Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 4 U 130/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 57/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein während der Arbeit eingetretenes Verletzungs-ereignis ein Arbeitsunfall war.
Der 1953 geborene Kläger war am 4. Juli 1997 bei der ökologischen Sanierungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH B. beschäftigt. Er war dabei, eine Sauerstofffla-sche von der Ladefläche eines Multicars zu heben. Dabei kam es zu einem plötzlichen Schmerzeintritt im linken Ellenbogen. Nach dem Durchgangsarztbericht von Dr. H. , Chefarzt der Chirurgischen Klinik des Kreiskrankenhauses B. , vom 4. Juli 1997, sei am linken Ellenbogen ein Bluterguss entstanden. Anhaltspunkte für einen Bruch ergaben sich aus dem Röntgenbild nicht. Dr. H. ging von einer Zerrung des linken Ellenbogengelenkes aus. Diese Annahme ist auch Gegenstand der Unfallanzei-ge der Arbeitgeberin vom 26. Juli 1997. Die Verordnung von Ultraschall vom 31. Juli 1997 wurde hingegen bezüglich eines Muskelfaserrisses des körperfernen linken Oberarmes vorgenommen. In einer Verordnung von Krankengymnastik vom 2. De-zember 1997 findet sich die Diagnose eines körperfernen linken Bizepsrisses.
In einer Eingabe an das Landessozialministerium vom 3. Mai 2002 teilte der Kläger mit, er könne seinen Arm bis zur Gegenwart nicht belasten, weil der Bizeps am linken Arm abgerissen sei. Er halte die Prüfung eines Anspruchs auf Verletztenrente für erforder-lich.
Die Beklagte zog ein Gutachten des Chirurgen Dr. D. vom 8. Januar 2001 bei, der von dem Zustand nach einem körperfernen Bizepssehnenabriss links ausging. Hier hatte der Kläger angegeben, beim Anheben einer Gasflasche von 75 Kilogramm Gewicht habe es plötzlich ein krachendes Geräusch im linken Oberarm gegeben.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Chirurgen Dr. Z. vom 6. März 2003 ein, der einen Bizepssehnenriss nicht für erwiesen hielt. Er habe auch im rechten Arm wegen des erheblichen Übergewichts keine Bizepssehne tasten können. Eine Verlagerung der Bizepssehnenmuskulatur zum Körper und ein Spannungsverlust (Detonisierung) der Muskulatur seien nicht feststellbar. Mit einem Bizepssehnenriss sei eine sofortige Kraftminderung bei der Beugung des Ellenbogengelenkes verbunden, die im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall nicht beschrieben sei. Die Grundlage für die am 2. Dezember 1997 gestellte Diagnose sei völlig unklar. Aber auch bei Unterstellung eines Risses der Bizepssehne fehle es am Nachweis einer unphysiologischen und damit traumatischen Belastung der Sehne. Die Belastung müsse die muskulär vorge-spannte Sehne überfallartig treffen. Nur dann werde die unphysiologische Belastung dem Verletzten aufgezwungen und überschreite die Belastungsgrenzen. Hier liege hingegen eine willentlich gesteuerte Bewegung vor. Konkurrierende Einwirkungen für einen Bizepssehnenriss seien hier in den früher betriebenen Sportarten Boxen und Gewichtheben, weiterhin in einer Zuckerkrankheit und einer Fettsucht zu sehen. Alle Gewichtheber litten unter frühzeitigen Abbauveränderungen der Gelenkkörper und des Sehnengewebes. Dies müsse nicht mit Beschwerden einhergehen, könne aber trotzdem als ruhendes Leiden vorliegen. Dem Ereignis vom 4. Juli 1997 sei dann allenfalls die Bedeutung eines Anlassgeschehens beizumessen.
Der Kläger hatte hier angegeben, er habe eine 75 kg schwere Gasflasche am Fla-schenhals angehoben. Als sie fast oben gewesen sei, sei es zu einem Knall in seinem Arm gekommen, und er habe die Flasche fallen lassen.
Mit Bescheid vom 13. Juni 2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsun-falles und die Erbringung von Leistungen ab. Nach der Beurteilung von Dr. Z. sei das Ereignis keine wesentliche Teilursache der behandlungsbedürftigen Erkrankung. Mit dem noch im Juni 2003 erhobenen Widerspruch hat der Kläger geltend gemacht, objektivierbar seien nach den Ausführungen von Dr. Z. allein die Röntgenbefun-de, aus denen Abbauveränderungen nicht hervorgingen. Vermutungen seien insoweit unzulässig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2003 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie im Wesentlichen die Ausführungen von Dr. Z. wieder. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger auf dem Postwege übersandt.
Mit der am 25. November 2003 beim Sozialgericht Dessau eingegangenen Klage hat der Kläger ergänzend geltend gemacht, er habe lediglich in den Jahren 1967 bis 1969 ohne Leistungsdruck mit einer selbst gebauten Hantel Gewichte gestemmt. Er könne insoweit nicht als Sportler betrachtet werden. Bei einer Gasflasche von 75 Kilogramm Gewicht handele es sich um eine erhebliche Masse. Bei einer Gelegenheit außerhalb der Arbeit falle das Heben derartiger Gewichte nicht an. Ein Riss der Bizepssehne bei irgendeiner anderen Gelegenheit liege daher fern. Entsprechend könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Sehne bei jeder Alltagsgelegenheit gerissen wäre.
