Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 26 U 249/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 277/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 365/00 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 9. September 1997 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) des Klägers die Voraussetzungen einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) erfüllt.
Der 1944 geborene Kläger war von April 1958 bis September 1963 als Bergjungmann (Schlepper) im Bergbau tätig. Seit Oktober 1963 war er bei der Firma D ... AG in K ... als Schweißer beschäftigt. Nach der im ersten Rechtszug eingeholten Arbeitgeberauskunft vom 10.01.1997 arbeitete der Kläger bis September 1974 im Schienenfahrzeugbau. Er war bei der Fertigung von sogenannten Untergruppen beim Bau von Schienenfahrzeugen eingesetzt und musste - wie die Beweisaufnahme im Berufungsverfahren ergeben hat - Untergestelle, die sich auf Böcken befanden, im Akkord schweißen. Daneben musste er auch unterschiedliche Schweißarbeiten an den Waggons durchführen. Die Schweißarbeiten erforderten wechselnde Körperhaltung, wobei gelegentlich auch in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet wurde. Die im Einzelfall einzubauenden Teile hatten ein Gewicht von 10 bis 15 kg. Seit September 1974 ist der Kläger im Bereich "Ringfeder" mit dem Zusammenschweißen von Anhängerkupplungen (Kupplungsmäulern) befasst. Der Kläger gab insoweit am 27.12.1994 an, dass er pro Schicht etwa 260 dieser Werkstücke heben, tragen und schweißen müsse.
Nach dem Bericht des Technischen Aufsichtsbeamten (TAB) Dipl. Ing. R ... vom 02.10.1995 müssen die Teile der Kupplung (größtes Gewicht 13 kg) aus einer etwa 2 m entfernten Gitterbox entnommen, zum Schweißarbeitsplatz transportiert und nach dem Schweißvorgang wieder in eine andere Gitterbox abgelegt werden. Pro Schicht werden 200 bis 250 Teile bearbeitet. Die Ringfeder ... GmbH teilte unter dem 10.01.1997 und 14.06.1999 mit, das Gewicht liege bei den Kupplungsmäulern vom Typ 86 bei 10,5 und bei denen vom Typ 80-81 bei 12,5 kg. Es würden pro Schicht etwa 240 Kupplungskörper bearbeitet, wobei 75 % auf den kleineren, der Rest auf den größeren Typ entfielen. Der Kläger gab insoweit im Widerspruchsverfahren und im ersten Rechtszug an, er habe - um die Schichtleistung zu erfüllen - regelmäßig zwei Kupplungskörper auf einmal der Gitterbox entnommen und zum Arbeitsplatz und zurück getragen. Daneben wurden - wie die Beweisaufnahme im Berufungsverfahren ergeben hat - im geringeren Umfang auch noch andere Kupplungsteile, z. B. Kupplungsstangen, die ein unterschiedliches Gewicht hatten, bearbeitet. Der Zeuge N ... hat insoweit angegeben, der Kläger befasse sich in der Abteilung Ringfeder mit dem Schweißen von Kupplungsteilen, wobei die Akkordvorgabe 240 Stück in 7 Stunden betrage. Die Arbeitszeit pro Schweißvorgang einschließlich des Herausnehmens, Transportierens und Weglegens sei mit 1,5 Minuten angesetzt. Zusammen mit der tariflich vereinbarten Verteilzeit ergebe sich insoweit eine Arbeitszeitvorgabe von 2,4 Minuten. Diese Vorgaben beruhten auf einem Arbeitsgang mit einem Werkstück. Regelmäßig würden aber - um schneller fertig zu werden und Zeit einzusparen - zwei Stücke gleichzeitig der Gitterbox entnommen, bearbeitet und dann weggelegt.
Im September 1994 wurde beim Kläger wegen einer spinalen Stenose bei L 3/4 und L 4/5 rechts in der Neurochirurgischen Klinik der Evangelischen und Johanniter-Krankenanstalten D ...-N .../O ... eine Bandscheibenoperation durchgeführt, wobei die Bandscheiben belassen wurden und eine knöcherne Erweiterung des lumbalen Spinalkanals sowie eine Neurolyse der L 4- und L 5-Wurzel erfolgte (Bericht der Oberärztin Dr. B ... vom 07.10.1994). Der behandelnde Allgemeinmediziner Dr. R ... zeigte der Beklagten unter dem 01.12.1994 den Verdacht auf das Vorliegen einer BK an. Die Arbeitgeberanzeige wurde am 03.02.1995 erstellt.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis und die medizinischen Unterlagen von Dr. R ... bei, befragte den Kläger zu den Hebe- und Tragebelastungen sowie Arbeiten in Rumpfbeugehaltung und holte vom Technischen Aufsichtsdienst (TAD) die o. a. Stellungnahme des Dipl.-Ing. R ... ein, der zusammenfassend zu dem Ergebnis kam, die arbeitstechnischen Kriterien für die Entstehung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV seien nicht erfüllt.
Mit Bescheid vom 17.01.1996 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen wegen der LWS-Erkrankung des Klägers mit der Begründung ab, die haftungsbegründende Kausalität für die Entstehung der BK sei nicht erfüllt. - Der Kläger erhob am 05.02.1996 Widerspruch und machte geltend, er verrichte die Schweißarbeiten an den Kupplungskörpern seit 20 Jahren, so dass im Hinblick auf die damit verbundenen Hebe- und Tragebelastungen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK erfüllt seien. Dipl.-Ing. R ... nahm nach Besichtigung des Arbeitsplatzes am 13.05.1996 erneut Stellung und führte aus, die Belastungszeit bei den im Durchschnitt 260 Hebe- und Tragevorgängen liege bei jeweils 4 bis 5 Sekunden bei einer Gewichtsbelastung von 21 bzw. 25 kg. Errechne man nach dem Vorschlag von Hartung die Gesamtbelastungsdosis unter Zugrundelegung einer ungünstigen Körperhaltung, komme man auf einen Dosisrichtwert von 8,7 x 106 Nh. Damit seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK nicht gegeben, denn diese lägen erst bei einer Überschreitung des Dosisrichtwertes von 12,5 x 106 Nh vor. - Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Bescheid vom 09.08.1996 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 02.09.1996 vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK erfüllt. Seine LWS-Erkrankung sei auch ursächlich auf die berufliche Tätigkeit bei der Firma D ... AG bzw. Ringfeder ... GmbH zurückzuführen.
Das SG hat eine Arbeitgeberauskunft vom 10.01.1997 eingeholt, von dem behandelnden Orthopäden Dr. W ... einen Behandlungs- und Befundbericht vom 28.01.1997 beigezogen und sodann weiteren Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Dr. S ..., Orthopädische Abteilung des St. M ...-Hospitals B ..., ist darin am 07.04.1997 zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger bestünden im unteren LWS-Bereich belastungsabhängige Ischialgien sowie eine Nervenwurzelreizsymptomatik auf der Grundlage einer Spinalkanalstenose nach durchgeführter Laminektomie in den Segmenten L 3/L 4 und L 4/L 5 rechts mit röntgenologisch erkennbarer fortgeschrittener Spondylarthrose im Bereich der Bewegungssegmente L 3/L 4, L 4/L 5 und L 5/S 1 sowie deutliche Osteochondrosen in diesen Bewegungssegmenten. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit 20 v. H. einzuschätzen. Unterstelle man, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer BK nach Nr. 2108 gegeben seien, müsse angesichts des Erscheinungsbildes der bandscheibenbedingten Veränderungen an der LWS und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die degenerativen Bandscheibenveränderungen im Bereich der Brust- und Halswirbelsäule (BWS, HWS) deutlich geringer ausgeprägt seien, von einer wesentlichen Mitverursachung durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden. Da der Kläger aber eine Tätigkeit als Schweißer mit den entsprechenden körperlichen Belastungen noch weiter ausübe, könne von einem Zwang zur Tätigkeitsaufgabe noch keine Rede sein, so dass nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale der BK erfüllt seien.
