L 5 KR 5573/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 5147/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 5573/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.9.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für eine operative Brustverkleinerung (Mammareduktionsplastik).

Die 1969 geborene Klägerin, Mitglied der Beklagten, leidet (u.a.) an Nacken-/Rückenschmerzen und einer chronisch rezidivierenden Dermatose im Bereich der Brustumschlagfalte. Unter dem 31.3.2006 beantragte sie unter Vorlage des Attestes des Dr. D. vom 23.3.2006 (Makromastie mit orthopädischer und dermatologischer Beschwerdesymptomatik; Krankheitsbild sei nur operativ behandelbar bei zu erwartendem Brustresektatgewicht zwischen 600 und 800 g pro Seite) die Übernahme der Kosten einer operativen Brustverkleinerung (Verwaltungsakte S. 1, 2).

Die Beklagte erhob das Aktengutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 27.4.2006 (Dr. Sch.-R.). Darin ist unter Bezugnahme auf den Bericht des Kreiskrankenhauses Lörrach über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 17. bis 20.12.2005 ausgeführt, die Klägerin leide (u.a.) unter einem HWS-Syndrom; sie habe vor 10 Jahren eine HWS-Distorsion erlitten und seither oft Nackenprobleme, die in den letzten 2 Jahren deutlich zugenommen hätten. Sie führe ihre Schmerzen in Schulter und Rücken auf ihre großen Brüste zurück. Außerdem komme es zu Hautproblemen im Bereich zwischen den Brüsten (feuchtes Milieu und Geruchsentwicklung sowie häufiges Wundwerden). Der Gutachter stellte ein Körpergewicht von 59,4 kg bei einer Größe von 161 cm fest. Die Klägerin habe große symmetrische Brüste mit leichter Ptosis beidseits, palpatorisch unauffälliges Brustgewebe. Die Unterbrustweite betrage 79 cm, der Brustumfang 96 cm. Die Haut sei submammär völlig unauffällig und reizlos. Diagnostiziert wurden eine symmetrische Mammahyperplasie beidseits sowie ein rezidivierendes Zervikobrachialsyndrom, derzeit vorwiegend rechts ausstrahlend. Bei der Klägerin liege mit dem gemessenen Brustgewicht von ca. 1,9 kg – je Seite ca. 0,9 kg – und normaler Form der Brust keine Krankheit i. S. des Gesetzes vor. Ein Zusammenhang zwischen hohen Brustlasten und Rückenbeschwerden sei wissenschaftlich nicht erwiesen. Bei der Klägerin liege die Brustlast eindeutig innerhalb der Variationsbreite in der normalen weiblichen Bevölkerung. Beschwerden des Halte- und Stützapparats seien in der Allgemeinbevölkerung ebenfalls weit verbreitet. Die geplante Mammareduktionsplastik könne keinesfalls als kausale Therapie der vorliegenden Beschwerden angesehen werden. Auch die rezidivierenden submammären Dermatosen seien problemlos konservativ behandelbar.

Mit Bescheid vom 15.5.2006 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf das MDK-Gutachten ab. Zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs verwies die Klägerin auf ihre Schulter-Nacken-Schmerzen, wiederkehrende Schmerzen in der BWS-Region, Entzündungen (vermehrt im Sommer) unter den Brüsten, Einschneiden der BH-Träger, Magenbeschwerden und psychische Beschwerden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.9.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, worauf die Klägerin am 17.10.2006 Klage beim Sozialgericht Freiburg erhob. Sie begehre die Operation nicht aus kosmetischen Gründen sondern wegen ihrer starken und dauerhaften Schmerzen. Die Klägerin legte (u. a.) den Arztbrief des Dr. Sch. (Kliniken des Landkreises Lörrach, SG-Akte S. 20) vom 29.11.2006 vor. Darin ist ausgeführt, als kausal für das Schmerzsyndrom der Klägerin lasse sich sicherlich die überdurchschnittliche Größe bzw. das Gewicht der Mammae diskutieren; die bisher gewählten therapeutischen Ansätze mit Flupirtin und Trainingstherapie würden für richtig erachtet, wobei als zweite Therapiemodalität die transkutane elektrische Nervenstimulation ins Spiel zu bringen sei.

Das Sozialgericht befragte Dr. Sch. und erhob das Gutachten des Orthopäden Prof. Dr. W. vom 23.4.2007.

Dr. Sch. führte im Bericht vom 2.2.2007 (SG-Akte S. 29) aus, ob ein Zusammenhang zwischen Brustmasse und dem Auftreten von Dorsalgien in randomisierten kontrollierten Studien untersucht worden sei, wisse er nicht. Seine Äußerungen im Arztbrief vom 29.11.2006 seien spekulativ, beruhten jedoch auf biomechanischen Modellvorstellungen.

