L 15 U 154/98

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 14 U 39/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 154/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 325/01 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 14. April 1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Parkinson-Erkrankung des Klägers wie eine Berufskrankheit (BK) zu entschädigen ist.

Der 1939 geborene Kläger absolvierte von 1954 bis 1957 eine landwirtschaftliche Ausbildung und übernahm zum 01.01.1965 den landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters. Seitdem ist er als landwirtschaftlicher Unternehmer bei der Beklagten versichert.

Im Februar 1994 beantragte er, seine Parkinson-Erkrankung, die er auf den langjährigen Umgang mit Spritzmitteln bei seiner beruflichen Tätigkeit zurückführte, als BK anzuerkennen. Der Kläger bezog sich auf einen Bericht des Internisten Dr. F., der darin den Verdacht auf ein toxinbedingtes Parkinson-Syndrom äußerte. Die Beklagte holte von dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. B., M ..., einen Befundbericht ein und zog ärztliche Berichte des Krankenhauses S ..., B ... bei, in dem der Kläger in den Jahren 1992 und 1993 mehrfach stationär behandelt worden war. Anschließend ließ sie den Kläger durch Prof. Dr. M., Neurologische Klinik des Klinikums L ..., untersuchen. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 22.09.1994 zu folgendem Ergebnis: Es lasse sich nicht wahrscheinlich machen, dass das beim Kläger vorliegende rechtsbetonte Parkinson-Syndrom berufstoxisch verursacht sei. Allein schon die Tatsache, dass es sich um ein halbseitiges Parkinson-Syndrom handele, spreche gegen eine toxische Verursachung.

Möglich sei zwar, dass toxische Substanzen, welche als Spritzmittel ausgebracht würden, auch die Entstehung eines Parkinson-Syndroms begünstigten; jedoch komme das Parkinson-Syndrom unter Landwirten nicht häufiger vor als in der allgemeinen Bevölkerung.

Mit Bescheid vom 30.11.1994 lehnte die Beklagte die Anerkennung der geltend gemachten Gesundheitsstörungen als BK ab. Den Widerspruch des Klägers, den dieser mit einem Bericht des Nervenarztes Dr. B ..., T ..., vom 04.08.1994 begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.1995 zurück. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, nach dem Gutachten des Prof. Dr. M. sei eine toxische Verursachung des Parkinson-Syndroms aufgrund des halbseitigen Auftretens nicht wahrscheinlich, so dass eine berufsbedingte Erkrankung durch Schädlingsbekämpfungsmittel nicht vorliege. Auch eine Anerkennung des Parkinson-Syndroms gemäß § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) könne nicht erfolgen, da das Parkinson-Syndrom unter Landwirten nicht häufiger vorkomme als in der allgemeinen Bevölkerung.

Hiergegen hat der Kläger am 01.06.1995 Klage erhoben. Er hat unter Bezugnahme auf eine "Gutachtliche Stellungnahme" des Gemeindedirektors a. D. L ... die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen des § 551 Abs. 2 RVO vorlägen. Auch wenn derzeit noch keine epidemiologischen Erkenntnisse darüber vorlägen, dass Landwirte im Vergleich zur übrigen Bevölkerung einem erhöhten Risikonterlägen, an einem Morbus Parkinson zu erkranken, schließe dies die Anwendung des § 551 Abs. 2 RVO nicht aus. Eine Erkrankung könne wie eine BK nach § 551 Abs. 2 RVO entschädigt werden, wenn die Art der Gefährdung im konkreten Fall nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft zu dem Schluss zwinge, dass eine bestimmte Erkrankung hierauf zurückzuführen sei. Es könne nicht Sinn und Zweck des Gesetzes sein, eine BK erst bei Vorliegen statistisch relevanten Zahlenmaterials anzuerkennen.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten von Prof. Dr. A ..., Neurologische Abteilung des Krankenhauses S ..., eingeholt. Er hat gemeint, bei dem Kläger liege ein Parkinson-Plus-Syndrom vor, das wie eine BK nach § 551 Abs. 2 RVO zu entschädigen sei. Nach dem aktuellen Wissensstand sei zwar ein direkter Zusammenhang zwischen einer Pestizidexposition und einem Parkinson-Syndrom nicht belegbar; auch gebe es keine epidemiologischen Belege dar über, dass die Parkinson-Erkrankung häufiger unter Landwirten anzutreffen sei als in der übrigen Bevölkerung. Mit einiger Wahrscheinlichkeit sei aber eine richtunggebende Verschlimmerung eines Parkinson-Syndroms bei einer entsprechenden Prädisposition und einer quantitativ ausreichenden Exposition gegenüber Pestiziden nach den vorliegenden wissenschaftlichen Daten anzunehmen. Diese Wahrscheinlichkeit ergebe sich allerdings nur, wenn man die vorliegenden wissenschaftlichen Daten nach einem Bausteinsystem zusammensetze. Eine gezielte oder spezielle wissenschaftliche Studie zu dieser Fragestellung liege nicht vor.

