Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 18 U 206/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 67/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 363/00 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14. September 1999 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Betrag in Höhe von 4.089,67 DM zurückzuerstatten. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Beklagte der Klägerin einen Betrag in Höhe von 4089,67 DM zurückzuerstatten hat.
Die beklagte Bundesknappschaft bewilligte dem 1929 geborenen Versicherten H ... L ... auf dessen Antrag vom 26.10.1989 ab 01.01.1990 Knappschaftsruhegeld (Bescheid vom 08.01.1990). Mit Bescheid vom 26.08.1993 gewährte die klagende Berufsgenossenschaft dem Versicherten wegen der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV eine Verletztenrente in Höhe der Vollrente für die Zeit vom 17.09. bis 31.12.1990 sowie in Höhe einer Teilrente von 20 v.H. für die Zeit vom 01.01. bis 31.05.1991. Dies teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 27.09.1993 mit; zugleich bat sie um Mitteilung, ob die Beklagte einen Erstattungsanspruch geltend mache. Mit dem am 12.10.1993 bei der Klägerin eingegangenen Schreiben vom 08.10.1993 bat die Beklagte die Klägerin, die Nachzahlung zu ihrer Verfügung zu halten, weil durch die Feststellung der Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung eine Änderung in der Höhe der Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung eintrete. Unter dem 20.10.1993 er ließ die Beklagte gegenüber dem Versicherten L ... einen Bescheid über die Neuberechnung der Knappschaftsrente unter Anwendung der Ruhensvorschrift des § 75 RKG sowie über die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 50 SGB X in Höhe von 4089,67 DM; gleichzeitig teilte sie ihm mit, die Überzahlung werde mit der bei der Klägerin entstandenen Nachzahlung verrechnet. Mit Schreiben vom 26.10.1993 bezifferte die Beklagte gegenüber der Klägerin ihren Erstattungsanspruch auf 4089,67 DM. Die Klägerin beglich die Forderung im November 1993; den verbleibenden Nachzahlungsbetrag überwies sie dem Versicherten L ...
Mit Schreiben vom 17.11.1997 verlangte die Klägerin den Betrag in Höhe von 4089,67 DM von der Beklagten unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29.04.1997 zurück. Da nach die ser Entscheidung in Fällen der vorliegenden Art § 104 SGB X Anwendung finde, sei der Erstattungsanspruch der Beklagten im Zeitpunkt seiner Geltendmachung bereits gemäß § 111 SGB X ausgeschlossen gewesen. Die Beklagte lehnte eine Rückerstattung ab und berief sich auf Verjährung.
Daraufhin hat die Klägerin am 22.12.1997 Klage auf Rückerstattung des Betrages in Höhe von 4089,67 DM erhoben. Sie hat vorgetragen: Nach dem Urteil des BSG vom 29.04.1997 - 8 RKn 29/95 - seien Erstattungsansprüche der Rentenversicherungsträger, die aufgrund des Zusammentreffens von Leistungen der Renten- und Unfallversicherungsträger nach § 93 SGB VI entstünden, unter § 104 SGB X einzuordnen. Der dementsprechend gemäß § 111 SGB X ausgeschlossene Erstattungsanspruch der Beklagten sei von ihr zu Unrecht erfüllt worden, so dass ihr ein Anspruch nach § 112 SGB X zustehe. Dieser Anspruch sei nicht verjährt, weil sie - die Klägerin - erst 1993 den Betrag von 4089,67 DM überwiesen habe.