Prof. Dr. W. führte in seinem Gutachten (SG-Akte S. 35) aus, die Klägerin leide nach eigenen Angaben schon seit 20 Jahren unter Nacken- und Schultergürtelschmerzen. Wegen der schmerzhaften Muskelverspannungen, die sie auf ihre großen Brüste zurückführe, sei sie mit Krankengymnastik, Massagen und Wärme behandelt worden; dadurch seien die Beschwerden immer günstig beeinflusst worden. Eine medikamentöse Therapie sei nicht durchgeführt worden. Der Gutachter fand einen regelrechten Allgemeinzustand; die Klägerin sei von leptosomalem Habitus. Auf orthopädischem Fachgebiet lägen keine krankhaften Veränderungen vor. Es finde sich lediglich ein Hartspann der oberen Trapeziusränder, also der Schultermuskulatur; dabei handele es sich um semiobjektive, per se nicht krankhafte Befunde, die unterschiedlichste Ursachen haben könnten. Damit entfalle die Frage nach einem Ursachenzusammenhang zwischen krankhaften Veränderungen und dem Brustgewicht der Klägerin; eine orthopädische Erkrankung liege gar nicht vor. Allerdings könne man hinterfragen, ob die Verspannungen durch die Mammahyperplasie bedingt seien. Das sei vorstellbar, da eine Mammahyperplasie zu einer vermehrten Beanspruchung der Wirbelsäule führen könne und damit auch zu einer besonderen Beanspruchung der Rumpfmuskulatur, die eine vermehrte Haltearbeit leisten müsse. Da Muskulatur aber trainierbar sei, gelinge es in der Regel, durch physikalische Maßnahmen, speziell auch durch eine medizinische Trainingstherapie, aber oft auch alleine durch gymnastische Maßnahmen das Missverhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit der Muskulatur zu beseitigen. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch, dass Verspannungen der Schulter-Nacken-Muskulatur unterschiedlichste Ursachen hätten, zu denen auch psychische Einflussfaktoren gehörten. Studien zum Zusammenhang zwischen Mammahypertrophie und Muskelverspannungen gebe ist nicht. Verschiedene Publikationen von längsschnittmäßig durchgeführten Studien hätten sich mit der Wechselwirkung von Mammahypertrophie und Wirbelsäulenerkrankungen beschäftigt. Alle Studien seien zu dem Ergebnis gekommen, dass die Mammareduktion bei Mammahypertrophie in einem hohen Prozentsatz zur Abnahme von Schulter- und Rückenschmerzen führe. Bei den Längsschnittstudien handele es sich indessen um Studien ohne Kontrollgruppe. Dies schränke ihre Relevanz erheblich ein. In keiner dieser Studien sei überprüft worden, ob es sich bei den Therapieerfolgen um einen spezifischen Effekt der Mammareduktion oder um andere Effekte (Placebo, psychische Einflüsse usw.) gehandelt habe. Die Beobachtung, dass der Therapieeffekt unabhängig von der Masse des entfernten Brustgewebes sei, spreche dafür, dass zumindest mechanische Aspekte nicht ausschlaggebend seien. Andererseits stehe eindeutig fest, dass die Mammareduktion bei Mammahyperplasie ein erfolgreicher Eingriff sei, dessen therapeutischer Effekt auch über Jahre anhalte. Da entsprechende vergleichende Untersuchungen nicht durchgeführt worden seien, könne nicht festgestellt werden, ob muskulär bedingte Wirbelsäulenbeschwerden mit physikalischen Behandlungsmaßnahmen ebenso erfolgreich zu behandeln seien wie durch Mammareduktion. BENDITTE-KLEPETKO habe mit Hilfe kernspintomografischer Untersuchungsmethoden festgestellt, dass zwischen Brustgröße und "Beeinträchtigung der Wirbelsäule" und "Wirbelsäulenschäden" ein statistisch signifikanter Zusammenhang bestehe. Die Untersuchungsergebnisse lägen allerdings nur als Kurzfassung eines Vortrags aus dem Jahr 2001 vor und es müsse bezweifelt werden, ob sie im wissenschaftlichen Sinne exakt durchgeführt worden seien, da wohl kein Kontrollkollektiv untersucht worden sei und man auch nicht geprüft habe, inwieweit zwischen den Prüfkriterien Interaktionen bestünden. Im Sinne der evidenzbasierten Medizin stehe somit nicht fest, dass die Mammareduktion bei der Therapie von Wirbelsäulenerkrankungen oder zumindest von Wirbelsäulenbeschwerden erfolgreicher sei als andere Therapieformen.

