Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 36 U 254/94
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 33/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 9. Januar 1996 abgeändert. Unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 26. Mai 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. August 1994 wird festgestellt, daß eine beginnende Schwerhörigkeit mit beidseitigen Ohrgeräuschen Folge der anerkannten BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV ist. Die weitergehende Feststellungsklage wird abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten (nur noch) darüber, welche Folgen der beim Kläger bestehenden Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - Lärmschwerhörigkeit - vorliegen.
Der 1925 geborene Kläger war - mit Unterbrechungen durch Reichsarbeitsdienst, Kriegsdienst und Gefangenschaft - von 1941 bis Ende 1982 beim B ... Verein bzw. bei der K ... Stahl AG, Werk B ..., als Dreherlehrling und (ab 1946) als Hilfsmonteur bzw. angelernter Elektroschlosser/Elektriker beschäftigt und dabei nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten jedenfalls ab Juni 1968 - für die Zeit davor fehlt es an Meßergebnissen - Lärm mit einem Beurteilungspegel von jeweils 86 bis 89 dB(A) ausgesetzt.
Zum 31.12.1982 schied der Kläger im Rahmen einer Sozialplanregelung aus dem Betrieb aus. Seit dem 01.01.1985 bezieht er Altersruhegeld von der LVA Westfalen.
Im September 1993 erstattete der den Kläger seit 1991 behandelnde Arzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO) Dr. C ... in B ... Anzeige wegen des Verdachtes auf das Vorliegen einer BK "Lärmschwerhörigkeit" und fügte Tonaudiogramme vom 13.11.1991, 13.02.1992 und 06.07.1993 bei.
Nach Beiziehung der den Kläger betreffenden Mitglieder- und Leistungskarten von der Betriebskrankenkasse (BKK) der K ... Stahl AG, Einholung einer Arbeitgeberauskunft und Einschaltung ihres TAD (Stellungnahme nach Aktenlage vom 21.12.1993) leitete die Beklagte den Vorgang dem Staatlichen Gewerbearzt in B ... zu, der den HNO-Arzt Dr. W ... mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte. Darin kam dieser am 04.02.1994 zu dem Ergebnis, der Kläger leide unter einem innenohrbedingten Hochtonverlust beiderseits. Die Ergebnisse der Abstandsprüfung und das Sprachaudiogramm mit dem gewichteten Gesamtwortverständnis nach Feldmann sprächen noch für das Vorliegen einer annähernden Normalhörigkeit. Überschwellig sei im Hochtonbereich eindeutig der Nachweis eines Haarsinneszellschadens gelungen. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache müsse ein Zusammenhang zwischen dem innenohrbedingten Hochtonverlust und der in der Vergangenheit erfolgten Lärmbelastung am Arbeitsplatz angenommen werden. Eine meßbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für den berufsbedingten Hörverlust sei jedoch nicht gegeben.
Gestützt auf das Gutachten des Dr. W ... nebst zustimmender Stellungnahme des Staatlichen Gewerbearztes erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 26.05.1994, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 10.08.1994, das Vorliegen einer BK nach Nr. 2301 - Lärmschwerhörigkeit - der Anlage zur BKV an, lehnte die Gewährung einer Rente jedoch ab, weil die BK eine rentenberechtigende MdE nicht bedinge.
Dagegen hat der Kläger am 07.09.1994 Klage beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben und die Gewährung einer Rente nach einer MdE um 30 v.H. für die bei ihm anerkannte BK begehrt. Er hat im wesentlichen vorgebracht, im Rahmen der von seinen behandelnden HNO-Ärzten (Dr. S ... und Praxisnachfolger Dr. C ...) häufig vorgenommenen Untersuchungen zur Prüfung der Hörleistung seien regelmäßig Hörverluste zwischen 40 und 60 % auf beiden Ohren festgestellt worden. Mit der Hörschädigung seien auch dauernde Ohrgeräusche (sog. Tinnitus), Gleichgewichtsstörungen und Schwindel verbunden.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Dr. B ..., Leitender Oberarzt der HNO-Klinik der Städtischen Kliniken D ..., vom 28.12.1994. Der Sachverständige (SV) ist zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger liege eine beidseits annähernde Normalhörigkeit bei nur tonaudiometrisch nachweisbarer rekruitmentpositiver Schallempfindungshörstörung mit Hochtonsenke vor. Es finde sich kein störender und die Hörstörung wesentlich bestimmender Dauertinnitus beidseits. Aufgrund aller vorliegenden Befunde sei von einer beidseits weitgehend symmetrischen rekruitmentpositiven Schallempfindungshörstörung im Hochtonbereich auszugehen, deren Ausmaß eine Schwerhörigkeit meßbarer MdE bisher nicht erreicht habe. Die lärmbedingte MdE sei - wie im Vorgutachten zutreffend festgestellt - mit unter 10 v.H. zu beurteilen.
Das SG hat mit Urteil vom 09.01.1996 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 26.01.1996 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.02.1996 Berufung eingelegt, mit der er zunächst sein bis heriges Begehren weiterverfolgt hat.
