L 5 U 3/95

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 36 (21) U 199/90
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 U 3/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 07.12.1994 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Entschädigung wegen einer Berufskrankheit nach Nr. 1302 oder Nr. 1303 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) oder wegen einer wie eine Berufskrankheit zu entschädigenden Krankheit beanspruchen kann.

Der 1945 geborene Kläger hat von April 1962 bis September 1965 eine Lehre zum Maschinenschlosser bei der Firma H. absolviert und war anschließend bis September 1966 dort als Geselle tätig. Es folgten Beschäftigungen vom 21.09.1966 bis 19.10.1966 als Maschinenschlosser bei der Firma P. und von Dezember 1966 bis August 1968 als Reparaturschlosser bei der Firma S. P. Der Kläger hat dann ein Ingenieurstudium absolviert und war danach von Juli 1972 bis September 1973 als Projektingenieur bei der Firma H. beschäftigt, von November 1973 bis Januar 1974 als Konstrukteur in einem Ingenieurbüro und von August 1974 bis Januar 1975 als Schweißfachingenieur beim R. Es folgte eine Beschäftigung von Februar 1975 bis August 1979 als Projektingenieur bei der Firma S.-Hydraulik. Die nächste Beschäftigung war von Januar 1981 bis Juni 1982 als Vertriebingenieur bei der Firma Gebrüder A. Nach einer längeren Zeit der Arbeitslosigkeit war der Kläger sodann im Rahmen einer Trainingsmaßnahme des Arbeitsamtes vom 01.04.1985 bis 14.06.1985 bei der Firma M. tätig. Zuletzt hat der Kläger von Juli 1985 bis März 1986 als Projektingenieur bei der Firma D. gearbeitet.

Im März 1986 wurde bei dem Kläger ein Mediastinaltumor festgestellt, der als Lymphogranulomatose des Mediastinums vom nodulär- sklerosierenden Typ (Morbus Hodgkin) diagnostiziert worden ist. Im Zuge der Behandlung dieser Erkrankung wurden u.a. eine Chemotherapie (sechs Zyklen) und eine Strahlenbehandlung durchgeführt. Im März 1994 ist beim Kläger eine akute myeloische Leukämie mit leukämischer Ausschwämmung und peripherer Agranulozytose festgestellt worden. Der Kläger machte den Kontakt mit schädigenden Stoffen, mit denen er während seines gesamten Berufslebens, insbesondere bei den Firmen H., P., M. und D. zu tun gehabt habe, für die Erkrankungen verantwortlich. Er hat insoweit eine Exposition gegenüber polychlorierten Phenylen (PCB), chlorierten Dioxinen und Furanen, den Lösungsmitteln Benzol, Toluol, Xylol, Trichlorenthylen, Tetrachlorkohlenstoff, gegenüber Schwermetallen, Weichmachern, Arsen, Phosphorsäureester und elektromagnetischen Feldern genannt.

