Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 204/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 284/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 29/01 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. September 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Klägerin ist die Witwe des am 02.08.1922 geborenen und am 14.09.1996 tödlich verunglückten K ... M ... Er war seit 1970 Mitglied des Luftsportvereins B ... e. V. und gehörte zeitweilig dem Vorstand des Vereins an. Von Beruf war er Kaufmann und bis zum Eintritt in den Ruhestand im Rechenzentrum der B ... AG beschäftigt. Am 14.09.1996 machte er zusammen mit dem Fluggast E ... H ... in einem zweisitzigen Motorsegler einen Rundflug, der circa 30 Minuten dauern sollte. Beim Landeanflug stürzte das vom Ehemann der Klägerin gesteuerte Flugzeug ab. Beide Insassen starben.
Die Beklagte zog die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft K ...- ... bei und hörte den Zeugen H ..., den ersten Vorsitzenden des Luftsportvereins, ergänzend zur Unfallanzeige. Der Zeuge legte ferner Fotokopien aus dem Bordbuch des verunglückten Motorseglers vor. Durch Bescheid vom 06.04.1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ab mit der Begründung, Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit § 214 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) scheide aus, weil der Ehemann der Klägerin nicht aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses für den Verein tätig geworden sei. Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO komme ebenfalls nicht in Betracht, weil die Tätigkeit des Ehemannes zum Unfallzeitpunkt sich im Rahmen dessen gehalten habe, was von ihm als Vereinsmitglied zu erwarten gewesen sei.
Die Klägerin erhob Widerspruch und meinte, die Beförderung eines Fluggastes sei als arbeitnehmerähnliche Tätigkeit anzusehen. Durch Widerspruchsbescheid vom 20.07.1998 wies die Beklagte den Rechtsbehelf zurück.
Mit der Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ihr Ehemann sei nicht lediglich aufgrund der jedem Vereinsmitglied obliegenden Pflichten tätig geworden. Die Beförderung von Fluggästen sei besonders geeigneten und ausgebildeten Piloten übertragen worden. Diese müssten eine Mindestzahl von Starts und Landungen innerhalb der letzten 90 Tage vor der Personenbeförderung absolviert haben. Es handele sich dabei um eine Tätigkeit, die anderenfalls einem entgeltlich tätigen Dritten hätte übertragen werden müssen. Daher habe es sich um eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit gehandelt. Die Beklagte hat unter Hinweis auf die Angaben des Zeugen H ... in der Unfallanzeige vorgebracht, die unfallbringende Tätigkeit habe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vereinsmitgliedschaft gestanden.
Mit Urteil vom 20.09.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Voraussetzungen des § 539 Abs. 2 RVO seien nicht erfüllt. Der Rundflug des Ehemannes der Klägerin habe keine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit dargestellt. Dieser habe nur gelegentlich Rundflüge für den Verein durchgeführt, was in dem Verein als üblich angesehen worden sei. Es habe sich um einen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst gehandelt. Die für den Rundflug ausgegebenen Gutscheine hätten allenfalls die Selbstkosten gedeckt; Gewinne hätten nicht erwirtschaftet werden sollen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie bringt vor, die Vereinsmitglieder seien weder aufgrund der Satzung noch aufgrund von Beschlüssen der Vereinsorgane oder aufgrund sonstiger allgemeiner Vereinsübung verpflichtet, derartige Flüge durchzuführen. Die überwiegende Anzahl der Piloten unter den Vereinsmitgliedern lehnten dies wegen der damit verbundenen Verantwortung und des Haftungsrisikos in zivilrechtlicher und strafrechtlicher Hinsicht ab. Sie überschritten von ihrem Umfang und ihrem Gewicht her in