Nach der im Berufungsverfahren durchgeführten medizinischen Beweisaufnahme hält der Kläger sein ursprüngliches Leistungsbegehren nicht mehr aufrecht und begehrt stattdessen die Feststellung der Folgen der bei ihm bestehenden Lärmschwerhörigkeit.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 09.01.1996 abzuändern und unter Änderung des Bescheides vom 26.05.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.08.1994 festzustellen, daß eine beginnende Schwerhörigkeit mit beidseitigen Ohrgeräuschen seit Dezember 1982 Folge der bei ihm bestehenden BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV ist und hierdurch eine MdE von 10 v.H. bedingt wird.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht sich in ihrer bisherigen Auffassung auch durch das Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme weitestgehend bestätigt und hält auch das Feststellungsbegehren des Klägers für unbegründet. Diesbezüglich wendet sie gegen das von Prof. Dr. P ... erstattete Gutachten ein, dieser SV sei nicht auf die naheliegende Frage eingegangen, wieso sich ein berufsbedingter Tinnitus erst im Klageverfahren, also etwa 12 Jahre nach dem Ende der beruflichen Lärmexposition, bemerkbar gemacht habe. Unter den gegebenen Umständen fehle dem Tinnitus die zeitliche Nähe zur letzten Lärmexposition und könne daher nicht als beruflich bedingt anerkannt werden.
Der Senat hat die den Kläger betreffende SchwbG-Akten des Versorgungsamtes Dortmund beigezogen und Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. P ..., Chefarzt der Universitäts-Klinik für HNO-Krankheiten, Kopf- und Hals- Chirurgie am P ...-Hospital R ... Dieser SV ist am 12.12.1997 zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger bestehe beiderseits eine beginnende Schwerhörigkeit mit beiderseitigen Ohrgeräuschen. Diese Hörstörungen seien mit Wahrscheinlichkeit Folge der anerkannten BK nach Nr. 2301 der BKV (Lärmschwerhörigkeit) und bestünden wahrscheinlich seit Beendigung der beruflichen Tätigkeit in schädigendem Lärm im Dezember 1982, da eine Zunahme der Lärmschwerhörigkeit und ihrer Folgen einschließlich der Ohrgeräusche nach Beendigung der Lärmtätigkeit nach aller wissenschaftlichen Kenntnis nicht möglich sei. Die durch die BK-Folgen verursachte MdE betrage unter Einbeziehung der beiderseitigen Ohrgeräusche und unter Berücksichtigung der Kriterien des Königsteiner Merkblattes 10 v.H ... Sie liege in diesem Ausmaß seit Dezember 1982 vor. Auf den Inhalt des Gutachtens im übrigen wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts akte und den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der SchwbG-Akten des Versorgungsamtes Dortmund verwiesen, die sämtlich Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Nachdem der Kläger im Rahmen der zulässig eingelegten Berufung sein ursprünglich auf Gewährung einer Verletztenrente gerichtetes Leistungsbegehren im Hinblick auf das Ergebnis der im zweiten Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme nicht mehr aufrechterhalten hat, war nur noch über die von ihm begehrte Feststellung zu befinden. Beim Übergang von einer ursprünglich erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage zu einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage - wie sie nunmehr vorliegt - handelt es sich gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG um keine Klageänderung (vgl. z.B. Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 6. Aufl., Rdn. 4 zu § 99 m.w.N.). Selbst wenn man eine solche annehmen wollte, wäre sie zulässig, weil der Senat sie für jedenfalls sachdienlich hält und im übrigen auch die Beklagte sich in ihrem Schriftsatz vom 19.03.1998 auf diese Änderung, ohne ihr zu widersprechen, eingelassen hat (§ 99 Abs. 1 und 2 SGG).
Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses und nach Abs. 1 Nr. 3 u.a. die Feststellung begehrt werden, ob eine Gesundheitsstörung die Folge einer BK ist. Die Feststellungsklage erfordert - als besondere Prozeßvoraussetzung (vgl. dazu z.B. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-1500 § 55 Nr. 6) - das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der baldigen Feststellung.
Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, daß die BK-Folgen eine MdE von 10 v.H. bedingen, ist die Klage unzulässig. Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend: Der Grad der unfall- bzw. bk-bedingten MdE ist in der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) rechtlich bedeutsam nur im Zusammenhang mit der Rentengewährung. Eine selbständige Bedeutung hat die Höhe der MdE für die Leistungen der gesetzlichen UV nicht. Dies gilt bei einer MdE unter 20 v.H. auch im Hinblick auf eine möglicherweise erst später wegen des Eintritts oder der Verschlimmerung der Folgen eines anderen Arbeitsunfalls (oder einer anderen BK) nach § 581 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. nach § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 des am 01.01.1997 in Kraft getretenen Siebten Sozialgesetzbuches (SGB VII) zu gewährenden Verletztenrente; denn maßgebend ist insoweit der zur Zeit des Beginns der Verletztenrente noch bestehende und nicht ein früher festgestellter Grad der MdE (vgl. zu allem Vorstehenden BSG SozR 2200 § 581 Nr. 17 m.w.N.). Unzulässig ist danach die von einem UV-Träger nicht in Verbindung mit einer Rentengewährung im Verfügungssatz eines Bescheides getroffene Feststellung eines bestimmten MdE-Grades unter 20 v.H., denn hierfür fehlt es an einer Rechtsgrundlage (BSG a.a.O.).
Dem entspricht es, daß auch nach § 55 SGG eine Klage auf Feststellung eines bestimmten Grades der MdE nicht zulässig ist (BSG a.a.O. mit Hinweis auf BSGE 7, 126, 129; vgl. auch Peters-Sautter-Wolff [PSW], Kommentar zum SGG, 4. Aufl., Anm. 4, S. 185/13-10, 11), und zwar weder nach Abs. 1 Nr. 1 noch nach Abs. 1 Nr. 3 dieser Vorschrift.
