Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 207/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 U 42/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 30/01 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. Oktober 2001 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 29. November 2000 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I
Streitig ist, ob dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 20. Januar 1998 für die Zeit vom 1. März 1998 bis 15. April 1998 Verletztengeld neben dem Bezug einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zusteht.
Der im Jahre 1935 geborene Kläger war bis zum 28. Februar 1998 als Leiter der Buchstelle einer Bäckerinnung in einer Vollzeittätigkeit abhängig beschäftigt. Seit den Jahren 1970 und 1973 übte er daneben in zwei Betrieben eine Nebentätigkeit aus. Er bezieht seit dem 1. März 1998 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Altersrente für langjährig Versicherte. Seinen Nebentätigkeiten geht er weiterhin nach. Am 20. Januar 1998 erlitt der Kläger in Ausübung seiner Vollzeitbeschäftigung einen Arbeitsunfall und war wegen dessen Folgen bis zum 15. April 1998 arbeitsunfähig erkrankt. Vom 16. April 1998 bis 30. April 1999 gewährte ihm die Beklagte Rente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 vH.
Mit Bescheid vom 20. Oktober 1998 und Widerspruchsbescheid vom 18. März 1999 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Gewährung von Verletztengeld für die Zeit vom 1. März bis 15. April 1998 wegen des gleichzeitigen Bezuges der Altersvollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ab, weil das Verletztengeld ruhe. Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Verletztengeld für den Zeitraum vom 1. März 1998 bis 15. April 1998 zu gewähren (Urteil vom 29. November 2000). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 17. Oktober 2001). Mit In-Kraft-Treten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) richte sich die Beendigung der Zahlung von Verletztengeld nach § 46 Abs 3 dieses Gesetzes. Nach § 46 Abs 3 Nr 2 SGB VII ende das Verletztengeld, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei und berufsfördernde Leistungen nicht zu erbringen seien, mit Beginn der in § 50 Abs 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) genannten Leistungen, es sei denn, dass diese Leistungen mit dem Versicherungsfall in Zusammenhang stünden. Zwar enthalte das SGB VII keine direkte Regelung für die Beendigung des Bezuges von Verletztengeld für den Fall einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit und der Gewährung einer Altersrente. § 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V sei aber auf einen derartigen Fall entsprechend anzuwenden. Das endgültige Ausscheiden des Klägers aus seinem Hauptberuf sei der dauernden Arbeitsunfähigkeit im Hauptberuf gleichzustellen. Es sei kein sachlicher Grund dafür zu erkennen, den Verletzten besser zu stellen, der seine Arbeitsfähigkeit (fiktiv) wiedererlange, als den Verletzten, bei dem mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei. Die vom Kläger weiter ausgeübte Nebentätigkeit führe nicht zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage, weil er durch seine Arbeitsunfähigkeit einen Lohnausfall für seine Nebenbeschäftigung nicht erlitten habe. Es bestehe auch kein sachlicher Grund, den Empfänger von Verletztengeld bei Zuerkennung einer Vollrente wegen Alters besser zu stellen als den Empfänger von Krankengeld. Normzweck von § 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V sei der Ausschluss von Doppelleistungen gleichen Ziels. Das Verletztengeld habe Lohnersatzfunktion und solle konkrete Entgelteinbußen ausgleichen. Die Vollrente wegen Alters ersetze aber ebenfalls das aus der Erwerbstätigkeit erzielte Entgelt. Der Besonderheit des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung werde insofern Rechnung getragen, als der Bezug von Verletztengeld wegen des Empfangs von Vollrente wegen Alters nur dann ausgeschlossen sei, wenn der Verletzte seine Erwerbstätigkeit mit dem Zeitpunkt des Rentenbezuges tatsächlich aufgeben wolle und aufgegeben habe. Würde die vorliegende Regelungslücke nicht geschlossen, käme es zu einer nicht zu rechtfertigenden Überversorgung des betroffenen Personenkreises.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das SGB VII enthalte keine Regelung für die Beendigung des Bezuges von Verletztengeld für den Fall einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit und Gewährung einer Altersrente. Der Beendigungstatbestand des § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII setze nämlich voraus, dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei. Der Auffassung des LSG, in diesem Fall § 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V entsprechend anzuwenden, sei nicht zu folgen. Die vom LSG gebildete Analogie sei unzulässig, da sie dem Willen des Gesetzgebers widerspreche. Zur Zeit des Inkrafttretens des SGB VII sei die Problematik des gleichzeitigen Bezuges von Verletztengeld und Altersrente bekannt gewesen. Der Gesetzgeber hätte daher eine entsprechende Regelung getroffen, wenn ein gleichzeitiger Bezug von Verletztengeld und Altersrente habe ausgeschlossen werden sollen. Es gäbe auch keinen allgemeinen Rechtssatz, nach dem beim Zusammentreffen von Sozialleistungen, denen mehr oder weniger Lohnersatzfunktion zukomme, stets nur ein Anspruch auf eine dieser Leistungen bestehen würde. Zudem habe der Bezug von Verletztengeld andere Voraussetzungen und andere Beendigungsgründe als der Bezug von Krankengeld. Beide Leistungen seien in unterschiedlichen Büchern des SGB geregelt. Die Tatsache, dass zwischen den verschiedenen Versicherungszweigen der Sozialversicherung Ungleichheiten bestünden, müsse hingenommen werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. Oktober 2001 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 29. November 2000 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
II
Die Revision des Klägers ist begründet. Entgegen der Auffassung des LSG ist der Kläger durch den angefochtenen Bescheid iS des § 54 Abs 2 SGG beschwert. Er hat Anspruch auf Verletztengeld für die Zeit vom 1. März 1998 (Beginn der Altersrente) bis 15. April 1998 (Beendigung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit).