Mit Schreiben vom 12.04.1986 wandte sich der Kläger an die Beklagte und führte aus, er habe während seiner Trainingsmaßnahme bei der Firma M. unwissentlich mit PCB- und dioxinhaltigen Mitteln gearbeitet. Mit diesen Mitteln sei er durch Aerosole und direkten Hautkontakt über zweieinhalb Monate in Berührung gekommen. Nach seiner Meinung hätten diese Gifte seinen jetzigen Krankenheitszustand herbeigeführt. Dabei wies er darauf hin, daß die Firma A. aus dem Bergbau repariere und insbesondere beim Reinigen der Aggregate ein direkter Kontakt mit dem Reinigungsmittel sowie mit Kohlenstaub und mit dem PCB-verseuchten, mit Dioxin angereicherten Hydrauliköl bestehe. Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten hielt als Ergebnis eines Besuchs bei der Firma M. fest (Aktenvermerk vom 22.05.1986), nur bei der Dampfstrahlreinigung der angelieferten Teile könnten Restbestände von PCB-haltigen Flüssigkeiten vorkommen. Insoweit sei eine Schadstoffmessung erforderlich. Im Prüffeld, in dem der Kläger eingesetzt gewesen sei, entstünden keine Ölnebel, zudem würden nur PCB-freie Hydrauliköle verwandt. Unter dem 19.06.1986 erstattete der Internist Dr. M. eine BK-Anzeige. Der Staatliche Gewerbearzt (Dr. Ma ...) führte in einer Stellungnahme vom 05.09.1986 aus, wie die Auswertung neuester Literatur ergeben habe, sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer hodgkinschen Erkrankung und dem Kontakt mit PCB nicht erwiesen. Ferner sei zu beachten, daß der Kläger vom 01.04. bis 14.06.1985 bei der Firma M. gearbeitet habe und der Tumor bereits im März 1986 voll ausgeprägt gewesen sei. Wäre er in dieser Zeit mit einem Cancerogen in Berührung gekommen, müsse eine Expositionszeit von nur 10 Wochen als sehr kurz und eine Entwicklungszeit des Tumors zu einer röntgenologisch deutlich sichtbaren Größe von nur 9 Monaten als unwahrscheinlich angesehen werden. Er - Dr. Ma. - habe die Firma M. am 03.09.1986 aufgesucht. Ihm sei dargestellt worden, die aus dem Bergbau stammenden, zum Teil mit Hydraulikaggregaten versehenen Maschinen seien von dem PCB-haltigen Hydrauliköl bereits entleert, wenn sie in der Firma einträfen. Reste von PCB s seien jedoch in dem System vorhanden. Der Kläger habe jedoch Arbeiten bei der Säuberung und der Demontage der Geräte nicht vorgenommen, er habe erst mit den wieder montierten Maschinen am Prüfstand zu tun gehabt. PCB sei an dem Prüfstand überhaupt nicht benutzt worden, der Kläger habe lediglich Mineralöl in die Hydraulikanlage zwecks Prüfung einzufüllen gehabt. In den letzten Wochen seiner Tätigkeit habe er nur noch einzelne Teile, die in einer Industriewaschmaschine gereinigt worden seien, mit einem Kaltreiniger nachbehandelt und auf Maß geprüft. Kontakt mit PCB-haltigem Material habe er bei seiner Tätigkeit nicht gehabt. Eine Berufskrankheit nach der Nr. 1302 der An lage 1 zur BKVO sei somit nicht festzustellen. Bereits zuvor hatte der TAD der Beklagten eine Messung zur Schadstoffkonzentrations- Ermittlung des PCB in der Dampfstrahlanlage der Firma M. durchgeführt (24.07.1986); die Auswertung der Messung ergab eine Schadstoffkonzentration, die deutlich unter dem zulässigen Grenzwert lag. Nach Zuleitung der Ergebnisse der Messung sowie der von der Beklagten beigezogenen ärztlichen Unterlagen blieb Dr. Ma. in einer weiteren Stellungnahme vom 12.12.1986 bei seiner Beurteilung. Mit Bescheid vom 14.01.1987 lehnte die Beklagte eine Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da nach dem Ergebnis der Ermittlungen weder eine Berufskrankheit der Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKVO noch eine Berufskrankheit im Sinne des § 551 Abs. 2 RVO vorliege.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger, der zunächst ausschließlich die Exposition bei der Firma M. für die Erkrankung ver antwortlich gemacht hatte, geltend, er habe auch bei früheren Beschäftigungen Kontakt mit gefährlichen Stoffen gehabt. Ferner sei in der Stellungnahme des Staatlichen Gewerbearztes die Exposition gegenüber Dioxin bei der Firma M. nicht berücksichtigt worden. Die Beklagte zog im Zuge der weiteren Ermittlungen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Essen (302 Js 43/86 und 28 Js 454/85) bei. Anlaß des letztgenannten Verfahrens war der Umstand, daß 1985 auf dem Nachbargrundstück der Firma M. mit PCB-haltigem ölverseuchtes Wasser ausgetreten war. Die damaligen Ermittlungen hatten ergeben, daß zum einen von auf dem Betriebshof lagernden Maschinenteilen Öl durch Regenwasser abgewaschen und ins Erdreich gespült worden war, zum anderen die in den Waschanlagen anfallenden Abwässer verunreinigte Öle mit sich geführt hatten, weil der vorhandene Ölabscheider wegen des zugesetzten Waschmittels nicht funktionierte. Bei Ermittlungen des TAD bei der Firma M. wurde erneut festgestellt, der Kläger habe an seinem Arbeitsplatz im Prüfraum keinen Kontakt zu PCB gehabt (Bericht vom 22.07.1987). Weitere Ermittlungen bei den Firmen H. und P. (beide Zulieferbetriebe für den Berg bau) ergaben, daß der Kläger bei der Firma H. als Schlosser neue Abbauhämmer und Tränkepumpen montiert habe. Da Schweißarbeiten nicht durchgeführt worden seien, sei eine Bildung von Dioxinen und Furanen durch Erhitzung von PCB auszuschließen. Ob der Kläger die zeitweilig zur Reparatur gebrachten Maschinenteile mit Lösungsmittel oder Petroleum zu waschen gehabt habe, sei nicht mehr festzustellen, entsprechende Arbeiten könnten jedoch allenfalls von kurzer Dauer gewesen sein. Während der Beschäftigungszeit bei der Firma P. habe der Kläger als Maschinenschlosser in der Hydraulikabteilung ausschließlich neue Maschinenteile montiert. Mit welchem Hydrauliköl er damals in Berührung gekommen sei, sei nicht mehr zu ermitteln. Lediglich in anderen Arbeitsbereichen, in denen der Kläger nicht tätig gewesen sei, würden auch Bergbaumaschinen gewaschen und demontiert. Die Teile seien jedoch weder wärmebehandelt noch geschweißt worden, so daß auch hier ein Freiwerden von Dioxin und Furan auszuschließen sei (Bericht vom 19.10.1987).