Die Beklagte hat erwidert: Der Klägerin sei darin zuzustimmen, dass der Rückerstattungsanspruch nicht verjährt sei. Gleichwohl stehe der Klägerin ein Rückerstattungsanspruch nach § 112 SGB X nicht zu, weil die Erstattung zu Recht erfolgt sei. Der Anspruch auf Knappschaftsruhegeld sei erst nachträglich teilweise entfallen, so daß sich ihr Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X richte. Der Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X entstehe i.S.v. § 111 Satz 2 SGB X erst, wenn der erstattungsverpflichtete Leistungsträger seine Leistung bewillige. Maßgebend für den Fristbeginn nach § 111 Satz 2 SGB X sei daher die Bekanntgabe des Bewilligungsbescheides vom 26.08.1993. Die Renten- und Unfallversicherungsträger seien in der Vergangenheit auch davon ausgegangen, dass in Fällen der vorliegenden Art § 103 SGB X Anwendung finde und die Frist des § 111 Satz 2 SGB X mit der Bekanntgabe des Bescheides des Unfallversicherungsträgers beginne. Durch diese jahrelange Praxis sei für die Beklagte ein gewisser Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Eine Abkehr von dieser Verfahrensweise durch die Unfallversicherungsträger bedeute zumindest in den laufenden Fällen einen Verstoß gegen Treu und Glauben.
Mit Urteil vom 14.09.1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Gründe der Entscheidung, die der Klägerin am 29.09.1999 zugestellt worden ist, wird Bezug genommen. Die Klägerin hat am 18.10.1999 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt, der das Sozialgericht mit Beschluss vom 29.02.2000 abgeholfen hat.
Die Klägerin trägt vor: Der Erstattungsanspruch der Beklagten gemäß § 104 SGB X sei zum Zeitpunkt der Geltendmachung bereits ausgeschlossen gewesen, weil die gesetzliche Ausschlußfrist von 12 Monaten abgelaufen gewesen sei. Der Rückforderungsanspruch der Klägerin verstoße nicht gegen Treu und Glauben. Der Umstand, dass sie zunächst irrtümlich den Erstattungsanspruch befriedigt und nach Kenntnis ihres Irrtums den gezahlten Betrag von der Beklagten zurückgefordert habe, könne schon deshalb nicht treuwidrig sein, weil § 112 SGB X gerade einen Erstattungsvorgang nach den §§ 102 bis 105 SGB X voraussetze, bei dem sich nachträglich herausstelle, dass dieser nicht hätte durchgeführt werden dürfen, weil eine Erstattungspflicht nicht bestanden habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.09.1999 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin einen Betrag in Höhe von 4089,67 DM zurückzuerstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten Bezug genommen. Ihr wesentlicher Inhalt sei Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die - vom Sozialgericht nachträglich zugelassene - Berufung der Klägerin ist begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten im Wege der allgemeinen Leistungsklage die Rückerstattung des im November 1993 überwiesenen Betrages in Höhe von 4089,67 DM verlangen.
Nach § 112 SGB X sind gezahlte Beträge zurückzuerstatten, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Klägerin hat der Beklagten den Betrag von 4089,67 DM zu Unrecht überwiesen, weil der Erstattungsanspruch der Beklagten gemäß § 111 SGB X ausgeschlossen war.
Der Erstattungsanspruch der Beklagten richtet sich nach § 104 SGB X und nicht - wie die Beklagte meint - nach § 103 SGB X. Diese Bestimmung setzte voraus, dass der Anspruch auf die von der Beklagten erbrachten Sozialleistungen (das Knappschaftsruhegeld "nachträglich ganz oder teilweise entfallen" ist. Das ist jedoch nicht der Fall, weil dem Versicherten L ... wegen der Ruhens vorschrift des § 75 RKG für den streitigen Zeitraum von vornherein nur ein Anspruch auf Knappschaftsruhegeld unter Anrechnung der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zustand. Sein Anspruch auf die von der Beklagten erbrachten Sozialleistungen ist nicht etwa erst durch die Bewilligung der Verletztenrente mit Bescheid vom 26.08.1993 nachträglich teilweise entfallen. Hingegen liegen die Voraussetzungen des § 104 SGB X vor. Nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB X hat ein nachrangig verpflichteter Träger von Sozialleistungen einen Erstattungsanspruch gegen einen vorrangig verpflichteten Leistungsträger, wenn dieser seinerseits seine Leistungen erst nach Kenntnis der Leistungen des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers erbracht hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (§ 104 Abs. 1 S. 2 SGB X). Die Beklagte war im Sinne des § 104 Abs. 1 SGB X ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger, weil ihre Leistungsverpflichtung schon im Zeitpunkt der Leistungsgewährung für den streitigen Zeitraum originär subsidiär war, d. h. von vornherein der Höhe nach von der Leistungsverpflichtung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers (der Klägerin) abhing war (vgl. zu der Neureglung des 93 SGB VI BSG, Urteil vom 29.04.1997 - 8 RKn 29/95 - = SozR 3-1300 § 107 Nr. 10). Die Klägerin hat ihre Leistungen auch erst in Kenntnis der Rentengewährung durch die nachrangig verpflichtete Beklagte erbracht. Sie hat die Verletztenrente erst nach Geltendmachung des Erstattungsanspruchs der Beklagten ausgezahlt.