Aus dem vorstehend Dargelegten folgt, daß der Kläger sich insoweit nicht auf die Bestimmung des § 581 Abs. 3 RVO berufen kann, welche die Frage der Rentengewährung bei Vorliegen eines sog. Stütztatbestandes regelt, der hier bislang nicht gegeben ist. Auch das vom Kläger zitierte Urteil des BSG in SozR 2200 § 581 Nr. 20 betraf einen Fall, in dem es um die Gewährung einer Stützrente ging, weil aufgrund eines anderen, bereits eingetretenen Arbeitsunfalls möglicherweise ein Stütztatbestand gegeben war, nicht aber die Feststellung eines bestimmten Grades der MdE im Rahmen einer Feststellungsklage. Nur vor dem Hintergrund jenes Streitgegenstandes - Gewährung einer Stützrente - sind die Ausführungen des BSG (a.a.O.) zu verstehen und zutreffend, daß die Rechtsprechung des BSG, wonach es in der gesetzlichen UV eine Rechtsgrundlage für eine unabhängig von einer Rentengewährung getroffene Feststellung einer ziffernmäßig bestimmten MdE nicht gibt, jedenfalls im Rahmen des § 581 Abs. 3 RVO nicht entgegensteht.
Schließlich stützt auch das Urteil des BSG in SozR 2200 § 551 Nr. 35 nicht die Argumentation des Klägers, weil es allein darum ging, daß der Träger der UV verpflichtet ist, eine BK schon vor Eintritt des Leistungsfalls i.S.d. § 551 Abs. 3 RVO festzustellen, was das BSG bejaht hat.
Unzulässig ist die Klage auch insoweit, als der Kläger verlangt festzustellen, daß die Folgen der BK seit Dezember 1982 bestehen. Diesbezüglich kann jedenfalls das erforderliche besondere Feststellungsinteresse nicht bejaht werden.
Nach der Rechtsprechung des BSG bezieht sich das Feststellungsinteresse i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ausschließlich auf den Folgezustand des schädigenden Ereignisses im Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung (BSG SozR 3-1500 § 55 Nr. 6). Ein Feststellungsurteil hat - so das BSG - zum Ziel, dem Verletzten für den Fall der Verschlimmerung oder des Hinzutretens von Spätfolgen eines Arbeitsunfalls (oder einer BK) bei der Realisierung zukünftiger Ansprüche vor allem die Beweisführungslast zu ersparen. Eine solche Feststellung kann aber - wie das BSG weiter ausgeführt hat - bereits ihrem Wesen nach nur für Gesundheitsstörungen getroffen werden, die in der Zukunft überhaupt noch Folgen entwickeln können. Deshalb kann sich das Feststellungsinteresse nicht auf Verhältnisse beziehen, die in der Vergangenheit vorgelegen haben.
Im vorliegenden Fall kann ein etwaiger künftiger Leistungsanspruch in Form eines Rentenanspruchs nur dann realisiert werden, wenn die bk-bedingte MdE ein rentenberechtigendes Ausmaß, nämlich 20 v.H. erreicht. Erst dann kann der Leistungsfall i.S.d. § 551 Abs. 3 RVO eintreten, für den bei der hier gegebenen Fallkonstellation der Beginn der Krankheit keine Rolle mehr spielt. Unerheblich ist deshalb, ob die beim Kläger anerkannte BK bzw. deren Folgen bereits in der Vergangenheit ab einem bestimmten Zeitpunkt vorgelegen hat bzw. haben, denn daraus können keine Rechtsfolgen im Hinblick auf künftige Leistungen hergeleitet werden. Auch für eine etwaige gegenwärtige Leistungsverpflichtung der Beklagten im Hinblick auf eine möglicherweise bestehende Behandlungsbedürftigkeit spielt es keine Rolle, seit wann BK-Folgen vorliegen. Maßgebend ist insoweit nur, ob und welche BK-Folgen gegenwärtig gegeben sind, die ggf. Behandlungsbedürftigkeit bedingen.
Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, daß eine beginnende Schwerhörigkeit mit beidseitigen Ohrgeräuschen Folge der bei ihm bestehenden BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV ist, ist hingegen das Feststellungsinteresse zu bejahen und die Klage i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässig. Auch wenn nach aller wissenschaftlichen Erkenntnis - worauf auch der SV Prof. Dr. P ... zutreffend hingewiesen hat - eine Zunahme der Lärmschwerhörigkeit und ihrer Folgen einschließlich der Ohrgeräusche nach Beendigung der Lärmexposition nicht möglich ist und von daher eine künftig eintretende Verschlimmerung als kaum denkbar erscheint, so ist es doch jedenfalls als nicht ausgeschlossen anzusehen, daß sich insbesondere die Auswirkungen der Ohrgeräusche (Tinnitus) durch das Hinzutreten anderer Umstände verschlimmern können. Nicht ausgeschlossen ist auch, daß die BK-Folgen noch Behandlungsbedürftigkeit zur Folge haben können. Eine solche nicht eben entfernt liegende Möglichkeit genügt aber für die Bejahung des Feststellungsinteresses (vgl. BSG SozR 3-1500 § 55 Nr. 6 m.w.N.), das im übrigen auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt worden ist.
Die hiernach zulässige Feststellungsklage ist auch begründet. Als Folge der von der Beklagten mit Bescheid vom 26.05.1994 anerkannten BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV liegt beim Kläger eine beginnende Schwerhörigkeit mit beiderseitigen Ohrgeräuschen vor.
Der Senat stützt diese Feststellung auf das ausführliche und sorgfältig begründete Gutachten des im Berufungsverfahren gehörten SV Prof. Dr. P ..., der anerkannter Fachmann auf dem Gebiet der Lärmschwerhörigkeit ist.