Das Gericht hat verschiedene medizinische Unterlagen (Bl. 28 - 45 d. A., bereits Gegenstand des Verwaltungsverfahrens) beigezogen und dann ein Gutachten des Orthopäden Prof. Dr. M. vom 5. Juli 2004 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 67 - 78 d. A. Bezug genommen wird. Er ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, ein alter Ausriss der ellenbogennahen Bizepssehne aus dem ellenbogennahen Ende der Speiche links sei gesichert. Schon Dr. D. habe die unterschiedlichen Muskelreliefs beider Oberarme und die typische Kraftminderung beschrieben. Bei genauer Austastung finde man in der rechten Ellenbeuge zwei Sehnen, in der linken nur eine. Das Sonogramm ergebe näheren Aufschluss. Eine unphysiologische Belastung habe durchaus vorgelegen. Das einhändige Anheben einer 75 Kilogramm schweren Gasflasche sei dem sportlichen Gewichtheben ver-gleichbar und könne durchaus zu einem Sehnenabriss führen. Die Verletzung betreffe gewöhnlich nicht die Sehne als solche, sondern reiße zusammen mit einem mehr oder weniger kleinen Stück Knochen von der Speiche ab. Genau genommen könnte man von einem Abbruch sprechen. Gewichtheben komme als Alternativursache nicht in Betracht, weil dadurch nicht nur eine Schädigung des Sehnenansatzes, sondern auch des benachbarten Ellenbogengelenks selbst zu erwarten sei. Dieses sei aber röntge-nologisch gesund gewesen. Die erfolgte Unterblutung des Gewebes spreche für eine schwerwiegende Weichteilschädigung. Sie dürfe für die Funktionseinschränkung der linken Hand verantwortlich sein, weil Blutungen in die Muskellogen des Unterarms solche Einschränkungen hervorriefen, wenn sie zunächst unbehandelt blieben. Der Riss wäre nicht auch bei jeder anderen üblichen Verrichtung des Privatlebens in etwa demselben Zeitraum aufgetreten. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei mit 20 v. H. einzuschätzen. Zum Schädigungsvorgang hatte der Kläger hier angegeben, er habe die Gasflasche angehoben, um mit der rechten Hand nachfassen zu können.
Mit Urteil vom 17. März 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, ein Unfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII habe bei dem Ereignis vom 4. Juli 1997 nicht vorgelegen, weil sich nicht habe feststellen lassen, dass dieses Ereignis zu einem Gesundheitsschaden geführt habe. Das Anheben der Gasflasche sei zur Verursachung eines Bizepssehnenabrisses als Vorgang generell nicht geeignet gewesen. Auch sei in einem einigermaßen engen zeitlichen Zusammenhang ein Bizepssehnenabriss niemals dokumentiert worden. Selbst von dessen Wahrscheinlich-keit sei erstmals im Januar 2001 die Rede. Die Notwendigkeit des Vollbeweises habe Prof. Dr. M. in seinem Gutachten offensichtlich übersehen. Seine Ausführungen stellten sich als Vermutungen dar.
Gegen das ihm am 6. April 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4. Mai 2005 Berufung eingelegt. Er meint, das Sozialgericht habe sich hinsichtlich der Eignung der Verrichtung für eine entsprechende Verletzung nicht über die Auffassung des Sachver-ständigen Prof. Dr. M. hinwegsetzen dürfen. Auch sei ein Bizepssehnenabriss nicht erstmals im Januar 2001, sondern schon am 2. Dezember 1997 diagnostiziert worden. Auch bei einer Begutachtung durch die LVA Sachsen-Anhalt durch Gutachten vom 3. November 1998 sei aufgefallen, dass der Bizeps links nicht tastbar sei.
Das Gericht hat ein Gutachten des Chirurgen Dr. Sp. vom 9. Januar 2009 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 173 - 199 d. A. verwiesen wird. Der Sachverständige ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gekommen, es sei von einem Riss der körperfernen linken Bizepssehne auszugehen. Dies werde durch den MRT-Befund erhärtet. Folge sei eine funktionell nicht wesentliche Streckminderung im linken Ellenbogengelenk und eine Kraftminderung im linken Arm aufgrund der narbigen Veränderungen im Verlauf der Sehne. Dem Hergang vom 4. Juli 1997 komme aus medizinischer Sicht keine Bedeutung als wesentliche Teilursache für den Sehnen-schaden zu. Komme es bei einem willentlich gesteuerten Hebevorgang zu einer Schädigung des Muskels oder der Sehne, sei von einer schon vorher deutlich herab-gesetzten Belastbarkeit auszugehen. Im unversehrten Zustand halte eine Sehne ein Vielfaches an Kraft aus, wie sie der ihr zugehörige Muskel aufbringen könne. Aufgrund ihres anatomisch etwas problematischen Verlaufes sei die körpernahe lange Bizeps-sehne in besonderem Maße von Abbauveränderungen betroffen. Dementsprechend sei sie die von Rissen am häufigsten betroffene der drei Bizepssehnen. Alternativursa-chen ließen sich mangels frühzeitiger eingehender Erhebungen nicht nachweisen. Aufgrund der medizinischen Vorgeschichte kämen dem Alter vorauseilende Ver-schleißerscheinungen im Zusammenhang mit der langjährigen Zuckerkrankheit in Frage. Entsprechendes gelte für die allerdings schon in den Siebziger Jahren aufgege-bene sportliche Betätigung. Der Sachverständige Prof. Dr. M. habe nicht hinrei-chend beachtet, dass eine Sehne bei einer willentlich gesteuerten Hebetätigkeit keinen Schaden nehmen könne. Ursachenunabhängig belaufe sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 10 vom Hundert.
Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob nicht das Versagen des körpereigenen Warnsystems aufgrund psychischer Belastungen oder durch Umweltbelastungen vorgelegen hat. Schließlich sei zu klären, ob das Gehirn als steuerndes Element nicht Kraftaufwendungen durchführen könne, die physiologisch an sich nicht möglich seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 17. März 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2003 aufzuheben,
festzustellen, dass das Ereignis vom 4. Juli 1997 ein Arbeitsunfall ist und
die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 23. März 1998 an Verletztenrente in gesetz-licher Höhe zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrem Vorbringen und sieht sich durch das Gutachten des Sachverstän-digen Dr. Sp. bestätigt.
Die Akte der Beklagten über den Unfall – Az. 1029 8084709 – hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Beru-fung hat keinen Erfolg. Die ursprünglich auf Anerkennung des Arbeitsunfalls durch die Beklagte gerichtete Klage ist nach dem Anliegen des Klägers als Anfechtungs- und Feststellungsklage gem. § 54 Abs. 1 S. 1 SGG und in entsprechender Anwendung des § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG auszulegen. Die Kombination der Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage wird dem Rechtsschutzanliegen des Klägers am besten gerecht, da die Wirksamkeit der Entscheidung unmittelbar Folgeansprüche, z. B. den Heilbehandlungsanspruch, be-gründet, ohne von der vorherigen Umsetzung durch Bescheid als Rechtsfolge einer Verpflichtungsklage abhängig zu sein.
Die Feststellungsklage des § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ist dabei über den auf die Feststel-lung einer (Unfall- oder Berufskrankheiten-) "Folge" gerichteten Wortlaut hinaus auch für die Feststellung des jeweiligen Versicherungsfalles selbst – hier des Arbeitsunfalles – statthaft (BSG, Urt. v. 7. 9. 04 – B 2 U 46/03 R – SozR 4-2700 § 2 Nr. 3).
Der mit der Anfechtungsklage im Sinne von § 54 Abs. 4 SGG kombinierten Leistungs-klage fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid ausdrücklich Leistungen abgelehnt hat. Die gegenüber der ursprünglich erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht insoweit vorgenommene Klageänderung war zumindest gem. § 99 Abs. 2 SGG durch rügelose Einlassung der Beklagten zulässig. Dem Rechtsschutzbe-dürfnis steht auch nicht der Eintritt einer Bindung an die Leistungsablehnung in dem angefochtenen Bescheid im Sinne von § 77 SGG entgegen. Der ursprünglichen Beschränkung auf eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage mit dem Ziel der alleinigen Anerkennung des Arbeitsunfalles ist nicht zu entnehmen, dass die Leis-tungsablehnung nicht angefochten werden sollte. Dies folgt nicht nur daraus, dass der Kläger schon hier mit der Aufhebung des Bescheides vom 13. Juni 2003 auch die Aufhebung der Leistungsablehnung beantragt hatte, sondern auch aus dem Umstand, dass ungeachtet des Wortlauts der Antragstellung (§ 123 SGG) das Anliegen des Klägers schon nach seiner Eingabe an das Landessozialministerium auf eine Renten-zahlung gerichtet war.
Der Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 22. Oktober 2003 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte darin zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Anerkennung des Ereignisses vom 4. Juli 1997 als Arbeitsunfall abgelehnt hat. Die Hebung der Gasflasche hat als Ereignis nicht im Sinne von § 8 Abs. 1 S. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII – in der insoweit unveränderten Ausgangsfassung durch G. v. 7.8.1996) zu einem Gesundheitsschaden geführt. Ur-sächlich sind insoweit nur Ereignisse, die sich als wesentliche Ursache darstellen (BSG, Urt. v. 15.2.05 – B 2 U 1/04 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 12 Rdnr. 14). Maßgeblich ist für den Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und dem Gesund-heitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, bei der mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urt. v. 9.5.06 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Dabei ist nur die Bedingung rechtlich erheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Eintritt des geltend gemachten Gesundheits-schadens "wesentlich" beigetragen hat (Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII Rdnr. 4, 15 m.w.N.). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urt. v. 9.5.06 – B 2 U 1/05 R – a.a.O.).
Danach ist hier ein wesentlicher Ursachenzusammenhang zwischen der Hebung der Gasflasche und dem bei dieser Gelegenheit erlittenen Bizepsriss unwahrscheinlich. Dies folgt aus den Einschätzungen des Sachverständigen Dr. Sp. und des Gut-achters Dr. Z.
Dr. Sp. hat ausdrücklich die Einschätzung abgegeben, der Geschehenshergang sei keine wesentliche Teilursache. Dies ist nachvollziehbar, weil er darstellt, dass eine gesunde Sehne durch die vom Kläger geschilderte normale Hebung nicht reißen kann. Denn die entfaltbare Muskelkraft sei immer geringer als die Belastbarkeit der zugeord-neten gesunden Sehne. Daraus hat er den zwingenden Schluss gezogen, die Sehne müsse vorgeschädigt gewesen und dies "die" wesentliche Bedingung für den Sehnen-riss gewesen sein.
Dr. Z. hat ausgeführt, auch unter der Annahme einer Zusammenhangstrennung der Bizepssehne sei ein Zusammenhang mit dem Anheben der Gasflasche nicht wahrscheinlich. Dadurch könne die natürliche Belastbarkeit des Sehnengewebes nicht überschritten werden.
Der Senat ist aufgrund der zwingenden Argumentation auch mit den genannten Ärzten davon überzeugt, dass zum Zeitpunkt des Eintritts des Sehnenrisses eine Vorschädi-gung der Sehne vorgelegen hat. Soweit Dr. Sp. dafür eine Erklärung in den Stoffwechselstörungen des Klägers findet, die sich in Zuckerkrankheit und Übergewicht niederschlagen, ist diese Erklärung stimmig.