Mit Urteil vom 09.09.1997 hat das SG unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide festgestellt, dass die mehrsegmentale, fortgeschrittene, über die Altersnorm hinausgehende Osteochondrose in den Abschnitten L 3/L 4, L 4/L 5, L 5/S 1 mit deutlichem Verschleiß der Wirbelgelenke und der daraus resultierenden Einengung des Wirbelkanals sowie der Zustand nach Laminektomie in L 3/L 4 und L 4/L 5 rechts durch die Tätigkeit des Klägers in dem Unternehmen der D ... AG in rechtlichem Sinne wesentlich mitverursacht worden sind. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Feststellungsklage sei nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 9 Abs. 4 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) statthaft. Nach dem medizinischen Beweisergebnis sei erwiesen, dass wesentlich mitursächlich für die beim Kläger bestehenden bandscheibenbedingten Veränderungen im Bereich der LWS seine berufliche Tätigkeit sei. Insoweit seien entgegen der Annahme der Beklagten auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung der BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV erfüllt. Ob insoweit der Berechnung der Gesamtbelastungsdosis nach dem von Hartung vorgeschlagenen Berechnungsmodell zu folgen sei, erscheine zweifelhaft, da dieser offenkundig von einem zu hohen Grenzwert ausgehe. Die nachgewiesenen Lastgewichte von 21 bis 25 kg, die der Kläger über einen Zeitraum von 20 Jahren getragen habe, reichten aus, um von einer hinreichenden Belastung i. S. des zu der streitigen BK herausgegebenen Merkblatts für die ärztliche Untersuchung auszugehen. Das Krankheitsbild sei auch vom Schweregrad so ausgeprägt, dass der Kläger - wie der Sachverständige (SV) Dr. S. dargelegt habe - auch unter Berücksichtigung der inzwischen eingeführten Arbeitserleichterung ärztlicherseits gezwungen sei, die belastende Tätigkeit alsbald aufzugeben.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 14.10.1997 zugestellte Urteil am 17.10.1997 Berufung eingelegt. Sie ist zum einen der Ansicht, das SG habe nicht zu einem Feststellungsurteil kommen dürfen, weil § 9 Abs. 4 SGB VII hier nicht anwendbar sei. Im übrigen sei entgegen dem SG nicht erwiesen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung der BK erfüllt seien. Insoweit habe sich das SG über die substantiierten Feststellungen ihres TAB und das anerkannte Berechnungsmodell von Hartung hinweggesetzt. Im übrigen seien aber auch die medizinischen Voraussetzungen für die Annahme einer im wesentlichen durch versicherte Tätigkeit entstandenen bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS nicht gegeben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 09.09.1997 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger, der dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst ein Gutachten von Dr. V ..., Arzt für Orthopädie in R ... eingeholt. Dieser ist darin am 09.06.1998 zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt, aufgrund der bisher im Verwaltungs- und Klageverfahren angestellten Ermittlungen könne nicht hinreichend sicher festgestellt werden, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitigen BK erfüllt seien. Unterstelle man deren Vorliegen, müsse man davon ausgehen, dass die im Bereich der LWS bestehenden Veränderungen wesentlich mitursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen seien. Dies folge auch daraus, dass die bandscheibenbedingten Veränderungen an der BWS und HWS geringer ausgeprägt seien, so dass von einer generalisierten Verschleißerkrankung der WS aus körpereigener Ursache nicht hinreichend sicher ausgegangen werden könne. Weitere konkurrierende Faktoren, die eine überragende außerberufliche Verursachung der bandscheibenbedingten Veränderungen an der LWS begründen könnten, seien nicht feststellbar. Die dem Alter vorauseilenden, bandscheibenbedingten Veränderungen in den drei Segmenten der unteren LWS mit einer gegenüber der Altersnorm eingeschränkten Entfaltbarkeit der WS und mäßig eingeschränkter Dreh- und Seitbiegefähigkeit mit lokalen Reizerscheinungen der Wirbelgelenke und der Muskulatur ohne Anhaltspunkte für eine dynamische Instabilität der betroffenen Bewegungssegmente bedinge im Falle der Anerkennung der BK eine MdE von 10 v. H ...
Der Senat hat sodann zur Klärung der haftungsbegründenden Kausalität Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen K ..., N ..., W ..., T ... und G ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 02.12.1998 verwiesen. Außerdem wurden Auskünfte der Ringfeder ... GmbH vom 14.06., 13.07.1999 und 12.04.2000 eingeholt.
Die Beklagte hat eine weitere Stellungnahme ihres TAB Dipl.-Ing. R ... vom 17.02.1999 vorgelegt. Darin wird zusammenfassend ausgeführt, der Kläger sei während seiner früheren Tätigkeit bei Schweißarbeiten an Waggons und Untergestellen bis 1974 nicht im Sinne der streitigen BK hinreichend belastend tätig gewesen, weil weder die notwendige Zahl von Hebe- und Tragevorgängen angefallen sei noch Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung nennenswerten Umfangs verrichtet worden seien. Für die nachfolgende Zeit als Schweißer in der Abteilung Ringfeder seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen gleichfalls nicht erfüllt. Bis zum 16.09.1984, als der Kläger 40 Jahre alt geworden sei, müssten nach dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung Lastgewichte von mindestens 25 kg in der notwendigen Regelmäßigkeit und überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten getragen worden sein. Dies sei aber im Hinblick darauf, dass weitaus überwiegend Kupplungskörper vom Typ 86 zu schweißen gewesen seien, nicht der Fall, denn deren Gesamtgewicht belaufe sich nur auf 21 kg. Dies habe das SG bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt. Erst danach sei im Hinblick auf den niedrigeren Grenzwert von 20 kg davon auszugehen, dass der Kläger in nennenswertem Umfang Gewichte über diesem Grenzwert habe tragen müssen. Allerdings könne im Hinblick auf die Hebe- und Tragezeiten unter Annahme einer großzügigen Belastungsdauer von 10 Sekunden pro Kupplungspaar nur von einer Tragezeit von 45 Minuten bei einer Höchstmenge von 270 Teilen pro Schicht ausgegangen werden. Wenn auch ab 1984 somit eine langjährige Belastung in der Mehrzahl der Arbeitsschichten gegeben sei, sei das Kriterium des regelmäßigen und häufigen Hebens und Tragens aber nicht erfüllt. Die Beklagte hat schließlich nach Aufforderung durch den Senat eine Berechnung der Belastungsdosis nach dem "Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) zur Beurteilung der Belastung der LWS durch Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung bei Verdacht auf BK Nr. 2108" (veröffentlicht in der Zeitschrift Arbeitsmedizin/Sozialmedizin/Umweltmedizin [ASU] 1999, 101 f.) vorgenommen, wobei der Dipl.-Ing. R ... unter dem 17.11.1999 und 14.06.2000 zu dem Ergebnis gelangt ist, die schichtbezogene Beurteilungsdosis - Richtwert für Männer von 5,5 x 103 Nh - werde für das Heben und Tragen von jeweils 2 Kupplungskörpern nicht erreicht, und zwar unabhängig davon, ob dabei entsprechend der Arbeitgeberauskunft vom 14.06.1999 von einer durchschnittlich täglich bearbeiteten Stückzahl von 210 Kupplungskörpern oder aber entsprechend der Arbeitgeberauskunft vom 12.04.2000 von einem Tagesdurchschnitt von 240 ausgegangen werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die Akte der Beklagten lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG dem Feststellungsbegehren stattgegeben, denn die beim Kläger im Bereich der LWS bestehenden krankhaften Veränderungen sind nicht ursächlich auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen.
