L 1 U 1526/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 1298/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 1526/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.02.2008 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer akuten myeloischen Leukämie als Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 1303 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) im Streit. Die Klägerin ist die Witwe und Rechtsnachfolgerin des 1947 geborenen und 2005 verstorbenen Versicherten.

Der Versicherte durchlief ab dem 02.05.1962 eine Ausbildung zum Maler und Lackierer und war anschließend bis einschließlich Juli 1990 in seinem Ausbildungsbetrieb, der Firma F. in K., in diesem Beruf beschäftigt. Vom 16.07.1990 bis zu seinem Eintritt in den Vorruhestand im September 2002 war der Versicherte als Lagerverwalter beim B. tätig.

Der Versicherte teilte der Beklagten mit Schreiben vom 27.04.2005 mit, dass er an Leukämie erkrankt sei und die Erkrankung auf seine berufliche Tätigkeit als Maler zurückzuführen sein könne. Er habe bei seiner Tätigkeit als Maler Umgang mit benzolhaltigen Lacken und Lösemitteln gehabt. Seit ca. 2003 leide er an Magen-Darmproblemen und schlechten Blutwerten. Er legte einen pathologisch-anatomischen Befund der Dres. S. und T. vom 22.03.2005 vor, wonach bei ihm ein myelodysplastisches Syndrom mit drohendem Übergang in eine akute myeloische Leukämie vorlag. Außerdem legte der Versicherte Entlassungsberichte über stationäre Aufenthalte im S. Klinikum Karlsruhe vom 27.09. bis 05.10.2004 und vom 20.01. bis 21.01.2005 vor. Danach bestand bei dem Versicherten der Verdacht auf eine toxische Knochenmarkschädigung durch Azathioprin mit peripherer Panzytopenie, bei Colitis ulcerosa und chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen. Die seit ca. fünf Jahren bekannte Colitis ulcerosa sei seit ca. einem Jahr mit Azathioprin behandelt worden. Wegen des Entstehens einer Anämie im Mai 2004 sei dann die Azathioprindosis zunächst reduziert und anschließend nach einer weitergehenden drastischen Verschlechterung des Blutbildes gänzlich abgesetzt worden. Die zytologische Beurteilung lasse am ehesten das Vorliegen eines Azathioprin-induzierten toxischen Knochenmarks-Schädigung annehmen. Auch der Beginn eines myelodysplastischen Syndroms im Sinne einer refraktären Anämie könne nicht sicher ausgeschlossen werden.

Die Beklagte zog die Versicherungsunterlagen des Versicherten, Unterlagen über arbeitsmedizinische Untersuchungen in den 80er und 90er Jahren, das Vorerkrankungsverzeichnis sowie eine Stellungnahme des Arbeitgebers bei. Der Arbeitgeber gab in seiner ersten Stellungnahme vom 09.05.2005 an, dass der Versicherte "normale Maler- und Lackierarbeiten" ausgeübt habe und hierbei mit Lacken, Farben und Putzen in Kontakt gekommen sei. Bei einem Gespräch des Präventionsdienstes der Beklagten mit dem Versicherten am 24.05.2005 wurde die Arbeitsbelastung des Versicherten bei seinen verschiedenen Aussendiensttätigkeiten mit 70 % Zeitanteilen für die Verwendung lösemittelfreier Chemikalien und 30 % Zeitanteile mit der Verwendung lösemittelhaltiger Farben (Lackieren von Holzfenstern, Holz- und Stahlblechtüren, Geländern, Stahlträgern und Heizkörpern) angegeben. Eine Feinstaubmaske sei nur in Einzelfällen benutzt worden. Die Tätigkeiten seien zu ca. 2/3 der Arbeitszeit im Innenbereich und ca. 1/3 im Außenbereich (überwiegend Fassaden) vorgenommen worden. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen und der Angaben des Klägers ermittelte der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (Dipl.-Ing. H.) am 24.05.2005 für die Arbeitszeit von Mai 1962 bis Juli 1990 eine Benzolbelastungsdosis von 18,1 ppm-Jahren. Dieser Berechnung wurde der vom Versicherten angegebene Zeitanteil von 30 % der Verwendung von benzolhaltigen Materialien zugrunde gelegt, welcher den vorliegenden Unterlagen über die typische Tätigkeit eines Hausmalers mit privater Kundschaft entspreche.