Während der Kläger sich durch das Gutachten in seiner Auffassung bestätigt gesehen hat, hat die Beklagte sich mit einer Stellung nahme des Prof. Dr. M. vom 16.10.1996 dagegen gewandt. Prof. Dr. M. hat ausgeführt, nach den von ihm erhobenen und auch nach den von Prof. Dr. A ... beschriebenen Befunden liege ein Parkinson-Plus-Syndrom oder eine Multisystemathrophie nicht vor. Sie wäre - selbst wenn sie vorläge - kein Hinweis auf ein toxisches Parkinson-Syndrom. Die Asymmetrie spreche am stärksten dagegen.

Mit Urteil vom 14.04.1998 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das am 22.05.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.06.1998 Berufung eingelegt. Er trägt vor: Bei seiner Parkinson-Erkrankung handele es sich entgegen der Auffassung des Sozialgerichts um eine nach § 551 Abs. 2 RVO wie eine BK zu entschädigende Krankheit. Die fehlende epidemiologische Evidenz sei vorallem auf die aufgrund der hochkomplizierten Materie noch nicht in notwendiger Anzahl durchgeführten Forschungen zurückzuführen. Dies könne ihm nicht zum Nachteil gereichen. Im übrigen sei zumindest die toxikologische Wirkung von Mangan evident. Er habe aber jahrelang mit den manganhaltigen Spritzmitteln Mancoceb und Dithane sowie Mangansulfat gearbeitet. Außerdem habe er phosphororganische Insektizide und Methanol enthaltende Produkte in großer Menge verwendet. Darüber hinaus habe er nicht nur seine eigenen Flächen gespritzt, sondern auch umfangreiche Lohnspritzungen auf Fremdflächen durchgeführt. Zum Beweis der von ihm bezogenen Mengen an Spritzmitteln hat der Kläger verschiedene Unterlagen, u. a. diverse Rechnungen des Landhandels B ..., vorgelegt. Zur Unterstützung seines Vorbringens hat der Kläger außerdem einen Bericht des Nervenarztes Dr. B ... vom 24.11.1999 überreicht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 14.04.1998 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 30.11.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.1995 zu verurteilen, seine Parkinson-Erkrankung wie eine Berufskrankheit zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor: Die Voraussetzungen des § 551 Abs. 2 RVO seien nach wie vor nicht gegeben, weil es an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen über einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Umgang mit Pflanzenschutzmitteln und einer Parkinson-Erkrankung fehle. Auch eine BK nach Nr. 1105 liege unabhängig vom Umfang der Manganexposition nicht vor, weil der Kläger an einem Parkinson-Syndrom erkrankt sei und nicht an einem sogenannten Manganismus leide.