Nachdem die Klägerin auf ihrem Begehren beharrt und ergänzend betont hatte, die Größe ihrer Brüste stelle für sie kein psychisches Problem dar, wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 27.9.2007 ab. Zur Begründung führte es aus, Operationen, die, wie hier, in ein funktionell intaktes Organ eingriffen, um hierdurch mittelbar Erkrankungen eines anderen Organs zu beeinflussen, bedürften einer besonderen Rechtfertigung. Daran fehle es. Die Klägerin leide unter Verspannungen der Schulter-Nacken-Muskulatur. Zwar sei es vorstellbar, dass eine Mammahyperplasie zur vermehrten Beanspruchung der Wirbelsäule führen könne. Allerdings habe der Gutachter Prof. Dr. W. darauf hingewiesen, dass die Muskulatur trainierbar sei und außerdem andere Therapiemaßnahmen, wie physikalische Behandlungen oder Gymnastik, das Missverhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit der Muskulatur beseitigen könnten. Zudem könnten Muskelverspannungen unterschiedlichste Ursachen, auch aus dem psychischen Bereich, haben. Randomisierte kontrollierte wissenschaftliche Studien, die einen Zusammenhang zwischen Brustlast und den Beschwerden der Klägerin nachweisen könnten, gebe es nicht. Einen Nachweis über die Zustellung des am 15.11.2007 zur Post gegebenen Urteils (SG-Akte S. 73) ist in den Akten des Sozialgerichts nicht vorhanden.

Am 19.11.2007 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Ergänzend trägt sie vor, Prof. Dr. W. habe in seinem Gutachten weder ihre Körpergröße noch ihr Körpergewicht festgestellt und auch nicht das geschätzte Resektatgewicht festgehalten. Außerdem fehlten (u.a.) Angaben zum Jugulum-Mamillen-Abstand, zur Brustsymmetrie und Brustkonsistenz oder zum Umfang von Thorax, Taille und Hüfte; auf dem Gebiet der Gynäkologie sei anerkannt, dass diese Daten zwingend erhoben werden müssten. Der Gutachter sei auch nicht auf die Einschnürungen durch BH-Träger im Schultergürtel eingegangen; deshalb sei nicht zutreffend, dass am Schultergürtel selbst kein pathologischer Befund vorhanden sei. Vermutlich habe Prof. Dr. W. auch i. Ü. zu Unrecht angenommen, es liege kein krankhafter orthopädischer Befund vor. Die chronisch rezidivierende Dermatose im Bereich der Brustumschlagfalte sei ohne operativen Eingriff nicht wirksam zu heilen. Konservative Behandlungsmaßnahmen, wie Krankengymnastik, habe sie bereits in Anspruch genommen; auch hiermit habe sich der Gutachter nicht ausreichend auseinandergesetzt. Diese Behandlungen hätten keinen durchgreifenden Erfolg erbracht.

Die Klägerin hat eine für das Sozialgericht Fulda erstattete gutachterliche Stellungnahme des Prof. Dr. Mü. vom 15.10.2007 vorgelegt (Senatsakte S. 27). Darin ist ausgeführt, in der Literatur fänden sich zahlreiche Untersuchungen, die allesamt positive Effekte der Mammareduktionsplastik ergäben. Die Effekte seien auch bereits bei geringerer Masse des zu reduzierenden Brustdrüsengewebes vorhanden, seien aber umso deutlicher, je mehr Brustgewebe entfernt werde. Vorgelegt worden ist (neben weiteren Arztbriefen – Senatsakte S. 96 ff.) außerdem ein (offenbar ebenfalls für das Sozialgericht Fulda erstattetes) Gutachten des Orthopäden Dr. S. (Senatsakte S. 66); danach könnten zahlreiche Studien belegen, dass die Mammareduktionsplastik die mit der Makromastie assoziierten Symptome erfolgreich lindern bzw. zum Verschwinden bringen könne und die Lebensqualität so signifikant erhöhe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.9.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.9.2006 zu verurteilen, ihr eine operative Brustverkleinerung (Mammareduktionsplastik) an beiden Brüsten zu gewähren bzw. die Kosten hierfür zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat die ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. W. vom 24.1.2008 (Senatsakte S. 51) sowie auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Frauenarztes Dr. H. vom 21.8.2008 (Senatsakte S. 111) erhoben. Die Beklagte hat hierzu das Gutachten des MDK (Dr. Sch.-Ritzert) vom 23.1.2009 (Senatsakte S. 162) vorgelegt.