Daraus ergibt sich der Schluss, dass einer Vorschädigung des Sehnengewebes die überragende Bedeutung für den Eintritt des Bizepssehnenrisses zukommt. Dies will auch der Sachverständige Dr. Sp. durch sein Abstellen auf "die" wesentliche Teilursache erkennbar ausdrücken. Ebenso ist dies der Beurteilung von Dr. Z. zu entnehmen, der dem Ereignis vom 4. Juli 1997 allenfalls die Bedeutung eines An-lassgeschehens beimisst. Dem steht nicht entgegen, dass er im Absatz vor dieser Einschätzung eine nur partielle Sehnenruptur erörtert. Denn seine gesamte Argumen-tation betrifft nach ihrem Inhalt und dem einleitenden Absatz (auch) eine Zusammen-hangstrennung als vollständigen Riss.
Der entgegengesetzten Meinung von Prof. Dr. M. folgt der Senat nicht. Dieser bestätigt mittelbar die Auffassung der anderen Gutachter zur Belastbarkeit der Sehne, indem er nicht von einem Sehnenriss, sondern von einem Ausriss im Bereich des Knochens ausgeht, von dem dabei ein mehr oder weniger großes Stück abbreche. Ein solcher Knochenausbruch ist aber mit keinem angewandten bildgebenden Verfahren – weder MRT noch Röntgen – je nachgewiesen worden und wird auch von Prof. Dr. M. nicht als nachgewiesener Befund beschrieben. In dem Befund des von Dr. Sp. erstmals durchgeführten MRT findet sich darauf keinerlei Hinweis. Dr. Z. beschreibt eine regelrechte Artikulation der Ellenbogengelenkflächen und verneint Hinweise auf knöcherne Verletzungen. Auch Dr. Sp. verneint bei der Auswertung der selben Röntgenbilder einen Hinweis auf stattgehabte knöcherne Ver-letzungen. Der Röntgenbefund des linken Ellenbogens in zwei Ebenen vom 4. Juli 1997 ergibt darauf ebenfalls keinen Hinweis.
Gegen die Bewertung der Hebung der Gasflasche als Anlassgeschehen spricht auch nicht deren erhebliches Gewicht. Der Kläger hat gegenüber Prof. Dr. M. angege-ben, die Gasflasche nur angehoben zu haben, um mit der rechten Hand nachfassen zu können. Bei lebensnahem Verständnis des Vorgangs ist dabei die rechte Seite der Flasche auf der Ladefläche liegen geblieben, bis die Anhebung mit der linken Hand ein Unterfassen auch mit der rechten Hand ermöglichte. Das einwirkende Gewicht hat dabei nur höchstens bei der Hälfte von 75 kg gelegen. Danach handelt es sich bei dem zeitlichen Zusammenhang zwischen Hebung und Sehnenriss um ein Zufallsgesche-hen, das ebenso gut bei einer Alltagsbelastung hätte eintreten können, bei der solche niedrigeren Gewichte ebenso anfallen. Dies schließt die Bedeutung der Hebung als wesentliche Ursache aus.
Den vom Kläger durch ergänzende Befragung des Sachverständigen Dr. Sp. für aufklärungsbedürftig gehaltenen Fragen braucht das Gericht nicht weiter nachzugehen. Auf die Frage, unter welchen Bedingungen das von Dr. Sp. wohl hauptsächlich zur Veranschaulichung beschriebene "Warnsystem", das überfordernde Hebevorgänge abbreche, versagen könne, kommt es nicht an. Tragend ist allein die Überlegung, dass der Muskel keine Kraft aufbringen kann, deren Wirkung die Sehne nicht gewachsen ist. Eine unvorhersehbare und der eingeleiteten Bewegung nicht entsprechende Belastung ist hier ausgeschlossen, weil der Kläger genau das wollte, was er getan hat, nämlich eine Gasflasche anheben. Weiter kann dahinstehen, ob das Gehirn Kraftentfaltungen einleiten kann, die ein gesundes Muskel-Sehnen-System überfordern. Es gibt nämlich keinerlei Hinweis darauf, dass der Kläger auch ohne Vorschädigung der Sehne das einseitige Anheben einer Gasflasche nicht bewältigen konnte. Er beschreibt an keiner Stelle, dass er sich durch die gestellte Aufgabe, mehrere solcher Gasflaschen zu transportieren, überfordert gefühlt hätte. Passend dazu fand Dr. D. anlässlich der Rentenbegutachtung vom 8. Januar 2001 noch eine kräftige Bizepssehnenreaktion rechts. Der Bizeps war dort relativ kräftig tastbar. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Hebung die Bedeutung einer wesentlichen Ursache zukäme, wenn sie fehlgesteu-ert erfolgte. Auch diese Fehlsteuerung wäre ein Anlassgeschehen, dass bei nächster Gelegenheit ebenso gut zu einer solchen Verletzung hätte führen können. Denn besondere arbeitsbedingte Einflüsse auf die psychische Steuerung von belastenden Bewegungen beschreibt der Kläger nicht.
Der Senat hat nicht der Frage nachzugehen, ob die durchgeführte Heilbehandlung nach dem Ereignis vom 4. Juli 1997 unter einer Fehldiagnose ihrerseits eine wesentli-che Ursache für den jetzigen Zustand des linken Armes ist. Denn hier besteht kein Versicherungsschutz anlässlich der Durchführung der Heilbehandlung. Er wäre gem. § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nämlich nur hinsichtlich von Folgen eines Versicherungsfalls gegeben, der hier eingetreten ist. An einem Versicherungsfall im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB VII fehlt es hier, weil ein Arbeitsunfall – wie dargelegt – gerade nicht vorliegt.
An der Voraussetzung eines Versicherungsfalls scheitert gem. § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII auch der erhobene Rentenanspruch. Ein solcher Versicherungsfall ist – wie dargelegt – nicht eingetreten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein während der Arbeit eingetretenes Verletzungs-ereignis ein Arbeitsunfall war.
