.2005. Die Bg stellte die Zahlung der Vorschüsse ein, nachdem der zuletzt gehörte beratende Arzt das beim Versicherten bestehende Schmerzsyndrom als unfallunabhängig bezeichnet hatte (Stellungnahme Dr. K. vom 28.02.2006).

Mit Bescheid vom 21.03.2006 und Widerspruchsbescheid vom 18.05.2006 lehnte die Bg die Gewährung einer Verletztenrente ab. Hiergegen erhob der Versicherte Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg (S 11 U 154/06). Die gezahlten Vorschüsse forderte die Bg mit Bescheid vom 03.05.2006 und Widerspruchsbescheid vom 19.10.2007 zurück. Die dagegen gerichtete Klage wird beim SG unter dem Az S 11 U 318/07 geführt.

Der Versicherte beantragte mit Schreiben vom 19.05.2006 die Gewährung weiterer Vorschusszahlungen. Dies lehnte die Bg unter dem 01.06.2006 ab. Sie führte aus, dass die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt worden sei und die Zahlung weiterer Vorschüsse daher nicht in Betracht komme. Mit Schreiben vom 18.12.2007 verwies der Versicherte darauf, dass die Vorschusszahlung nachhaltig verfolgt werde.

Der Versicherte hat am 09.01.2008 eine Untätigkeitsklage zum SG erhoben und gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des bevollmächtigten Rechtsanwaltes beantragt. Die Bg habe mit Bescheid vom 03.05.2006 zugleich über die Einstellung der Vorschussleistungen entschieden. Es sei eine willkürliche Einstellung, der keinerlei Rechtfertigung zukomme. Die Bg sei verpflichtet, weitere Vorschussleistungen zu gewähren.

Mit Beschluss vom 25.02.2008 hat das SG die Bewilligung von PKH und die Beiordnung des Rechtsanwaltes abgelehnt. Die Klage sei unzulässig, weil ein Rechtsschutzbedürfnis nicht bestehe. Die Bg habe mit Bescheid vom 21.03.2006 und Widerspruchsbescheid vom 18.05.2006 einen Anspruch auf Verletztenrente abgelehnt, so dass ein Anspruch auf Vorschusszahlung nicht mehr in Betracht komme.

Hiergegen hat der Versicherte Beschwerde eingelegt. Aufgrund der vorhergehenden Vorschusszahlungen habe die Bg ihre Verpflichtung zur Vorschussgewährung anerkannt. Aus den bisherigen Festlungen und Zahlungen ergebe sich eine Bindungswirkung zu Lasten der Bg.

Die Bg verweist auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Akte der Bg, die Akte des SG und die Akte des vorliegenden Beschwerdeverfahrens Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Bewilligung von PKH und die Beiordnung des bevollmächtigten Rechtsanwaltes abgelehnt.

Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 Zivilprozessordnung). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet das Grundgesetz eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (so BVerfGE 81, 347, 356 mwN). Da der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip keine vollständige Gleichstellung Unbemittelter mit Bemittelten verlangt, sondern nur eine weitgehende Angleichung, ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von PKH davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. PKH darf dann verweigert werden, wenn die Erfolgschance nur eine entfernte ist (BVerfGE aaO S 357).

Das SG hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht zukommt. Unabhängig davon, ob die Bg über einen Antrag auf Vorschusszahlungen in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat, ist zu berücksichtigen, dass die Untätigkeitsklage nach § 88 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nur auf die Bescheidung schlechthin, nicht aber auf die Stattgabe gerichtet ist. Indes besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für die gerichtliche Durchsetzung der Bescheidungspflicht nicht unbeschränkt. Das formelle Recht auf Bescheidung stellt sich nicht als Selbstzweck dar, sondern dient der Durchsetzung materieller Ansprüche. Steht fest, dass das vom Kläger verfolgte Klageziel nicht durch die Erteilung des Bescheides erreicht werden kann, so ist die Untätigkeitsklage mangels Rechtsschutzbedürfnis abzuweisen (vgl. BayLSG Beschluss vom 19.06.2008 - L 17 U 439/04).

So ist es hier. Entgegen der Auffassung der Bf ist die Bg nicht gehalten, aufgrund der zuvor gewährten Vorschusszahlungen weiterhin Vorschussleistungen zu erbringen. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Bindungswirkung der Vorschussbescheide als einstweilige Verwaltungsakte besteht allenfalls bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens (vgl. BSG SozR 4-1200 § 42 Nr 1), also vorliegend bis zum Erlass des Bescheides vom 21.03.2006 und des Widerspruchsbescheid vom 18.05.2006. Auch kommt nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens eine Vorschussgewährung nach § 42 Abs 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) oder eine Vorschusszahlung in entsprechender Anwendung des § 42 Abs 1 SGB I (vgl. hierzu BSG SozR 3-1200 § 42 Nr 2) nicht in Betracht. Vorschüsse werden nur vorläufig und für eine Übergangszeit bis zur Entscheidung über den Sozialleistungsanspruch getroffen. Mit der Vorschusszahlung wird dem Leistungsträger die Möglichkeit gegeben, bei laufendem Verwaltungsverfahren bis zur endgültigen Feststellung einer Sozialleistung eine einstweilige Regelung zu treffen. Den Vorschüssen ist es daher wesenseigen, durch eine in der Zukunft ergehende Entscheidung des Leistungsträgers ersetzt zu werden. Bereits aus der Regelung des § 42 Abs 1 Satz 1 SGB I ergibt sich, dass die Vorschussgewährung die Notwendigkeit weiterer Feststellungen des Leistungsträger voraussetzt, die nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht mehr anzustellen sind.

Dies zugrunde gelegt steht fest, dass nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens die Gewährung von Vorschüssen nicht verlangt werden und das verfolgte Klageziel nicht erreicht werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG (zur Notwendigkeit einer Kostenentscheidung vgl. BayLSG Beschluss vom 08.12.2008 - L 18 B 611/08 U PKH).

Die Unanfechtbarkeit der Entscheidung folgt aus § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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