Das Berufungsgericht hat Auskünfte vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin eingeholt. Wegen ihres Inhalts wird auf die Schreiben vom 04.11.1998, vom 20.11.1998 und vom 24.02.1999 Bezug genommen. Außerdem hat das Berufungsgericht durch die Berichterstatterin in einem Erörterungstermin den Kläger angehört und den im landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers aushilfsweise tätigen L ... F ... als Zeugen zum Umfang des Spritzmittelverbrauchs im Betrieb des Klägers vernommen. Wegen der Angaben des Klägers sowie des Zeugen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27.09.1999 verwiesen. Anschließend ist Prof. Dr. A ... erneut gehört worden. Er hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25.01.2001 ausgeführt: Nach dem aktuellen Wissensstand werde die Parkinson-Erkrankung als eine komplexe (multifaktorielle) Erkrankung mit genetischer Komponente gesehen. Seit der Erstattung seines Gutachtens vom 26.08.1996 seien weitere Erkenntnisse hinzugekommen, die ein erhöhtes Parkinsonrisiko bei einer Exposition gegenüber Pestiziden dokumentierten. Es gebe aber weiterhin keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse, dass Landwirte oder Farmer häufiger an einem Parkinson-Syndrom erkrankten als die übrige Bevölkerung. Allerdings existiere eine Meta-Analyse von 19 Studien, die ein erhöhtes Risiko einer Parkinson-Erkrankung bei Exposition gegen über Pestiziden nachweise, ohne dass sich eine Dosis-Wirkung-Beziehung herstellen oder ein bestimmter Typ von Pestizid identifizieren lasse. Eine BK nach Nr. 1105 liege nicht vor, weil es sich bei der Erkrankung des Klägers nicht um ein Mangan-induziertes Parkinson-Syndrom handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Ihr wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Er hat keinen Anspruch auf Entschädigung der bei ihm bestehenden Parkinson-Erkrankung, weil diese keine BK ist und einer BK auch nicht gleichsteht.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich auch nach Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 nach den bis dahin geltenden Vorschriften der RVO; denn nach § 212 SGB VII gilt das neue Recht grundsätzlich erst für Versicherungsfälle, die nach dem 31.12.1996 eingetreten sind. Einer der Ausnahmetatbestände nach §§ 213 ff. SGB VII ist nicht gegeben.

Eine BK, die gemäß § 551 Abs. 1 RVO als Arbeitsunfall gilt, ist eine Krankheit, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Durch § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO wird die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Dies geschieht in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), der eine Liste der entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten angefügt ist.

Die Parkinson-Erkrankung des Klägers ist keine BK i. S. v. § 551 Abs. 1 RVO, insbesondere keine Erkrankung durch Mangan oder seine Verbindungen (BK 1105). Wie Prof. Dr. A ... in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25.01.2001 dargelegt hat, liegt bei dem Kläger kein Mangan-induziertes Parkinson-Syndrom vor. Dagegen sprechen dem Sachverständigen zufolge schon die klinischen Befunde, die nicht mit dem Bild einer Manganintoxikation einhergehen. Die Parkinson-Erkrankung des Klägers fällt nach den Ausführungen des Prof. Dr. A ... auch nicht unter eine andere Nummer der Berufskrankheitenliste. Die Anerkennung seiner Parkinson-Erkrankung als BK i. S. v. § 551 Abs. 1 RVO wird vom Kläger auch nicht mehr geltend gemacht.

Aber auch die Entschädigungsvoraussetzungen des § 551 Abs. 2 RVO sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des § 551 Abs. 1 RVO erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen gehören nicht nur der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der Tätigkeit, für die nach den §§ 539, 540, 543 und 545 RVO Versicherungsschutz besteht (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO), sondern darüber hinaus die Zugehörigkeit des Versicherten zu einer bestimmten Personengruppe, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist, die Krankheiten solcher Art verursachen, und das Vorliegen neuer Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung der bestimmten Personengruppe (§ 551 Abs. 1 Satz 3 RVO; s. Urteil des BSG vom 31.01.1984 - 2 RU 67/82 - HVBG Rdschr VB 52/84). Die Vorschrift des § 551 Abs. 2 RVO will nicht erreichen, dass zusätzlich zu den in die BKV aufgenommenen Berufskrankheiten auch im übrigen jede Krankheit wie eine BK entschädigt werden soll, deren ursächlicher Zusammenhang mit der Berufstätigkeit im Einzelfall nachgewiesen oder wahrscheinlich ist (BSG SozR 2200 § 551 Nr. 18; BVerfG SozR 3-2200 § 551 Nr. 5). Sinn des § 551 Abs. 2 RVO ist es stattdessen, solche durch die Arbeit verursachten Krankheiten wie eine BK zu entschädigen, die nur deshalb nicht in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen worden sind, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage 1 zur BKV noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten (BSGE 59, 295, 297; BSG Urteile vom 12.06.1990 - 2 RU 21/89 - USK 90164 und vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 -).