Der 1953 geborene Kläger war am 4. Juli 1997 bei der ökologischen Sanierungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH B. beschäftigt. Er war dabei, eine Sauerstofffla-sche von der Ladefläche eines Multicars zu heben. Dabei kam es zu einem plötzlichen Schmerzeintritt im linken Ellenbogen. Nach dem Durchgangsarztbericht von Dr. H. , Chefarzt der Chirurgischen Klinik des Kreiskrankenhauses B. , vom 4. Juli 1997, sei am linken Ellenbogen ein Bluterguss entstanden. Anhaltspunkte für einen Bruch ergaben sich aus dem Röntgenbild nicht. Dr. H. ging von einer Zerrung des linken Ellenbogengelenkes aus. Diese Annahme ist auch Gegenstand der Unfallanzei-ge der Arbeitgeberin vom 26. Juli 1997. Die Verordnung von Ultraschall vom 31. Juli 1997 wurde hingegen bezüglich eines Muskelfaserrisses des körperfernen linken Oberarmes vorgenommen. In einer Verordnung von Krankengymnastik vom 2. De-zember 1997 findet sich die Diagnose eines körperfernen linken Bizepsrisses.
In einer Eingabe an das Landessozialministerium vom 3. Mai 2002 teilte der Kläger mit, er könne seinen Arm bis zur Gegenwart nicht belasten, weil der Bizeps am linken Arm abgerissen sei. Er halte die Prüfung eines Anspruchs auf Verletztenrente für erforder-lich.
Die Beklagte zog ein Gutachten des Chirurgen Dr. D. vom 8. Januar 2001 bei, der von dem Zustand nach einem körperfernen Bizepssehnenabriss links ausging. Hier hatte der Kläger angegeben, beim Anheben einer Gasflasche von 75 Kilogramm Gewicht habe es plötzlich ein krachendes Geräusch im linken Oberarm gegeben.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Chirurgen Dr. Z. vom 6. März 2003 ein, der einen Bizepssehnenriss nicht für erwiesen hielt. Er habe auch im rechten Arm wegen des erheblichen Übergewichts keine Bizepssehne tasten können. Eine Verlagerung der Bizepssehnenmuskulatur zum Körper und ein Spannungsverlust (Detonisierung) der Muskulatur seien nicht feststellbar. Mit einem Bizepssehnenriss sei eine sofortige Kraftminderung bei der Beugung des Ellenbogengelenkes verbunden, die im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall nicht beschrieben sei. Die Grundlage für die am 2. Dezember 1997 gestellte Diagnose sei völlig unklar. Aber auch bei Unterstellung eines Risses der Bizepssehne fehle es am Nachweis einer unphysiologischen und damit traumatischen Belastung der Sehne. Die Belastung müsse die muskulär vorge-spannte Sehne überfallartig treffen. Nur dann werde die unphysiologische Belastung dem Verletzten aufgezwungen und überschreite die Belastungsgrenzen. Hier liege hingegen eine willentlich gesteuerte Bewegung vor. Konkurrierende Einwirkungen für einen Bizepssehnenriss seien hier in den früher betriebenen Sportarten Boxen und Gewichtheben, weiterhin in einer Zuckerkrankheit und einer Fettsucht zu sehen. Alle Gewichtheber litten unter frühzeitigen Abbauveränderungen der Gelenkkörper und des Sehnengewebes. Dies müsse nicht mit Beschwerden einhergehen, könne aber trotzdem als ruhendes Leiden vorliegen. Dem Ereignis vom 4. Juli 1997 sei dann allenfalls die Bedeutung eines Anlassgeschehens beizumessen.
Der Kläger hatte hier angegeben, er habe eine 75 kg schwere Gasflasche am Fla-schenhals angehoben. Als sie fast oben gewesen sei, sei es zu einem Knall in seinem Arm gekommen, und er habe die Flasche fallen lassen.
Mit Bescheid vom 13. Juni 2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsun-falles und die Erbringung von Leistungen ab. Nach der Beurteilung von Dr. Z. sei das Ereignis keine wesentliche Teilursache der behandlungsbedürftigen Erkrankung. Mit dem noch im Juni 2003 erhobenen Widerspruch hat der Kläger geltend gemacht, objektivierbar seien nach den Ausführungen von Dr. Z. allein die Röntgenbefun-de, aus denen Abbauveränderungen nicht hervorgingen. Vermutungen seien insoweit unzulässig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2003 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie im Wesentlichen die Ausführungen von Dr. Z. wieder. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger auf dem Postwege übersandt.
Mit der am 25. November 2003 beim Sozialgericht Dessau eingegangenen Klage hat der Kläger ergänzend geltend gemacht, er habe lediglich in den Jahren 1967 bis 1969 ohne Leistungsdruck mit einer selbst gebauten Hantel Gewichte gestemmt. Er könne insoweit nicht als Sportler betrachtet werden. Bei einer Gasflasche von 75 Kilogramm Gewicht handele es sich um eine erhebliche Masse. Bei einer Gelegenheit außerhalb der Arbeit falle das Heben derartiger Gewichte nicht an. Ein Riss der Bizepssehne bei irgendeiner anderen Gelegenheit liege daher fern. Entsprechend könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Sehne bei jeder Alltagsgelegenheit gerissen wäre.