Die Beklagte holte ein Gutachten von Prof. Dr. Pr., Deutsches Krebsforschungszentrum H. ein. In dem Gutachten vom 07.01.1988 führte Prof. Dr. Pr. aus, es bestehe nach der Aktenlage kein Zweifel, daß der Kläger während der Tätigkeit bei der Firma M. Kontakt zu PCB-haltigen Hydraulikflüssigkeiten gehabt habe. Eine ähnliche PCB-Exposition werde auch während der Tätigkeit bei der Firma H ... vermutet, die diesbezüglichen Angaben seien jedoch sehr vage. Ferner habe der Kläger einen Kontakt bei früheren Beschäftigungen mit Benzol und Tetrachlorkohlenstoff angegeben, wobei diese Kontakte jedoch jeweils nur kurzzeitig gewesen seien. Prof. Dr. Pr. kam nach Diskussion des cancerogenen Potentials der angeschuldigten Arbeitsstoffe zu dem Ergebnis, eine PCB-Belastung bei der Firma M. sei zu unterstellen, sie müsse jedoch insbesondere auch wegen der kurzen Beschäftigungsdauer als relativ niedrig angenommen werden. Die sehr kurze Zeitspanne von Exposition bis Auftreten des Tumors spreche gegen eine kausale Verursachung der Krankheit. Für eine Doxin- bzw. Furanbelastung über das normale Maß gebe es keine Hinweise. Hinsichtlich der früheren Beschäftigung sei die Belastungssituation sehr vage, insoweit könne eine regelmäßige PCB-Belastung in den Jahren 1962 bis 1966 bei der Firma H. relevant sein. Insoweit könne hier eine PCB/ Dioxin-Bestimmung im Körperfett des Klägers Hinweise auf die Gesamtbelastung geben. Die Benzol- und Tetrachlorkohlenstoff- Belastung in früheren Arbeitsverhältnissen sei quantitativ nicht abzuschätzen, offensichtlich sei sie nur kurzzeitig erfolgt. Die geforderte Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhanges sei nicht zu erbringen. Die Beklagte veranlaßte aufgrund einer Anregung von Prof. Dr. Pr. eine Analyse einer Körperfettprobe des Klägers auf polychlorierte Dioxine und Furane durch Prof. Dr. Se. Nach dem Ergebnis der Analyse lagen die ermittelten Konzentrationen ohne Ausnahme im Referenzbereich der unbelasteten Bevölkerung; Prof. Se. gab an, eine das normale Maß übersteigende Belastung mit diesen Verbindungen sei nicht erkennbar (Bericht vom 04.02.1989). Ermittlungen der Beklagten hinsichtlich vom Kläger angegebener ähnlicher Erkrankungen früherer Arbeitskollegen blieben erfolglos. Bei weiteren Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes bei den Firmen M. und H. wurde festgehalten, der Kläger habe während seiner Tätigkeit bei der Firma H. auch Maschinenteile gereinigt. Diese seien mit einem alkalischen Reiniger in einer geschlossenen Anlage gewaschen worden, hartnäckige Verschmutzungen seien anschließend mit Petroleum entfernt worden. Danach seien die gereinigten Teile mit Druckluft ausgeblasen worden, das Reinigen und Ausblasen der Teile sei in einem separatem Kellerraum mit Wandabsaugung vorgenommen worden. Die Lackiererei des Betriebes habe sich am Ende der Montagehalle befunden, eine Absaugung sei nicht vorhanden gewesen. Welche Farben und Lösungsmittel verwendet worden seien, sei nicht mehr zu ermitteln. Der Kläger habe bei seiner Tätigkeit auch Kontakt mit Hydraulikflüssigkeit und Petroleum gehabt; es sei nicht mehr festzustellen, um welche Hydraulikflüssigkeit es sich gehandelt habe. Da Hydraulikflüssigkeiten Phosphorsäureester enthalten könnten, könne eine Exposition gegenüber diesen Verbindungen nicht ausgeschlossen werden. Benzol und Toluol könnten aufgrund des Siedebereiches in Petroleum nicht, Xylol zu geringen Anteilen enthalten sein. Bei der Firma M. habe der Kläger im Prüfraum keinen Kontakt zu Hydraulikflüssigkeiten, Arsen, Petroleum oder sonstigen Lösungsmitteln gehabt, Meßergebnisse lägen für dieses Unternehmen aber nicht vor (Bericht vom 02.01.1990). Prof. Dr. Se. erstattete unter dem 29.01.1990 ein fachhygenisches Zusatzgutachten. Er führte aus, die Werte für Dioxin und Furane seien in der Fettprobe nicht erhöht. Gegenüber PCB s sei keine wesentlich erhöhte Exposition festzustellen. Zwar ließen sich die festgestellten 44 ng/kg PCB mit großer Wahrscheinlichkeit auf Hautkontakt mit PCB-haltigen Ölen sowie durch die Einatmung derartiger Aerosole zurückführen; die Konzentration sei jedoch relativ gering, von einem derartigem Wert ließen sich nach gegenwärtigem Wissen Gesundheitsschäden nicht ableiten. Hinsichtlich der niedrig chlorierten Biphenyle sei allerdings zu berück sichtigen, daß zwischen der vermuteten Exposition und der Probenentnahme rund eineinhalb Jahre gelegen hätten, so daß eine ursprünglich vorhandene PCB-Konzentration bereits erheblich abgebaut gewesen sein könne. Prof. Dr. Pr. äußerte sich abschließend unter dem 16.05.1990. Er meinte, aufgrund der Analyse der Fettgewebsproben seien spezifische berufliche Belastungen mit Dioxin und Furanen auszuschließen. Diese Stoffe seien ausgesprochen fettlösliche Verbindungen und speicherten sich insbesondere im Fettgewebe des Organismus an, so daß der Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren zwischen Exposition und Probenentnahme nicht wesentlich zur Verminderung der Fettgewebekonzentration beigetragen habe. Anders sei die Situation für niedrig chlorierte Biphenyle, diese Produkte hätten eine stark verminderte Halbwertszeit, so daß die gemessenen Konzentrationen zum Zeitpunkt der Probenentnahme einen zu niedrigen Wert angäben. Epidemiologische Untersuchungen über ein krebs erzeugendes Potential von niedrig chlorierten PCB s lägen nicht vor. Tierexperimentell sei selbst bei maximal tolerierter Dosis und Beobachtung über die gesamte Lebenszeit von Mäusen und Ratten kein Tumor beobachtet worden. Abschließend sei festzustellen, daß weder eine beruflich bedingte Belastung mit potentiellen cancerogenen Stoffen in erheblich höherem Maße im Vergleich zur Normalbevölkerung nach Datenlage und Messung in einer Körperfettprobe vor gelegen habe, noch daß die spezifische Art der Belastung nach der zeitigem Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse für ein erhöhtes Risiko in bezug auf die Art der spezifischen Erkrankung verantwortlich gemacht werden könne. Zudem spreche die kurze Zeitspanne zwischen der zu unterstellenden PCB-Exposition bei der Firma M. bis zum Auftreten des Tumors eindeutig gegen eine kausale Verknüpfung. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.1990 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger ausführlich sein Berufsleben mit den dabei auftretenden Belastungen geschildert und auf den Kontakt mit PCB, Dioxinen und Furanen, Kaltreinigern und Benzol, Tuluol und Xylol hingewiesen. Es lägen zahlreiche Publikationen vor, die einen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und den angeschuldigten Stoffen belegten. Auf seinen Antrag ist nach § 109 SGG ein Gutachten von dem Priv.-Doz. Dr. F.-B. sowie ein neuropsychologisches Zusatzgutachten von Dr. Pe. eingeholt worden. Dr. Pe. fand bei den Tests kein ausreichendes Indiz für eine neurotoxisch begründbare kognitive Leistungsminderung, insbesondere war hinsichtlich Aufmerksamkeit und Konzentration keine Beeinträchtigung festzustellen. Priv.-Doz. Dr. F.-B. führte aus, ausgehend von der vom Kläger geschilderten Belastungen während des Berufslebens sei zweifellos von einer verhältnismäßig hohen Einwirkungswahrscheinlichkeit der genannten Lösungsmittel (Benzol, Trichlorethylen, Tretrachlorkohlenwasserstoff) auszugehen. Er meinte, Prof. Dr. Pr. habe in seinem Gutachten zum einen nicht die Kombinationswirkung mehrerer Stoffe beachtet, zum anderen nicht die pränarkotische Wirkung von hochgradigen Lösungsmitteleinwirkungen. Insbesondere sei die Möglichkeit außer acht gelassen worden, daß von den Lösungsmitteln eine promovierende Wirkung ausgehen könne. Es lägen mittlerweile Publikationen zu den neurotoxischen Wirkungen von Lösungsmitteln auf die Leistung des für die Regulation der wesentlichen Abwehrvorgänge zuständigen Stammhirns sowie zur Immunsupression vor. Daher könne ein Zusammenhang der spezifischen Erkrankung des Klägers an Lymphogranulomatose mit den multiplen Einwirkungen am Arbeitsplatz nicht ausgeschlossen werden. Dabei überwiege der Eindruck, daß die multiplen Einwirkungen mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Ausbruch der Erkrankung geführt hätten. Das Gericht hat sodann ein weiteres arbeitsmedizinisches Gutachten von Prof. Dr. N. eingeholt. Prof. Dr. N. hat in seinem Gutachten vom 23.08.1994 die vom Kläger bei einer nochmaligen Befragung angegebenen Stoffe (Phosphorsäureester, Tretrachlorethen, Trichlorbenzol, Tetrachlorbenzyl, Toluol, Dioxan, Tetrachlorkohlenstoff, Trichlorethen und Trichlorethan) als von allenfalls untergeordneter Bedeutung für die Genese der Tumorerkrankung des Klägers bezeichnet. Zum einen könnten diese Stoffe nicht als klassische Substanzen für eine Lumphomauslösung betrachtet werden, zum anderen hätten die Exposition nur relativ kurzzeitig bestanden. Von zentraler Bedeutung sei demgegenüber die PCB- und Dioxinbelastung. Zur Ätiologie maligner Lymphome lägen derzeit nur ansatzweise Erkenntnisse vor. Es gebe deutliche Hinweise auf virale Einflüsse bei der Genese, ebenso auch auf fragliche Einflüsse von Erbfaktoren und von Immunsupressionen. Soweit sich aus Studien Hinweise daraus ergäben, daß Lösungsmittelexpostionen mit einem erhöhten Risiko für Lymphomerkrankungen verbunden seien, gebe es auch gegenteilige Untersuchungsergebnisse. Dabei sei auch zu betonen, daß die Exposition gegen über Lösemitteln beim Kläger als nicht besonders hoch eingestuft werden könne. Erwähnenswert sei jedoch, daß in der Familie des Klägers gehäuft Tumorerkrankungen auch in jungen Jahren aufgetreten seien; es lasse sich somit nicht ausschließen, daß ein familiär erhöhtes Risiko für Tumorerkrankungen vorliege. Zwar sei bei dem Kläger durchaus von einer Exposition gegenüber PCB s auszugehen, da er im Laufe seines Berufslebens immer wieder mit Hydraulikflüssigkeiten aus dem Bergbau zu tun gehabt habe. Jedoch seien die vorliegenden epidemiologischen Berichte an PCB-exponierten Kollektiven im Hinblick auf eine Lymphom-erzeugende Wirkung sehr widersprüchlich. Es könne derzeit nicht davon aus gegangen werden, eine PCB-Exposition sei mit einer höheren Risiko verbunden, an einem Lymphom zu erkranken. Deutlichere Hinweise auf eine Lymphom-erzeugende Wirkung gebe es für Dioxine und Furane. Insoweit habe bereits Prof. Dr. Se. darauf hingewiesen, daß die beim Kläger ermittelten Konzentrationswerte in jenen Bereichen lägen, die für die Allgemeinbevölkerung typisch seien, so daß er nicht in erhöhtem Maße gegenüber diesen Stoffen exponiert gewesen sei. Was die Exposition gegenüber höher chlorierten Biphenylen betreffe, könne der Aussage von Prof. Dr. Se., daß die Konzentration als so gering zu bewerten sei, daß sich Gesundheitsschäden nach dem gegenwärtigen Wissensstand nicht ableiten ließen, nicht widersprochen werden. Hinsichtlich der niedrig chlorierten PCB-Kongenere, die eine geringe Halbwertszeit hätten, könne nur spekuliert werden, wie hoch frühere Konzentration gewesen sein könnte. Mit der im Berufskrankheitenrecht erforderlichen Wahrscheinlichkeit könne die Tumorerkrankung nicht auf die berufliche PCB-Exposition zurückgeführt werden. Auch gesicherte oder mögliche weitere Expositionen gegenüber anderen Stoffen seien von Art und Umfang her nicht geeignet, eine berufliche Genese der Tumorerkrankung derzeit zu begründen. Soweit Priv.-Doz. Dr. F.-B. auf die Kombinationswirkung bzw. promovierenden Wirkungen der verschiedenen Stoffe abgestellt habe, sei seine Argumentation widersprüchlich und unzureichend abgeleitet. Zum einen seien wegen der strittigen Angaben zwischen der Beklagten und dem Kläger in verschiedenen Fällen einzelne Wirkungen nicht sicher abgrenzbar und definierbar. Darüber hinaus lägen derzeit wissenschaftlich zur Kombinationswirkung verschiedener Chemikalien, gerade im Hinblick auf die tumorerzeugende Wirkung kaum Erkenntnisse vor. Auf der Basis der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse könne zumindest im Falle eines Morbus Hodgkin derzeit nicht gefolgert werden, daß durch eine entsprechende Kombinationswirkung automatisch das Risiko für die Tumorerkrankung erhöht worden sei.