Gemäß § 46 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB VII endet das Verletztengeld ua mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit. Ist mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen und sind berufsfördernde Leistungen nicht zu erbringen, endet das Verletztengeld nach § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII idF bis zur Änderung des Abs 3 Satz 2 durch das Gesetz vom 19. Juni 2001 (BGBl I 1046) mit dem Beginn der in § 50 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Leistungen, es sei denn, dass diese Leistungen mit dem Versicherungsfall in Zusammenhang stehen. In § 50 Abs 1 Satz 1 SGB V sind unter den Nr 1 bis 5 verschiedene Sozialleistungen ausdrücklich oder durch Bezugnahme genannt, ua die Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V).
Zwar bezieht der Kläger seit dem 1. März 1998 Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Weder zu Beginn noch im Verlaufe des Zeitraumes vom 1. März bis 15. April 1998 ist jedoch festgestellt worden, dass bei dem Kläger "mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist". Eine entsprechende Feststellung war wohl auch gar nicht möglich, denn nach dem vom LSG bindend (§ 163 SGG) festgestellten Sachverhalt war der Kläger wegen der Unfallfolgen (nur) bis zum 15. April 1998 arbeitsunfähig. Der nach seinem Wortlaut insoweit eindeutige Tatbestand des § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII war somit in der Zeit vom 1. März bis 15. April 1998 nicht erfüllt, so dass der Anspruch des Klägers auf Verletztengeld in diesem Zeitraum bestand.
Entgegen der Auffassung des LSG und der Beklagten kann § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII nicht dahin ausgelegt werden, dass der Anspruch auf Verletztengeld stets mit dem Einsetzen der in § 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V genannten Altersrente ende. Mit einer Wortlautauslegung wäre dieses Ergebnis allein zu erzielen, wenn man den Begriff der Arbeitsunfähigkeit bzw Arbeitsfähigkeit anders als bisher verstehen würde. § 560 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO), der bis zum 31. Dezember 1996 galt, enthält die Wendung "arbeitsunfähig im Sinne der Krankenversicherung". Danach ist arbeitsunfähig derjenige Versicherte, der wegen Krankheit überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit oder einer ähnlichen oder gleichartigen Tätigkeit nachzugehen (vgl stellvertretend KassKomm-Höfler, § 44 SGB V RdNr 10 ff; Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB V, § 44 RdNr 39 ff, jeweils mwN; Kater/Leube, SGB VII, § 46 RdNr 13). Das Ende des Beschäftigungsverhältnisses, während dessen die Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, beendet die Arbeitsunfähigkeit nicht (Gerlach, aaO, RdNr 48). Hingegen endet die Arbeitsunfähigkeit, wenn der Versicherte aus freien Stücken eine körperlich und geistig weniger belastende Tätigkeit aufnimmt (vgl Kummer in Schulin HS-KV § 20 RdNr 77, mwN; Gerlach, aaO, RdNr 56). Die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit erfolgt allein nach medizinischen und berufskundlichen bzw arbeitsmedizinischen Gesichtspunkten (vgl Benz, BG 2000, 39, 44). Eine Anwendung des § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII in dem Sinne, dass der Bezug von Altersrente stets zum Ende des Anspruchs auf Verletztengeld führte, wäre daher nur möglich, wenn dem in § 46 Abs 3 SGB VII verwendeten Begriff der Arbeitsunfähigkeit bzw der Arbeitsfähigkeit ein anderer Sinngehalt zukäme als bisher, etwa in dem Sinne, dass Arbeitsfähigkeit nur dann wieder eintreten könne, wenn der Verletzte nicht wegen etwa des Bezuges einer Altersrente nicht mehr erwerbstätig ist.