Der im Verwaltungsverfahren erhobene Entschädigungsanspruch des Klägers beurteilt sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil das Verwaltungsverfahren vor dem Inkafttreten des SGB VII zum 01.01.1997 (vgl. Art. 36 Unfallversicherungseinordnungsgesetz [UVEG]) eingeleitet worden ist und sich aus den Übergangsvorschriften der §§ 212 ff. SGB VII nichts anderes ergibt. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten hat der Senat auch keine Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des vor dem SG zuletzt gestellten und auf § 9 Abs. 4 SGB VII gestützten Feststellungsantrages. Danach haben die Unfallversicherungsträger in den Fällen, in denen die Anerkennung einer Krankheit als BK die Unterlassung aller Tätigkeiten voraussetzt, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, vor Unterlassung einer noch verrichteten gefährdenden Tätigkeit darüber zu entscheiden, ob die übrigen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK erfüllt sind. Diese verfahrensrechtliche Bestimmung ist nach § 214 Abs. 4 SGB VII aber auch auf Versicherungsfälle anwendbar, für die noch die Bestimmungen der RVO maßgebend sind.
Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt eines Arbeitsunfalls nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften Entschädigungsleistungen. Als Arbeitsunfall gilt gem. § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine BK. BKen sind nach § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Die hier streitige BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV erfasst bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wideraufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Die Feststellung einer BK setzt grundsätzlich voraus (vgl. zum folgenden: Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung [Handkommentar] Stand 6/96, § 551 RVO Rdnr. 3; Mehr tens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung [Kommentar] E § 9 SGB VII Rdnr. 14), dass zum einen in der Person des Versicherten die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, d. h., dass er im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen - wie das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtssprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R - m. w. N.) entschieden hat -, die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaßes im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang (haftungsausfüllende Kausalität) als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Unfallversicherungsrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG E 61, 127, 129; 63, 272, 278; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, a. a. O.) zu bewerten ist, reicht dagegen grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit- aus (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38; § 551 Nr. 1; BSG Urteil vom 27.06.2000; Mehrtens/Perlebach, a. a. O., Rdnr. 26).
Die Feststellung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV ist häufig problematisch, weil zahlreiche Zweifelsfragen hinsichtlich der Voraussetzungen für die Anerkennung dieser BK bestehen (vgl. dazu die Nachweise im Urteil des LSG Niedersachsen vom 05.02.1998 - L 6 U 178/97 - = Breithaupt 1998, 894 ff. sowie - aus medizinischer Sicht -: Baars/Bolm-Audorff/Hittmann/Stahlkopf, ASU 1997, 480 f. und aus rechtlicher Sicht: - Becker, SGb 2000, 116 f.) und der Verordnungsgeber sich abstrakter und unbestimmter Begriffe bedient hat, um - so das BSG - die Berücksichtigung neuer arbeitstechnischer und medizinischer Erkenntnisse zu ermöglichen (BSG SozR 3 - 5680 Art. 2 Nr. 1; vgl. auch BSG Urteil vom 18.11.1997 - 2 RU 84/94 - = SGb 1999, 39 f. mit Anmerkungen von Ricke, sowie zuletzt - die Verfassungsmäßigkeit der Regelung durch den Verordnungsgeber unter Aufhebung des o. a. Urteils des LSG Niedersachsen bejahend: BSGE 84, 30 ff.) Zum einen ist nämlich weitgehend unge klärt, was z. B. unter "langjährigem Heben und Tragen schwerer Lasten" zu verstehen ist, zum anderen fehlen auch gesicherte Erkenntnisse darüber, ab wann denn nun derartige Belastungen bandscheibenbedingte Erkrankungen im Bereich der LWS verursachen können und sich das Schadensbild auch ohne körperliche Einwirkungen schicksalhaft entwickeln kann, zumal derartige Erkrankungen in der Bevölkerung allgemein weit verbreitet sind (vgl. Abschnitt IV des zu der BK vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Merkblatts für die ärztliche Untersuchung, abgedruckt bei Mehrtens/Perlebach, a. a. O., M 2108 S 1 ff.; siehe auch Ludolph/Spohr/Echtermeyer, BG 1994, 349, 352; Pöhl/Eilebrecht/Hax/Römer, BG 1997, 670, 672; Rompe/Thürauf, Med. Sach. 1998, 116, 118). Dementsprechend hat das BSG ausgeführt, dass sich deshalb häufig die berufliche Verursachung bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS nur schwer nachweisen lassen wird (BSGE 84, 30, 40) und daher aus dem Umstand, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK erfüllt sind, nicht schon ein Anscheins beweis im Sinne des § 9 Abs. 3 SGB VII zugunsten des ursächlichen Zusammenhangs folgt (BSG SGb 1999, 39 f.; vgl. auch Mehrtens/Perlebach, a. a. O. M 2108 Rdnr. 7 Seite 26 a).
Nach dem o. a. Merkblatt für die ärztliche Untersuchung, das zwar keine verbindliche, im Rahmen der Verordnung stehende Erläuterung darstellt, aber wertvolle Hinweise für die Beurteilung von ursächlichen Zusammenhängen aus arbeitsmedizinischer Sicht gibt und eine arbeitstechnische und medizinische Konkretisierung der BK beinhaltet (Urteil des erkennenden Senats vom 10.05.2000 - L 17 U 296/97 -), sind nach Abschnitt I wichtige Gefahrenquellen für die Entstehung bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS fortgesetzes Heben, Tragen und Absetzen schwerer Lasten sowie häufiges Arbeiten in extremer Beugehaltung des Rumpfes, wie es vor allem im untertägigen Bergbau, bei Maurern, Steinsetzern und Stahlbetonbauern, Schauerleuten, Möbel-, Kohlen-, Fleisch- und anderen Lastenträgern, bei Landwirten, Fischern und Waldarbeitern sowie bei Beschäftigten in der Kranken-, Alten- und Behindertenpflege vor kommt. Daraus ergibt sich, dass ein wesentlicher Anteil der Arbeitsschichten mit einer entsprechenden Exposition verbunden sein muss. Das Merkblatt führt in seinem Abschnitt IV Anhaltspunkte für den Begriff "schwere Lasten" auf. Die - aus präventiv-me dizinischen Gründen festgelegten - Lastgewichte betragen bei Männern im Alter zwischen 18 und 39 Jahren 25 kg und ab dem 40. Lebensjahr 20 kg. Diese Lastgewichte müssen mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten gehoben und getragen werden, um als Ursache von bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS in Frage kommen zu können. "Langjährig" bedeutet, dass regelmäßig 10 Berufsjahre als untere Grenze der Dauer der belastenden Tätigkeit zu fordern sind. Unter "Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung" sind nach dem Merkblatt nur Arbeiten in Arbeitsräumen mit einer Höhe von weniger als 100 cm oder solche Arbeiten zu verstehen, bei denen der Oberkörper aus der aufrechten Haltung um mehr als 90 Grad gebeugt wird.