Die Beklagte zog anschließend Behandlungsunterlagen der behandelnden Internisten bei. Der Beratungsarzt Dr. F. der Beklagten vertrat am 17.06.2005 zu dem Ergebnis der Ermittlungen die Auffassung, dass mit insgesamt 18,1 ppm-Jahren eine ausreichende Benzol-Exposition eines Malers im Sinne der BK 1303 nicht vorliege.

Dieser Auffassung schloss sich die Staatliche Gewerbeärztin Dr. E. mit Stellungnahme vom 25.08.2005 mit der Begründung an, dass bei Werten unterhalb von 40 ppm-Jahren keine gesicherten Anhaltspunkte für ein erhöhtes Erkrankungsrisiko vorlägen.

Mit Bescheid vom 20.09.2005 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung der akuten myeloischen Leukämie des Versicherten als Berufskrankheit ab, weshalb Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu erbringen seien.

Mit seinem am 04.10.2005 eingelegten Widerspruch machte der Versicherte geltend, dass die Berechnung der ppm-Jahre fehlerhaft erfolgt sei und bei einer zutreffenden Berechnung unter Berücksichtigung sämtlicher Tätigkeiten mit lösemittelhaltigen Stoffen der Grenzwert für die Anerkennung der geltend gemachten Berufskrankheit erreicht werde.

Nach dem Tod des Versicherten am 10.12.2005 erklärten seine Bevollmächtigten, dass die Klägerin als Witwe des Versicherten das Widerspruchsverfahren fortführe und ausdrücklich Ansprüche nach § 62 SGB VII geltend mache.

Die Beklagte führte im Widerspruchsverfahren eine erneute Befragung des Arbeitgebers sowie eine erstmalige Befragung (telefonisch) der von dem Versicherten angegebenen Arbeitskollegen durch. Der Arbeitskollege W.R. teilte mit, dass der Zeitanteil, in dem damals Heizkörper gespritzt oder geflutet worden seien, sich auf drei bis vier Stunden pro Monat belaufen habe und die Anlage mit "Nitro" habe gereinigt werden müssen. Arbeiten an Holzteilen hätten einen Zeitumfang von ca. 40 % der Gesamtarbeitszeit in Anspruch genommen. Der Arbeitskollege E. teilte mit, dass der Versicherte das ganze Arbeitsspektrum des Malers abgedeckt habe und dass Heizkörper in der Regel gespritzt worden seien. Den Einsatz einer Flutanlage konnte E. nicht bestätigen. Das Lackieren von Heizkörpern habe ca. zwei bis drei Wochen der Jahresarbeitszeit in Anspruch genommen, das Streichen von Holzbauteilen ohne Schleifarbeiten habe sich auf ca. 10 bis 15 % der Gesamtarbeitszeit belaufen. Der Arbeitskollege D. F. teilte mit, dass der Versicherte in einem zeitlichen Umfang von ca. drei bis vier Tagen pro Monat Spritzarbeiten durchgeführt habe, wobei ca. 1/3 bis 40 % der Gesamtarbeitszeit lösemittelhaltige Farben verwendet worden seien. Der Arbeitgeber sagte in einer zweiten Stellungnahme aus, dass er den Zeitanteil der Verwendung lösemittelhaltiger Farben auf ca. 25 bis 30 % der Gesamtarbeitszeit schätze. Der Kollege S. hingegen schätzte den gesamten Zeitanteil der Verwendung lösemittelhaltiger Farben auf maximal fünf Stunden pro Monat.