Für eine derartige Verwendung des Begriffs der Arbeitsunfähigkeit bzw Arbeitsfähigkeit in § 46 Abs 3 SGB VII finden sich jedoch weder im sonstigen Wortlaut der Norm noch in der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 13/2204, S 87) irgendwelche Hinweise. Allein der Umstand, dass § 560 Abs 1 RVO von Arbeitsunfähigkeit iS der Krankenversicherung sprach, während in § 45 und § 46 SGB VII nur noch von Arbeitsunfähigkeit die Rede ist, spricht nicht dafür, dass das Gesetz den Begriff nicht mehr als Arbeitsunfähigkeit iS der Krankenversicherung verwenden und ihm uU den soeben erörterten Sinn geben will. Dass dies nicht so ist, ist der amtlichen Begründung zu § 45 Abs 1 SGB VII zu entnehmen, wonach "die Vorschrift die Voraussetzungen für die Leistung von Verletztengeld entsprechend dem geltenden Recht regelt"´(BT-Drucks 13/2204, S 87). Eine ähnliche Formulierung enthält die amtliche Begründung zu § 46 Abs 1 SGB VII (BT-Drucks, aaO). Es ist daher anzunehmen, dass der Begriff der Arbeitsunfähigkeit in seinem bisherigen Sinngehalt nicht verändert werden sollte. Hierfür spricht letztlich auch, dass der Gesetzgeber durch das Weglassen der Worte "wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist" hätte klarstellen können, dass das Verletztengeld immer und unabhängig von der Prognose über den Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit mit dem Beginn der Altersrente ende.
Auch aus der historischen Entwicklung der Norm, ihrer Entstehungsgeschichte und schließlich aus systematischen Gründen ergeben sich keine Anhaltspunkte für die von der Beklagten getroffene Auslegung der Norm, dass mit Beginn der Altersrente das Verletztengeld in jedem Falle ende.
Bis zum Inkrafttreten des § 46 Abs 2 Nr 2 SGB VII am 1. Januar 1997 galt § 560 Abs 1 RVO, wonach der Verletzte Verletztengeld erhält, solange er infolge des Arbeitsunfalles arbeitsunfähig ist. Für den Fall des Bezuges eines Altersruhegeldes war ein Ausschluss oder Ruhen des Anspruchs auf Verletztengeld oder Verletztengeld bei Wiedererkrankung nicht gesetzlich geregelt (vgl Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 18. März 1999 - B 8 KN 2/98 U R - HVBG-Info 1999, 1682). Literatur und Verwaltungspraxis gingen einhellig davon aus, dass nach dem Recht der RVO mit der Gewährung von Altersruhegeld der Anspruch auf Verletztengeld nicht wegfalle, sondern im Gegenteil - wenn zuvor Krankengeld gewährt worden war - mit der Gewährung von Altersruhegeld gerade erst einzusetzen habe. Eine Parallelbestimmung zu § 183 Abs 3 RVO (Ende des Anspruchs auf Krankengeld ab dem Tage, von dem ab Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Altersruhegeld von einem Träger der Rentenversicherung zugebilligt wird) enthielt das 3. Buch der RVO (Unfallversicherung) gerade nicht (Urteil des BSG, aaO, mwN). Insofern hat § 46 Abs 3 Satz 2 SGB VII eine von § 560 Abs 1 RVO abweichende und für den Versicherten ungünstigere Rechtslage dahin geschaffen, dass das Verletztengeld bei Bezug der genannten Leistungen endet, wenn mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist. Hingegen verbleibt es bei der bisherigen Rechtslage für den Fall, dass mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist. In diesem Fall endet das Verletztengeld "mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit" (§ 46 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB VII).
Im Verfahren der Schaffung des SGB VII hat sich die Bundesregierung zu dem mit der späteren Gesetzesfassung wortlautgleichen § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 dahin geäußert, dass "Nr 2 der Regelung über den Wegfall des Krankengeldes (§ 50 Abs 1 Satz 1 SGB V) entspricht" (BT-Drucks 13/2204, S 87 zu § 46 Abs 3). Diese Aussage entspricht der Gesetzeslage, denn die Nr 2 des § 46 Abs 3 Satz 2 SGB VII nimmt ausdrücklich Bezug auf die in § 50 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Leistungen, so dass insoweit Parallelität besteht. Die zitierte Aussage bezieht sich jedoch ausdrücklich nur auf die "Nr 2", nicht aber auf die in § 46 Abs 3 Satz 2 SGB VII vor dem Beginn der Nummerierung enthaltene und für alle drei der folgenden Nummern geltende Beendigungsvoraussetzung "wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist".
Selbst wenn man aber die zitierte amtliche Begründung dahin verstünde, dass für die Beendigung des Anspruchs auf Verletztengeld die gleiche Rechtslage geschaffen werden solle, wie für die Beendigung des Krankengeldes in § 50 Abs 1 Satz 1 SGB V, kann dies nicht zu einer entsprechenden Auslegung des § 46 Abs 3 Satz 2 SGB VII führen, denn der dann erklärte Wille des Gesetzgebers widerspräche dem Wortlaut des Gesetzes. Die danach vorzunehmende Auslegung und Anwendung der Norm gegen ihren Wortlaut ist jedoch nicht möglich. Der aus dem allgemeinen Sprachgebrauch zu entnehmende Wortsinn bildet den Ausgangspunkt und bestimmt zugleich die Grenze der Auslegung, da das, was jenseits des möglichen Wortsinns liegt, mit ihm auch bei "weitester" Auslegung nicht mehr vereinbar ist, nicht als Inhalt des Gesetzes gelten kann (vgl Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl, S 163, 164). Auch Analogien zu oder teleologische Reduktionen von gesetzlichen Vorschriften dürfen nicht zu einem mit dem Wortlaut nicht zu vereinbarenden Inhalt der auszulegenden Norm führen. Die vom LSG gebildete Analogie zu § 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V scheitert hier schon daran, dass eine dem Plan und dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers des SGB VII nicht entsprechende Gesetzeslücke nicht besteht. Vielmehr handelt es sich bei § 46 Abs 3 Satz 2 SGB VII um eine in sich stimmige gesetzliche Vorschrift über das Ende des Anspruchs auf Verletztengeld. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das Verletztengeld auf unabsehbare Dauer zu zahlen wäre, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist. In diesem Fall endet das Verletztengeld gem § 46 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB VII mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit.