Hinsichtlich der Ermittlung einer ausreichenden Belastungsdosis bestehen große Unterschiede bei den verschiedenen Berufsgenossen schaften; eine Klärung durch die Rechtsprechung ist bisher nicht erfolgt (vgl. LSG Niedersachsen, a. a. O. Seite 904; Baars/Bolm-Audorff/Hittmann/Stahlkopf, a. a. O., Seite 481; Becker, a. a. O. S. 117 m. w. N.).
Nach den arbeitstechnischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, insbesondere den eingeholten Firmenauskünften und dem Ergebnis der Zeugenvernehmung im Berufungsverfahren kommt - wie auch Dipl.-Ing. R ... in seiner Stellungnahme vom 17.02.1999 dargelegt hat - nur die Tätigkeit des Klägers im Bereich Ringfeder als belastend i. S. der streitigen BK in Betracht. Die zuvor von 1963 bis 1974 bei der D. AG ausgeübte Schweißertätigkeit im Waggonbau war nicht mit regelmäßigen Hebe- und Tragebelastungen verbunden, und auch Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung fielen allenfalls gelegentlich an. Bezüglich der danach und bis jetzt ausgeübten Tätigkeit beim Zusammenbau von Kupplungen scheidet die bis zur Vollendung des 39. Lebensjahres ausgeübte Tätigkeit des Klägers gleichfalls aus, weil bis zu diesem Zeitpunkt Lastgewichte von 25 kg oder mehr nur in zeitlich geringem Umfang von ihm zu bewegen und zu tragen waren. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht mehr streitig. In der Folgezeit musste der Kläger zwar - ausgehend von seinen Angaben, wonach er immer zwei Kupplungskörper getragen hat - in nennenswertem Umfang Lastgewichte über dem nunmehr maßgebenden Grenzwert von 20 kg heben und tragen. Mit der Beklagten ist der Senat allerdings der Auffassung, dass im Hinblick auf die Hebe- und Tragezeiten unter Annahme einer großzügigen Belastungsdauer von 10 Sekunden pro Kupplungspaar bei einer Höchstmenge von 270 Teilen nur eine Tragebelastung von insgesamt 45 Minuten pro Arbeitsschicht anfiel. Das reicht nicht aus, um davon auszugehen, dass die Kriterien des regelmäßigen und häufigen Hebens und Tragens von Lasten im Sinne der BK Nr. 2108 erfüllt sind. Dies folgt aus der von Dipl.-Ing. R ... unter dem 17.11.1999 und 14.06.2000 durchgeführten Berechnung der schichtbezogenen Beurteilungsdosis nach dem "Mainz-Dortmunder-Dosismodell" (MDD). Es wurde gemeinsam von Medizinern, Arbeitswissenschaftlern und Vertretern der Berufsgenossenschaften entwickelt und hat andere Modelle zur Berechnung einer Lebensdosis, unter anderem von Hartung/Dupuis (BG 1994, 452 f.) beziehungsweise von Jäger/Luttmann (Med. Sach. 1994, 160 f.) abgelöst, die sich in der Praxis nicht durchgesetzt haben, weil sie einen zu großen Ermittlungsaufwand erforderten, von epidemiologisch nicht abgesicherten Dosisrichtwerten ausgingen und auch - wie der Senat bereits in dem rechtskräftigen Urteil vom 10.05.2000 (L 17 U 96/97) ausgeführt hat - zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führten (vgl. dazu Baars/Bolm-Audorff/Hittmann/Stahlkopf, a. a. O. S. 480, 482; Becker, a. a. O. S. 118; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.09.1996 - L 8 U 95/95 - = HVBG-Info 1997, 116 f.). Der Umstand, dass Hartung, Jäger und Luttmann an der Erarbeitung des MDD beteiligt waren, verdeutlicht, dass es sich dabei um ein Konsensmodell handelt, bei dem die Mängel der früheren Berechnungsmodelle beseitigt werden sollten, so dass es jetzt auch von namhaften Befürwortern der BK Nr. 2108, wie dem Hessischen Staatlichen Gewerbearzt Priv. Doz. Dr. B ...-A ..., propagiert wird.
vorstehend angeführten Urteil vom 10.05.2000 hat der erkennende Senat sich bereits dieser Methode zur Ermittlung der Belastungsdosis für die BK Nr. 2108 angeschlossen, weil sie eine Objektivierung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK ermöglicht und inzwischen weitgehend von den Berufsgenossenschaften praktiziert wird. Die "Mindestdosiswerte" liegen danach pro Arbeitsschicht bei Männern bei 5,5 kg Newton/Std. (kNh) und bei Frauen bei 3,5 kNh (vgl. Jäger/Luttmann/Bolm-Audorff/Schäfer/Hartung/Kuhn/Paul/Francks, Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) - Teil 1 - Retrospektive Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder - ASU 1999, 103 ff., 109). Die Mindestdosis - bezogen auf Langzeitbelastungen (Berufsleben) - liegt bei Männern bei 25 Mega-Newton-Stunden (MNh = 106 Nh) bzw. bei Frauen bei 17 MNh.
Hiervon ausgehend ist aber in Bezug auf die vom Kläger ab seinem 40. Lebensjahr ausgeübte Tätigkeit eine die LWS-Bandscheiben schädigende Belastungsdosis in der jeweiligen Arbeitsschicht nicht feststellbar. Bei einer durchschnittlichen Stückzahl von 210 pro Schicht (Schreiben der Firma Ringfeder vom 14.06.1999) ergibt sich bei Kupplungskörpern des Typs 86 ein Dosisrichtwert von 3,697 x 103 Nh, bei denen des Typs 80-81 ein Dosisrichtwert von 4,026 x 103 Nh pro Arbeitsschicht. Wird - entsprechend den Angaben der Ringfeder ... GmbH vom 12.04.2000 - von einer durchschnittlichen Zahl von 240 Kupplungskörpern pro Schicht ausgegangen, liegt der Dosisrichtwert für die kleineren Kupplungskörpertypen bei 3,897 x 103 Nh und für die größeren bei 4,244 x 103 Nh, so dass der schichtbezogene Beurteilungsdosis-Richtwert für Männer nicht erreicht wird, wie die Berechnungen des Dipl.-Ing. R ... vom 17.11.1999 und 23.05.2000 nachgewiesen haben. Soweit der Kläger zuletzt vorgetragen hat, er habe bis zu 300 dieser Werkstücke pro Arbeitsschicht bearbeitet, wird dies von dem Arbeitgeber zwar nicht bestätigt. Aber auch unter Zugrundelegung dieser - nicht bewiesenen - Stückzahl, würde sich am Ergebnis nichts ändern. Die Beurteilungsdosis pro Arbeitsschicht für den Typ 86 läge dann bei 4,374 x 103 Nh und für den Typ 80-81 bei 4,763 x 103 und damit auch weiterhin unter dem als gesundheitsschädigend angesehenen Dosisrichtwert von 5,5 x 103 Nh.