erheblichem Maße Tätigkeiten, die anerkannterweise ein Verein von seinen Mitgliedern erwarten könne. Die durch die Gastflüge erwirtschafteten Einnahmen von 120,00 DM pro Flugstunde abzüglich 40,00 DM Sachkosten ergäben einen großen wirtschaftlichen Vorteil für den Verein. Die hervorgehobene Stellung des Gastpiloten gehe auch daraus hervor, dass nicht einmal 10 % der Vereinsmitglieder diese Funktion ausübten. Sie sei der Tätigkeit eines Schlepppiloten gleichzusetzen und unterfalle ebenso dem Versicherungsschutz. Insoweit nimmt die Klägerin auf das Protokoll einer Besprechung Bezug, an der Mitglieder des D ... A ... C ... und der Beklagten teilgenommen haben (Bl ... - ... der Verwaltungsakte der Beklagten). Dort werden Tätigkeiten im Segelflugbetrieb bei Luftsportvereinen aufgeführt, die laut Überschrift gemäß § 539 Abs. 1 oder 2 RVO versichert seien. Ferner heißt es, nach Eintritt eines Unfalls bedürfe es jeweils der Einzelfallprüfung, ob die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB VII vorlägen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.09.2000 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 06.04.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.1998 zu verurteilen, ihr aus Anlass des tödlichen Unfalles ihres Ehemannes Hinterbliebenen leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Das Berufungsgericht hat die Satzung des Luftsportvereins B ...-U ... e. V. beigezogen und am 15.03.2001 W ... H ... als Zeugen gehört. Insoweit wird auf Bl. 101 bis 106 der Gerichtsakten Bezug genommen. Der Zeuge hat als Beispiel für die bereits zum Unfallzeitpunkt gängige Vereinspraxis einen Dienstplan für Fluglehrer und Schlepppiloten für das erste Halbjahr 2001 vorgelegt. Er hat ferner eine Liste der Vereinspiloten zu den Akten gereicht, die zur Zeit berechtigt sind, Flüge mit Fluggästen durchzuführen. Es handelt sich um 18 Personen. Der Verein zählt nach seinen Angaben derzeit 192 Luftsportler.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nicht begründet.
Die Klägerin hat nach den Vorschriften der RVO, die hier auch nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 weiterhin anzuwenden sind (vgl. Artikel 36 UVEG; § 212 SGB VII), keinen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass ihr Ehemann infolge eines Arbeitsunfalls verstorben ist (§ 589 Abs. 1 RVO).
Arbeitsunfall ist nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Der Ehemann der Klägerin war nicht aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses bei dem Luftsportverein beschäftigt; er befand sich nicht in einem persönlichen oder wirtschaftlichem Abhängigkeitsverhältnis zu dem Verein. Infolge dessen war er zur Unfallzeit nicht nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO versichert.
Er stand aber auch nicht gemäß § 539 Abs. 2 RVO unter Versicherungsschutz. Nach dieser Vorschrift sind Personen versichert, die wie ein nach Abs. 1 Versicherter tätig werden; das gilt auch bei nur vorübergehender Tätigkeit. Das erfordert eine ernsthafte, dem Unternehmen zu dienen bestimmte und dem wirklichen oder mutmaßlichem Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen, und die unter solchen Umständen geleistet wird, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist. Einer persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit bedarf es nicht (vgl. BSG, Urteil vom 24.02.2000 - B 2 U 4/99 R, SGb 2000, 313 mit weiteren Nachweisen).
Bei einem Vereinsmitglied ist der Versicherungsschutz dann ausgeschlossen, wenn sich die Tätigkeit als Ausfluss der Mitgliedschaft im Verein darstellt, sie also aufgrund von Mitgliedspflichten im Rahmen des Vereinszweckes verrichtet wurde. Diese Pflichten können sich aus der Satzung des Vereins, den Beschlüssen der zuständigen Vereinsorgane oder aufgrund allgemeiner Vereinsübung ergeben (ständige Rechtsprechung des BSG, zuletzt Urteil vom 24.02.2000 a. a. O.; SozR 3-2200 § 539 RVO Nr. 41).