Die Beklagte hat Einwände gegen dessen Beurteilung erst mit Schriftsatz vom 19.03.1998 und auch nur insoweit vorgebracht, als es um den Tinnitus geht, indem sie ausgeführt hat, der SV sei in seinem Gutachten nicht auf die naheliegende Frage eingegangen, wieso sich ein berufsbedingter Tinnitus erst im Klageverfahren, also etwa 12 Jahre nach Ende der beruflichen Lärmexposition bemerkbar mache, nach ihren Unterlagen habe der Kläger erstmals anläßlich der Begutachtung für das SG im Dezember 1994 über Ohrgeräusche geklagt, unter diesen Umständen fehle dem Tinnitus die zeitliche Nähe zur letzten Lärmexposition, er könne daher nicht als beruflich bedingt anerkannt werden.
Dieser Argumentation der Beklagten vermag der erkennende Senat nicht zu folgen.
Zum einen hat das Argument der "zeitlichen Nähe" für die Beklagte offenbar keine Rolle gespielt, als sie aufgrund des Gutachtens von Dr. W ... das Vorliegen einer Lärmschwerhörigkeit anerkannt hat, obwohl die ärztliche BK-Anzeige erst im September 1993, mithin mehr als 10 Jahre nach dem Ende der Lärmexposition, erstattet worden ist und dieser Anzeige Tonaudiogramme erst ab November 1991 beigefügt waren. Zum anderen trifft es nicht zu, daß der Kläger erstmals im Klageverfahren anläßlich der Begutachtung durch den SV Dr. B ... im Dezember 1994 über Ohrgeräusche geklagt hat. Zwar wird ein Tinnitus im Gutachten des Dr. W ... vom 04.02.1994 weder bei den anamnestischen Angaben des Klägers noch bei der Befundbeschreibung erwähnt. Insoweit hat der Kläger aber bereits in seiner Klageschrift vom 01.09.1994 vorgebracht, er habe Dr. W ... u.a. auch auf dauernde Ohrgeräusche hingewiesen, gleichwohl seien weitere Untersuchungen zur Objektivierung die ser Störungen nicht erfolgt. Das Vorliegen eines Tinnitus ist seit Beginn des Rechtsstreits eines der zentralen Themen im Vortrag des Klägers und insbesondere auch Gegenstand seiner gegen die Gutachten des Dr. W ... und des SV Dr. B ... geltend gemachten Einwendungen gewesen. Er hat wiederholt vorgebracht, daß diese Beschwerden - wie auch die eigentliche Hörstörung - bereits seit Mitte der siebziger Jahre bestünden. Immerhin hat der HNO-Arzt Dr. C ..., bei dem der Kläger seit 1991 in Behandlung steht, in seinem Arztbrief vom 03.12.1993 einen Tinnitus bei Innenohrerkrankung und Verdacht auf Lärmschaden beschrieben und in seinem Bericht vom 07.07.1996 - bezogen auf Mai 1993 - von sich chronifizierenden Tinnitusbeschwerden gesprochen.
Daß beim Kläger Ohrgeräusche bestehen, wird im übrigen auch von der Beklagten offenbar nicht bestritten. Sie verneint insoweit lediglich den ursächlichen Zusammenhang mit der beruflichen Lärmexposition des Klägers.
Dieser Auffassung der Beklagten vermag der erkennende Senat nicht beizutreten.
Auch der SV Dr. B ... hat in seinem Gutachten vom 28.12.1994 die Ohrgeräusche des Klägers beschrieben und keine Zweifel hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs mit der Lärmeinwirkung am Arbeitsplatz geäußert. Er hat den Tinnitus lediglich anders als der SV Prof. Dr. P ... gewertet, indem er ausgeführt hat, es finde sich kein störender und die Hörstörung wesentlich bestimmender Dauertinnitus beidseits. Dazu hat Prof. Dr. P ... indes zutreffend dargelegt, in der von Dr. B ... vorgenommenen Beurteilung sei auf den Tinnitus eingegangen und er sei als nicht störend bezeichnet worden, obwohl anamnestisch festgehalten worden sei, daß der Kläger sich immer besonders konzentrieren müsse, um das Geräusch überhören oder verdrängen zu können.
Wie Prof. Dr. P ... des weiteren ausgeführt hat, ist das von ihm gefundene breitbandige Ohrgeräusch verdeckbar, so daß es wahrscheinlich Folge eines Haarzellschadens im Innenohrorgan ist, wie er durch Lärm verursacht wird (vgl. dazu auch das Königsteiner Merkblatt, 4. Aufl. 1996, S. 16). Andere - lärmunabhängige - Ursachen bzw. eine andere Ohrerkrankung, die den Tinnitus erklären könnte, hat der SV - wie im übrigen auch Dr. Wehmer und Dr. B ... - nicht feststellen können. Wenn Prof. Dr. P ... dann zu dem Ergebnis gelangt ist, unter Berücksichtigung der langfristigen Lärmeinwirkung am Arbeitsplatz und des Fehlens sonstiger Hinweise auf eine Ohrerkrankung - und dies ist ein wesentlicher Gesichtspunkt - sei es somit wahrscheinlich, daß auch der Tinnitus ebenso wie die Hörminderung Folge einer BK nach Nr. 2301 sei, so ist diese Beurteilung einleuchtend und schlüssig begründet.
Der Senat hat nach allem keine Bedenken, die erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Tinnitus und der Lärmexposition bzw. der lärmbedingten Hörstörung zu bejahen, so daß auch die beidseitigen Ohrgeräusche in die Feststellung der BK-Folgen mit einzubeziehen waren.
Unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Urteils und der Verwaltungsentscheidungen der Beklagten war daher der Feststellungsklage im erkannten Umfang stattzugeben. Im übrigen war sie aus den oben dargelegten Gründen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierfür war maßgebend, daß der Kläger mit seinem ursprünglichen Leistungsbegehren nicht durchdringen konnte und auch mit seiner Feststellungsklage nur teilweise obsiegt hat.