Nach alledem fehlt es hier schon am Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität, so dass sich die Frage des Ursachenzusammenhangs zwischen der beruflichen Tätigkeit und den bandscheibenbedingten Veränderungen an der LWS des Klägers nicht mehr stellt. Die von den Sachverständigen Dr. S ... und Dr. V ... im wesentlichen übereinstimmend beschriebenen bandscheibenbedingten Veränderungen der LWS können daher - entgegen der Auffassung des SG - nicht wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit des Klägers zurückgeführt werden; sie sind nach alledem schicksalhaft entstanden.
Auf die Berufung der Beklagten war daher das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Der Senat hat bereits im Urteil vom 10.05.2000 die Berechnung der Gesamtbelastungsdosis nach dem MDD als ein geeignetes Beweismittel zur Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität der BK 2108 der Anlage zur BKV angesehen. Die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BSG am 10.08.2000 als unzulässig verworfen (B 2 U 222/00 B).
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) des Klägers die Voraussetzungen einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) erfüllt.
Der 1944 geborene Kläger war von April 1958 bis September 1963 als Bergjungmann (Schlepper) im Bergbau tätig. Seit Oktober 1963 war er bei der Firma D ... AG in K ... als Schweißer beschäftigt. Nach der im ersten Rechtszug eingeholten Arbeitgeberauskunft vom 10.01.1997 arbeitete der Kläger bis September 1974 im Schienenfahrzeugbau. Er war bei der Fertigung von sogenannten Untergruppen beim Bau von Schienenfahrzeugen eingesetzt und musste - wie die Beweisaufnahme im Berufungsverfahren ergeben hat - Untergestelle, die sich auf Böcken befanden, im Akkord schweißen. Daneben musste er auch unterschiedliche Schweißarbeiten an den Waggons durchführen. Die Schweißarbeiten erforderten wechselnde Körperhaltung, wobei gelegentlich auch in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet wurde. Die im Einzelfall einzubauenden Teile hatten ein Gewicht von 10 bis 15 kg. Seit September 1974 ist der Kläger im Bereich "Ringfeder" mit dem Zusammenschweißen von Anhängerkupplungen (Kupplungsmäulern) befasst. Der Kläger gab insoweit am 27.12.1994 an, dass er pro Schicht etwa 260 dieser Werkstücke heben, tragen und schweißen müsse.
Nach dem Bericht des Technischen Aufsichtsbeamten (TAB) Dipl. Ing. R ... vom 02.10.1995 müssen die Teile der Kupplung (größtes Gewicht 13 kg) aus einer etwa 2 m entfernten Gitterbox entnommen, zum Schweißarbeitsplatz transportiert und nach dem Schweißvorgang wieder in eine andere Gitterbox abgelegt werden. Pro Schicht werden 200 bis 250 Teile bearbeitet. Die Ringfeder ... GmbH teilte unter dem 10.01.1997 und 14.06.1999 mit, das Gewicht liege bei den Kupplungsmäulern vom Typ 86 bei 10,5 und bei denen vom Typ 80-81 bei 12,5 kg. Es würden pro Schicht etwa 240 Kupplungskörper bearbeitet, wobei 75 % auf den kleineren, der Rest auf den größeren Typ entfielen. Der Kläger gab insoweit im Widerspruchsverfahren und im ersten Rechtszug an, er habe - um die Schichtleistung zu erfüllen - regelmäßig zwei Kupplungskörper auf einmal der Gitterbox entnommen und zum Arbeitsplatz und zurück getragen. Daneben wurden - wie die Beweisaufnahme im Berufungsverfahren ergeben hat - im geringeren Umfang auch noch andere Kupplungsteile, z. B. Kupplungsstangen, die ein unterschiedliches Gewicht hatten, bearbeitet. Der Zeuge N ... hat insoweit angegeben, der Kläger befasse sich in der Abteilung Ringfeder mit dem Schweißen von Kupplungsteilen, wobei die Akkordvorgabe 240 Stück in 7 Stunden betrage. Die Arbeitszeit pro Schweißvorgang einschließlich des Herausnehmens, Transportierens und Weglegens sei mit 1,5 Minuten angesetzt. Zusammen mit der tariflich vereinbarten Verteilzeit ergebe sich insoweit eine Arbeitszeitvorgabe von 2,4 Minuten. Diese Vorgaben beruhten auf einem Arbeitsgang mit einem Werkstück. Regelmäßig würden aber - um schneller fertig zu werden und Zeit einzusparen - zwei Stücke gleichzeitig der Gitterbox entnommen, bearbeitet und dann weggelegt.
Im September 1994 wurde beim Kläger wegen einer spinalen Stenose bei L 3/4 und L 4/5 rechts in der Neurochirurgischen Klinik der Evangelischen und Johanniter-Krankenanstalten D ...-N .../O ... eine Bandscheibenoperation durchgeführt, wobei die Bandscheiben belassen wurden und eine knöcherne Erweiterung des lumbalen Spinalkanals sowie eine Neurolyse der L 4- und L 5-Wurzel erfolgte (Bericht der Oberärztin Dr. B ... vom 07.10.1994). Der behandelnde Allgemeinmediziner Dr. R ... zeigte der Beklagten unter dem 01.12.1994 den Verdacht auf das Vorliegen einer BK an. Die Arbeitgeberanzeige wurde am 03.02.1995 erstellt.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis und die medizinischen Unterlagen von Dr. R ... bei, befragte den Kläger zu den Hebe- und Tragebelastungen sowie Arbeiten in Rumpfbeugehaltung und holte vom Technischen Aufsichtsdienst (TAD) die o. a. Stellungnahme des Dipl.-Ing. R ... ein, der zusammenfassend zu dem Ergebnis kam, die arbeitstechnischen Kriterien für die Entstehung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV seien nicht erfüllt.
Mit Bescheid vom 17.01.1996 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen wegen der LWS-Erkrankung des Klägers mit der Begründung ab, die haftungsbegründende Kausalität für die Entstehung der BK sei nicht erfüllt. - Der Kläger erhob am 05.02.1996 Widerspruch und machte geltend, er verrichte die Schweißarbeiten an den Kupplungskörpern seit 20 Jahren, so dass im Hinblick auf die damit verbundenen Hebe- und Tragebelastungen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK erfüllt seien. Dipl.-Ing. R ... nahm nach Besichtigung des Arbeitsplatzes am 13.05.1996 erneut Stellung und führte aus, die Belastungszeit bei den im Durchschnitt 260 Hebe- und Tragevorgängen liege bei jeweils 4 bis 5 Sekunden bei einer Gewichtsbelastung von 21 bzw. 25 kg. Errechne man nach dem Vorschlag von Hartung die Gesamtbelastungsdosis unter Zugrundelegung einer ungünstigen Körperhaltung, komme man auf einen Dosisrichtwert von 8,7 x 106 Nh. Damit seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK nicht gegeben, denn diese lägen erst bei einer Überschreitung des Dosisrichtwertes von 12,5 x 106 Nh vor. - Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Bescheid vom 09.08.1996 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 02.09.1996 vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK erfüllt. Seine LWS-Erkrankung sei auch ursächlich auf die berufliche Tätigkeit bei der Firma D ... AG bzw. Ringfeder ... GmbH zurückzuführen.