Die zum Unfall führende Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin, nämlich die Beförderung eines Fluggastes bei einem Rundflug war eine dem Vereinszweck dienliche Tätigkeit, denn dieser ist gemäß § 1 b der Satzung u. a. auf "die Pflege und Förderung des Segelflugsports" gerichtet. Der Flug wurde zudem im Vereinsauftrag durchgeführt. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Ehemann der Klägerin ebenso wie die übrigen Gastpiloten im Rahmen ihrer Mitgliedschaft im Verein solche Flüge unternahmen, soweit sie nach luftfahrtrechtlichen Vorschriften dazu berechtigt waren und gesundheitliche Gründe nicht entgegenstanden. Dies hat der Zeuge H ... bereits unter dem 15.01.1997 in Fragebogen der Beklagten zu Frage Nr. 13 mitgeteilt und in seiner Zeugenaussage näher erläutert. Danach ist es seit einer Reihe von Jahren vereinsüblich, erfahrene Piloten und Berufspiloten, die sich bereit erklären, zur Förderung des Vereinszwecks Gastflüge durchzuführen, im Einzelfall um Übernahme eines solchen Auftrags anzugehen. Sie übernehmen die Aufgabe, soweit sie zeitlich dazu in der Lage sind und die luftfahrtrechtlichen Voraussetzungen weiterhin erfüllen. Beweggrund hierfür ist die Freude der Piloten am Flugsport, das heißt die Freude an der Förderung des Vereinszweckes. Der Zeuge hat bekundet, die Gastpiloten hätten keinerlei Entgelt oder sonstige Vergünstigung für die Durchführung der Gastflüge erhalten.
Die zum Unfall führende Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin ist auch unter Berücksichtigung des Umfanges und der Bedeutung der Beförderung von Fluggästen als vereinsüblich anzusehen. Zu den auf allgemeiner Vereinsübung beruhenden Mitgliedspflichten zählen nach der ständigen Rechtsprechung des BSG im allgemeinen Tätigkeiten, die ein Verein von seinen Mitgliedern erwarten kann und die von den Mitgliedern dieser Erwartung entsprechend auch verrichtet werden (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 41 mit weiteren Nachweisen). Dazu gehören etwa regelmäßige Arbeiten zur Herrichtung und Reinigung von Sportplätzen, der Verkauf von Eintrittskarten und Ordnungsdienste bei Veranstaltungen. Dabei handelt es sich zumeist zwar um geringfügige Verrichtungen, die nach Art und Umfang kaum einen zeitlich oder sachlich ins Gewicht fallenden Arbeitsaufwand erfordern. Ebenso wie das BSG (a. a. O.) geht der Senat aber davon aus, dass die Geringfügigkeitsmarke nach den Gegebenheiten in dem jeweiligen Verein zu bestimmen ist. Angesichts des mit dem Flugsport untrennbar verbundenen Risikos für die Piloten, Fluggäste und unbeteiligte Personen sowie des beträchtlichen wirtschaftlichen Werts des Fluggeräts kommt vielen Tätigkeiten, die mit der Ausübung des Flugsports zusammenhängen, schon von Haus aus ein ungleich größeres Gewicht zu als den oben angeführten Aktivitäten in anderen Vereinen. Die Beförderung von Fluggästen ist daher kraft der in dem Luftsportverein herrschenden Vereinsübung den Arbeitsleistungen zuzurechnen, die der Verein jedenfalls von denjenigen Vereinsmitgliedern erwartet und erwarten kann, die nach ihren Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage sind, sie zu erbringen. Insofern oblagen dem Ehemann der Klägerin und den anderen zur Beförderung von Fluggästen berechtigten und in eine Liste aufgenommenen Vereinsmitgliedern qualitativ und quantitativ andere Mitgliedspflichten als den "einfachen" Vereinsmitgliedern. Denn durch die Aufnahme in die Liste der "Gastpiloten" hat sie der Luftsportverein aus dem Kreis der übrigen Mitglieder heraus gehoben und ihnen eine besondere Funktion im Verein übertragen, die sie auch regelmäßig wahrzunehmen pflegten und pflegen. Das ist eine Fallgestaltung, bei der das Vereinsmitglied nicht wie ein Arbeitnehmer des Vereins sondern aufgrund seiner Mitgliedschaftspflichten tätig wird (vgl. BSG a. a. O. und BSG SozR 2200 § 539 Nr. 123; BSG HV-Info 1988, 2178).