Der Erstattungsanspruch ist jedoch ausgeschlossen, denn er ist von der Beklagten nicht rechtzeitig geltend gemacht worden. Die 12-monatige Ausschlußfrist des § 111 SGB X war bei Geltendmachung es Anspruchs abgelaufen.
Der Erstattungsanspruch ist frühestens mit dem am 12.10.1993 bei der Klägerin eingegangenen Schreiben der Beklagten vom 08.10.1993 geltend gemacht worden. Zu diesem Zeitpunkt war die Ausschlußfristdes § 111 Satz 1 SGB X, die mit dem 31.12.1990 begann, bereits abgelaufen.
Für die Beklagte ergibt sich auch aus § 111 Satz 2 SGB X kein günstigeres Ergebnis. Nach dieser Vorschrift beginnt der Lauf der Frist frühestens mit der Entstehung des Erstattungsanspruchs. Die ser war bei Berücksichtigung der 12-Monats-Frist jedenfalls vor dem 12.10.1992 im Sinne von § 111 Satz 2 SGB X entstanden. Die Erstattungsansprüche nach den §§ 102 bis 105 SGB X entstehen, sobald ihre gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen (BSG SozR 3-1300 § 111 Nr. 4 m.w.N.). Entsprechend § 40 Abs. 1 SGB I entsteht der auf § 104 SGB X beruhende Erstattungsanspruch, sobald der nachrangig verpflichtete Leistungsträger Sozialleistungen nach dem für ihn maßgebenden Recht an den Leistungsberechtigten tatsächlich erbracht hat, zu deren Erbringung die Klägerin vorrangig verpflichtet war (BSG SozR 1300 § 111 Nr. 3). Da die Beklagte sämtliche Leistungen für den streitigen Zeitraum an den Versicherten L ... vor dem 12.10.1992 erbracht hat, ist der Erstattungsanspruch insgesamt vor dem 12.10.1992 entstanden.
Ein späterer Beginn des Laufs der Frist des § 111 Satz 2 SGB X erst mit der Erteilung des Bescheides vom 26.08.1993 der Klägerin an den Leistungsempfänger L ... scheidet aus (vgl. BSG SozR 3-1300 § 111 Nr. 4 m.w.N.). Die Bewilligung der Verletztenrente an den Leistungsberechtigten hat materiell-rechtlich nur deklaratorische Bedeutung und keine für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgebende Funktion. Denn dem Versicherten L ... stand Verletztenrente bereits vom 17.09.1990 an zu, weil schon ab diesem Zeitpunkt die materiellen Voraussetzungen erfüllt waren.
Dem Ablauf der Ausschlußfrist des § 111 SGB X steht auch nicht entgegen, dass dem erstattungsberechtigten Rentenversicherungsträger das Bestehen eines Erstattungsanspruchs oder der erstattungsverpflichtete Unfallversicherungsträger nicht bekannt war und er dies nicht feststellen oder prüfen konnte. § 111 SGB X enthält keinerlei diese Umstände berücksichtigende Einschränkungen. Gerade die Tatsache, dass das Gesetz verlangt, den Anspruch geltend zu machen, ohne dass dabei die Kenntnis des erstattungspflichtigen Leistungsträgers erwähnt wird, verdeutlicht, dass das Gesetz dem hier keine rechtswirksame Bedeutung beimisst (BSG SozR 1300 § 111 Nr. 4; SozR 3-1300 § 111 Nr. 4). Umstände, die es rechtfertigten, einen späteren Fristbeginn bei objektiv fehlender Realisierbarkeit des Erstattungsanspruchs einzuräumen (vgl. BSG SozR 3-1300 § 111 Nr. 2), sind nicht ersichtlich.