Aufgrund dieser Angaben ermittelte Dipl.-Ing. H. von der Beklagten am 06.04.2006 ausgehend von einem mittleren Zeitanteil der Verwendung lösemittelhaltiger Farben von 30 % eine Gesamtbelastung der Tätigkeit von Mai 1962 bis Juli 1990 von 18,31 ppm-Jahren. Die Angabe des Versichertenvertreters im Widerspruchsschreiben, in dem ein Zeitanteil von ca. 2/3 der Arbeitszeit der Verwendung des Holzschutzmittels Xyladecor und die Einschätzung, dass überwiegend Heizkörper gespritzt worden seien, mitgeteilt worden sein, sei nicht nachvollziehbar. Unter dieser Voraussetzung hätte der Versicherte keine weiteren üblichen Malerarbeiten, z.B. an der Fassade, erledigen können. Die Gesamtbelastung sei daher nunmehr zutreffend mit 18,31 ppm-Jahren anzunehmen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2007 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Auch die nach dem Ergebnis der weiteren Ermittlungen geringfügig vorzunehmende Erhöhung der Gesamtbenzoldosis des Versicherten sei für die Anerkennung der geltend gemachten BK nicht ausreichend. Für eine kumulative Benzoldosis von 40 ppm-Jahren und weniger ergäben sich nach dem derzeitigen Wissenstand keine gesicherten Anhaltspunkte für ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Die Gesamt-Benzolbelastung des Versicherten sei dem niedrig-dosigen Bereich zuzuordnen. Die größte Häufigkeit, an akuter myeloischer Leukämie zu erkranken, sei erfahrungsgemäß nach dem 50. Lebensjahr gegeben, wobei Virusinfektionen, genetische Faktoren sowie ionisierende Strahlen als alternative Ursachen in Betracht kämen. Ingesamt spreche mehr dagegen als dafür, dass der Versicherte infolge beruflicher Benzolbelastungen verstorben sei.

Die Klägerin hat durch ihre Bevollmächtigen am 13.03.2007 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Der Versicherte habe mit hochgiftigen Materialien gearbeitet, wobei nach der zweiten Aussage des Arbeitgebers bis zu 40 % der Gesamtarbeitszeit mit der Verarbeitung lösungsmittelhaltiger Farbe verbracht worden seien. Der Ansatz von lediglich 30 % der Tätigkeiten durch die Beklagte sei jedenfalls deutlich zu niedrig. Außerdem müsse auch davon ausgegangen werden, dass schon eine geringere ppm-Belastung die Erkrankung des Versicherten hätte auslösen können. Zu berücksichtigen sei hierbei auch die der Klägerin zugute kommende Beweiserleichterung nach § 9 Abs. 3 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Im Klageverfahren hat der Arbeitgeber des Klägers am 13.07.2007 nunmehr angegeben, dass zwischen 15 und 20 % der Arbeitszeit auf den Einsatz lösemittelhaltiger Arbeitsstoffe entfallen sein. Als weitere Zeugen sind schriftlich die ehemaligen Arbeitskollegen H.E. (Aussage vom 27.07.2007, wonach alle Lackier- und Malerarbeiten durchgeführt wurden) und G.F. (Aussage vom 31.07.2007, wonach manchmal tagelang lösungsmittelhaltige Arbeitsstoffe verwendet wurden, und der Versicherte im Regelfall Schutzausrüstungsgegenstände verwendet habe) angehört worden. Außerdem hat das SG ein Vorerkrankungsverzeichnis bei der BKK VerbundPlus beigezogen.