Mit Urteil vom 07.12.1994 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. N. das Vorliegen einer Berufskrankheit verneint. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil verwiesen.

Mit der Berufung wiederholt der Kläger im wesentlichen seinen bisherigen Vortrag. Ergänzend trägt er vor, entgegen der Darstellung der Firma H. habe es in dem Raum, in dem die Maschinenteile gereinigt worden seien, keine Absaugung gegeben. Die Messung der Beklagten bei der Firma M. im Juli 1986 sei unzureichend, sei gebe die tatsächliche PCB-Belastung nicht richtig wieder. Ferner weist der Kläger darauf hin, daß ein Arbeitskollege, der von 1974 bis 1989 bei der Firma M. gearbeitet habe, im Juni 1997 nach Erkrankung an einem Morbus Hodgkin gestorben sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 07.12.1994 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 14.01.1987 und 29.06.1990 zu verurteilen, ihm - dem Kläger - unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKVO,

hilfsweise,

nach § 551 Abs. 2 Verletztenrente nach einer MdE von 100 v.H. zu gewähren, hilfsweise, den Beweisanträgen im Schriftsatz vom 17.10.1997 nachzugehen, hilfsweise die Sache an das Sozialgericht Dortmund zu rückzuverweisen, damit von dort die für notwendig erachteten Beweise erhoben werden können.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und sieht in dieser Auffassung durch das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten bestätigt.