Die hier zu beurteilende Rechtslage nach dem SGB VII ist auch nicht vergleichbar der, die der Entscheidung des BSG vom 18. März 1999 (- B 8 KN 2/98 U R - HVBG-Info 1999, 1682) zugrunde gelegen hat. Dort hat das BSG zu der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Rechtslage nach der RVO (§§ 562 Abs 2; 561 Abs 1; 183 Abs 3 bzw § 50 Abs 1 Nr 1 SGB V) entschieden. Es galt § 560 Abs 1 RVO, wonach der Verletzte das Verletztengeld erhält, solange er infolge des Arbeitsunfalles arbeitsunfähig iS der Krankenversicherung ist und keinen Anspruch auf Übergangsgeld hat. Für den Fall des Bezuges eines Altersruhegeldes war ein Ausschluss oder Ruhen des Anspruchs auf Verletztengeld nicht gesetzlich geregelt. Ein besonderer Ausschlussgrund für das Verletztengeld bei Wiedererkrankung galt für den Fall der Erwerbsunfähigkeit. Die entsprechende Anwendung des Ausschlusstatbestandes der Zubilligung von Altersruhegeld für das Krankengeld (§ 183 Abs 3 RVO) auf das Verletztengeld sei ausgeschlossen (BSG, aaO). Dies stehe jedoch einer Analogie nicht entgegen, die sich zum einen auf das Verletztengeld bei Wiedererkrankung nach § 562 Abs 2 RVO beschränke und zum anderen auf den Fall, dass der noch nicht erwerbsunfähige Unfallverletzte endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei (BSG, aaO, mwN). Mit § 46 Abs 3 SGB VII wurde indes eine differenzierte gesetzliche Regelung über das Ende des Verletztengeldes für den Fall des Bezuges bestimmter Sozialleistungen geschaffen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber dabei unbewusst etwas nicht geregelt hat, was er hätte regeln wollen. Für eine analoge Anwendung des § 183 Abs 3 RVO bzw des § 50 Abs 1 Satz 1 SGB V ist nach In-Kraft-Treten des § 46 Abs 3 Satz 2 SBG VII kein Raum mehr.
Auch systematische Gründe sprechen für die hier vorgenommene Auslegung. Zwar haben sowohl das Verletztengeld als auch die Altersrente Entgeltersatzfunktion. Einen Grundsatz dergestalt, dass Entgeltersatzleistungen niemals nebeneinander bezogen werden dürften, gibt es indes weder in der gesetzlichen Unfallversicherung noch in anderen Bereichen der Sozialversicherung oder der Arbeitslosenversicherung (vgl Benz, aaO, 44). Das folgt aus den zahlreichen Konkurrenz- und Kumulierungsvorschriften, zu denen auch § 50 Abs 1 SGB V und insbesondere § 46 Abs 3 SGB VII gehören. Es entspricht aber auch den Prinzipien der gesetzlichen Unfallversicherung, dass durchaus durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit begründete Leistungsansprüche neben Entgeltersatzleistungen aus anderen Bereichen der Sozialversicherung bestehen können (vgl Ricke, BG 1998, 108, 109). Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass der Bezug von Verletztengeld den Anspruch des Klägers auf Altersrente ganz oder teilweise ausschlösse. Eine Kumulierungsvorschrift besteht mit § 93 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) nur für das Zusammentreffen einer eigenen Altersrente und einer Verletztenrente oder einer Hinterbliebenenrente bzw einer Abfindung aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bezug von Verletztengeld ist in der gesetzlichen Rentenversicherung nur bei Bezug einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu beachten (§ 96a SGB VI). Darüber hinaus kann der Bezieher von Regelaltersrente sogar unbegrenzt hinzu verdienen. Dem Bezieher der Altersrente für langjährig Versicherte gemäß § 36 SGB VI, die der Kläger im Zeitraum vom 1. März bis 15. April 1998 erhielt, ist dies nach § 34 Abs 2 SGB VI unterhalb der Hinzuverdienstgrenze nach § 34 Abs 3 SGB VI möglich.
Nach alledem würde es allein dem Gesetzgeber obliegen, einen Rechtszustand herzustellen, wonach der Bezug von Altersrente stets zum Ende des Anspruchs auf Verletztengeld führt. Mit den Mitteln der Auslegung ist dieses Ergebnis angesichts des klaren Wortlauts des § 46 Abs 3 Satz 2 SGB VII nicht zu erzielen.