Zu den Ermittlungen des SG hat die Beklagte eine Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 05.09.2007 vorgelegt, wonach sich auch durch die ergänzenden Ermittlungen keine Veränderung der bisher zugrunde gelegten Gesamt-Benzolexposition ergebe.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 20.02.2008 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen. Zwar sei der Zusammenhang zwischen einer Benzolexposition und dem Entstehen einer akuten myeloischen Leukämie unfallmedizinisch nachgewiesen. Vorliegend seien jedoch die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht im ausreichenden Umfang erfüllt, da nach den überzeugenden Darlegungen des Präventionsdienstes von einer Belastung des Versicherten von lediglich 18,31 ppm-Jahren ausgegangen werden müsse. Dies entspreche nicht nur den arbeitsmedizinisch bekannten Belastungen eines typischen "Hausmalers" beim Umgang mit lösemittelhaltigen Produkten, sondern auch im Wesentlichen den Aussagen des Arbeitgebers sowie der Arbeitskollegen. Insbesondere könne nach den vorliegenden Aussagen maximal von einem Aufwand von 5 Stunden monatlich mit Spritzarbeiten ausgegangen werden. Mit der so festgestellten Gesamtbelastung von 18,31 ppm-Jahren seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen der geltend gemachten BK-Nr. 1303 nicht erfüllt (mit Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, S. 1021 f.). Außerdem sei der ursächliche Zusammenhang zwischen der Leukämieerkrankung des Versicherten und den beruflichen Benzolbelastungen auch aus anderen Gründen nicht wahrscheinlich. Zu berücksichtigen sei, dass die größte Häufigkeit einer Erkrankung an akuter myeloischer Leukämie nach dem 50. Lebensjahr bestehe und das Risiko für eine benzolindizierte Leukämie mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Exposition immer geringer werde. Der Versicherte habe bei der erstmaligen Diagnose der Krankheit im März 2005 bereits im 58. Lebensjahr gestanden, als er mehr als 15 Jahre lang nicht mehr überdurchschnittlich gegenüber Benzol exponiert gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Erkrankung habe daher nur noch eine geringgradige Risikoerhöhung fortbestanden. Außerdem seien als alternative Ursachen der Krankheit insbesondere eine medikamenten-induzierte toxische Knochenmarksschädigung die Folge der Behandlung der Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) mit Azathioprin möglich gewesen. Die Vermutungsregelung des § 9 Abs. 3 SGB VII komme der Klägerin nicht zugute, da diese eine erhöhte Gefahr voraussetze, welche nach den Sachverhaltsermittlungen im vorliegenden Fall ausscheide. Das Urteil wurde den Bevollmächtigten der Klägerin am 25.02.2008 zugestellt.

Die Bevollmächtigten der Klägerin haben am 20.03.2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Das SG habe ebenso wie die Beklagte in unzulässiger Weise eine zu geringe Belastung mit Benzol zugrunde gelegt, wozu als weitere Zeugen die früheren Arbeitskollegen F.G. und B.R. benannt worden sind. Auch liege nach der danach zu berechnenden Belastung von jedenfalls 40 ppm-Jahren auch eine erhöhte Gefahr im Sinne von § 9 Abs. 3 SGB VII vor.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.02.2008 und den Bescheid vom 20.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2007 aufzuheben und festzustellen, dass bei dem Versicherten eine akute myeloische Leukämie als Folge einer Berufskrankheit nach der Nr. 1303 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung vorlag, und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten deswegen Entschädigungsleistungen und infolge des durch die Berufskrankheit verursachten Todes des Versicherten Hinterbliebenenleistungen zu erbringen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.

Im Berufungsverfahren sind die letzten Befundberichte des Versicherten beim Universitätsklinikum Freiburg beigezogen worden. Der Versicherte ist danach am 10.12.2005 an einem ausgedehnten Rezidiv der AML mit Infiltrationen in Knochenmark, Lunge und ZNS verstorben. Der schriftlich gehörte Zeuge F.G. hat am 18.12.2008 angegeben, dass alle Lacke und Holzschutzmittel lösungsmittelhaltig gewesen seien; Schutzausrüstungsgegenstände seien vorhanden gewesen. Der Zeuge B.R. hat in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 18.12.2008 angegeben, dass der Versicherte fast ausschließlich als Maler tätig gewesen sei und er keine konkreten Angaben zur Belastung mit lösungsmittelhaltigen Materialien machen könne.