Dass der Ehemann der Klägerin ausweislich der Eintragungen im Bordbuch des verunglückten Motorseglers häufiger als andere Piloten Fluggäste beförderte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach den Bekundungen des Zeugen H ... lag dies daran, dass der Ehemann der Klägerin Rentner war und während der Wochentage eher freie Zeit erübrigen konnte, als die anderen Gastpiloten, die sich noch nicht im Ruhestand befanden.
Ob die Beklagte die in der dem Besprechungsprotokoll vom 05.02.1997 beigefügten Liste (Bl. 164 - 165 der Verwaltungsakten der Beklagten) genannten Tätigkeiten, zu denen die Beförderung von Fluggästen nicht gehört, als versicherungspflichtig angesehen und bei der Beitragserhebung berücksichtigt hat, kann ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob der Luftsportverein B ...-U ... e. V. für Übungsleiter Versicherungsbeiträge an den zuständigen Unfallversicherungsträger entrichtet hat. Selbst wenn man beides unterstellt, könnte dies nicht den Versicherungsschutz für den Ehemann der Klägerin begründen. Denn dieser war zum Unfallzeitpunkt weder als Übungsleiter noch in einer vergleichbarensonstigen Funktion für den Verein tätig. Im übrigen kommt eine sogenannte Formalversicherung nur in Betracht, sofern der Betreffende mit Wissen des Versicherungsträgers in den Lohnnachweisen mit aufgezählt ist und für ihn jahrelang Beiträge erhoben worden sind (vgl. BSGE 83, 270 - 279 = Brak. 1999, 949 - 956 mit weiteren Hinweisen). Dafür fehlt vorliegendenfalls jeglicher Anhalt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Klägerin ist die Witwe des am 02.08.1922 geborenen und am 14.09.1996 tödlich verunglückten K ... M ... Er war seit 1970 Mitglied des Luftsportvereins B ... e. V. und gehörte zeitweilig dem Vorstand des Vereins an. Von Beruf war er Kaufmann und bis zum Eintritt in den Ruhestand im Rechenzentrum der B ... AG beschäftigt. Am 14.09.1996 machte er zusammen mit dem Fluggast E ... H ... in einem zweisitzigen Motorsegler einen Rundflug, der circa 30 Minuten dauern sollte. Beim Landeanflug stürzte das vom Ehemann der Klägerin gesteuerte Flugzeug ab. Beide Insassen starben.
Die Beklagte zog die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft K ...- ... bei und hörte den Zeugen H ..., den ersten Vorsitzenden des Luftsportvereins, ergänzend zur Unfallanzeige. Der Zeuge legte ferner Fotokopien aus dem Bordbuch des verunglückten Motorseglers vor. Durch Bescheid vom 06.04.1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ab mit der Begründung, Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit § 214 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) scheide aus, weil der Ehemann der Klägerin nicht aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses für den Verein tätig geworden sei. Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO komme ebenfalls nicht in Betracht, weil die Tätigkeit des Ehemannes zum Unfallzeitpunkt sich im Rahmen dessen gehalten habe, was von ihm als Vereinsmitglied zu erwarten gewesen sei.
Die Klägerin erhob Widerspruch und meinte, die Beförderung eines Fluggastes sei als arbeitnehmerähnliche Tätigkeit anzusehen. Durch Widerspruchsbescheid vom 20.07.1998 wies die Beklagte den Rechtsbehelf zurück.