Prof. Dr. W. hat unter dem 24.1.2008 zu den Einwendungen der Klägerin gegen sein im sozialgerichtlichen Verfahren erstattetes Gutachten Stellung genommen und an seiner Auffassung festgehalten; bei der Klägerin liege weder eine Wirbelsäulenfehlform noch eine Wirbelsäulenfehlhaltung vor. Bei den im von der Klägerin vorgelegten Gutachten des Prof. Dr. Mü. zitierten Veröffentlichungen handele es sich nur um nicht kontrollierte Therapiestudien, die alle zu dem Ergebnis gelangt seien, dass die Mammareduktion bei Mammahypertrophie die von den Patientinnen vorgetragenen Beschwerden günstig beeinflusse. Auf diese Studien habe er in seinem Gutachten hingewiesen. Keine dieser Untersuchungen stelle eine Fallkontrollstudie zur Effizienz der Mammareduktion bei einem definierten orthopädischen Krankheitsbild dar. Bezogen auf orthopädische Krankheitsbilder sei die Mammareduktion nicht evidenzbasiert.

Dr. H. hat in seinem gem. § 109 SGG erstatteten Gutachten ausgeführt, nach Angaben der Klägerin stünden Beschwerden im Bereich des Rückens, des Nackens und des Schultergürtels, die schon vor etwa 20 Jahren begonnen und sich in letzter Zeit verschlimmert hätten, im Vordergrund. Wegen der Beschwerden sei sie regelmäßig von ihrem Hausarzt behandelt worden und habe physikalische Therapien erhalten. Diese hätten sich meist günstig ausgewirkt, der Effekt habe jedoch meist weniger als eine Woche angehalten. Behandlungsversuche mit einem TENS-Gerät hätten nicht geholfen, weshalb sie regelmäßig auf Schmerzmittel zurückgreifen müsse. Beim Sport würden im Bereich der Brüste starke Schmerzen auftreten. Sie wolle sich wegen der übergroßen Brüste auch nicht in der Öffentlichkeit präsentieren, da sie bei der Vorstellung, von manchen Menschen hauptsächlich als Sexualobjekt gesehen zu werden, Scham empfinde.

Der Gutachter hat sich hinsichtlich des orthopädischen Befunds weitestgehend dem Gutachten des Prof. Dr. W. angeschlossen. Eine Abweichung bestehe allein darin, dass im Bereich der Brustwirbelsäule eine vermehrte Kyphosierung zu beschreiben sei, wie dies für Patientinnen mit übergroßen Brüsten typisch sei. Die Muskulatur im Bereich des Nackens, Schultergürtels und Rückens sei verspannt; Myogelosen fänden sich nicht. Die Brüste beidseits seien übergroß. Das geschätzte Gewicht betrage auf jeder Seite 1200 bis 1300 g. Die erwarteten Resektionsgewichte lägen bei 750 g. Die Hautverhältnisse seien unauffällig auf den freiliegenden Flächen der Brusthaut. Beide Schultern zeigten leichte bis mäßige Impressionen an den durch BH-Träger beanspruchten Stellen. Der Gutachter diagnostizierte eine massive Mammahyperplasie beidseits, eine Kyphoskoliose leichter Ausprägung, in der Entstehung zumindest unterstützt und befördert durch die Mammahyperplasie, sowie im Bereich der Brusthaut beidseits submammär eine chronische Dermatose als Ausdruck der lange bestehenden Irritationen der Haut infolge des vermehrten Drucks durch die hyperplastischen Mammae. Der Mammahyperplasie könne der Krankheitswert – entgegen der sozialgerichtlichen Rechtsprechung – nicht abgesprochen werden. Allerdings sei in den ICD 10 nicht definiert, was unter einer Hypertrophie der Mamma zu verstehen sei, wo also die Grenze zwischen der großen Brust innerhalb der Grenzen der Norm und der krankhaft übergroßen Brust liege. Nach der Definition von BÄSSLER liege bei 600 g Gewicht oder 600 ml Volumen eine Makromastie (Mammahypertrophie) vor. Zu der Frage einer medizinischen Indikation für eine Mammareduktionsplastik fänden sich Stellungnahmen führender Gynäkologen und der Vereinigung der Deutschen plastischen Chirurgen. Als Grenze für eine medizinisch indizierte Brustverkleinerung würden - abhängig vom Habitus der Patientin - Resektionsgewichte von mehr als 500 g pro Seite benannt. Den Aussagen von GERBER und FRIESE, Ordinarien für Gynäkologie und Geburtshilfe, könne in gewisser Weise normativer Charakter für medizinische Sachverhalte zugesprochen werden. Die Vereinigung der Deutschen plastischen Chirurgen habe eindeutige Angaben zu den medizinischen Operationsindikationen gemacht, nämlich psychische Belastung, fehlhaltungsbedingte Beschwerden, Verkleinerungsnotwendigkeit um wenigstens 2 BH-Cup-Größen. Man könne - im Hinblick auf die allgemeine Problematik der Studienanfertigung - nicht erwarten, dass zur Frage der Effizienz einer Mammareduktionsplastik hinsichtlich orthopädischer oder anderer Beschwerden jeweils eine randomisierte kontrollierte Studie aufgelegt werde. Dagegen gebe es durchaus valide Untersuchungen, die im Bereich der Evidenzlevel II und III auf retrospektiver Basis den therapeutischen Wert der Mammareduktionsplastik im Hinblick auf orthopädische Beschwerden, die Stimmungslage und das Allgemeinbefinden belegten. Entgegen der Rechtsprechung des BSG gehe es nicht um eine mittelbare Krankenbehandlung, da die Makromastie oder Mammahypertrophie als Krankheit definiert sei. Deswegen werde keineswegs in ein intaktes Organ eingegriffen. Analysen und Studien bzw. Fragebogenaktionen bei Patientinnen seien zu dem Schluss gekommen, dass eine Mammareduktionsplastik zur deutlichen Verbesserung (u. a.) orthopädischer und psychischer Symptome geführt habe. Die weit überwiegende Zahl der Patientinnen sei nach der Operation mit dem Ergebnis zufrieden.