Für die Beurteilung des Anspruchsausschlusses ist auch ohne Belang, ob die Beklagte ihren Erstattungsanspruch erst deshalb verspätet geltend gemacht hat, weil die Renten- und Unfallversicherungsträger vor Bekanntwerden des Urteils des BSG vom 29.04.1997 (a.a.O.) die Auffassung vertreten hatten, in Fällen der vorliegenden Art finde § 103 SGB X Anwendung. Aus welchen Gründen die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs innerhalb der Ausschlußfrist des § 111 SGB X unterblieben ist, wenn der Anspruch objektiv hätte geltend gemacht werden können, ist unerheblich. Das Gesetz verlangt aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit aus nahmslos, den Erstattungsanspruch innerhalb einer materiell-rechtlichen Ausschlußfrist geltend zu machen (BSG SozR 1300 § 111 Nr. 4).
Ist mithin der Erstattungsanspruch der Beklagten im Zeitpunkt seiner Geltendmachung gemäß § 111 SGB X ausgeschlossen gewesen, ist die Erstattung der Klägerin im Jahre 1993 zu Unrecht erfolgt. Damit sind die Voraussetzungen des § 112 SGB X erfüllt. Die ein jährige Ausschlußfrist des § 111 SGB X erfaßt diesen Anspruch nicht (BSG, Urteil vom 29.11.1990 - 2 RU 10/90 - m.w.N.). Die Beklagte kann auch keine Rechte daraus herleiten, dass die Klägerin die Zahlung im Jahre 1993 ohne Einwände erbracht hat. Durch dieses Verhalten hat die Klägerin die Rückerstattung nicht verwirkt. Die Geltendmachung des Rückerstattungsanspruchs stellt sich auch nicht als unzulässige Rechtsausübung dar. Der Hinweis der Beklagten auf die frühere Verwaltungspraxis der Klägerin bietet dafür jedenfalls keinen Ansatz. Denn es stellt kein vorwerfbares Verhalten dar, wenn ein Versicherungsträger in einer schwierigen Rechtsfrage zu nächst eine Rechtsansicht vertritt und in ständiger Verwaltungspraxis auch anwendet, die sich später nach Klärung als nicht zutreffend erweist (BSGE 42, 219, 223). Die vom Sozialgericht für möglich gehaltene Verrechnung kann schon deswegen nicht stattfinden, weil die Klägerin dem Versicherten L ... im Falle der Rückerstattung nicht zur Nachzahlung von 4.089,67 DM verpflichtet ist. Da in Höhe der überzahlten Knappschaftsrente ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin als Unfallversicherungsträger entstanden ist, gilt in Höhe dieser Überzahlung der Anspruch des Versicherten L ... gegen die - eigentlich - verpflichtete Klägerin als erfüllt ( § 107 Abs. 1 SGB X). Dass die Beklagte ihren Erstattungsanspruch nicht vor Ablauf der Ausschlußfrist geltend gemacht hat und er deshalb ausgeschlossen ist, ändert nichts am Fortbestehen der Erfüllungsfiktion (Schroeder Printzen, SGB X, 3. Aufl., § 107 Rz. 6).
Schließlich führt auch der Hinweis der Beklagten auf das Urteil des LSG Niedersachsen vom 21.05.1996 - L 7 Ar 155/94 - nicht zu einer anderen Beurteilung. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt steht der hier vorliegenden Fallgestaltung einer Erstattung trotz Ablaufs der Ausschlußfrist des § 111 SGB X nicht gleich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht erfüllt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Beklagte der Klägerin einen Betrag in Höhe von 4089,67 DM zurückzuerstatten hat.