Die für eine Entschädigung nach § 551 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 RVO erforderliche Voraussetzung, dass der Versicherte zu einer bestimmten Personengruppe gehört, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung Einwirkungen ausgesetzt ist, welche nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sind, Krankheiten solcher Art, wie sie bei ihm bestehen, zu verursachen, ist nicht gegeben. Für die hier maßgebende Gruppe der Landwirte, die Umgang mit Pestiziden haben, liegen keine hinreichenden Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft darüber vor, ob im Rahmen der versicherten Tätigkeit Parkinson-Erkrankungen in erheblich höherem Maße auftreten als bei der übrigen Bevölkerung. Die Voraussetzung einer höheren Gefährdung bezieht sich auf das allgemeine Auftreten der Krankheit, nicht dagegen auf ihre Verursachung durch die gefährdende Tätigkeit (BSGE 59, 295, 298). Ob eine Krankheit in einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit erheblich häufiger auftritt als bei der übrigen Bevölkerung, erfordert in der Regel den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine lange zeitliche Überwachung derartiger Krankheitsbilder, um daraus schließen zu können, dass die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt (BSGE 59, 295, 298 m. w. N.; bestätigt durch Urteile vom 24.01.1990 - 2 RU 20/89 - USK 90140, und vom 12.06.1990 - 2 RU 21/89 - USK 90164). Es muss in der Regel die generelle Geeignetheit der Einwirkung der betreffenden Stoffe auf die Verursachung der Krankheit in der medizinischen Wissenschaft allgemein anerkannt sein, d. h. durch die herrschende Auffassung der Fachwissenschaft hinreichend gefestigt sein; vereinzelte Meinungen auch Sachverständiger reichen grundsätzlich nicht aus (BSG Urteil vom 31.01.1984 - 2 RU 67/82 - HVBG RdSchr VB 53/84).

Wie Prof. Dr. A ... in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25.01.2001 dargelegt hat, gibt es keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse, dass Landwirte und Farmer häufiger an einem Parkinson-Syndrom erkranken als die übrige Bevölkerung. Dem Sachverständigen zufolge existieren allerdings eine Reihe von Studien, die einen möglichen Zusammenhang zwischen einer Pestizidexposition und einem erhöhten Risiko, an einem Morbus-Parkinson zu erkranken, aufzeigen. Eine Meta-Analyse von 19 Studien aus den Jahren 1989 bis 1999 kommt - wie Prof. Dr. A ... erläutert hat - zu dem Ergebnis, dass bei einer Exposition gegenüber Pestiziden eine kleine, aber signifikante Zunahme des Risikos, an einem Morbus-Parkinson zu erkranken, naheliegt. Diese im Jahre 2000 veröffentlichte Studie von Priyadarshi belegt indessen nicht, dass Landwirte einem erheblich höheren Risiko unterliegen, bei ihrer beruflichen Tätigkeit an einem Morbus Parkinson zu erkranken. Was "erheblich" ist, lässt sich nicht für alle Fallkonstellationen in einem bestimmten Prozentsatz ausdrücken. Der Gesetzgeber hat bisher davon abgesehen, die für eine Aufnahme in die BK-Liste geforderte erheblich höhere Gefährdung infolge einer bestimmten versicherten Tätigkeit zu quantifizieren. Die Studie von Priyadarshi weist eine kombinierte Odds Ratio von 1,94 für alle 19 im Rahmen der Meta-Analyse herangezogenen Studien aus. Hiermit lässt sich eine erheblich höhere Gefährdung nicht begründen. Bei Würdigung der Ergebnisse der Meta-Analyse ist zunächst zu bedenken, dass eine Kausalbeziehung schon bei einem relativen Risiko von 2 weniger wahrscheinlich ist als bei einem hohen relativen Risiko von 5 oder 10 (vgl. Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung, E § 9 SGB VII S. 14 m. w. N.). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass andere Untersuchungen - wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. A ... vom 26.08.1996 und dem vom Kläger vorgelegten Gutachten der Prof. Dr. S ..., Institut für Arbeitsmedizin der E ...Universität G ..., vom 01.08.1996 ergibt - keinen Zusammenhang zwischen einer Pestizidexposition und der Erkrankung an einem Morbus-Parkinson aufdecken konnten. Hinzuweisen ist insbesondere auf die von Prof. Dr. A ... angeführte Studie von Rajput aus dem Jahre 1987. Danach zeigten ausgiebige Untersuchungen über den Herbizid- und Pestizidgebrauch in Saskatchewan keinen Zusammenhang mit einem erhöhten Parkinson-Risiko auf. Hinzu kommt noch, dass es sich bei den im Rahmen der Meta-Analyse herangezogenen Studien - wie Prof. Dr. A ... dargelegt hat - nicht um prospektive Studien gehandelt hat und weder eine Dosis-Wirkung-Beziehung hergestellt noch ein spezifischer Typ von Pestizid identifiziert werden konnte.