Insgesamt liege bei der Klägerin eine Mammahyperplasie beidseits, eine Kyphoskoliose mit HWS-BWS-Syndrom sowie – eher anamnestisch - eine chronische Dermatose submammär vor. Es sei davon auszugehen, dass die geklagten Beschwerden im orthopädischen Bereich und auch im Bereich der Haut sämtlich Folgen der Mammahyperplasie seien. Die Tatsache, dass in der genannten Literatur ein günstiger, in der Regel anhaltender Effekt von Mammareduktionsplastiken auf orthopädische Beschwerden bei fast allen Patientinnen beschrieben werde, lasse den sicheren Rückschluss zu, dass die Beschwerden zum allergrößten Teil durch das Übergewicht der Brüste verursacht werde. Es bestehe kein Zweifel daran, dass bei der Klägerin zwingend eine operative Verkleinerung der Brüste notwendig sei, um das Beschwerdebild zu beseitigen oder zu lindern. Der Eingriff bringe kaum vitale Gefährdungen mit sich. Das Anliegen der Klägerin dürfe nicht an unerfüllbare Forderungen, etwa nach dem Vorliegen von randomisierten, kontrollierten Studien, geknüpft werden.

Dr. Sch.-R. hat im MDK-Gutachten vom 23.1.2009 ausgeführt, bei der Klägerin bestehe ein HWS-/BWS-Syndrom, jedoch keine Kyphoskoliose. Die in Rede stehenden Hautprobleme seien selbst durch Eigentherapie mit freiverkäuflichen Hautsalben konservativ gut behandelbar; auch bei der Begutachtung durch Dr. H. habe sich kein wesentlicher auffälliger (Haut-)Befund ergeben. Regelwidrige Körperzustände, die die Größe der weiblichen Brust beträfen, seien bisher nicht allgemeinverbindlich definiert. In der Literatur verbreitet seien Größeneinteilungen von einer Hypoplasie bis zur Gigantomastie (über 1500 g pro Seite). Auch die seitengleiche Gigantomastie könne Krankheitswert gewinnen, obwohl dies weder wissenschaftlich bewiesen noch widerlegt sei. In Einklang mit dem MDK-Vorgutachten bleibe festzustellen, dass das Brustgewicht der Klägerin im Bereich der natürlichen Varianz der Brustgrößen in der weiblichen Bevölkerung und deutlich unter der Grenze der Gigantomastie liege. Die geklagten Beschwerden i. S. eines BWS-Syndroms seien in der Bevölkerung weit verbreitet und hätten unterschiedliche Ursachen. Es gebe bislang keine wissenschaftlich gesicherten, methodisch einwandfreien Untersuchungen, die zweifelsfrei einen Zusammenhang zwischen Brustlast und muskuloskelettalen Beschwerden belegten. Diese seien nicht geschlechtsspezifisch und auch nicht therapieresistent. Symptombezogene fachorthopädische Behandlungen, Rückenschulung und Heilmittelanwendungen seien zweckdienlich und hätten nach Angaben der Klägerin zumindest vorübergehend zu deutlichen Verbesserungen geführt.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf das im Berufungsverfahren vorgelegte MDK-Gutachten abschließend vorgetragen, ein Zusammenhang zwischen Beschwerden am Halte- und Stützapparat und der Brustlast bestehe nicht. Die von Dr. H. herangezogenen Studien könnten nicht als solche gewertet werden, da sie die Kriterien der evidenzbasierten Medizin nicht erfüllten. Bei den regelmäßig behaupteten Verbesserungen der Befindlichkeit nach Durchführung der Operation handele es sich um subjektive und nicht überprüfbare Empfindungen der Patientinnen. Ein krankenversicherungsrechtlich relevantes "Normgewicht" der weiblichen Brust sei nicht festgelegt. Die Gesundheitsbegriffe der WHO (ICD) seien in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht anwendbar. Die WHO definiere Gesundheit als einen Zustand vollkommenen physischen und sozialen Wohlbefindens; im Umkehrschluss hieße dies, dass nahezu jeder Mensch krank wäre. Die Auffassung des Dr. H. sei mit biomechanischen Erkenntnissen nicht vereinbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr eine operative Brustverkleinerung (Mammareduktionsplastik) zu gewähren bzw. die dafür entstehenden Kosten zu übernehmen. Die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.