Die beklagte Bundesknappschaft bewilligte dem 1929 geborenen Versicherten H ... L ... auf dessen Antrag vom 26.10.1989 ab 01.01.1990 Knappschaftsruhegeld (Bescheid vom 08.01.1990). Mit Bescheid vom 26.08.1993 gewährte die klagende Berufsgenossenschaft dem Versicherten wegen der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV eine Verletztenrente in Höhe der Vollrente für die Zeit vom 17.09. bis 31.12.1990 sowie in Höhe einer Teilrente von 20 v.H. für die Zeit vom 01.01. bis 31.05.1991. Dies teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 27.09.1993 mit; zugleich bat sie um Mitteilung, ob die Beklagte einen Erstattungsanspruch geltend mache. Mit dem am 12.10.1993 bei der Klägerin eingegangenen Schreiben vom 08.10.1993 bat die Beklagte die Klägerin, die Nachzahlung zu ihrer Verfügung zu halten, weil durch die Feststellung der Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung eine Änderung in der Höhe der Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung eintrete. Unter dem 20.10.1993 er ließ die Beklagte gegenüber dem Versicherten L ... einen Bescheid über die Neuberechnung der Knappschaftsrente unter Anwendung der Ruhensvorschrift des § 75 RKG sowie über die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 50 SGB X in Höhe von 4089,67 DM; gleichzeitig teilte sie ihm mit, die Überzahlung werde mit der bei der Klägerin entstandenen Nachzahlung verrechnet. Mit Schreiben vom 26.10.1993 bezifferte die Beklagte gegenüber der Klägerin ihren Erstattungsanspruch auf 4089,67 DM. Die Klägerin beglich die Forderung im November 1993; den verbleibenden Nachzahlungsbetrag überwies sie dem Versicherten L ...
Mit Schreiben vom 17.11.1997 verlangte die Klägerin den Betrag in Höhe von 4089,67 DM von der Beklagten unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29.04.1997 zurück. Da nach die ser Entscheidung in Fällen der vorliegenden Art § 104 SGB X Anwendung finde, sei der Erstattungsanspruch der Beklagten im Zeitpunkt seiner Geltendmachung bereits gemäß § 111 SGB X ausgeschlossen gewesen. Die Beklagte lehnte eine Rückerstattung ab und berief sich auf Verjährung.
Daraufhin hat die Klägerin am 22.12.1997 Klage auf Rückerstattung des Betrages in Höhe von 4089,67 DM erhoben. Sie hat vorgetragen: Nach dem Urteil des BSG vom 29.04.1997 - 8 RKn 29/95 - seien Erstattungsansprüche der Rentenversicherungsträger, die aufgrund des Zusammentreffens von Leistungen der Renten- und Unfallversicherungsträger nach § 93 SGB VI entstünden, unter § 104 SGB X einzuordnen. Der dementsprechend gemäß § 111 SGB X ausgeschlossene Erstattungsanspruch der Beklagten sei von ihr zu Unrecht erfüllt worden, so dass ihr ein Anspruch nach § 112 SGB X zustehe. Dieser Anspruch sei nicht verjährt, weil sie - die Klägerin - erst 1993 den Betrag von 4089,67 DM überwiesen habe.