Das Gericht hat verschiedene medizinische Unterlagen (Bl. 28 - 45 d. A., bereits Gegenstand des Verwaltungsverfahrens) beigezogen und dann ein Gutachten des Orthopäden Prof. Dr. M. vom 5. Juli 2004 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 67 - 78 d. A. Bezug genommen wird. Er ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, ein alter Ausriss der ellenbogennahen Bizepssehne aus dem ellenbogennahen Ende der Speiche links sei gesichert. Schon Dr. D. habe die unterschiedlichen Muskelreliefs beider Oberarme und die typische Kraftminderung beschrieben. Bei genauer Austastung finde man in der rechten Ellenbeuge zwei Sehnen, in der linken nur eine. Das Sonogramm ergebe näheren Aufschluss. Eine unphysiologische Belastung habe durchaus vorgelegen. Das einhändige Anheben einer 75 Kilogramm schweren Gasflasche sei dem sportlichen Gewichtheben ver-gleichbar und könne durchaus zu einem Sehnenabriss führen. Die Verletzung betreffe gewöhnlich nicht die Sehne als solche, sondern reiße zusammen mit einem mehr oder weniger kleinen Stück Knochen von der Speiche ab. Genau genommen könnte man von einem Abbruch sprechen. Gewichtheben komme als Alternativursache nicht in Betracht, weil dadurch nicht nur eine Schädigung des Sehnenansatzes, sondern auch des benachbarten Ellenbogengelenks selbst zu erwarten sei. Dieses sei aber röntge-nologisch gesund gewesen. Die erfolgte Unterblutung des Gewebes spreche für eine schwerwiegende Weichteilschädigung. Sie dürfe für die Funktionseinschränkung der linken Hand verantwortlich sein, weil Blutungen in die Muskellogen des Unterarms solche Einschränkungen hervorriefen, wenn sie zunächst unbehandelt blieben. Der Riss wäre nicht auch bei jeder anderen üblichen Verrichtung des Privatlebens in etwa demselben Zeitraum aufgetreten. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei mit 20 v. H. einzuschätzen. Zum Schädigungsvorgang hatte der Kläger hier angegeben, er habe die Gasflasche angehoben, um mit der rechten Hand nachfassen zu können.
Mit Urteil vom 17. März 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, ein Unfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII habe bei dem Ereignis vom 4. Juli 1997 nicht vorgelegen, weil sich nicht habe feststellen lassen, dass dieses Ereignis zu einem Gesundheitsschaden geführt habe. Das Anheben der Gasflasche sei zur Verursachung eines Bizepssehnenabrisses als Vorgang generell nicht geeignet gewesen. Auch sei in einem einigermaßen engen zeitlichen Zusammenhang ein Bizepssehnenabriss niemals dokumentiert worden. Selbst von dessen Wahrscheinlich-keit sei erstmals im Januar 2001 die Rede. Die Notwendigkeit des Vollbeweises habe Prof. Dr. M. in seinem Gutachten offensichtlich übersehen. Seine Ausführungen stellten sich als Vermutungen dar.
Gegen das ihm am 6. April 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4. Mai 2005 Berufung eingelegt. Er meint, das Sozialgericht habe sich hinsichtlich der Eignung der Verrichtung für eine entsprechende Verletzung nicht über die Auffassung des Sachver-ständigen Prof. Dr. M. hinwegsetzen dürfen. Auch sei ein Bizepssehnenabriss nicht erstmals im Januar 2001, sondern schon am 2. Dezember 1997 diagnostiziert worden. Auch bei einer Begutachtung durch die LVA Sachsen-Anhalt durch Gutachten vom 3. November 1998 sei aufgefallen, dass der Bizeps links nicht tastbar sei.
Das Gericht hat ein Gutachten des Chirurgen Dr. Sp. vom 9. Januar 2009 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 173 - 199 d. A. verwiesen wird. Der Sachverständige ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gekommen, es sei von einem Riss der körperfernen linken Bizepssehne auszugehen. Dies werde durch den MRT-Befund erhärtet. Folge sei eine funktionell nicht wesentliche Streckminderung im linken Ellenbogengelenk und eine Kraftminderung im linken Arm aufgrund der narbigen Veränderungen im Verlauf der Sehne. Dem Hergang vom 4. Juli 1997 komme aus medizinischer Sicht keine Bedeutung als wesentliche Teilursache für den Sehnen-schaden zu. Komme es bei einem willentlich gesteuerten Hebevorgang zu einer Schädigung des Muskels oder der Sehne, sei von einer schon vorher deutlich herab-gesetzten Belastbarkeit auszugehen. Im unversehrten Zustand halte eine Sehne ein Vielfaches an Kraft aus, wie sie der ihr zugehörige Muskel aufbringen könne. Aufgrund ihres anatomisch etwas problematischen Verlaufes sei die körpernahe lange Bizeps-sehne in besonderem Maße von Abbauveränderungen betroffen. Dementsprechend sei sie die von Rissen am häufigsten betroffene der drei Bizepssehnen. Alternativursa-chen ließen sich mangels frühzeitiger eingehender Erhebungen nicht nachweisen. Aufgrund der medizinischen Vorgeschichte kämen dem Alter vorauseilende Ver-schleißerscheinungen im Zusammenhang mit der langjährigen Zuckerkrankheit in Frage. Entsprechendes gelte für die allerdings schon in den Siebziger Jahren aufgege-bene sportliche Betätigung. Der Sachverständige Prof. Dr. M. habe nicht hinrei-chend beachtet, dass eine Sehne bei einer willentlich gesteuerten Hebetätigkeit keinen Schaden nehmen könne. Ursachenunabhängig belaufe sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 10 vom Hundert.
Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob nicht das Versagen des körpereigenen Warnsystems aufgrund psychischer Belastungen oder durch Umweltbelastungen vorgelegen hat. Schließlich sei zu klären, ob das Gehirn als steuerndes Element nicht Kraftaufwendungen durchführen könne, die physiologisch an sich nicht möglich seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 17. März 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2003 aufzuheben,
festzustellen, dass das Ereignis vom 4. Juli 1997 ein Arbeitsunfall ist und
die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 23. März 1998 an Verletztenrente in gesetz-licher Höhe zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrem Vorbringen und sieht sich durch das Gutachten des Sachverstän-digen Dr. Sp. bestätigt.
Die Akte der Beklagten über den Unfall – Az. 1029 8084709 – hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Beru-fung hat keinen Erfolg. Die ursprünglich auf Anerkennung des Arbeitsunfalls durch die Beklagte gerichtete Klage ist nach dem Anliegen des Klägers als Anfechtungs- und Feststellungsklage gem. § 54 Abs. 1 S. 1 SGG und in entsprechender Anwendung des § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG auszulegen. Die Kombination der Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage wird dem Rechtsschutzanliegen des Klägers am besten gerecht, da die Wirksamkeit der Entscheidung unmittelbar Folgeansprüche, z. B. den Heilbehandlungsanspruch, be-gründet, ohne von der vorherigen Umsetzung durch Bescheid als Rechtsfolge einer Verpflichtungsklage abhängig zu sein.
Die Feststellungsklage des § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ist dabei über den auf die Feststel-lung einer (Unfall- oder Berufskrankheiten-) "Folge" gerichteten Wortlaut hinaus auch für die Feststellung des jeweiligen Versicherungsfalles selbst – hier des Arbeitsunfalles – statthaft (BSG, Urt. v. 7. 9. 04 – B 2 U 46/03 R – SozR 4-2700 § 2 Nr. 3).
Der mit der Anfechtungsklage im Sinne von § 54 Abs. 4 SGG kombinierten Leistungs-klage fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid ausdrücklich Leistungen abgelehnt hat. Die gegenüber der ursprünglich erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht insoweit vorgenommene Klageänderung war zumindest gem. § 99 Abs. 2 SGG durch rügelose Einlassung der Beklagten zulässig. Dem Rechtsschutzbe-dürfnis steht auch nicht der Eintritt einer Bindung an die Leistungsablehnung in dem angefochtenen Bescheid im Sinne von § 77 SGG entgegen. Der ursprünglichen Beschränkung auf eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage mit dem Ziel der alleinigen Anerkennung des Arbeitsunfalles ist nicht zu entnehmen, dass die Leis-tungsablehnung nicht angefochten werden sollte. Dies folgt nicht nur daraus, dass der Kläger schon hier mit der Aufhebung des Bescheides vom 13. Juni 2003 auch die Aufhebung der Leistungsablehnung beantragt hatte, sondern auch aus dem Umstand, dass ungeachtet des Wortlauts der Antragstellung (§ 123 SGG) das Anliegen des Klägers schon nach seiner Eingabe an das Landessozialministerium auf eine Renten-zahlung gerichtet war.
Der Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 22. Oktober 2003 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte darin zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Anerkennung des Ereignisses vom 4. Juli 1997 als Arbeitsunfall abgelehnt hat. Die Hebung der Gasflasche hat als Ereignis nicht im Sinne von § 8 Abs. 1 S. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII – in der insoweit unveränderten Ausgangsfassung durch G. v. 7.8.1996) zu einem Gesundheitsschaden geführt. Ur-sächlich sind insoweit nur Ereignisse, die sich als wesentliche Ursache darstellen (BSG, Urt. v. 15.2.05 – B 2 U 1/04 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 12 Rdnr. 14). Maßgeblich ist für den Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und dem Gesund-heitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, bei der mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urt. v. 9.5.06 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Dabei ist nur die Bedingung rechtlich erheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Eintritt des geltend gemachten Gesundheits-schadens "wesentlich" beigetragen hat (Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII Rdnr. 4, 15 m.w.N.). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urt. v. 9.5.06 – B 2 U 1/05 R – a.a.O.).
Danach ist hier ein wesentlicher Ursachenzusammenhang zwischen der Hebung der Gasflasche und dem bei dieser Gelegenheit erlittenen Bizepsriss unwahrscheinlich. Dies folgt aus den Einschätzungen des Sachverständigen Dr. Sp. und des Gut-achters Dr. Z.
Dr. Sp. hat ausdrücklich die Einschätzung abgegeben, der Geschehenshergang sei keine wesentliche Teilursache. Dies ist nachvollziehbar, weil er darstellt, dass eine gesunde Sehne durch die vom Kläger geschilderte normale Hebung nicht reißen kann. Denn die entfaltbare Muskelkraft sei immer geringer als die Belastbarkeit der zugeord-neten gesunden Sehne. Daraus hat er den zwingenden Schluss gezogen, die Sehne müsse vorgeschädigt gewesen und dies "die" wesentliche Bedingung für den Sehnen-riss gewesen sein.
Dr. Z. hat ausgeführt, auch unter der Annahme einer Zusammenhangstrennung der Bizepssehne sei ein Zusammenhang mit dem Anheben der Gasflasche nicht wahrscheinlich. Dadurch könne die natürliche Belastbarkeit des Sehnengewebes nicht überschritten werden.
Der Senat ist aufgrund der zwingenden Argumentation auch mit den genannten Ärzten davon überzeugt, dass zum Zeitpunkt des Eintritts des Sehnenrisses eine Vorschädi-gung der Sehne vorgelegen hat. Soweit Dr. Sp. dafür eine Erklärung in den Stoffwechselstörungen des Klägers findet, die sich in Zuckerkrankheit und Übergewicht niederschlagen, ist diese Erklärung stimmig.