Es bestand kein Anlaß, die Revision zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht erfüllt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten (nur noch) darüber, welche Folgen der beim Kläger bestehenden Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - Lärmschwerhörigkeit - vorliegen.
Der 1925 geborene Kläger war - mit Unterbrechungen durch Reichsarbeitsdienst, Kriegsdienst und Gefangenschaft - von 1941 bis Ende 1982 beim B ... Verein bzw. bei der K ... Stahl AG, Werk B ..., als Dreherlehrling und (ab 1946) als Hilfsmonteur bzw. angelernter Elektroschlosser/Elektriker beschäftigt und dabei nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten jedenfalls ab Juni 1968 - für die Zeit davor fehlt es an Meßergebnissen - Lärm mit einem Beurteilungspegel von jeweils 86 bis 89 dB(A) ausgesetzt.
Zum 31.12.1982 schied der Kläger im Rahmen einer Sozialplanregelung aus dem Betrieb aus. Seit dem 01.01.1985 bezieht er Altersruhegeld von der LVA Westfalen.
Im September 1993 erstattete der den Kläger seit 1991 behandelnde Arzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO) Dr. C ... in B ... Anzeige wegen des Verdachtes auf das Vorliegen einer BK "Lärmschwerhörigkeit" und fügte Tonaudiogramme vom 13.11.1991, 13.02.1992 und 06.07.1993 bei.
Nach Beiziehung der den Kläger betreffenden Mitglieder- und Leistungskarten von der Betriebskrankenkasse (BKK) der K ... Stahl AG, Einholung einer Arbeitgeberauskunft und Einschaltung ihres TAD (Stellungnahme nach Aktenlage vom 21.12.1993) leitete die Beklagte den Vorgang dem Staatlichen Gewerbearzt in B ... zu, der den HNO-Arzt Dr. W ... mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte. Darin kam dieser am 04.02.1994 zu dem Ergebnis, der Kläger leide unter einem innenohrbedingten Hochtonverlust beiderseits. Die Ergebnisse der Abstandsprüfung und das Sprachaudiogramm mit dem gewichteten Gesamtwortverständnis nach Feldmann sprächen noch für das Vorliegen einer annähernden Normalhörigkeit. Überschwellig sei im Hochtonbereich eindeutig der Nachweis eines Haarsinneszellschadens gelungen. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache müsse ein Zusammenhang zwischen dem innenohrbedingten Hochtonverlust und der in der Vergangenheit erfolgten Lärmbelastung am Arbeitsplatz angenommen werden. Eine meßbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für den berufsbedingten Hörverlust sei jedoch nicht gegeben.
Gestützt auf das Gutachten des Dr. W ... nebst zustimmender Stellungnahme des Staatlichen Gewerbearztes erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 26.05.1994, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 10.08.1994, das Vorliegen einer BK nach Nr. 2301 - Lärmschwerhörigkeit - der Anlage zur BKV an, lehnte die Gewährung einer Rente jedoch ab, weil die BK eine rentenberechtigende MdE nicht bedinge.
Dagegen hat der Kläger am 07.09.1994 Klage beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben und die Gewährung einer Rente nach einer MdE um 30 v.H. für die bei ihm anerkannte BK begehrt. Er hat im wesentlichen vorgebracht, im Rahmen der von seinen behandelnden HNO-Ärzten (Dr. S ... und Praxisnachfolger Dr. C ...) häufig vorgenommenen Untersuchungen zur Prüfung der Hörleistung seien regelmäßig Hörverluste zwischen 40 und 60 % auf beiden Ohren festgestellt worden. Mit der Hörschädigung seien auch dauernde Ohrgeräusche (sog. Tinnitus), Gleichgewichtsstörungen und Schwindel verbunden.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Dr. B ..., Leitender Oberarzt der HNO-Klinik der Städtischen Kliniken D ..., vom 28.12.1994. Der Sachverständige (SV) ist zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger liege eine beidseits annähernde Normalhörigkeit bei nur tonaudiometrisch nachweisbarer rekruitmentpositiver Schallempfindungshörstörung mit Hochtonsenke vor. Es finde sich kein störender und die Hörstörung wesentlich bestimmender Dauertinnitus beidseits. Aufgrund aller vorliegenden Befunde sei von einer beidseits weitgehend symmetrischen rekruitmentpositiven Schallempfindungshörstörung im Hochtonbereich auszugehen, deren Ausmaß eine Schwerhörigkeit meßbarer MdE bisher nicht erreicht habe. Die lärmbedingte MdE sei - wie im Vorgutachten zutreffend festgestellt - mit unter 10 v.H. zu beurteilen.
Das SG hat mit Urteil vom 09.01.1996 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 26.01.1996 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.02.1996 Berufung eingelegt, mit der er zunächst sein bis heriges Begehren weiterverfolgt hat.
Nach der im Berufungsverfahren durchgeführten medizinischen Beweisaufnahme hält der Kläger sein ursprüngliches Leistungsbegehren nicht mehr aufrecht und begehrt stattdessen die Feststellung der Folgen der bei ihm bestehenden Lärmschwerhörigkeit.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 09.01.1996 abzuändern und unter Änderung des Bescheides vom 26.05.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.08.1994 festzustellen, daß eine beginnende Schwerhörigkeit mit beidseitigen Ohrgeräuschen seit Dezember 1982 Folge der bei ihm bestehenden BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV ist und hierdurch eine MdE von 10 v.H. bedingt wird.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht sich in ihrer bisherigen Auffassung auch durch das Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme weitestgehend bestätigt und hält auch das Feststellungsbegehren des Klägers für unbegründet. Diesbezüglich wendet sie gegen das von Prof. Dr. P ... erstattete Gutachten ein, dieser SV sei nicht auf die naheliegende Frage eingegangen, wieso sich ein berufsbedingter Tinnitus erst im Klageverfahren, also etwa 12 Jahre nach dem Ende der beruflichen Lärmexposition, bemerkbar gemacht habe. Unter den gegebenen Umständen fehle dem Tinnitus die zeitliche Nähe zur letzten Lärmexposition und könne daher nicht als beruflich bedingt anerkannt werden.