Das SG hat eine Arbeitgeberauskunft vom 10.01.1997 eingeholt, von dem behandelnden Orthopäden Dr. W ... einen Behandlungs- und Befundbericht vom 28.01.1997 beigezogen und sodann weiteren Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Dr. S ..., Orthopädische Abteilung des St. M ...-Hospitals B ..., ist darin am 07.04.1997 zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger bestünden im unteren LWS-Bereich belastungsabhängige Ischialgien sowie eine Nervenwurzelreizsymptomatik auf der Grundlage einer Spinalkanalstenose nach durchgeführter Laminektomie in den Segmenten L 3/L 4 und L 4/L 5 rechts mit röntgenologisch erkennbarer fortgeschrittener Spondylarthrose im Bereich der Bewegungssegmente L 3/L 4, L 4/L 5 und L 5/S 1 sowie deutliche Osteochondrosen in diesen Bewegungssegmenten. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit 20 v. H. einzuschätzen. Unterstelle man, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer BK nach Nr. 2108 gegeben seien, müsse angesichts des Erscheinungsbildes der bandscheibenbedingten Veränderungen an der LWS und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die degenerativen Bandscheibenveränderungen im Bereich der Brust- und Halswirbelsäule (BWS, HWS) deutlich geringer ausgeprägt seien, von einer wesentlichen Mitverursachung durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden. Da der Kläger aber eine Tätigkeit als Schweißer mit den entsprechenden körperlichen Belastungen noch weiter ausübe, könne von einem Zwang zur Tätigkeitsaufgabe noch keine Rede sein, so dass nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale der BK erfüllt seien.
Mit Urteil vom 09.09.1997 hat das SG unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide festgestellt, dass die mehrsegmentale, fortgeschrittene, über die Altersnorm hinausgehende Osteochondrose in den Abschnitten L 3/L 4, L 4/L 5, L 5/S 1 mit deutlichem Verschleiß der Wirbelgelenke und der daraus resultierenden Einengung des Wirbelkanals sowie der Zustand nach Laminektomie in L 3/L 4 und L 4/L 5 rechts durch die Tätigkeit des Klägers in dem Unternehmen der D ... AG in rechtlichem Sinne wesentlich mitverursacht worden sind. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Feststellungsklage sei nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 9 Abs. 4 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) statthaft. Nach dem medizinischen Beweisergebnis sei erwiesen, dass wesentlich mitursächlich für die beim Kläger bestehenden bandscheibenbedingten Veränderungen im Bereich der LWS seine berufliche Tätigkeit sei. Insoweit seien entgegen der Annahme der Beklagten auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung der BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV erfüllt. Ob insoweit der Berechnung der Gesamtbelastungsdosis nach dem von Hartung vorgeschlagenen Berechnungsmodell zu folgen sei, erscheine zweifelhaft, da dieser offenkundig von einem zu hohen Grenzwert ausgehe. Die nachgewiesenen Lastgewichte von 21 bis 25 kg, die der Kläger über einen Zeitraum von 20 Jahren getragen habe, reichten aus, um von einer hinreichenden Belastung i. S. des zu der streitigen BK herausgegebenen Merkblatts für die ärztliche Untersuchung auszugehen. Das Krankheitsbild sei auch vom Schweregrad so ausgeprägt, dass der Kläger - wie der Sachverständige (SV) Dr. S. dargelegt habe - auch unter Berücksichtigung der inzwischen eingeführten Arbeitserleichterung ärztlicherseits gezwungen sei, die belastende Tätigkeit alsbald aufzugeben.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 14.10.1997 zugestellte Urteil am 17.10.1997 Berufung eingelegt. Sie ist zum einen der Ansicht, das SG habe nicht zu einem Feststellungsurteil kommen dürfen, weil § 9 Abs. 4 SGB VII hier nicht anwendbar sei. Im übrigen sei entgegen dem SG nicht erwiesen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung der BK erfüllt seien. Insoweit habe sich das SG über die substantiierten Feststellungen ihres TAB und das anerkannte Berechnungsmodell von Hartung hinweggesetzt. Im übrigen seien aber auch die medizinischen Voraussetzungen für die Annahme einer im wesentlichen durch versicherte Tätigkeit entstandenen bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS nicht gegeben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 09.09.1997 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger, der dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst ein Gutachten von Dr. V ..., Arzt für Orthopädie in R ... eingeholt. Dieser ist darin am 09.06.1998 zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt, aufgrund der bisher im Verwaltungs- und Klageverfahren angestellten Ermittlungen könne nicht hinreichend sicher festgestellt werden, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitigen BK erfüllt seien. Unterstelle man deren Vorliegen, müsse man davon ausgehen, dass die im Bereich der LWS bestehenden Veränderungen wesentlich mitursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen seien. Dies folge auch daraus, dass die bandscheibenbedingten Veränderungen an der BWS und HWS geringer ausgeprägt seien, so dass von einer generalisierten Verschleißerkrankung der WS aus körpereigener Ursache nicht hinreichend sicher ausgegangen werden könne. Weitere konkurrierende Faktoren, die eine überragende außerberufliche Verursachung der bandscheibenbedingten Veränderungen an der LWS begründen könnten, seien nicht feststellbar. Die dem Alter vorauseilenden, bandscheibenbedingten Veränderungen in den drei Segmenten der unteren LWS mit einer gegenüber der Altersnorm eingeschränkten Entfaltbarkeit der WS und mäßig eingeschränkter Dreh- und Seitbiegefähigkeit mit lokalen Reizerscheinungen der Wirbelgelenke und der Muskulatur ohne Anhaltspunkte für eine dynamische Instabilität der betroffenen Bewegungssegmente bedinge im Falle der Anerkennung der BK eine MdE von 10 v. H ...
Der Senat hat sodann zur Klärung der haftungsbegründenden Kausalität Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen K ..., N ..., W ..., T ... und G ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 02.12.1998 verwiesen. Außerdem wurden Auskünfte der Ringfeder ... GmbH vom 14.06., 13.07.1999 und 12.04.2000 eingeholt.