Daraus ergibt sich der Schluss, dass einer Vorschädigung des Sehnengewebes die überragende Bedeutung für den Eintritt des Bizepssehnenrisses zukommt. Dies will auch der Sachverständige Dr. Sp. durch sein Abstellen auf "die" wesentliche Teilursache erkennbar ausdrücken. Ebenso ist dies der Beurteilung von Dr. Z. zu entnehmen, der dem Ereignis vom 4. Juli 1997 allenfalls die Bedeutung eines An-lassgeschehens beimisst. Dem steht nicht entgegen, dass er im Absatz vor dieser Einschätzung eine nur partielle Sehnenruptur erörtert. Denn seine gesamte Argumen-tation betrifft nach ihrem Inhalt und dem einleitenden Absatz (auch) eine Zusammen-hangstrennung als vollständigen Riss.
Der entgegengesetzten Meinung von Prof. Dr. M. folgt der Senat nicht. Dieser bestätigt mittelbar die Auffassung der anderen Gutachter zur Belastbarkeit der Sehne, indem er nicht von einem Sehnenriss, sondern von einem Ausriss im Bereich des Knochens ausgeht, von dem dabei ein mehr oder weniger großes Stück abbreche. Ein solcher Knochenausbruch ist aber mit keinem angewandten bildgebenden Verfahren – weder MRT noch Röntgen – je nachgewiesen worden und wird auch von Prof. Dr. M. nicht als nachgewiesener Befund beschrieben. In dem Befund des von Dr. Sp. erstmals durchgeführten MRT findet sich darauf keinerlei Hinweis. Dr. Z. beschreibt eine regelrechte Artikulation der Ellenbogengelenkflächen und verneint Hinweise auf knöcherne Verletzungen. Auch Dr. Sp. verneint bei der Auswertung der selben Röntgenbilder einen Hinweis auf stattgehabte knöcherne Ver-letzungen. Der Röntgenbefund des linken Ellenbogens in zwei Ebenen vom 4. Juli 1997 ergibt darauf ebenfalls keinen Hinweis.
Gegen die Bewertung der Hebung der Gasflasche als Anlassgeschehen spricht auch nicht deren erhebliches Gewicht. Der Kläger hat gegenüber Prof. Dr. M. angege-ben, die Gasflasche nur angehoben zu haben, um mit der rechten Hand nachfassen zu können. Bei lebensnahem Verständnis des Vorgangs ist dabei die rechte Seite der Flasche auf der Ladefläche liegen geblieben, bis die Anhebung mit der linken Hand ein Unterfassen auch mit der rechten Hand ermöglichte. Das einwirkende Gewicht hat dabei nur höchstens bei der Hälfte von 75 kg gelegen. Danach handelt es sich bei dem zeitlichen Zusammenhang zwischen Hebung und Sehnenriss um ein Zufallsgesche-hen, das ebenso gut bei einer Alltagsbelastung hätte eintreten können, bei der solche niedrigeren Gewichte ebenso anfallen. Dies schließt die Bedeutung der Hebung als wesentliche Ursache aus.
Den vom Kläger durch ergänzende Befragung des Sachverständigen Dr. Sp. für aufklärungsbedürftig gehaltenen Fragen braucht das Gericht nicht weiter nachzugehen. Auf die Frage, unter welchen Bedingungen das von Dr. Sp. wohl hauptsächlich zur Veranschaulichung beschriebene "Warnsystem", das überfordernde Hebevorgänge abbreche, versagen könne, kommt es nicht an. Tragend ist allein die Überlegung, dass der Muskel keine Kraft aufbringen kann, deren Wirkung die Sehne nicht gewachsen ist. Eine unvorhersehbare und der eingeleiteten Bewegung nicht entsprechende Belastung ist hier ausgeschlossen, weil der Kläger genau das wollte, was er getan hat, nämlich eine Gasflasche anheben. Weiter kann dahinstehen, ob das Gehirn Kraftentfaltungen einleiten kann, die ein gesundes Muskel-Sehnen-System überfordern. Es gibt nämlich keinerlei Hinweis darauf, dass der Kläger auch ohne Vorschädigung der Sehne das einseitige Anheben einer Gasflasche nicht bewältigen konnte. Er beschreibt an keiner Stelle, dass er sich durch die gestellte Aufgabe, mehrere solcher Gasflaschen zu transportieren, überfordert gefühlt hätte. Passend dazu fand Dr. D. anlässlich der Rentenbegutachtung vom 8. Januar 2001 noch eine kräftige Bizepssehnenreaktion rechts. Der Bizeps war dort relativ kräftig tastbar. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Hebung die Bedeutung einer wesentlichen Ursache zukäme, wenn sie fehlgesteu-ert erfolgte. Auch diese Fehlsteuerung wäre ein Anlassgeschehen, dass bei nächster Gelegenheit ebenso gut zu einer solchen Verletzung hätte führen können. Denn besondere arbeitsbedingte Einflüsse auf die psychische Steuerung von belastenden Bewegungen beschreibt der Kläger nicht.
Der Senat hat nicht der Frage nachzugehen, ob die durchgeführte Heilbehandlung nach dem Ereignis vom 4. Juli 1997 unter einer Fehldiagnose ihrerseits eine wesentli-che Ursache für den jetzigen Zustand des linken Armes ist. Denn hier besteht kein Versicherungsschutz anlässlich der Durchführung der Heilbehandlung. Er wäre gem. § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nämlich nur hinsichtlich von Folgen eines Versicherungsfalls gegeben, der hier eingetreten ist. An einem Versicherungsfall im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB VII fehlt es hier, weil ein Arbeitsunfall – wie dargelegt – gerade nicht vorliegt.
An der Voraussetzung eines Versicherungsfalls scheitert gem. § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII auch der erhobene Rentenanspruch. Ein solcher Versicherungsfall ist – wie dargelegt – nicht eingetreten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht.
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