Soweit Prof. Dr. A ... in seinem Gutachten vom 26.08.1996 ausführt, dass nach den vorliegenden wissenschaftlichen Daten bei einer entsprechenden Prädisposition und einer quantitativ ausreichenden Exposition gegenüber Pestiziden eine richtunggebende Verschlimmerung eines Parkinson-Syndroms mit einiger Wahrscheinlich keit anzunehmen sei, reicht dies nicht aus, um eine gruppentypische Gefährdung zu bejahen. Die von Prof. Dr. A ... angenommene Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs beruht darauf, dass er unterstellt, dass Substanzen, die potentiell neurotoxisch und eventuell auch spezifisch neurotoxisch auf die Basalganglien wirken können, den Verlauf einer Parkinson-Erkrankung richtunggebend verschlimmern. Da diese Hypothese aber - wie Prof. Dr. A ... selbst einräumt - durch wissenschaftliche Studien nicht gesichert ist, kann sie keine hinreichende Grundlage für die zu treffende Feststellung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse eines im Vergleich zur übrigen Bevölkerung erheblich erhöhten Parkinson-Risikos pestizidexponierter Landwirte sein.

Auch die der "Gutachtlichen Stellungnahme" des Gemeindedirektors a. D. L ... beigefügten Unterlagen geben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung hinsichtlich der Risikogefährdung. Aus den vorgelegten ärztlichen Äußerungen ergeben sich keine Hinweise dafür, dass über die von Prof. Dr. A ... wiedergegebenen Forschungsergebnisse hinaus hinreichend wissenschaftlich gefestigte medizinische Erkenntnisse zur Frage des Zusammenhangs einer Pestizidexposition und einer Parkinson-Erkrankung vorliegen.

Lässt sich mithin nicht begründen, dass der Kläger zu einer Personengruppe gehört, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung krankheitsverursachenden Einwirkungen ausgesetzt ist, kommt eine Entschädigung seiner Erkrankung nach § 551 Abs. 2 RVO nicht in Betracht. Der 8. Senat des BSG hat zwar in seiner vom Kläger zitierten Entscheidung vom 29.10.1981 (BSGE 52, 272 = SozR 2200 § 551 Nr. 20) die Auffassung vertreten, es sei nicht Sinn der Einzelfallregelung des § 551 Abs. 2 RVO, denjenigen Arbeitnehmer nicht zu entschädigen, der nur deshalb nicht als gruppentypisch gefährdet erscheint, weil die gleiche Gefahr nicht schon in einer Vielzahl von Fällen zu der gleichen schädlichen Einwirkung geführt hat. Das entschädigungserhebliche Kriterium der gruppentypischen besonderen Gefährdung durch die Arbeitsbedingungen kann nach Meinung des 8. Senats dann nicht von einer feststellbaren Zahl gleichartiger oder ähnlich gefährdeter Arbeitnehmer abhängig gemacht werden, wenn die Art der Gefährdung im konkreten Einzelfall nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft zu dem Schluss zwinge, dass eine nicht bekannte und konkret auch nicht oder nicht mehr feststellbare Vielzahl von Arbeitnehmern dieser an sich gruppentypischen arbeitsbedingten Gefahr in gleicher Weise ausgesetzt wäre. Die Entscheidung des 8. Senats war in tatsächlicher Hinsicht dadurch gekennzeichnet, dass eine bestimmte Personengruppe, die in gleicher Weise wie der Kläger (als Hammerschmied) in ihrer Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung besonderen krankheitsverursachen den Einwirkungen ausgesetzt war, nicht bekannt geworden ist. Der 8. Senat weist ausdrücklich auf die Feststellungen des LSG hin, dass der damalige Kläger im Wesentlichen als Einziger der krankheitsverursachenden besonderen Einwirkung (Erschütterungen und Prellschlägen bei Schmiedevorgängen) ausgesetzt gewesen war. Die durch die Besonderheiten des Sachverhalts geprägten Rechtsausführungen des 8. Senats treffen den vorliegenden Fall nicht. Denn in Anbetracht der allgemeinen Verbreitung der Parkinson-Erkrankung einerseits und des Einsatzes von Pestiziden in der Landwirtschaft andererseits kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass beim Kläger der erste - und einzige - Fall einer an sich gruppentypischen besonderen Gefährdung durch die Arbeitsbedingungen vorgelegen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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