Auf Antrag des Klägers ist im Berufungsverfahren ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG von Prof. Dr. St. eingeholt worden. Der zunächst vom Kläger benannte Sachverständige Prof. Dr. W. hatte gebeten, ihn vom Gutachtenauftrag zu entbinden, da nach Vorprüfung des Akteninhaltes nicht erkennbar sei, daß eine erneute arbeitsmedizinische Zusammenhangsbeurteilung zu einem anderen Ergebnis als die Vorgutachten kommen könne. Prof. Dr. St. führte in ihrem Gutachten vom 05.03.1997 aus, für die Kausalitätsbetrachtung sei eine berufliche Exposition gegenüber Hydraulikflüssigkeiten (Öl- Aerosole, niedrigchlorierte Biphenyle), Farben und Lösemitteln (ohne nähere Bezeichnung), Xylol, Petroleum, Phosphorsäureestern und elektromagnetischen Feldern relevant. Epidemiologische Erkenntnisse zum ursächlichen Zusammenhang zwischen den genannten Stoffen und Morbus Hodgkin hätten sich bisher nicht zur BK-Reife verdichtet. Eine früher aufgetretene, möglicherweise durch Lösemittelexposition vorhandene Störung des Immunsystems stelle eine unzureichende Grundlage für die Erörterung einer wesentlichen Mitbedingung bei der Entstehung des Morbus Hodgkin dar. Zur gemischten Exposition lägen ihres Wissens keine BK-relevanten Erkenntnisse vor. Auch die Ergebnisse epidemiologischer Untersuchungen zu elektromagnetischen Feldern seien in bezug auf den ursächlichen Zusammenhang mit dem Morbus Hodgkin überwiegend negativ. Prof. Dr. St. bestätigt die Aussage von Prof. Dr. N., daß die Ursache der Lymphogranulomatose noch ungeklärt ist und als mögliche Einflußfaktoren bisher das Alter, genetische und Umwelteinflüsse gelten. Der Morbus Hodgkin lasse sich nach dem geltenden Berufskrankheitenrecht nicht einer der anerkannten Berufskrankheiten zuordnen. Hinsichtlich der Anwendung des § 551 Abs. 2 RVO könne nach den TAD-Recherchen und dem Ergebnis der Fettgewebsanalysen ein erheblich höheres Ausmaß der Exposition gegenüber der Bevölkerung bezüglich der PCB s nicht festgestellt werden. Anders sei zwar grundsätzlich die Situation hinsichtlich der akuten myeloischen Leukämie, hier sei ein hoher signifikanter Zusammenhang zwischen Benzol und Leukämie bei hoher oder mittlerer Exposition nachgewiesen. Meßwerte zur Raumluftkonzentration lägen hier nicht vor. Um eine maßgebliche Rolle bei der Entstehung der Leukämie gespielt zu haben, müßte jedoch die inhalative Konzentration von Benzol über 10 ppm gelegen haben. Da Benzol in den Lösemitteln nur anteilig enthalten gewesen sei, müßte die Lösemittelkonzentration noch höher gelegen haben, so daß akute Intoxikationen aufgetreten sein müßten. Das sei nicht der Fall gewesen. Für einen maßgeblichen Einfluß durch die perkutane Resorption sei die Expositionszeit im Zusammenhang mit den Arbeitsverrichtungen als zu gering anzusehen. Eine ursächliche Mitwirkung der Lösemittelexposition bei der Leukämiegenese sei zwar möglich, jedoch seien als konkurierende Ursachen die therapeutischen Maßnahmen (kombinierte Strahlen- und Chemotherapie) bei der Behandlung des Morbus Hodgkin zu berücksichtigen. Die schwerwiegenste Folge der Behandlung eines Morbus Hodgkin sei die Entstehung sekundärer Malignome, besonders von akuten nicht lymphozytären Leukämien, die häufig bei Patienten angetroffen würden, die eine Kombination aus Strahlen- und Chemotherapie erhalten hätten. Diese Behandlung sei die wahrscheinliche Ursache der Leukämie.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht das Vorliegen einer entschädigungspflichtigen Berufskrankheit bzw. einer wie einer Berufskrankheit zu entschädigenden Krankheit verneint.

Nach § 212 SGB VII sind für die Entscheidung noch die Vorschriften der RVO heranzuziehen, da über einen ggfs. vor dem 01.01.1997 eingetretenen Versicherungsfall zu entscheiden ist.

Nach § 551 Abs. 1 RVO gilt als Arbeitsunfall eine Krankheit, die in einer Rechtsverordnung als Berufskrankheit bezeichnet ist und die ein Versicherter bei einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Nach Nr.1302 der Anlage 1 zur BKVO sind Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe als Berufskrankheit anerkannt. Der 1986 diagnostizierte Morbus Hodgkin ist weder eine Erkrankung durch Halogenkohlenwasserstoffe (Nr. 1302) noch eine sonstige Listenerkrankung. Der Senat stützt sich dabei insbesondere auf die überzeugenden Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. N. und Prof. Dr. St., deren Beurteilung mit der des im Verwaltungsverfahrens gehörten Sachverständigen Prof. Dr. Pr. übereinstimmt und der auch Prof. Dr. W. in seinem Schreiben vom 17.06.1996 beigepflichtet hat.

Die Ätiologie des Morbus Hodgkin ist noch ungeklärt. Es gibt Hin weise auf virale Einflüsse bei der Genese sowie auf ein erhöhtes Risiko bei Immundefektzuständen und Autoimmunerkrankungen. Soweit überhaupt die im Jahre 1966 nach - vom Kläger behaupteten - Umgang mit Lösemitteln aufgetretenen Erkrankungen auf eine Störung des Immunsystems des Klägers hindeuten würden, könnte einer solchen Störung nach dem Gutachten von Prof. Dr. St. keinesfalls eine wesentliche Mitbedingung bei der Entstehung des Morbus Hodgkin beigemessen werden, da weder zur Tumorpromotion noch zu gemischten Expositionen gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen (so auch Prof. Dr. N.). Von daher ist die Beurteilung des Priv.-Doz. Dr. F.-B., die "multiplen" Einwirkungen am Arbeitsplatz hätten mit höheren Wahrscheinlichkeit zum Ausbruch der Erkrankung geführt, nicht überzeugend. Schon Prof. Dr. N. hat in seiner Kritik am Gutachten von Priv.-Doz. Dr. F.-B. darauf hingewiesen, daß wissenschaftlich zur Kombinationswirkung verschiedener Chemikalien gerade im Hinblick auf eine tumorerzeugende Wirkung kaum Erkenntnisse vorlägen. Auch Priv.-Doz. Dr. F.-B. zitiert nur einzelne Studien, aus denen sich offensichtlich lediglich mögliche Hinweise auf eine immungsupressive Wirkung von Arbeitsstoffen sowie zur Wirkung von Lösungsmitteln auf das Zentralnervensystem ergeben, ohne daß in diesen Studien epidemiologisch gesicherte Erkenntnisse zur Verursachung oder Promotion von Tumoren belegt werden. Bezeichnenderweise hat Priv.-Doz. Dr. F.-B. bei seiner ab schließenden Beurteilung einen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und den multiplen Einwirkungen zunächst nur "nicht ausgeschlossen". Seine weitere Aussage, es überwiege der "Eindruck", daß diese Einwirkungen mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Ausbruch der Erkrankung geführt hätten, ist eher vage und überzeugt angesichts fehlender wissenschaftlicher Erkenntnisse zu gemischten Expositionen und zur Promotion von Tumoren nicht. Zudem hat Priv.-Doz. Dr. F.-B. bei seiner Beurteilung das gehäufte Risiko für das Auftreten von Krebserkrankungen in der Familie des Klägers - der Kläger hat gegenüber Prof. Dr. N. fünf Fälle geschildert - nicht berücksichtigt. Daß die vom Kläger angeschuldigten weiteren Stoffe Phosphorsäureester, Petroleum, Tetrachlorethen, Trichlorbenzol, Tetrachlorbenzyl, Toluol, Dioxan, Tretrachlorkohlenstoff, Trichlorethen und Trichlorethan sowohl generell nicht als klassische Substanzen für eine Lymphomauslösung angesehen werden können und zudem die Expositionen auch nur relativ kurzzeitig bestanden haben, so daß sie bei der Genese der Tumorerkrankungen eine allenfalls untergeordnete Rolle gespielt haben können, hat Prof. Dr. N. überzeugend begründet. Auch Prof. Dr. St. weist darauf hin, daß gesicherte epidemiologische Erkenntnisse zum ursächlichen Zusammenhang zwischen Lösemitteln und den weiteren von Prof. Dr. N. diskutierten Einflußfaktoren und dem Morbus Hodgkin nicht vorliegen. Auch die Ergebnisse epidemiologischer Untersuchungen zu elektromagnetischen Feldern sind in bezug auf den ursächlichen Zusammenhang mit dem Morbus Hodgkin überwiegend negativ.