Mit der Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ihr Ehemann sei nicht lediglich aufgrund der jedem Vereinsmitglied obliegenden Pflichten tätig geworden. Die Beförderung von Fluggästen sei besonders geeigneten und ausgebildeten Piloten übertragen worden. Diese müssten eine Mindestzahl von Starts und Landungen innerhalb der letzten 90 Tage vor der Personenbeförderung absolviert haben. Es handele sich dabei um eine Tätigkeit, die anderenfalls einem entgeltlich tätigen Dritten hätte übertragen werden müssen. Daher habe es sich um eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit gehandelt. Die Beklagte hat unter Hinweis auf die Angaben des Zeugen H ... in der Unfallanzeige vorgebracht, die unfallbringende Tätigkeit habe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vereinsmitgliedschaft gestanden.
Mit Urteil vom 20.09.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Voraussetzungen des § 539 Abs. 2 RVO seien nicht erfüllt. Der Rundflug des Ehemannes der Klägerin habe keine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit dargestellt. Dieser habe nur gelegentlich Rundflüge für den Verein durchgeführt, was in dem Verein als üblich angesehen worden sei. Es habe sich um einen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst gehandelt. Die für den Rundflug ausgegebenen Gutscheine hätten allenfalls die Selbstkosten gedeckt; Gewinne hätten nicht erwirtschaftet werden sollen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie bringt vor, die Vereinsmitglieder seien weder aufgrund der Satzung noch aufgrund von Beschlüssen der Vereinsorgane oder aufgrund sonstiger allgemeiner Vereinsübung verpflichtet, derartige Flüge durchzuführen. Die überwiegende Anzahl der Piloten unter den Vereinsmitgliedern lehnten dies wegen der damit verbundenen Verantwortung und des Haftungsrisikos in zivilrechtlicher und strafrechtlicher Hinsicht ab. Sie überschritten von ihrem Umfang und ihrem Gewicht her in erheblichem Maße Tätigkeiten, die anerkannterweise ein Verein von seinen Mitgliedern erwarten könne. Die durch die Gastflüge erwirtschafteten Einnahmen von 120,00 DM pro Flugstunde abzüglich 40,00 DM Sachkosten ergäben einen großen wirtschaftlichen Vorteil für den Verein. Die hervorgehobene Stellung des Gastpiloten gehe auch daraus hervor, dass nicht einmal 10 % der Vereinsmitglieder diese Funktion ausübten. Sie sei der Tätigkeit eines Schlepppiloten gleichzusetzen und unterfalle ebenso dem Versicherungsschutz. Insoweit nimmt die Klägerin auf das Protokoll einer Besprechung Bezug, an der Mitglieder des D ... A ... C ... und der Beklagten teilgenommen haben (Bl ... - ... der Verwaltungsakte der Beklagten). Dort werden Tätigkeiten im Segelflugbetrieb bei Luftsportvereinen aufgeführt, die laut Überschrift gemäß § 539 Abs. 1 oder 2 RVO versichert seien. Ferner heißt es, nach Eintritt eines Unfalls bedürfe es jeweils der Einzelfallprüfung, ob die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB VII vorlägen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.09.2000 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 06.04.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.1998 zu verurteilen, ihr aus Anlass des tödlichen Unfalles ihres Ehemannes Hinterbliebenen leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Das Berufungsgericht hat die Satzung des Luftsportvereins B ...-U ... e. V. beigezogen und am 15.03.2001 W ... H ... als Zeugen gehört. Insoweit wird auf Bl. 101 bis 106 der Gerichtsakten Bezug genommen. Der Zeuge hat als Beispiel für die bereits zum Unfallzeitpunkt gängige Vereinspraxis einen Dienstplan für Fluglehrer und Schlepppiloten für das erste Halbjahr 2001 vorgelegt. Er hat ferner eine Liste der Vereinspiloten zu den Akten gereicht, die zur Zeit berechtigt sind, Flüge mit Fluggästen durchzuführen. Es handelt sich um 18 Personen. Der Verein zählt nach seinen Angaben derzeit 192 Luftsportler.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nicht begründet.