Auf die Revision des Klägers war daher das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
I
Streitig ist, ob dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 20. Januar 1998 für die Zeit vom 1. März 1998 bis 15. April 1998 Verletztengeld neben dem Bezug einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zusteht.
Der im Jahre 1935 geborene Kläger war bis zum 28. Februar 1998 als Leiter der Buchstelle einer Bäckerinnung in einer Vollzeittätigkeit abhängig beschäftigt. Seit den Jahren 1970 und 1973 übte er daneben in zwei Betrieben eine Nebentätigkeit aus. Er bezieht seit dem 1. März 1998 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Altersrente für langjährig Versicherte. Seinen Nebentätigkeiten geht er weiterhin nach. Am 20. Januar 1998 erlitt der Kläger in Ausübung seiner Vollzeitbeschäftigung einen Arbeitsunfall und war wegen dessen Folgen bis zum 15. April 1998 arbeitsunfähig erkrankt. Vom 16. April 1998 bis 30. April 1999 gewährte ihm die Beklagte Rente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 vH.
Mit Bescheid vom 20. Oktober 1998 und Widerspruchsbescheid vom 18. März 1999 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Gewährung von Verletztengeld für die Zeit vom 1. März bis 15. April 1998 wegen des gleichzeitigen Bezuges der Altersvollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ab, weil das Verletztengeld ruhe. Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Verletztengeld für den Zeitraum vom 1. März 1998 bis 15. April 1998 zu gewähren (Urteil vom 29. November 2000). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 17. Oktober 2001). Mit In-Kraft-Treten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) richte sich die Beendigung der Zahlung von Verletztengeld nach § 46 Abs 3 dieses Gesetzes. Nach § 46 Abs 3 Nr 2 SGB VII ende das Verletztengeld, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei und berufsfördernde Leistungen nicht zu erbringen seien, mit Beginn der in § 50 Abs 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) genannten Leistungen, es sei denn, dass diese Leistungen mit dem Versicherungsfall in Zusammenhang stünden. Zwar enthalte das SGB VII keine direkte Regelung für die Beendigung des Bezuges von Verletztengeld für den Fall einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit und der Gewährung einer Altersrente. § 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V sei aber auf einen derartigen Fall entsprechend anzuwenden. Das endgültige Ausscheiden des Klägers aus seinem Hauptberuf sei der dauernden Arbeitsunfähigkeit im Hauptberuf gleichzustellen. Es sei kein sachlicher Grund dafür zu erkennen, den Verletzten besser zu stellen, der seine Arbeitsfähigkeit (fiktiv) wiedererlange, als den Verletzten, bei dem mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei. Die vom Kläger weiter ausgeübte Nebentätigkeit führe nicht zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage, weil er durch seine Arbeitsunfähigkeit einen Lohnausfall für seine Nebenbeschäftigung nicht erlitten habe. Es bestehe auch kein sachlicher Grund, den Empfänger von Verletztengeld bei Zuerkennung einer Vollrente wegen Alters besser zu stellen als den Empfänger von Krankengeld. Normzweck von § 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V sei der Ausschluss von Doppelleistungen gleichen Ziels. Das Verletztengeld habe Lohnersatzfunktion und solle konkrete Entgelteinbußen ausgleichen. Die Vollrente wegen Alters ersetze aber ebenfalls das aus der Erwerbstätigkeit erzielte Entgelt. Der Besonderheit des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung werde insofern Rechnung getragen, als der Bezug von Verletztengeld wegen des Empfangs von Vollrente wegen Alters nur dann ausgeschlossen sei, wenn der Verletzte seine Erwerbstätigkeit mit dem Zeitpunkt des Rentenbezuges tatsächlich aufgeben wolle und aufgegeben habe. Würde die vorliegende Regelungslücke nicht geschlossen, käme es zu einer nicht zu rechtfertigenden Überversorgung des betroffenen Personenkreises.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das SGB VII enthalte keine Regelung für die Beendigung des Bezuges von Verletztengeld für den Fall einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit und Gewährung einer Altersrente. Der Beendigungstatbestand des § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII setze nämlich voraus, dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei. Der Auffassung des LSG, in diesem Fall § 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V entsprechend anzuwenden, sei nicht zu folgen. Die vom LSG gebildete Analogie sei unzulässig, da sie dem Willen des Gesetzgebers widerspreche. Zur Zeit des Inkrafttretens des SGB VII sei die Problematik des gleichzeitigen Bezuges von Verletztengeld und Altersrente bekannt gewesen. Der Gesetzgeber hätte daher eine entsprechende Regelung getroffen, wenn ein gleichzeitiger Bezug von Verletztengeld und Altersrente habe ausgeschlossen werden sollen. Es gäbe auch keinen allgemeinen Rechtssatz, nach dem beim Zusammentreffen von Sozialleistungen, denen mehr oder weniger Lohnersatzfunktion zukomme, stets nur ein Anspruch auf eine dieser Leistungen bestehen würde. Zudem habe der Bezug von Verletztengeld andere Voraussetzungen und andere Beendigungsgründe als der Bezug von Krankengeld. Beide Leistungen seien in unterschiedlichen Büchern des SGB geregelt. Die Tatsache, dass zwischen den verschiedenen Versicherungszweigen der Sozialversicherung Ungleichheiten bestünden, müsse hingenommen werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. Oktober 2001 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 29. November 2000 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
II
Die Revision des Klägers ist begründet. Entgegen der Auffassung des LSG ist der Kläger durch den angefochtenen Bescheid iS des § 54 Abs 2 SGG beschwert. Er hat Anspruch auf Verletztengeld für die Zeit vom 1. März 1998 (Beginn der Altersrente) bis 15. April 1998 (Beendigung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit).