Der Morbus Hodgkin ist auch keine Erkrankung durch Benzol oder seine Homologe (Nr. 1303 der Anl.1 zur BKVO). Chronische Einwirkungen von Benzol können nach dem Gutachten von Prof. Dr. St. zu schweren Schädigungen des blutbildenden Systems (wie Leukämie) führen. Nur in einzelnen Fällen sind auch Lymphome vom hodgkinschen Typ beschrieben worden (Prof. Dr. Pr.), epidemiologisch gesicherte Erkenntnisse liegen insoweit offensichtlich nicht vor.

Hinsichtlich der vom Kläger in den Vordergrund gestellten Stoffe PCB und Dioxin sowie Furanen kann zwar zu Gunsten des Klägers von einer PCB-Exposition während seines Berufslebens ausgegangen wer den. Gegenüber Dioxinen und Furanen hat jedoch nach dem Ergebnis der Fettgewebsanalyse eine besondere berufliche Belastung nicht bestanden, denn die ermittelten Werte waren gegenüber den Vergleichswerten der Allgemeinbevölkerung nicht erhöht. Gegenüber höher chlorierten PCB s bestand zwar eine erhöhte Exposition (44 ng/kg); die Konzentration war jedoch so gering, daß von einem derartigen Wert Gesundheitsschäden nicht zu erwarten sind (Prof. Dr. Se., Prof. Dr. Pr., Prof. Dr. N.). Die Exposition gegenüber niedrig chlorierten PCB s kann wegen der relativ kurzen Halbwertszeiten aus der Gewebeprobe nicht ermittelt werden. Selbst wenn man insoweit von einer erhöhten Exposition ausgeht, fehlen epidemiologische Untersuchungen zum krebserzeugenden Potential von niedrig chlorierten PCB s (Prof. Dr. Pr.; auch Prof. Dr. N. führt aus, zur relativen Höhe der Exposition könne mangels Vorliegen von Vergleichswerten für die Normalpopulation bzw. Referenzpopulation mit typischen PCB-Expositionen nichts gesagt werden). Im übrigen ist nochmals daruf hinzuweisen, daß hinsichtlich möglicher berufsbedingter exogener Ursachen für die Entstehung des Morbus Hodgkin keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen. Von daher kann auch hinsichtlich der vorgenannten Arbeitsstoffe ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung und dem Auftreten bzw. Ausbruch der Erkrankung nicht festgestellt werden.

Da für keinen der vom Kläger genannten Stoffe wahrscheinlich zu machen ist, daß er allein oder zusammen mit anderen Stoffen wesentliche (Teil)Ursache des Morbus Hodgkin gewesen ist, kann die Krankheit auch nicht wie eine Berufskrankheit anerkannt und entschädigt werden (§ 551 Abs. 2 RVO).