Der Senat hat die den Kläger betreffende SchwbG-Akten des Versorgungsamtes Dortmund beigezogen und Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. P ..., Chefarzt der Universitäts-Klinik für HNO-Krankheiten, Kopf- und Hals- Chirurgie am P ...-Hospital R ... Dieser SV ist am 12.12.1997 zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger bestehe beiderseits eine beginnende Schwerhörigkeit mit beiderseitigen Ohrgeräuschen. Diese Hörstörungen seien mit Wahrscheinlichkeit Folge der anerkannten BK nach Nr. 2301 der BKV (Lärmschwerhörigkeit) und bestünden wahrscheinlich seit Beendigung der beruflichen Tätigkeit in schädigendem Lärm im Dezember 1982, da eine Zunahme der Lärmschwerhörigkeit und ihrer Folgen einschließlich der Ohrgeräusche nach Beendigung der Lärmtätigkeit nach aller wissenschaftlichen Kenntnis nicht möglich sei. Die durch die BK-Folgen verursachte MdE betrage unter Einbeziehung der beiderseitigen Ohrgeräusche und unter Berücksichtigung der Kriterien des Königsteiner Merkblattes 10 v.H ... Sie liege in diesem Ausmaß seit Dezember 1982 vor. Auf den Inhalt des Gutachtens im übrigen wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts akte und den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der SchwbG-Akten des Versorgungsamtes Dortmund verwiesen, die sämtlich Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Nachdem der Kläger im Rahmen der zulässig eingelegten Berufung sein ursprünglich auf Gewährung einer Verletztenrente gerichtetes Leistungsbegehren im Hinblick auf das Ergebnis der im zweiten Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme nicht mehr aufrechterhalten hat, war nur noch über die von ihm begehrte Feststellung zu befinden. Beim Übergang von einer ursprünglich erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage zu einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage - wie sie nunmehr vorliegt - handelt es sich gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG um keine Klageänderung (vgl. z.B. Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 6. Aufl., Rdn. 4 zu § 99 m.w.N.). Selbst wenn man eine solche annehmen wollte, wäre sie zulässig, weil der Senat sie für jedenfalls sachdienlich hält und im übrigen auch die Beklagte sich in ihrem Schriftsatz vom 19.03.1998 auf diese Änderung, ohne ihr zu widersprechen, eingelassen hat (§ 99 Abs. 1 und 2 SGG).
Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses und nach Abs. 1 Nr. 3 u.a. die Feststellung begehrt werden, ob eine Gesundheitsstörung die Folge einer BK ist. Die Feststellungsklage erfordert - als besondere Prozeßvoraussetzung (vgl. dazu z.B. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-1500 § 55 Nr. 6) - das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der baldigen Feststellung.
Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, daß die BK-Folgen eine MdE von 10 v.H. bedingen, ist die Klage unzulässig. Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend: Der Grad der unfall- bzw. bk-bedingten MdE ist in der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) rechtlich bedeutsam nur im Zusammenhang mit der Rentengewährung. Eine selbständige Bedeutung hat die Höhe der MdE für die Leistungen der gesetzlichen UV nicht. Dies gilt bei einer MdE unter 20 v.H. auch im Hinblick auf eine möglicherweise erst später wegen des Eintritts oder der Verschlimmerung der Folgen eines anderen Arbeitsunfalls (oder einer anderen BK) nach § 581 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. nach § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 des am 01.01.1997 in Kraft getretenen Siebten Sozialgesetzbuches (SGB VII) zu gewährenden Verletztenrente; denn maßgebend ist insoweit der zur Zeit des Beginns der Verletztenrente noch bestehende und nicht ein früher festgestellter Grad der MdE (vgl. zu allem Vorstehenden BSG SozR 2200 § 581 Nr. 17 m.w.N.). Unzulässig ist danach die von einem UV-Träger nicht in Verbindung mit einer Rentengewährung im Verfügungssatz eines Bescheides getroffene Feststellung eines bestimmten MdE-Grades unter 20 v.H., denn hierfür fehlt es an einer Rechtsgrundlage (BSG a.a.O.).
Dem entspricht es, daß auch nach § 55 SGG eine Klage auf Feststellung eines bestimmten Grades der MdE nicht zulässig ist (BSG a.a.O. mit Hinweis auf BSGE 7, 126, 129; vgl. auch Peters-Sautter-Wolff [PSW], Kommentar zum SGG, 4. Aufl., Anm. 4, S. 185/13-10, 11), und zwar weder nach Abs. 1 Nr. 1 noch nach Abs. 1 Nr. 3 dieser Vorschrift.