Gemäß § 46 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB VII endet das Verletztengeld ua mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit. Ist mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen und sind berufsfördernde Leistungen nicht zu erbringen, endet das Verletztengeld nach § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII idF bis zur Änderung des Abs 3 Satz 2 durch das Gesetz vom 19. Juni 2001 (BGBl I 1046) mit dem Beginn der in § 50 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Leistungen, es sei denn, dass diese Leistungen mit dem Versicherungsfall in Zusammenhang stehen. In § 50 Abs 1 Satz 1 SGB V sind unter den Nr 1 bis 5 verschiedene Sozialleistungen ausdrücklich oder durch Bezugnahme genannt, ua die Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V).
Zwar bezieht der Kläger seit dem 1. März 1998 Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Weder zu Beginn noch im Verlaufe des Zeitraumes vom 1. März bis 15. April 1998 ist jedoch festgestellt worden, dass bei dem Kläger "mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist". Eine entsprechende Feststellung war wohl auch gar nicht möglich, denn nach dem vom LSG bindend (§ 163 SGG) festgestellten Sachverhalt war der Kläger wegen der Unfallfolgen (nur) bis zum 15. April 1998 arbeitsunfähig. Der nach seinem Wortlaut insoweit eindeutige Tatbestand des § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII war somit in der Zeit vom 1. März bis 15. April 1998 nicht erfüllt, so dass der Anspruch des Klägers auf Verletztengeld in diesem Zeitraum bestand.
Entgegen der Auffassung des LSG und der Beklagten kann § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII nicht dahin ausgelegt werden, dass der Anspruch auf Verletztengeld stets mit dem Einsetzen der in § 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V genannten Altersrente ende. Mit einer Wortlautauslegung wäre dieses Ergebnis allein zu erzielen, wenn man den Begriff der Arbeitsunfähigkeit bzw Arbeitsfähigkeit anders als bisher verstehen würde. § 560 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO), der bis zum 31. Dezember 1996 galt, enthält die Wendung "arbeitsunfähig im Sinne der Krankenversicherung". Danach ist arbeitsunfähig derjenige Versicherte, der wegen Krankheit überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit oder einer ähnlichen oder gleichartigen Tätigkeit nachzugehen (vgl stellvertretend KassKomm-Höfler, § 44 SGB V RdNr 10 ff; Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB V, § 44 RdNr 39 ff, jeweils mwN; Kater/Leube, SGB VII, § 46 RdNr 13). Das Ende des Beschäftigungsverhältnisses, während dessen die Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, beendet die Arbeitsunfähigkeit nicht (Gerlach, aaO, RdNr 48). Hingegen endet die Arbeitsunfähigkeit, wenn der Versicherte aus freien Stücken eine körperlich und geistig weniger belastende Tätigkeit aufnimmt (vgl Kummer in Schulin HS-KV § 20 RdNr 77, mwN; Gerlach, aaO, RdNr 56). Die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit erfolgt allein nach medizinischen und berufskundlichen bzw arbeitsmedizinischen Gesichtspunkten (vgl Benz, BG 2000, 39, 44). Eine Anwendung des § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII in dem Sinne, dass der Bezug von Altersrente stets zum Ende des Anspruchs auf Verletztengeld führte, wäre daher nur möglich, wenn dem in § 46 Abs 3 SGB VII verwendeten Begriff der Arbeitsunfähigkeit bzw der Arbeitsfähigkeit ein anderer Sinngehalt zukäme als bisher, etwa in dem Sinne, dass Arbeitsfähigkeit nur dann wieder eintreten könne, wenn der Verletzte nicht wegen etwa des Bezuges einer Altersrente nicht mehr erwerbstätig ist.