Die 1994 festgestellte Leukämie ist nicht mit Wahrscheinlichkeit durch die berufliche Exposition gegenüber Benzol (BK Nr. 1303 der Anl. 1 zur BKVO) verursacht worden. Insoweit liegen zwar eindeutige Erkenntnisse darüber vor, daß bei hohen oder mittleren Expositionen Benzol Leukämie verursachen kann. Andere Lösemittel haben dagegen keinen wissenschaftlich bewiesenen ursächlichen Bezug zur akuten myeloischen Leukämie. Jedoch hat Prof. Dr. St. nachvollziehbar ausgeführt, im Falle des Klägers konkurierten die im Rahmen der Behandlung des Morbus Hodgkin durchgeführten therapeutischen Maßnahmen (Chemotherapie und Strahlenbehandlung) mit den beruflichen Expositionen. Die schwerwiegenste Folge der Behandlung eines Morbus Hodgkin sei das Entstehen sekundärer Malignome, besonders von akuten Leukämien, die häufig bei Patienten angetroffen würden, die eine Kombination aus Strahlen- und Chemotherapie er halten hätten. Nach ihrer Beurteilung ist die Kombinationstherapie die wesentliche Ursache für die Entstehung der Leukämie gewesen; die feststellbare Exposition gegenüber Benzol trete gegenüber dem Einflußfaktor Kombinationstherapie zurück. Für einen maßgeblichen Einfluß durch eine perkutane Resorption sei die Exposition im Zusammenhang mit den Arbeitsverrichtungen als zu gering anzusehen. Da Benzol in Lösemitteln nur anteilig vertreten sei, hätten bei einer für eine Leukämie-Entstehung ausreichenden Aufnahme die Lösemittelkonzentrationen so hoch liegen müssen, daß akute Intoxikationen aufgetreten wären. Der Senat hält diese Beurteilung von Prof. Dr. St. für zutreffend. Schon Prof. Dr. Pr. hatte darauf hingewiesen, daß das nachgewiesene Leukämierisiko bei beruflichen Belastungen mit Benzol nach einer Exposition von im Regelfall 10 Jahren und mehr bestanden habe. Aus der eigenen Schilderung des Berufslebens des Klägers mit den dabei aufgetretenen Belastungen ergibt sich aber nur eine etwas mehr als 7 1/2- jährige Exposition gegenüber Lösemitteln, wobei während der ganz überwiegenden Zeit (6 Jahre) der Kläger als Ingenieur gearbeitet hat, so daß für diese Zeit nur von einer zeitweisen Exposition ausgegangen werden kann. Von daher ist die mögliche Exposition gegenüber Benzol als relativ gering einzuschätzen, so daß es einleuchtet, wenn Prof. Dr. St. die Kombinationstherapie als wesentliche Ursache für die Leukämie ansieht.

Die Ausführungen und Anträge des Klägers im Schriftsatz vom 17.10.1997 geben dem Senat keinen Anlaß zu weiteren Ermittlungen.

Daß ein früherer Arbeitskollege des Klägers an Morbus Hodgkin erkrankt und gestorben ist, besagt zum einen nichts darüber, daß die Erkrankung auf die Arbeitseinflüsse bei der Firma M. zurückzuführen ist (wobei zudem darauf hinzuweisen wäre, daß dieser Kollege in einem anderen Bereich als der Kläger gearbeitet hatte und vor allem über 15 Jahre dort beschäftigt war), zum anderen wird durch einen oder mehrere Einzelfälle nicht das erforderliche epidemiologische Wissen vermittelt. Das Urteil des LSG Schleswig- Holstein vom 07.09.1987 betrifft den völlig anderen Fall einer sog. "Kann-Versorgung" nach § 81 Abs. 5 Satz 2 Soldatenversorgungsgesetz; das LSG Schleswig-Holstein geht auf S. 8 2. Absatz des Urteils aber gerade davon aus, daß über die Ursache der Lymphogranulomatose keine medizinischen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen.

Unabhängig davon, ob die Anträge A 0 bis A 10 in dem Schriftsatz überhaupt als Beweisanträge zu qualifizieren sind, sind sie für die Entscheidung nicht relevant. Zu einer Vertagung (Antrag A 0) besteht kein Anlaß, da nicht zu erwarten ist, daß sich wesentliche neue Erkenntnisse ergeben. Es bedarf keiner näheren Begründung, daß von einer "epidemiologischen Vorarbeit" des Klägers in einer württembergischen Hydraulikfabrik keine neuen Erkenntnisse zur Ätiologie des Morbus Hodgkin zu erwarten sind. Die Anträge A 1 und A 2 betreffen die oben vorgenommene Würdigung des Sachverhaltes; zum Antrag A 3 (angeblich vergleichbare Fälle von Kollegen) wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Zu Gunsten des Klägers kann unterstellt werden, daß es bei der Firma H. in der Waschkabine für die Reinigung der Maschinenteile keine Entlüftung gegeben hat (A 4) und auch bei der Messung der Beklagten im Betrieb der Firma M. am 24.07.1986 unzutreffend niedrige PCB-Werte ermittelt worden sind (A 5, 6), weil - wie oben dargelegt - ein Zusammenhang zwischen der Exposition und der Erkrankung unabhängig von den konkreten Verhältnissen nicht festzustellen ist. Die Ermittlung der möglichen Konzentration von "Ugilec" (A 7) im Betrieb der Firma M. ist entbehrlich, denn selbst wenn es bei diesem Stoff wesentlich schneller zur chemischen Umbildung und dem Auftreten von Dioxin kommen kann, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung verdeutlicht hat, steht aufgrund der Fettgewebsanalyse fest, daß der Kläger nicht in erhöhtem Maße gegenüber Dioxin exponiert war, sich also dieses mögliche Gefahrpotential des Stoffes nicht realisiert haben kann. Ebenso ist irrelevant, daß durch die Einwirkung der ultravioletten Strahlungen der Sonne PCB s chemisch verwandelt werden (A 8), weil eine hohe Belastung mit PCB nach der Fettgewebsanalyse nicht bestanden hat und zudem keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, daß durch diese Stoffe Tumore der vor liegenden Art ausgelöst werden. Den Antrag auf "Reduzierung der MAK-Werte" (A 9) versteht der Senat dahingehend, daß der Kläger die synergistische Wirkung der Arbeitsstoffe geltend machen will. Auch insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden; gesicherte Erkenntnisse über die additive und/oder kumulative Wirkung von Schadstoffen bestehen (noch) nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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