I.

Rechtsgrundlage des Leistungsbegehrens der Klägerin ist § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 SGB V), wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht; § 33 Abs. 1 SGB V bewirkt mit dem Abstellen auf eine Behinderung bzw. eine drohende Behinderung keine sachliche Änderung, setzt vielmehr nur einen anderen Akzent. Freilich stellt nicht jede körperliche Unregelmäßigkeit eine Krankheit dar. Notwendig ist, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder die anatomische Abweichung entstellend wirkt. Psychische Krankheiten können die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ebenfalls begründen (zu alledem näher: Senatsurteile vom 5.4.2006, - L 5 KR 3888/05 –, und vom 22.11.2006, - L 5 KR 4488/05 – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, insbesondere Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 9/04 R – "Mammareduktionsplastik").

Die begehrte Krankenbehandlung muss außerdem notwendig sein. Hierzu bestimmt die allgemeine Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V ergänzend und präzisierend, dass alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, und damit auch Krankenbehandlungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V).

An der Notwendigkeit (wie der Zweckmäßigkeit) einer Krankenbehandlung i. S. d. §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V fehlt es von vornherein, wenn ihre Wirksamkeit bzw. ihr therapeutischer Nutzen für die Erkennung oder Heilung der jeweiligen Krankheit oder für die Verhütung ihrer Verschlimmerung bzw. die Linderung der Krankheitsbeschwerden nicht festgestellt werden kann. Ausschlaggebend sind grundsätzlich die Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin. Setzt die Krankenbehandlung entgegen der Regel nicht unmittelbar an der Krankheit bzw. am erkrankten Organ selbst an, soll der Behandlungserfolg vielmehr mittelbar durch einen Eingriff an einem an sich gesunden Organ erreicht werden, bedarf die Notwendigkeit der Krankenbehandlung einer besonderen Rechtfertigung im Rahmen einer umfassenden Abwägung zwischen dem voraussichtlichen medizinischen Nutzen und den möglichen gesundheitlichen Schäden. In diese Abwägungsentscheidung sind auch Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit des Eingriffs und etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung einzubeziehen (BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 9/04 R -; BSGE 85, 86). Im Hinblick darauf sind Operationen am gesunden Körper (wie hier: Brustoperationen) zur Behebung psychischer Störungen grundsätzlich nicht gerechtfertigt, vor allem, weil die psychischen Wirkungen körperlicher Veränderungen nicht hinreichend verlässlich zu prognostizieren sind (auch dazu näher Senatsurteile vom 5.4.2006, - L 5 KR 3888/05 –, und vom 22.11,2006, - L 5 KR 4488/05 – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, etwa BSGE 90, 289).

II.

Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer operativen Brustverkleinerung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung.

1. Die Brustgröße der Klägerin als solche stellt keine Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 SGB V dar. Ein "Normalgewicht" der Brüste ist nicht zu bestimmen (vgl. auch LSG Bad.-Württ., Urt. v. 24.2.2005, - L 4 KR 3936/03 -). Der Senat kann offen lassen, ob anderes bei einer so genannten "Gigantomastie" angenommen werden könnte; bei der Klägerin liegt lediglich eine Mammahyperthrophie/Mammahyperplasie (vgl. etwa Dr. Sch.-R. im MDK-Gutachten vom 23.1.2009; auch Dr. H. im Gutachten vom 21.8.2008) vor. Der von Dr. H. herangezogene Gesundheitsbegriff der WHO ist für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht von Belang. Demgegenüber hat Dr. Sch.-R. in den von der Beklagten eingeholten MDK-Gutachten zutreffend darauf abgestellt, dass das Brustgewicht der Klägerin im Bereich der natürlichen Varianz der Brustgrößen in der weiblichen Bevölkerung liegt, was die Annahme einer Krankheit der Brust infolge ihrer Größe bzw. ihres Gewichts ausschließt. Funktionsbeeinträchtigungen wegen der Brustgröße bestehen nicht. Unter einer psychischen Erkrankung infolge der Mammahypertrophie leidet die Klägerin ebenfalls nicht; hierfür ist nichts dokumentiert oder vorgetragen. Schließlich liegt eine entstellende Wirkung nicht vor; die Klägerin hat dies auch nicht geltend gemacht. Auf orthopädischem Fachgebiet hat Prof. Dr. W. Krankheiten nicht gefunden. Die gegen sein Gutachten gerichteten Einwendungen der Klägerin hat er in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24.1.2008 überzeugend ausgeräumt. Selbst wenn muskulo-skelettale Beschwerden der Klägerin vorlägen rechtfertigte dies eine Mammareduktionsplastik nicht. Gleiches gilt für die von der Klägerin angegebenen Hautbeschwerden. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass die Brustverkleinerungsoperation zur Heilung dieser Krankheiten bzw. zur Verhütung ihrer Verschlimmerung oder zur Linderung von Krankheitsbeschwerden gem. §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V notwendig (und zweckmäßig) ist.