Aus dem vorstehend Dargelegten folgt, daß der Kläger sich insoweit nicht auf die Bestimmung des § 581 Abs. 3 RVO berufen kann, welche die Frage der Rentengewährung bei Vorliegen eines sog. Stütztatbestandes regelt, der hier bislang nicht gegeben ist. Auch das vom Kläger zitierte Urteil des BSG in SozR 2200 § 581 Nr. 20 betraf einen Fall, in dem es um die Gewährung einer Stützrente ging, weil aufgrund eines anderen, bereits eingetretenen Arbeitsunfalls möglicherweise ein Stütztatbestand gegeben war, nicht aber die Feststellung eines bestimmten Grades der MdE im Rahmen einer Feststellungsklage. Nur vor dem Hintergrund jenes Streitgegenstandes - Gewährung einer Stützrente - sind die Ausführungen des BSG (a.a.O.) zu verstehen und zutreffend, daß die Rechtsprechung des BSG, wonach es in der gesetzlichen UV eine Rechtsgrundlage für eine unabhängig von einer Rentengewährung getroffene Feststellung einer ziffernmäßig bestimmten MdE nicht gibt, jedenfalls im Rahmen des § 581 Abs. 3 RVO nicht entgegensteht.
Schließlich stützt auch das Urteil des BSG in SozR 2200 § 551 Nr. 35 nicht die Argumentation des Klägers, weil es allein darum ging, daß der Träger der UV verpflichtet ist, eine BK schon vor Eintritt des Leistungsfalls i.S.d. § 551 Abs. 3 RVO festzustellen, was das BSG bejaht hat.
Unzulässig ist die Klage auch insoweit, als der Kläger verlangt festzustellen, daß die Folgen der BK seit Dezember 1982 bestehen. Diesbezüglich kann jedenfalls das erforderliche besondere Feststellungsinteresse nicht bejaht werden.
Nach der Rechtsprechung des BSG bezieht sich das Feststellungsinteresse i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ausschließlich auf den Folgezustand des schädigenden Ereignisses im Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung (BSG SozR 3-1500 § 55 Nr. 6). Ein Feststellungsurteil hat - so das BSG - zum Ziel, dem Verletzten für den Fall der Verschlimmerung oder des Hinzutretens von Spätfolgen eines Arbeitsunfalls (oder einer BK) bei der Realisierung zukünftiger Ansprüche vor allem die Beweisführungslast zu ersparen. Eine solche Feststellung kann aber - wie das BSG weiter ausgeführt hat - bereits ihrem Wesen nach nur für Gesundheitsstörungen getroffen werden, die in der Zukunft überhaupt noch Folgen entwickeln können. Deshalb kann sich das Feststellungsinteresse nicht auf Verhältnisse beziehen, die in der Vergangenheit vorgelegen haben.
Im vorliegenden Fall kann ein etwaiger künftiger Leistungsanspruch in Form eines Rentenanspruchs nur dann realisiert werden, wenn die bk-bedingte MdE ein rentenberechtigendes Ausmaß, nämlich 20 v.H. erreicht. Erst dann kann der Leistungsfall i.S.d. § 551 Abs. 3 RVO eintreten, für den bei der hier gegebenen Fallkonstellation der Beginn der Krankheit keine Rolle mehr spielt. Unerheblich ist deshalb, ob die beim Kläger anerkannte BK bzw. deren Folgen bereits in der Vergangenheit ab einem bestimmten Zeitpunkt vorgelegen hat bzw. haben, denn daraus können keine Rechtsfolgen im Hinblick auf künftige Leistungen hergeleitet werden. Auch für eine etwaige gegenwärtige Leistungsverpflichtung der Beklagten im Hinblick auf eine möglicherweise bestehende Behandlungsbedürftigkeit spielt es keine Rolle, seit wann BK-Folgen vorliegen. Maßgebend ist insoweit nur, ob und welche BK-Folgen gegenwärtig gegeben sind, die ggf. Behandlungsbedürftigkeit bedingen.
Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, daß eine beginnende Schwerhörigkeit mit beidseitigen Ohrgeräuschen Folge der bei ihm bestehenden BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV ist, ist hingegen das Feststellungsinteresse zu bejahen und die Klage i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässig. Auch wenn nach aller wissenschaftlichen Erkenntnis - worauf auch der SV Prof. Dr. P ... zutreffend hingewiesen hat - eine Zunahme der Lärmschwerhörigkeit und ihrer Folgen einschließlich der Ohrgeräusche nach Beendigung der Lärmexposition nicht möglich ist und von daher eine künftig eintretende Verschlimmerung als kaum denkbar erscheint, so ist es doch jedenfalls als nicht ausgeschlossen anzusehen, daß sich insbesondere die Auswirkungen der Ohrgeräusche (Tinnitus) durch das Hinzutreten anderer Umstände verschlimmern können. Nicht ausgeschlossen ist auch, daß die BK-Folgen noch Behandlungsbedürftigkeit zur Folge haben können. Eine solche nicht eben entfernt liegende Möglichkeit genügt aber für die Bejahung des Feststellungsinteresses (vgl. BSG SozR 3-1500 § 55 Nr. 6 m.w.N.), das im übrigen auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt worden ist.
Die hiernach zulässige Feststellungsklage ist auch begründet. Als Folge der von der Beklagten mit Bescheid vom 26.05.1994 anerkannten BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV liegt beim Kläger eine beginnende Schwerhörigkeit mit beiderseitigen Ohrgeräuschen vor.
Der Senat stützt diese Feststellung auf das ausführliche und sorgfältig begründete Gutachten des im Berufungsverfahren gehörten SV Prof. Dr. P ..., der anerkannter Fachmann auf dem Gebiet der Lärmschwerhörigkeit ist.