Die Beklagte hat mit ihrer Stellungnahme vom 21.01.2009 auf die geplante neue Berufskrankheit mit der Nr. 1303a (Erkrankung des Blutes, des blutbildenden und lymphatischen Systems durch Benzol) hingewiesen, nach der die arbeitstechnischen Voraussetzungen oberhalb einer Belastung von 8 ppm-Jahren erfüllt sein könnten, und hat im Hinblick hierauf unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. F. vom 19.01.2009 eine Begutachtung angeregt.

Im Auftrag des Gerichts hat daraufhin Prof. Dr. Dr. K. am 22.02.2009 ein Zusammenhangsgutachten nach Aktenlage erstellt, in welchem sowohl die Voraussetzungen einer BK nach der Nr. 1303 als auch die Voraussetzungen der geplanten BK mit der Nr. 1303 a verneint worden sind. Bei dem Versicherten habe ab März 2001 ein myelodysplastisches Syndrom und ab Juli 2001 eine akute myeloische Leukämie vorgelegen. Nach Berücksichtigung der Unterlagen zur Belastungsdosis des Versicherten sei allerdings vorliegend lediglich von 9 bis 10 Benzol-ppm-Jahren auszugehen, wobei ab 1980 lediglich eine weitere Gesamtbelastung von 0,95 Benzol-ppm-Jahren aufgetreten sei. Als alternative Verursachung sei die im Mai 2004 aufgetretene Anämie als Begleiterscheinung der Colitis ulcerosa zu werten; die Colitis ulcerosa könne bereits an sich die Leukämie begünstigt haben, jedoch könne auch die Therapie der Darmerkrankung mit Azathioprin der Auslöser für die Leukämie des Versicherten gewesen sein. Hinsichtlich der Verursachung durch Benzol beruhe die Empfehlung einer Verursachungswahrscheinlichkeit über 50 % ab einem Bereich von 10 ppm-Benzol-Jahren auf einer einzigen wissenschaftlichen Studie, welche methodisch angreifbar sei. Dementsprechend bevorzuge der Gutachter die in dem Standardwerk Schönberger/Mehrtens/Valentin genannte Grenzziehung bei einer Benzoldosis von 40 ppm-Jahren, welche vorliegend nicht gegeben sei. Außerdem sei ein Erkrankungsrisiko durch Benzol in einem Zeitfenster von maximal 15 bis 20 Jahren nach Expositionsende anzunehmen, wohingegen beim Versicherten diese Interimszeit einen Zeitraum von ca. 25 Jahren umfasst habe. Schließlich liege der Altersmedian, in den durchschnittlich eine AML auftrete, bei 63 Jahren.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Die Klägerin konnte das Verfahren bei der Beklagten als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) fortführen. Ein Anspruch auf die begehrte Feststellung der BK nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV besteht jedoch nicht, weil die Voraussetzungen dieser BK nicht nachgewiesen worden sind.

Streitgegenstand ist vorliegend allein das Vorliegen einer BK nach der Nr. 1303 der Anlage zur BKV ("Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol"). Die Entscheidung des Versicherungsträgers oder des Gerichts im Gerichtsverfahren über das Vorliegen oder Nicht-Vorliegen einer Berufskrankheit kann sich angesichts der völlig verschiedenen Voraussetzungen für die zahlreichen Listen-BKen in der Anlage zur BKV sowie die eventuell zu prüfenden Wie-Berufskrankheiten nach § 9 Abs. 2 SGB VII immer nur auf einzelne Listen- oder Wie-Berufskrankheiten beziehen. Erweitert eine Sonderrechtsnachfolgerin ihr Begehren im Berufungsverfahren gegenüber dem vom Versicherten vor dem SG im Klageantrag verfolgten Anspruch auf Anerkennung einer Listenberufskrankheit auch um die Geltendmachung eines Anspruch auf Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit, so ist die Berufung mangels Vorliegens der formellen Beschwer unzulässig (BSG, Urteil vom 02.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R -).

Vorliegend ist dementsprechend zu Recht nach dem Hinweis der Beklagten vom 21.01.2009 über die geplante neue BK 1303a von den Klägerbevollmächtigten keine Erweiterung des auf die BK nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV beschränkten Berufungsantrags vorgenommen worden.