Die Beklagte hat erwidert: Der Klägerin sei darin zuzustimmen, dass der Rückerstattungsanspruch nicht verjährt sei. Gleichwohl stehe der Klägerin ein Rückerstattungsanspruch nach § 112 SGB X nicht zu, weil die Erstattung zu Recht erfolgt sei. Der Anspruch auf Knappschaftsruhegeld sei erst nachträglich teilweise entfallen, so daß sich ihr Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X richte. Der Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X entstehe i.S.v. § 111 Satz 2 SGB X erst, wenn der erstattungsverpflichtete Leistungsträger seine Leistung bewillige. Maßgebend für den Fristbeginn nach § 111 Satz 2 SGB X sei daher die Bekanntgabe des Bewilligungsbescheides vom 26.08.1993. Die Renten- und Unfallversicherungsträger seien in der Vergangenheit auch davon ausgegangen, dass in Fällen der vorliegenden Art § 103 SGB X Anwendung finde und die Frist des § 111 Satz 2 SGB X mit der Bekanntgabe des Bescheides des Unfallversicherungsträgers beginne. Durch diese jahrelange Praxis sei für die Beklagte ein gewisser Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Eine Abkehr von dieser Verfahrensweise durch die Unfallversicherungsträger bedeute zumindest in den laufenden Fällen einen Verstoß gegen Treu und Glauben.
Mit Urteil vom 14.09.1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Gründe der Entscheidung, die der Klägerin am 29.09.1999 zugestellt worden ist, wird Bezug genommen. Die Klägerin hat am 18.10.1999 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt, der das Sozialgericht mit Beschluss vom 29.02.2000 abgeholfen hat.
Die Klägerin trägt vor: Der Erstattungsanspruch der Beklagten gemäß § 104 SGB X sei zum Zeitpunkt der Geltendmachung bereits ausgeschlossen gewesen, weil die gesetzliche Ausschlußfrist von 12 Monaten abgelaufen gewesen sei. Der Rückforderungsanspruch der Klägerin verstoße nicht gegen Treu und Glauben. Der Umstand, dass sie zunächst irrtümlich den Erstattungsanspruch befriedigt und nach Kenntnis ihres Irrtums den gezahlten Betrag von der Beklagten zurückgefordert habe, könne schon deshalb nicht treuwidrig sein, weil § 112 SGB X gerade einen Erstattungsvorgang nach den §§ 102 bis 105 SGB X voraussetze, bei dem sich nachträglich herausstelle, dass dieser nicht hätte durchgeführt werden dürfen, weil eine Erstattungspflicht nicht bestanden habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.09.1999 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin einen Betrag in Höhe von 4089,67 DM zurückzuerstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten Bezug genommen. Ihr wesentlicher Inhalt sei Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die - vom Sozialgericht nachträglich zugelassene - Berufung der Klägerin ist begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten im Wege der allgemeinen Leistungsklage die Rückerstattung des im November 1993 überwiesenen Betrages in Höhe von 4089,67 DM verlangen.
Nach § 112 SGB X sind gezahlte Beträge zurückzuerstatten, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Klägerin hat der Beklagten den Betrag von 4089,67 DM zu Unrecht überwiesen, weil der Erstattungsanspruch der Beklagten gemäß § 111 SGB X ausgeschlossen war.
Der Erstattungsanspruch der Beklagten richtet sich nach § 104 SGB X und nicht - wie die Beklagte meint - nach § 103 SGB X. Diese Bestimmung setzte voraus, dass der Anspruch auf die von der Beklagten erbrachten Sozialleistungen (das Knappschaftsruhegeld "nachträglich ganz oder teilweise entfallen" ist. Das ist jedoch nicht der Fall, weil dem Versicherten L ... wegen der Ruhens vorschrift des § 75 RKG für den streitigen Zeitraum von vornherein nur ein Anspruch auf Knappschaftsruhegeld unter Anrechnung der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zustand. Sein Anspruch auf die von der Beklagten erbrachten Sozialleistungen ist nicht etwa erst durch die Bewilligung der Verletztenrente mit Bescheid vom 26.08.1993 nachträglich teilweise entfallen. Hingegen liegen die Voraussetzungen des § 104 SGB X vor. Nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB X hat ein nachrangig verpflichteter Träger von Sozialleistungen einen Erstattungsanspruch gegen einen vorrangig verpflichteten Leistungsträger, wenn dieser seinerseits seine Leistungen erst nach Kenntnis der Leistungen des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers erbracht hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (§ 104 Abs. 1 S. 2 SGB X). Die Beklagte war im Sinne des § 104 Abs. 1 SGB X ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger, weil ihre Leistungsverpflichtung schon im Zeitpunkt der Leistungsgewährung für den streitigen Zeitraum originär subsidiär war, d. h. von vornherein der Höhe nach von der Leistungsverpflichtung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers (der Klägerin) abhing war (vgl. zu der Neureglung des 93 SGB VI BSG, Urteil vom 29.04.1997 - 8 RKn 29/95 - = SozR 3-1300 § 107 Nr. 10). Die Klägerin hat ihre Leistungen auch erst in Kenntnis der Rentengewährung durch die nachrangig verpflichtete Beklagte erbracht. Sie hat die Verletztenrente erst nach Geltendmachung des Erstattungsanspruchs der Beklagten ausgezahlt.