2. Die zur Behandlung (etwaiger) orthopädischer und dermatologischer Krankheitsbeschwerden begehrte operative Brustverkleinerung setzt nicht unmittelbar an den Erkrankungen bzw. an den erkrankten Organen, dem muskulo-skelettalen System des Hals-Nackenbereichs und der Haut, an. Vielmehr soll durch einen Eingriff an einem an sich gesunden Organ, der Brust, das Krankheitsgeschehen an anderen Organen oder Organsystemen mittelbar beeinflusst werden. Die Notwendigkeit einer mittelbaren Krankenbehandlung dieser Art bedarf nach dem eingangs Gesagten einer besonderen Rechtfertigung im Rahmen einer umfassenden Abwägungsentscheidung. Im Hinblick auf eine etwaige orthopädische Erkrankung der Klägerin fehlte es nach Auffassung des Senats aber schon am - der eigentlichen Abwägungsentscheidung vorausliegenden - Nachweis der Wirksamkeit bzw. des therapeutischen Nutzens operativer Brustverkleinerungen für die Therapie orthopädischer Beschwerden auf Grund eines Cervikalsyndroms (a). Außerdem könnte bei Abwägung eines unterstellten therapeutischen Nutzens mit möglichen gesundheitlichen Schäden und etwaigen Folgekosten für die Krankenversicherung nicht festgestellt werden, dass (konservative) orthopädische Behandlungsmethoden, wie Physiotherapie oder Rückenschulung, ggf. ergänzt durch eine allgemeine Gewichtsreduktion, hinter der Brustverkleinerungsoperation zurücktreten müssten (b). Die Hauterkrankung der Klägerin (submammäre chronische Dermatose) mag durch die Brustverkleinerung bzw. die Verkleinerung der Auflagefläche der Brust zwar günstig beeinflusst werden können. Die auch hier notwendige Abwägungsentscheidung führt aber zum Vorrang einer entsprechenden hautärztlichen Therapie vor der Operation an einem gesunden Organ (c).

(a) Auf degenerative Prozesse an der Halswirbelsäule bzw. eine Skoliose kann die operative Brustverkleinerung therapeutisch nicht einwirken. Dadurch sind (naturgemäß) weder die bereits eingetretenen osteochondrotischen und spondylotischen Veränderungen noch die bei der Klägerin ebenfalls vorliegende spinale Enge der Halswirbelsäule zu beeinflussen. Auch das weitere Fortschreiten von im Kern altersbedingten Veränderungen ist durch die operative Verringerung der Brustlast nicht aufzuhalten oder zu verlangsamen, um so den orthopädischen Krankheitsbeschwerden der Klägerin entgegenzuwirken. Wie Prof. Dr. W. in seinem Gutachten vom 23.4.2007 überzeugend ausgeführt hat, gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis für einen Zusammenhang zwischen muskulo-skelettalen Beschwerden (etwa im Hals-Nacken-Schulterbereich) und übergroßen Brustlasten im Sinne evidenzbasierter Medizin ... Dies haben die Gutachter des MDK (Dr. Sch.-Ritzert)) bestätigt und damit die Auffassung des Prof. Dr. W. zusätzlich untermauert. Der gegenteiligen Einschätzung des Dr. H. (Gutachten nach § 109 SGG vom 21.8.2008) kann der Senat nicht folgen.

Wie aus dem Gutachten des Prof. Dr. W. hervorgeht, mag es durchaus zutreffen, dass Patientinnen nach operativer Brustverkleinerung über eine Abnahme ihrer vorbestehenden Schulter- und Rückenschmerzen berichtet haben. Mit positiven Patientenerfahrungen und -einschätzungen allein ist die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung und damit der Solidargemeinschaft der Beitragszahler freilich nicht zu begründen. Ausschlaggebend sind, wie eingangs dargelegt, vielmehr die objektiv-wissenschaftlichen Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin. Danach steht aber nicht hinreichend sicher fest, dass berichtete Therapieerfolge tatsächlich auf der Verringerung der Brustlast beruhen.