Der Senat konnte für seine Entscheidung offen lassen, inwieweit die Klägerin mit ihrem Antrag zur Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung um einen Antrag auf Erlass eines - mangels vollstreckungsfähigen Inhalts - unzulässigen Grundurteils handelt (st. Rechtsprechung des BSG, vgl. BSG vom 7. September 2004 - B 2 U 35/03 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 6; zuletzt BSG vom 2. Dezember 2008 - B 2 U 17/07 R unter Hinweis auf BSG vom 18. März 2008 - B 2 U 2/07 R; BSG vom 30. Januar 2007 - B 2 U 6/06 R - SGb 2007, 748, anders zum Teil noch BSGE 65, 138, 144 = SozR 2200 § 539 Nr. 133 S 399; BSG SozR 3-1500 § 145 Nr. 2). Denn da die Beklagte zu Recht die Anerkennung einer BK nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV abgelehnt hat und damit auch eine Verurteilung der Beklagten zur Leistung nicht in Betracht kommt, bedarf es insoweit keiner gerichtlichen Feststellung.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB VII erhalten Witwen oder Witwer von Versicherten eine Witwen- oder Witwerrente, solange sie nicht wieder geheiratet haben.

Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten § 7 Abs. 1 SGB VII. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).

Für die Anerkennung einer BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Sowohl hinsichtlich der haftungsbegründenden als auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112; BSG Urt. vom 28.03.2003 B 2 U 33/03 R -).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat das SG im angefochtenen Urteil zu Recht die Feststellung der geltend gemachten BK abgelehnt.

Das SG hat das Fehlen der Voraussetzungen der geltend gemachten BK nach der Nr. 1303 der Anlage zur BKV überzeugend und schlüssig dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Urteil des SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrücklich anschließt.

Der Rechtsstandpunkt der Beklagten und des SG ist zusätzlich durch das schlüssige und überzeugende Gutachten von Prof. Dr. Dr. K. vom 22.02.2009 bestätigt worden. Danach lag nur eine niedrig-dosige Belastung mit Benzol vor, welche nicht über derjenigen eines typischen Malers lag, und bei der nach dem gegenwärtigen Stand der medizinischen Forschung keine deutlich erhöhte Gefahr besteht, eine der in der BK nach der Nr. 1303 der Anlage zur BKV genannten Erkrankungen zu erleiden.

Gegen eine Verursachung der Erkrankung des Versicherten spricht zusätzlich die lange Interimszeit von nahezu 25 Jahren zwischen einer wesentlichen beruflichen Belastung mit Benzol und dem Auftreten der Erkrankung des Versicherten zu einem Zeitpunkt, als auch bei stattgehabter erheblicher Benzol-Exposition nicht mehr von einem signifikant höheren Erkrankungsrisiko auszugehen war. Hierbei legt der Senat die schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. Dr. K. zugrunde, dass bereits ab 1980 eine wesentlich geringere Exposition stattgefunden hat, weil seit den 60er Jahren ein stetiges Absinken des Benzolgehalts von Beschichtungsstoffen und Oberflächenbehandlungsmitteln zu verzeichnen war. Für die Zeit ab 1980 können daher bis zum Ende der gefährdenden Beschäftigung nur noch insgesamt 0,95 weitere Benzol-ppm-Jahre angenommen werden (vgl. S. 9 f. des Gutachtens).

Außerdem liegt der Altersmedian der Erkrankung des Versicherten bei 63 Jahren. Schließlich liegt auch in der Medikation des Versicherten wegen seiner Erkrankung an Colitis ulcerosa mit Azathioprin, welche zeitnah zu dem Ausbruch der schweren Erkrankung des Versicherten stattfand, ein konkret mögliche alternative Verursachung der Erkrankung vor.

Die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände sind daher schwächer als die vorliegend vorhandenen deutlich gegen diesen Zusammenhang sprechenden Umstände, weswegen die begehrte Feststellung abzulehnen war (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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