Die Klägerin hat nach den Vorschriften der RVO, die hier auch nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 weiterhin anzuwenden sind (vgl. Artikel 36 UVEG; § 212 SGB VII), keinen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass ihr Ehemann infolge eines Arbeitsunfalls verstorben ist (§ 589 Abs. 1 RVO).
Arbeitsunfall ist nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Der Ehemann der Klägerin war nicht aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses bei dem Luftsportverein beschäftigt; er befand sich nicht in einem persönlichen oder wirtschaftlichem Abhängigkeitsverhältnis zu dem Verein. Infolge dessen war er zur Unfallzeit nicht nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO versichert.
Er stand aber auch nicht gemäß § 539 Abs. 2 RVO unter Versicherungsschutz. Nach dieser Vorschrift sind Personen versichert, die wie ein nach Abs. 1 Versicherter tätig werden; das gilt auch bei nur vorübergehender Tätigkeit. Das erfordert eine ernsthafte, dem Unternehmen zu dienen bestimmte und dem wirklichen oder mutmaßlichem Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen, und die unter solchen Umständen geleistet wird, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist. Einer persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit bedarf es nicht (vgl. BSG, Urteil vom 24.02.2000 - B 2 U 4/99 R, SGb 2000, 313 mit weiteren Nachweisen).
Bei einem Vereinsmitglied ist der Versicherungsschutz dann ausgeschlossen, wenn sich die Tätigkeit als Ausfluss der Mitgliedschaft im Verein darstellt, sie also aufgrund von Mitgliedspflichten im Rahmen des Vereinszweckes verrichtet wurde. Diese Pflichten können sich aus der Satzung des Vereins, den Beschlüssen der zuständigen Vereinsorgane oder aufgrund allgemeiner Vereinsübung ergeben (ständige Rechtsprechung des BSG, zuletzt Urteil vom 24.02.2000 a. a. O.; SozR 3-2200 § 539 RVO Nr. 41).
Die zum Unfall führende Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin, nämlich die Beförderung eines Fluggastes bei einem Rundflug war eine dem Vereinszweck dienliche Tätigkeit, denn dieser ist gemäß § 1 b der Satzung u. a. auf "die Pflege und Förderung des Segelflugsports" gerichtet. Der Flug wurde zudem im Vereinsauftrag durchgeführt. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Ehemann der Klägerin ebenso wie die übrigen Gastpiloten im Rahmen ihrer Mitgliedschaft im Verein solche Flüge unternahmen, soweit sie nach luftfahrtrechtlichen Vorschriften dazu berechtigt waren und gesundheitliche Gründe nicht entgegenstanden. Dies hat der Zeuge H ... bereits unter dem 15.01.1997 in Fragebogen der Beklagten zu Frage Nr. 13 mitgeteilt und in seiner Zeugenaussage näher erläutert. Danach ist es seit einer Reihe von Jahren vereinsüblich, erfahrene Piloten und Berufspiloten, die sich bereit erklären, zur Förderung des Vereinszwecks Gastflüge durchzuführen, im Einzelfall um Übernahme eines solchen Auftrags anzugehen. Sie übernehmen die Aufgabe, soweit sie zeitlich dazu in der Lage sind und die luftfahrtrechtlichen Voraussetzungen weiterhin erfüllen. Beweggrund hierfür ist die Freude der Piloten am Flugsport, das heißt die Freude an der Förderung des Vereinszweckes. Der Zeuge hat bekundet, die Gastpiloten hätten keinerlei Entgelt oder sonstige Vergünstigung für die Durchführung der Gastflüge erhalten.