Die vorliegenden Studien zu etwaigen Wechselwirkungen zwischen Mammahypertrophie und Wirbelsäulenerkrankungen stellen – so Prof. Dr. W. – Längsschnittstudien ohne Kontrollgruppe dar, weshalb ihre Aussagekraft schon im Ansatz erheblich einschränkt ist. Außerdem wurde bei keiner der bisher durchgeführten Studien überprüft, ob der angegebene Therapieerfolg in Wahrheit nicht wesentlich auf anderen Effekten, wie den gerade bei chronifizierten Wirbelsäulenbeschwerden bedeutsamen psychischen bzw. psychosozialen Faktoren oder auf Placeboeffekten beruht. Auf andere Einflüsse als die Wirkung biomechanischer Belastungen durch das Brustgewicht weist auch der Umstand hin, dass der von operierten Patientinnen angegebene Therapieerfolg nicht vom Gewicht des jeweils entfernten Brustgewebes abhing.

Das auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG erhobene Gutachten des Dr. H. kann nicht überzeugen. Entgegen der Auffassung des Gutachters können Nachweise im Sinne der evidenzbasierten Medizin nicht unter Rückgriff auf Erfahrungswerte in medizinischen Fachgesellschaften oder auf die praktische Erfahrung einzelner Ärzte für entbehrlich erachtet werden (vgl. auch etwa Senatsurteil vom 29.10.2008, - L 5 KA 2851/06 - zur Frage einer Begründung der Leistungspflicht gesetzlicher Krankenkassen mit Hilfe der Erkenntnisse wissenschaftlicher Fachgesellschaften). Das gilt erst Recht für Berichte von Patienten oder Patientinnen über (subjektiv empfundene) Therapieerfolge im Einzelfall. Hinsichtlich biomechanischer Einflüsse durch Brustlasten hat der Senat im Übrigen – ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme – verdeutlichend auf die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung entwickelten Rechtsgrundsätze zur Anerkennung von Wirbelsäulenberufskrankheiten hingewiesen. Dort wird das Heben und Tragen von Lasten ab 10 bis 15 kg (bei ausgestrecktem Körper) bzw. von 50 kg (beim Tragen von Lasten auf den Schultern) verlangt (Berufskrankheiten nach Nrn. 2108, 2109 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung – Senatsurteil vom 5.4.2006, - L 5 KR 3888/05 -); von diesen Größenordnungen sind die biomechanisch wirksamen Lasten übergroßer Brüste naturgemäß weit entfernt.

(b) Würde der danach objektiv nicht hinreichend sicher feststellbare therapeutische Nutzen der Brustverkleinerungsoperation für die Beseitigung oder Linderung orthopädischer Krankheitsbeschwerden am muskulo-skelettalen System des Hals-Nacken-Schulterbereichs unterstellt, stünde außerdem nicht fest, dass andere Behandlungsmethoden gegenüber einer operativen Brustverkleinerung im Rahmen der notwendigen umfassenden Abwägungsentscheidung zurückzutreten hätten. Prof. Dr. W. hat in seinem Gutachten dargelegt, dass auch hierzu entsprechende Untersuchungen nicht durchgeführt worden sind, weshalb nicht bekannt ist, ob muskulär bedingte Wirbelsäulenbeschwerden mit physikalischen (konservativen) Behandlungsmaßnahmen nicht ebenso erfolgreich, aber weniger belastend und risikoreich behandelt werden können wie durch einen mit unvermeidlichen Operationsrisiken behafteten Eingriff zur Verkleinerung der Brust. Dr. Sch.-R. hat den vorliegenden MDK-Gutachten ebenfalls mit Recht auf die zweckdienliche, regelmäßig ambulante orthopädische Behandlung bzw. die Rückenschulung und Heilmitelanwendung zur Bekämpfung orthopädischer Beschwerden des muskulo-skelettalen Systems hingewiesen (zum Vorrang physiotherapeutischer Behandlungen in Fällen der vorliegenden Art auch LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 21.11.2007, - L 5 KR 80/06 -; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.6.2008, - L 9 KR 589/07 -).

(c) Bei der im Wesentlichen anamnestisch eruierten Hauterkrankung der Klägerin handelt es sich ersichtlich nicht um ein schwerwiegendes Krankheitsgeschehen. Insoweit treten vermehrt vor allem in den Sommermonaten submammäre Dermatosen auf. Die dadurch verursachten Krankheitsbeschwerden sind hautärztlich zu behandeln (auch dazu nur etwa Dr. Schmidt-R. im MDK-Gutachten vom 23.1.2009). Eine hinreichend intensive hautärztliche (Mit-)Behandlung ist soweit ersichtlich allerdings nicht dokumentiert. Einen operativen Eingriff an einem selbst gesunden Organ, hier der Brust, kann eine Hauterkrankung der vorliegenden Art nicht rechtfertigen.

III.

Da die von der Klägerin begehrte operative Brustverkleinerung nach alledem keine gem. §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V zur Krankenbehandlung notwendige und zweckmäßige Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung darstellt, hat das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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