Für eine derartige Verwendung des Begriffs der Arbeitsunfähigkeit bzw Arbeitsfähigkeit in § 46 Abs 3 SGB VII finden sich jedoch weder im sonstigen Wortlaut der Norm noch in der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 13/2204, S 87) irgendwelche Hinweise. Allein der Umstand, dass § 560 Abs 1 RVO von Arbeitsunfähigkeit iS der Krankenversicherung sprach, während in § 45 und § 46 SGB VII nur noch von Arbeitsunfähigkeit die Rede ist, spricht nicht dafür, dass das Gesetz den Begriff nicht mehr als Arbeitsunfähigkeit iS der Krankenversicherung verwenden und ihm uU den soeben erörterten Sinn geben will. Dass dies nicht so ist, ist der amtlichen Begründung zu § 45 Abs 1 SGB VII zu entnehmen, wonach "die Vorschrift die Voraussetzungen für die Leistung von Verletztengeld entsprechend dem geltenden Recht regelt"´(BT-Drucks 13/2204, S 87). Eine ähnliche Formulierung enthält die amtliche Begründung zu § 46 Abs 1 SGB VII (BT-Drucks, aaO). Es ist daher anzunehmen, dass der Begriff der Arbeitsunfähigkeit in seinem bisherigen Sinngehalt nicht verändert werden sollte. Hierfür spricht letztlich auch, dass der Gesetzgeber durch das Weglassen der Worte "wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist" hätte klarstellen können, dass das Verletztengeld immer und unabhängig von der Prognose über den Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit mit dem Beginn der Altersrente ende.
Auch aus der historischen Entwicklung der Norm, ihrer Entstehungsgeschichte und schließlich aus systematischen Gründen ergeben sich keine Anhaltspunkte für die von der Beklagten getroffene Auslegung der Norm, dass mit Beginn der Altersrente das Verletztengeld in jedem Falle ende.
Bis zum Inkrafttreten des § 46 Abs 2 Nr 2 SGB VII am 1. Januar 1997 galt § 560 Abs 1 RVO, wonach der Verletzte Verletztengeld erhält, solange er infolge des Arbeitsunfalles arbeitsunfähig ist. Für den Fall des Bezuges eines Altersruhegeldes war ein Ausschluss oder Ruhen des Anspruchs auf Verletztengeld oder Verletztengeld bei Wiedererkrankung nicht gesetzlich geregelt (vgl Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 18. März 1999 - B 8 KN 2/98 U R - HVBG-Info 1999, 1682). Literatur und Verwaltungspraxis gingen einhellig davon aus, dass nach dem Recht der RVO mit der Gewährung von Altersruhegeld der Anspruch auf Verletztengeld nicht wegfalle, sondern im Gegenteil - wenn zuvor Krankengeld gewährt worden war - mit der Gewährung von Altersruhegeld gerade erst einzusetzen habe. Eine Parallelbestimmung zu § 183 Abs 3 RVO (Ende des Anspruchs auf Krankengeld ab dem Tage, von dem ab Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Altersruhegeld von einem Träger der Rentenversicherung zugebilligt wird) enthielt das 3. Buch der RVO (Unfallversicherung) gerade nicht (Urteil des BSG, aaO, mwN). Insofern hat § 46 Abs 3 Satz 2 SGB VII eine von § 560 Abs 1 RVO abweichende und für den Versicherten ungünstigere Rechtslage dahin geschaffen, dass das Verletztengeld bei Bezug der genannten Leistungen endet, wenn mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist. Hingegen verbleibt es bei der bisherigen Rechtslage für den Fall, dass mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist. In diesem Fall endet das Verletztengeld "mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit" (§ 46 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB VII).
Im Verfahren der Schaffung des SGB VII hat sich die Bundesregierung zu dem mit der späteren Gesetzesfassung wortlautgleichen § 46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 dahin geäußert, dass "Nr 2 der Regelung über den Wegfall des Krankengeldes (§ 50 Abs 1 Satz 1 SGB V) entspricht" (BT-Drucks 13/2204, S 87 zu § 46 Abs 3). Diese Aussage entspricht der Gesetzeslage, denn die Nr 2 des § 46 Abs 3 Satz 2 SGB VII nimmt ausdrücklich Bezug auf die in § 50 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Leistungen, so dass insoweit Parallelität besteht. Die zitierte Aussage bezieht sich jedoch ausdrücklich nur auf die "Nr 2", nicht aber auf die in § 46 Abs 3 Satz 2 SGB VII vor dem Beginn der Nummerierung enthaltene und für alle drei der folgenden Nummern geltende Beendigungsvoraussetzung "wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist".
Selbst wenn man aber die zitierte amtliche Begründung dahin verstünde, dass für die Beendigung des Anspruchs auf Verletztengeld die gleiche Rechtslage geschaffen werden solle, wie für die Beendigung des Krankengeldes in § 50 Abs 1 Satz 1 SGB V, kann dies nicht zu einer entsprechenden Auslegung des § 46 Abs 3 Satz 2 SGB VII führen, denn der dann erklärte Wille des Gesetzgebers widerspräche dem Wortlaut des Gesetzes. Die danach vorzunehmende Auslegung und Anwendung der Norm gegen ihren Wortlaut ist jedoch nicht möglich. Der aus dem allgemeinen Sprachgebrauch zu entnehmende Wortsinn bildet den Ausgangspunkt und bestimmt zugleich die Grenze der Auslegung, da das, was jenseits des möglichen Wortsinns liegt, mit ihm auch bei "weitester" Auslegung nicht mehr vereinbar ist, nicht als Inhalt des Gesetzes gelten kann (vgl Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl, S 163, 164). Auch Analogien zu oder teleologische Reduktionen von gesetzlichen Vorschriften dürfen nicht zu einem mit dem Wortlaut nicht zu vereinbarenden Inhalt der auszulegenden Norm führen. Die vom LSG gebildete Analogie zu § 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V scheitert hier schon daran, dass eine dem Plan und dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers des SGB VII nicht entsprechende Gesetzeslücke nicht besteht. Vielmehr handelt es sich bei § 46 Abs 3 Satz 2 SGB VII um eine in sich stimmige gesetzliche Vorschrift über das Ende des Anspruchs auf Verletztengeld. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das Verletztengeld auf unabsehbare Dauer zu zahlen wäre, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist. In diesem Fall endet das Verletztengeld gem § 46 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB VII mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit.