Der Erstattungsanspruch ist jedoch ausgeschlossen, denn er ist von der Beklagten nicht rechtzeitig geltend gemacht worden. Die 12-monatige Ausschlußfrist des § 111 SGB X war bei Geltendmachung es Anspruchs abgelaufen.
Der Erstattungsanspruch ist frühestens mit dem am 12.10.1993 bei der Klägerin eingegangenen Schreiben der Beklagten vom 08.10.1993 geltend gemacht worden. Zu diesem Zeitpunkt war die Ausschlußfristdes § 111 Satz 1 SGB X, die mit dem 31.12.1990 begann, bereits abgelaufen.
Für die Beklagte ergibt sich auch aus § 111 Satz 2 SGB X kein günstigeres Ergebnis. Nach dieser Vorschrift beginnt der Lauf der Frist frühestens mit der Entstehung des Erstattungsanspruchs. Die ser war bei Berücksichtigung der 12-Monats-Frist jedenfalls vor dem 12.10.1992 im Sinne von § 111 Satz 2 SGB X entstanden. Die Erstattungsansprüche nach den §§ 102 bis 105 SGB X entstehen, sobald ihre gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen (BSG SozR 3-1300 § 111 Nr. 4 m.w.N.). Entsprechend § 40 Abs. 1 SGB I entsteht der auf § 104 SGB X beruhende Erstattungsanspruch, sobald der nachrangig verpflichtete Leistungsträger Sozialleistungen nach dem für ihn maßgebenden Recht an den Leistungsberechtigten tatsächlich erbracht hat, zu deren Erbringung die Klägerin vorrangig verpflichtet war (BSG SozR 1300 § 111 Nr. 3). Da die Beklagte sämtliche Leistungen für den streitigen Zeitraum an den Versicherten L ... vor dem 12.10.1992 erbracht hat, ist der Erstattungsanspruch insgesamt vor dem 12.10.1992 entstanden.
Ein späterer Beginn des Laufs der Frist des § 111 Satz 2 SGB X erst mit der Erteilung des Bescheides vom 26.08.1993 der Klägerin an den Leistungsempfänger L ... scheidet aus (vgl. BSG SozR 3-1300 § 111 Nr. 4 m.w.N.). Die Bewilligung der Verletztenrente an den Leistungsberechtigten hat materiell-rechtlich nur deklaratorische Bedeutung und keine für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgebende Funktion. Denn dem Versicherten L ... stand Verletztenrente bereits vom 17.09.1990 an zu, weil schon ab diesem Zeitpunkt die materiellen Voraussetzungen erfüllt waren.
Dem Ablauf der Ausschlußfrist des § 111 SGB X steht auch nicht entgegen, dass dem erstattungsberechtigten Rentenversicherungsträger das Bestehen eines Erstattungsanspruchs oder der erstattungsverpflichtete Unfallversicherungsträger nicht bekannt war und er dies nicht feststellen oder prüfen konnte. § 111 SGB X enthält keinerlei diese Umstände berücksichtigende Einschränkungen. Gerade die Tatsache, dass das Gesetz verlangt, den Anspruch geltend zu machen, ohne dass dabei die Kenntnis des erstattungspflichtigen Leistungsträgers erwähnt wird, verdeutlicht, dass das Gesetz dem hier keine rechtswirksame Bedeutung beimisst (BSG SozR 1300 § 111 Nr. 4; SozR 3-1300 § 111 Nr. 4). Umstände, die es rechtfertigten, einen späteren Fristbeginn bei objektiv fehlender Realisierbarkeit des Erstattungsanspruchs einzuräumen (vgl. BSG SozR 3-1300 § 111 Nr. 2), sind nicht ersichtlich.