Die Beklagte hat eine weitere Stellungnahme ihres TAB Dipl.-Ing. R ... vom 17.02.1999 vorgelegt. Darin wird zusammenfassend ausgeführt, der Kläger sei während seiner früheren Tätigkeit bei Schweißarbeiten an Waggons und Untergestellen bis 1974 nicht im Sinne der streitigen BK hinreichend belastend tätig gewesen, weil weder die notwendige Zahl von Hebe- und Tragevorgängen angefallen sei noch Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung nennenswerten Umfangs verrichtet worden seien. Für die nachfolgende Zeit als Schweißer in der Abteilung Ringfeder seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen gleichfalls nicht erfüllt. Bis zum 16.09.1984, als der Kläger 40 Jahre alt geworden sei, müssten nach dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung Lastgewichte von mindestens 25 kg in der notwendigen Regelmäßigkeit und überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten getragen worden sein. Dies sei aber im Hinblick darauf, dass weitaus überwiegend Kupplungskörper vom Typ 86 zu schweißen gewesen seien, nicht der Fall, denn deren Gesamtgewicht belaufe sich nur auf 21 kg. Dies habe das SG bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt. Erst danach sei im Hinblick auf den niedrigeren Grenzwert von 20 kg davon auszugehen, dass der Kläger in nennenswertem Umfang Gewichte über diesem Grenzwert habe tragen müssen. Allerdings könne im Hinblick auf die Hebe- und Tragezeiten unter Annahme einer großzügigen Belastungsdauer von 10 Sekunden pro Kupplungspaar nur von einer Tragezeit von 45 Minuten bei einer Höchstmenge von 270 Teilen pro Schicht ausgegangen werden. Wenn auch ab 1984 somit eine langjährige Belastung in der Mehrzahl der Arbeitsschichten gegeben sei, sei das Kriterium des regelmäßigen und häufigen Hebens und Tragens aber nicht erfüllt. Die Beklagte hat schließlich nach Aufforderung durch den Senat eine Berechnung der Belastungsdosis nach dem "Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) zur Beurteilung der Belastung der LWS durch Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung bei Verdacht auf BK Nr. 2108" (veröffentlicht in der Zeitschrift Arbeitsmedizin/Sozialmedizin/Umweltmedizin [ASU] 1999, 101 f.) vorgenommen, wobei der Dipl.-Ing. R ... unter dem 17.11.1999 und 14.06.2000 zu dem Ergebnis gelangt ist, die schichtbezogene Beurteilungsdosis - Richtwert für Männer von 5,5 x 103 Nh - werde für das Heben und Tragen von jeweils 2 Kupplungskörpern nicht erreicht, und zwar unabhängig davon, ob dabei entsprechend der Arbeitgeberauskunft vom 14.06.1999 von einer durchschnittlich täglich bearbeiteten Stückzahl von 210 Kupplungskörpern oder aber entsprechend der Arbeitgeberauskunft vom 12.04.2000 von einem Tagesdurchschnitt von 240 ausgegangen werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die Akte der Beklagten lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG dem Feststellungsbegehren stattgegeben, denn die beim Kläger im Bereich der LWS bestehenden krankhaften Veränderungen sind nicht ursächlich auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen.
Der im Verwaltungsverfahren erhobene Entschädigungsanspruch des Klägers beurteilt sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil das Verwaltungsverfahren vor dem Inkafttreten des SGB VII zum 01.01.1997 (vgl. Art. 36 Unfallversicherungseinordnungsgesetz [UVEG]) eingeleitet worden ist und sich aus den Übergangsvorschriften der §§ 212 ff. SGB VII nichts anderes ergibt. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten hat der Senat auch keine Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des vor dem SG zuletzt gestellten und auf § 9 Abs. 4 SGB VII gestützten Feststellungsantrages. Danach haben die Unfallversicherungsträger in den Fällen, in denen die Anerkennung einer Krankheit als BK die Unterlassung aller Tätigkeiten voraussetzt, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, vor Unterlassung einer noch verrichteten gefährdenden Tätigkeit darüber zu entscheiden, ob die übrigen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK erfüllt sind. Diese verfahrensrechtliche Bestimmung ist nach § 214 Abs. 4 SGB VII aber auch auf Versicherungsfälle anwendbar, für die noch die Bestimmungen der RVO maßgebend sind.
Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt eines Arbeitsunfalls nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften Entschädigungsleistungen. Als Arbeitsunfall gilt gem. § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine BK. BKen sind nach § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Die hier streitige BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV erfasst bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wideraufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Die Feststellung einer BK setzt grundsätzlich voraus (vgl. zum folgenden: Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung [Handkommentar] Stand 6/96, § 551 RVO Rdnr. 3; Mehr tens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung [Kommentar] E § 9 SGB VII Rdnr. 14), dass zum einen in der Person des Versicherten die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, d. h., dass er im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen - wie das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtssprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R - m. w. N.) entschieden hat -, die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaßes im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang (haftungsausfüllende Kausalität) als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Unfallversicherungsrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG E 61, 127, 129; 63, 272, 278; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, a. a. O.) zu bewerten ist, reicht dagegen grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit- aus (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38; § 551 Nr. 1; BSG Urteil vom 27.06.2000; Mehrtens/Perlebach, a. a. O., Rdnr. 26).
Die Feststellung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV ist häufig problematisch, weil zahlreiche Zweifelsfragen hinsichtlich der Voraussetzungen für die Anerkennung dieser BK bestehen (vgl. dazu die Nachweise im Urteil des LSG Niedersachsen vom 05.02.1998 - L 6 U 178/97 - = Breithaupt 1998, 894 ff. sowie - aus medizinischer Sicht -: Baars/Bolm-Audorff/Hittmann/Stahlkopf, ASU 1997, 480 f. und aus rechtlicher Sicht: - Becker, SGb 2000, 116 f.) und der Verordnungsgeber sich abstrakter und unbestimmter Begriffe bedient hat, um - so das BSG - die Berücksichtigung neuer arbeitstechnischer und medizinischer Erkenntnisse zu ermöglichen (BSG SozR 3 - 5680 Art. 2 Nr. 1; vgl. auch BSG Urteil vom 18.11.1997 - 2 RU 84/94 - = SGb 1999, 39 f. mit Anmerkungen von Ricke, sowie zuletzt - die Verfassungsmäßigkeit der Regelung durch den Verordnungsgeber unter Aufhebung des o. a. Urteils des LSG Niedersachsen bejahend: BSGE 84, 30 ff.) Zum einen ist nämlich weitgehend unge klärt, was z. B. unter "langjährigem Heben und Tragen schwerer Lasten" zu verstehen ist, zum anderen fehlen auch gesicherte Erkenntnisse darüber, ab wann denn nun derartige Belastungen bandscheibenbedingte Erkrankungen im Bereich der LWS verursachen können und sich das Schadensbild auch ohne körperliche Einwirkungen schicksalhaft entwickeln kann, zumal derartige Erkrankungen in der Bevölkerung allgemein weit verbreitet sind (vgl. Abschnitt IV des zu der BK vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Merkblatts für die ärztliche Untersuchung, abgedruckt bei Mehrtens/Perlebach, a. a. O., M 2108 S 1 ff.; siehe auch Ludolph/Spohr/Echtermeyer, BG 1994, 349, 352; Pöhl/Eilebrecht/Hax/Römer, BG 1997, 670, 672; Rompe/Thürauf, Med. Sach. 1998, 116, 118). Dementsprechend hat das BSG ausgeführt, dass sich deshalb häufig die berufliche Verursachung bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS nur schwer nachweisen lassen wird (BSGE 84, 30, 40) und daher aus dem Umstand, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK erfüllt sind, nicht schon ein Anscheins beweis im Sinne des § 9 Abs. 3 SGB VII zugunsten des ursächlichen Zusammenhangs folgt (BSG SGb 1999, 39 f.; vgl. auch Mehrtens/Perlebach, a. a. O. M 2108 Rdnr. 7 Seite 26 a).