Die hier zu beurteilende Rechtslage nach dem SGB VII ist auch nicht vergleichbar der, die der Entscheidung des BSG vom 18. März 1999 (- B 8 KN 2/98 U R - HVBG-Info 1999, 1682) zugrunde gelegen hat. Dort hat das BSG zu der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Rechtslage nach der RVO (§§ 562 Abs 2; 561 Abs 1; 183 Abs 3 bzw § 50 Abs 1 Nr 1 SGB V) entschieden. Es galt § 560 Abs 1 RVO, wonach der Verletzte das Verletztengeld erhält, solange er infolge des Arbeitsunfalles arbeitsunfähig iS der Krankenversicherung ist und keinen Anspruch auf Übergangsgeld hat. Für den Fall des Bezuges eines Altersruhegeldes war ein Ausschluss oder Ruhen des Anspruchs auf Verletztengeld nicht gesetzlich geregelt. Ein besonderer Ausschlussgrund für das Verletztengeld bei Wiedererkrankung galt für den Fall der Erwerbsunfähigkeit. Die entsprechende Anwendung des Ausschlusstatbestandes der Zubilligung von Altersruhegeld für das Krankengeld (§ 183 Abs 3 RVO) auf das Verletztengeld sei ausgeschlossen (BSG, aaO). Dies stehe jedoch einer Analogie nicht entgegen, die sich zum einen auf das Verletztengeld bei Wiedererkrankung nach § 562 Abs 2 RVO beschränke und zum anderen auf den Fall, dass der noch nicht erwerbsunfähige Unfallverletzte endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei (BSG, aaO, mwN). Mit § 46 Abs 3 SGB VII wurde indes eine differenzierte gesetzliche Regelung über das Ende des Verletztengeldes für den Fall des Bezuges bestimmter Sozialleistungen geschaffen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber dabei unbewusst etwas nicht geregelt hat, was er hätte regeln wollen. Für eine analoge Anwendung des § 183 Abs 3 RVO bzw des § 50 Abs 1 Satz 1 SGB V ist nach In-Kraft-Treten des § 46 Abs 3 Satz 2 SBG VII kein Raum mehr.
Auch systematische Gründe sprechen für die hier vorgenommene Auslegung. Zwar haben sowohl das Verletztengeld als auch die Altersrente Entgeltersatzfunktion. Einen Grundsatz dergestalt, dass Entgeltersatzleistungen niemals nebeneinander bezogen werden dürften, gibt es indes weder in der gesetzlichen Unfallversicherung noch in anderen Bereichen der Sozialversicherung oder der Arbeitslosenversicherung (vgl Benz, aaO, 44). Das folgt aus den zahlreichen Konkurrenz- und Kumulierungsvorschriften, zu denen auch § 50 Abs 1 SGB V und insbesondere § 46 Abs 3 SGB VII gehören. Es entspricht aber auch den Prinzipien der gesetzlichen Unfallversicherung, dass durchaus durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit begründete Leistungsansprüche neben Entgeltersatzleistungen aus anderen Bereichen der Sozialversicherung bestehen können (vgl Ricke, BG 1998, 108, 109). Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass der Bezug von Verletztengeld den Anspruch des Klägers auf Altersrente ganz oder teilweise ausschlösse. Eine Kumulierungsvorschrift besteht mit § 93 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) nur für das Zusammentreffen einer eigenen Altersrente und einer Verletztenrente oder einer Hinterbliebenenrente bzw einer Abfindung aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bezug von Verletztengeld ist in der gesetzlichen Rentenversicherung nur bei Bezug einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu beachten (§ 96a SGB VI). Darüber hinaus kann der Bezieher von Regelaltersrente sogar unbegrenzt hinzu verdienen. Dem Bezieher der Altersrente für langjährig Versicherte gemäß § 36 SGB VI, die der Kläger im Zeitraum vom 1. März bis 15. April 1998 erhielt, ist dies nach § 34 Abs 2 SGB VI unterhalb der Hinzuverdienstgrenze nach § 34 Abs 3 SGB VI möglich.
Nach alledem würde es allein dem Gesetzgeber obliegen, einen Rechtszustand herzustellen, wonach der Bezug von Altersrente stets zum Ende des Anspruchs auf Verletztengeld führt. Mit den Mitteln der Auslegung ist dieses Ergebnis angesichts des klaren Wortlauts des § 46 Abs 3 Satz 2 SGB VII nicht zu erzielen.
Auf die Revision des Klägers war daher das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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