Die zum Unfall führende Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin ist auch unter Berücksichtigung des Umfanges und der Bedeutung der Beförderung von Fluggästen als vereinsüblich anzusehen. Zu den auf allgemeiner Vereinsübung beruhenden Mitgliedspflichten zählen nach der ständigen Rechtsprechung des BSG im allgemeinen Tätigkeiten, die ein Verein von seinen Mitgliedern erwarten kann und die von den Mitgliedern dieser Erwartung entsprechend auch verrichtet werden (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 41 mit weiteren Nachweisen). Dazu gehören etwa regelmäßige Arbeiten zur Herrichtung und Reinigung von Sportplätzen, der Verkauf von Eintrittskarten und Ordnungsdienste bei Veranstaltungen. Dabei handelt es sich zumeist zwar um geringfügige Verrichtungen, die nach Art und Umfang kaum einen zeitlich oder sachlich ins Gewicht fallenden Arbeitsaufwand erfordern. Ebenso wie das BSG (a. a. O.) geht der Senat aber davon aus, dass die Geringfügigkeitsmarke nach den Gegebenheiten in dem jeweiligen Verein zu bestimmen ist. Angesichts des mit dem Flugsport untrennbar verbundenen Risikos für die Piloten, Fluggäste und unbeteiligte Personen sowie des beträchtlichen wirtschaftlichen Werts des Fluggeräts kommt vielen Tätigkeiten, die mit der Ausübung des Flugsports zusammenhängen, schon von Haus aus ein ungleich größeres Gewicht zu als den oben angeführten Aktivitäten in anderen Vereinen. Die Beförderung von Fluggästen ist daher kraft der in dem Luftsportverein herrschenden Vereinsübung den Arbeitsleistungen zuzurechnen, die der Verein jedenfalls von denjenigen Vereinsmitgliedern erwartet und erwarten kann, die nach ihren Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage sind, sie zu erbringen. Insofern oblagen dem Ehemann der Klägerin und den anderen zur Beförderung von Fluggästen berechtigten und in eine Liste aufgenommenen Vereinsmitgliedern qualitativ und quantitativ andere Mitgliedspflichten als den "einfachen" Vereinsmitgliedern. Denn durch die Aufnahme in die Liste der "Gastpiloten" hat sie der Luftsportverein aus dem Kreis der übrigen Mitglieder heraus gehoben und ihnen eine besondere Funktion im Verein übertragen, die sie auch regelmäßig wahrzunehmen pflegten und pflegen. Das ist eine Fallgestaltung, bei der das Vereinsmitglied nicht wie ein Arbeitnehmer des Vereins sondern aufgrund seiner Mitgliedschaftspflichten tätig wird (vgl. BSG a. a. O. und BSG SozR 2200 § 539 Nr. 123; BSG HV-Info 1988, 2178).
Dass der Ehemann der Klägerin ausweislich der Eintragungen im Bordbuch des verunglückten Motorseglers häufiger als andere Piloten Fluggäste beförderte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach den Bekundungen des Zeugen H ... lag dies daran, dass der Ehemann der Klägerin Rentner war und während der Wochentage eher freie Zeit erübrigen konnte, als die anderen Gastpiloten, die sich noch nicht im Ruhestand befanden.
Ob die Beklagte die in der dem Besprechungsprotokoll vom 05.02.1997 beigefügten Liste (Bl. 164 - 165 der Verwaltungsakten der Beklagten) genannten Tätigkeiten, zu denen die Beförderung von Fluggästen nicht gehört, als versicherungspflichtig angesehen und bei der Beitragserhebung berücksichtigt hat, kann ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob der Luftsportverein B ...-U ... e. V. für Übungsleiter Versicherungsbeiträge an den zuständigen Unfallversicherungsträger entrichtet hat. Selbst wenn man beides unterstellt, könnte dies nicht den Versicherungsschutz für den Ehemann der Klägerin begründen. Denn dieser war zum Unfallzeitpunkt weder als Übungsleiter noch in einer vergleichbarensonstigen Funktion für den Verein tätig. Im übrigen kommt eine sogenannte Formalversicherung nur in Betracht, sofern der Betreffende mit Wissen des Versicherungsträgers in den Lohnnachweisen mit aufgezählt ist und für ihn jahrelang Beiträge erhoben worden sind (vgl. BSGE 83, 270 - 279 = Brak. 1999, 949 - 956 mit weiteren Hinweisen). Dafür fehlt vorliegendenfalls jeglicher Anhalt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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