Die Beklagte hat Einwände gegen dessen Beurteilung erst mit Schriftsatz vom 19.03.1998 und auch nur insoweit vorgebracht, als es um den Tinnitus geht, indem sie ausgeführt hat, der SV sei in seinem Gutachten nicht auf die naheliegende Frage eingegangen, wieso sich ein berufsbedingter Tinnitus erst im Klageverfahren, also etwa 12 Jahre nach Ende der beruflichen Lärmexposition bemerkbar mache, nach ihren Unterlagen habe der Kläger erstmals anläßlich der Begutachtung für das SG im Dezember 1994 über Ohrgeräusche geklagt, unter diesen Umständen fehle dem Tinnitus die zeitliche Nähe zur letzten Lärmexposition, er könne daher nicht als beruflich bedingt anerkannt werden.
Dieser Argumentation der Beklagten vermag der erkennende Senat nicht zu folgen.
Zum einen hat das Argument der "zeitlichen Nähe" für die Beklagte offenbar keine Rolle gespielt, als sie aufgrund des Gutachtens von Dr. W ... das Vorliegen einer Lärmschwerhörigkeit anerkannt hat, obwohl die ärztliche BK-Anzeige erst im September 1993, mithin mehr als 10 Jahre nach dem Ende der Lärmexposition, erstattet worden ist und dieser Anzeige Tonaudiogramme erst ab November 1991 beigefügt waren. Zum anderen trifft es nicht zu, daß der Kläger erstmals im Klageverfahren anläßlich der Begutachtung durch den SV Dr. B ... im Dezember 1994 über Ohrgeräusche geklagt hat. Zwar wird ein Tinnitus im Gutachten des Dr. W ... vom 04.02.1994 weder bei den anamnestischen Angaben des Klägers noch bei der Befundbeschreibung erwähnt. Insoweit hat der Kläger aber bereits in seiner Klageschrift vom 01.09.1994 vorgebracht, er habe Dr. W ... u.a. auch auf dauernde Ohrgeräusche hingewiesen, gleichwohl seien weitere Untersuchungen zur Objektivierung die ser Störungen nicht erfolgt. Das Vorliegen eines Tinnitus ist seit Beginn des Rechtsstreits eines der zentralen Themen im Vortrag des Klägers und insbesondere auch Gegenstand seiner gegen die Gutachten des Dr. W ... und des SV Dr. B ... geltend gemachten Einwendungen gewesen. Er hat wiederholt vorgebracht, daß diese Beschwerden - wie auch die eigentliche Hörstörung - bereits seit Mitte der siebziger Jahre bestünden. Immerhin hat der HNO-Arzt Dr. C ..., bei dem der Kläger seit 1991 in Behandlung steht, in seinem Arztbrief vom 03.12.1993 einen Tinnitus bei Innenohrerkrankung und Verdacht auf Lärmschaden beschrieben und in seinem Bericht vom 07.07.1996 - bezogen auf Mai 1993 - von sich chronifizierenden Tinnitusbeschwerden gesprochen.
Daß beim Kläger Ohrgeräusche bestehen, wird im übrigen auch von der Beklagten offenbar nicht bestritten. Sie verneint insoweit lediglich den ursächlichen Zusammenhang mit der beruflichen Lärmexposition des Klägers.
Dieser Auffassung der Beklagten vermag der erkennende Senat nicht beizutreten.
Auch der SV Dr. B ... hat in seinem Gutachten vom 28.12.1994 die Ohrgeräusche des Klägers beschrieben und keine Zweifel hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs mit der Lärmeinwirkung am Arbeitsplatz geäußert. Er hat den Tinnitus lediglich anders als der SV Prof. Dr. P ... gewertet, indem er ausgeführt hat, es finde sich kein störender und die Hörstörung wesentlich bestimmender Dauertinnitus beidseits. Dazu hat Prof. Dr. P ... indes zutreffend dargelegt, in der von Dr. B ... vorgenommenen Beurteilung sei auf den Tinnitus eingegangen und er sei als nicht störend bezeichnet worden, obwohl anamnestisch festgehalten worden sei, daß der Kläger sich immer besonders konzentrieren müsse, um das Geräusch überhören oder verdrängen zu können.
Wie Prof. Dr. P ... des weiteren ausgeführt hat, ist das von ihm gefundene breitbandige Ohrgeräusch verdeckbar, so daß es wahrscheinlich Folge eines Haarzellschadens im Innenohrorgan ist, wie er durch Lärm verursacht wird (vgl. dazu auch das Königsteiner Merkblatt, 4. Aufl. 1996, S. 16). Andere - lärmunabhängige - Ursachen bzw. eine andere Ohrerkrankung, die den Tinnitus erklären könnte, hat der SV - wie im übrigen auch Dr. Wehmer und Dr. B ... - nicht feststellen können. Wenn Prof. Dr. P ... dann zu dem Ergebnis gelangt ist, unter Berücksichtigung der langfristigen Lärmeinwirkung am Arbeitsplatz und des Fehlens sonstiger Hinweise auf eine Ohrerkrankung - und dies ist ein wesentlicher Gesichtspunkt - sei es somit wahrscheinlich, daß auch der Tinnitus ebenso wie die Hörminderung Folge einer BK nach Nr. 2301 sei, so ist diese Beurteilung einleuchtend und schlüssig begründet.
Der Senat hat nach allem keine Bedenken, die erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Tinnitus und der Lärmexposition bzw. der lärmbedingten Hörstörung zu bejahen, so daß auch die beidseitigen Ohrgeräusche in die Feststellung der BK-Folgen mit einzubeziehen waren.
Unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Urteils und der Verwaltungsentscheidungen der Beklagten war daher der Feststellungsklage im erkannten Umfang stattzugeben. Im übrigen war sie aus den oben dargelegten Gründen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierfür war maßgebend, daß der Kläger mit seinem ursprünglichen Leistungsbegehren nicht durchdringen konnte und auch mit seiner Feststellungsklage nur teilweise obsiegt hat.
Es bestand kein Anlaß, die Revision zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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