Für die Beurteilung des Anspruchsausschlusses ist auch ohne Belang, ob die Beklagte ihren Erstattungsanspruch erst deshalb verspätet geltend gemacht hat, weil die Renten- und Unfallversicherungsträger vor Bekanntwerden des Urteils des BSG vom 29.04.1997 (a.a.O.) die Auffassung vertreten hatten, in Fällen der vorliegenden Art finde § 103 SGB X Anwendung. Aus welchen Gründen die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs innerhalb der Ausschlußfrist des § 111 SGB X unterblieben ist, wenn der Anspruch objektiv hätte geltend gemacht werden können, ist unerheblich. Das Gesetz verlangt aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit aus nahmslos, den Erstattungsanspruch innerhalb einer materiell-rechtlichen Ausschlußfrist geltend zu machen (BSG SozR 1300 § 111 Nr. 4).
Ist mithin der Erstattungsanspruch der Beklagten im Zeitpunkt seiner Geltendmachung gemäß § 111 SGB X ausgeschlossen gewesen, ist die Erstattung der Klägerin im Jahre 1993 zu Unrecht erfolgt. Damit sind die Voraussetzungen des § 112 SGB X erfüllt. Die ein jährige Ausschlußfrist des § 111 SGB X erfaßt diesen Anspruch nicht (BSG, Urteil vom 29.11.1990 - 2 RU 10/90 - m.w.N.). Die Beklagte kann auch keine Rechte daraus herleiten, dass die Klägerin die Zahlung im Jahre 1993 ohne Einwände erbracht hat. Durch dieses Verhalten hat die Klägerin die Rückerstattung nicht verwirkt. Die Geltendmachung des Rückerstattungsanspruchs stellt sich auch nicht als unzulässige Rechtsausübung dar. Der Hinweis der Beklagten auf die frühere Verwaltungspraxis der Klägerin bietet dafür jedenfalls keinen Ansatz. Denn es stellt kein vorwerfbares Verhalten dar, wenn ein Versicherungsträger in einer schwierigen Rechtsfrage zu nächst eine Rechtsansicht vertritt und in ständiger Verwaltungspraxis auch anwendet, die sich später nach Klärung als nicht zutreffend erweist (BSGE 42, 219, 223). Die vom Sozialgericht für möglich gehaltene Verrechnung kann schon deswegen nicht stattfinden, weil die Klägerin dem Versicherten L ... im Falle der Rückerstattung nicht zur Nachzahlung von 4.089,67 DM verpflichtet ist. Da in Höhe der überzahlten Knappschaftsrente ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin als Unfallversicherungsträger entstanden ist, gilt in Höhe dieser Überzahlung der Anspruch des Versicherten L ... gegen die - eigentlich - verpflichtete Klägerin als erfüllt ( § 107 Abs. 1 SGB X). Dass die Beklagte ihren Erstattungsanspruch nicht vor Ablauf der Ausschlußfrist geltend gemacht hat und er deshalb ausgeschlossen ist, ändert nichts am Fortbestehen der Erfüllungsfiktion (Schroeder Printzen, SGB X, 3. Aufl., § 107 Rz. 6).
Schließlich führt auch der Hinweis der Beklagten auf das Urteil des LSG Niedersachsen vom 21.05.1996 - L 7 Ar 155/94 - nicht zu einer anderen Beurteilung. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt steht der hier vorliegenden Fallgestaltung einer Erstattung trotz Ablaufs der Ausschlußfrist des § 111 SGB X nicht gleich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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