Nach dem o. a. Merkblatt für die ärztliche Untersuchung, das zwar keine verbindliche, im Rahmen der Verordnung stehende Erläuterung darstellt, aber wertvolle Hinweise für die Beurteilung von ursächlichen Zusammenhängen aus arbeitsmedizinischer Sicht gibt und eine arbeitstechnische und medizinische Konkretisierung der BK beinhaltet (Urteil des erkennenden Senats vom 10.05.2000 - L 17 U 296/97 -), sind nach Abschnitt I wichtige Gefahrenquellen für die Entstehung bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS fortgesetzes Heben, Tragen und Absetzen schwerer Lasten sowie häufiges Arbeiten in extremer Beugehaltung des Rumpfes, wie es vor allem im untertägigen Bergbau, bei Maurern, Steinsetzern und Stahlbetonbauern, Schauerleuten, Möbel-, Kohlen-, Fleisch- und anderen Lastenträgern, bei Landwirten, Fischern und Waldarbeitern sowie bei Beschäftigten in der Kranken-, Alten- und Behindertenpflege vor kommt. Daraus ergibt sich, dass ein wesentlicher Anteil der Arbeitsschichten mit einer entsprechenden Exposition verbunden sein muss. Das Merkblatt führt in seinem Abschnitt IV Anhaltspunkte für den Begriff "schwere Lasten" auf. Die - aus präventiv-me dizinischen Gründen festgelegten - Lastgewichte betragen bei Männern im Alter zwischen 18 und 39 Jahren 25 kg und ab dem 40. Lebensjahr 20 kg. Diese Lastgewichte müssen mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten gehoben und getragen werden, um als Ursache von bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS in Frage kommen zu können. "Langjährig" bedeutet, dass regelmäßig 10 Berufsjahre als untere Grenze der Dauer der belastenden Tätigkeit zu fordern sind. Unter "Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung" sind nach dem Merkblatt nur Arbeiten in Arbeitsräumen mit einer Höhe von weniger als 100 cm oder solche Arbeiten zu verstehen, bei denen der Oberkörper aus der aufrechten Haltung um mehr als 90 Grad gebeugt wird.
Hinsichtlich der Ermittlung einer ausreichenden Belastungsdosis bestehen große Unterschiede bei den verschiedenen Berufsgenossen schaften; eine Klärung durch die Rechtsprechung ist bisher nicht erfolgt (vgl. LSG Niedersachsen, a. a. O. Seite 904; Baars/Bolm-Audorff/Hittmann/Stahlkopf, a. a. O., Seite 481; Becker, a. a. O. S. 117 m. w. N.).
Nach den arbeitstechnischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, insbesondere den eingeholten Firmenauskünften und dem Ergebnis der Zeugenvernehmung im Berufungsverfahren kommt - wie auch Dipl.-Ing. R ... in seiner Stellungnahme vom 17.02.1999 dargelegt hat - nur die Tätigkeit des Klägers im Bereich Ringfeder als belastend i. S. der streitigen BK in Betracht. Die zuvor von 1963 bis 1974 bei der D. AG ausgeübte Schweißertätigkeit im Waggonbau war nicht mit regelmäßigen Hebe- und Tragebelastungen verbunden, und auch Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung fielen allenfalls gelegentlich an. Bezüglich der danach und bis jetzt ausgeübten Tätigkeit beim Zusammenbau von Kupplungen scheidet die bis zur Vollendung des 39. Lebensjahres ausgeübte Tätigkeit des Klägers gleichfalls aus, weil bis zu diesem Zeitpunkt Lastgewichte von 25 kg oder mehr nur in zeitlich geringem Umfang von ihm zu bewegen und zu tragen waren. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht mehr streitig. In der Folgezeit musste der Kläger zwar - ausgehend von seinen Angaben, wonach er immer zwei Kupplungskörper getragen hat - in nennenswertem Umfang Lastgewichte über dem nunmehr maßgebenden Grenzwert von 20 kg heben und tragen. Mit der Beklagten ist der Senat allerdings der Auffassung, dass im Hinblick auf die Hebe- und Tragezeiten unter Annahme einer großzügigen Belastungsdauer von 10 Sekunden pro Kupplungspaar bei einer Höchstmenge von 270 Teilen nur eine Tragebelastung von insgesamt 45 Minuten pro Arbeitsschicht anfiel. Das reicht nicht aus, um davon auszugehen, dass die Kriterien des regelmäßigen und häufigen Hebens und Tragens von Lasten im Sinne der BK Nr. 2108 erfüllt sind. Dies folgt aus der von Dipl.-Ing. R ... unter dem 17.11.1999 und 14.06.2000 durchgeführten Berechnung der schichtbezogenen Beurteilungsdosis nach dem "Mainz-Dortmunder-Dosismodell" (MDD). Es wurde gemeinsam von Medizinern, Arbeitswissenschaftlern und Vertretern der Berufsgenossenschaften entwickelt und hat andere Modelle zur Berechnung einer Lebensdosis, unter anderem von Hartung/Dupuis (BG 1994, 452 f.) beziehungsweise von Jäger/Luttmann (Med. Sach. 1994, 160 f.) abgelöst, die sich in der Praxis nicht durchgesetzt haben, weil sie einen zu großen Ermittlungsaufwand erforderten, von epidemiologisch nicht abgesicherten Dosisrichtwerten ausgingen und auch - wie der Senat bereits in dem rechtskräftigen Urteil vom 10.05.2000 (L 17 U 96/97) ausgeführt hat - zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führten (vgl. dazu Baars/Bolm-Audorff/Hittmann/Stahlkopf, a. a. O. S. 480, 482; Becker, a. a. O. S. 118; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.09.1996 - L 8 U 95/95 - = HVBG-Info 1997, 116 f.). Der Umstand, dass Hartung, Jäger und Luttmann an der Erarbeitung des MDD beteiligt waren, verdeutlicht, dass es sich dabei um ein Konsensmodell handelt, bei dem die Mängel der früheren Berechnungsmodelle beseitigt werden sollten, so dass es jetzt auch von namhaften Befürwortern der BK Nr. 2108, wie dem Hessischen Staatlichen Gewerbearzt Priv. Doz. Dr. B ...-A ..., propagiert wird.
vorstehend angeführten Urteil vom 10.05.2000 hat der erkennende Senat sich bereits dieser Methode zur Ermittlung der Belastungsdosis für die BK Nr. 2108 angeschlossen, weil sie eine Objektivierung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK ermöglicht und inzwischen weitgehend von den Berufsgenossenschaften praktiziert wird. Die "Mindestdosiswerte" liegen danach pro Arbeitsschicht bei Männern bei 5,5 kg Newton/Std. (kNh) und bei Frauen bei 3,5 kNh (vgl. Jäger/Luttmann/Bolm-Audorff/Schäfer/Hartung/Kuhn/Paul/Francks, Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) - Teil 1 - Retrospektive Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder - ASU 1999, 103 ff., 109). Die Mindestdosis - bezogen auf Langzeitbelastungen (Berufsleben) - liegt bei Männern bei 25 Mega-Newton-Stunden (MNh = 106 Nh) bzw. bei Frauen bei 17 MNh.
Hiervon ausgehend ist aber in Bezug auf die vom Kläger ab seinem 40. Lebensjahr ausgeübte Tätigkeit eine die LWS-Bandscheiben schädigende Belastungsdosis in der jeweiligen Arbeitsschicht nicht feststellbar. Bei einer durchschnittlichen Stückzahl von 210 pro Schicht (Schreiben der Firma Ringfeder vom 14.06.1999) ergibt sich bei Kupplungskörpern des Typs 86 ein Dosisrichtwert von 3,697 x 103 Nh, bei denen des Typs 80-81 ein Dosisrichtwert von 4,026 x 103 Nh pro Arbeitsschicht. Wird - entsprechend den Angaben der Ringfeder ... GmbH vom 12.04.2000 - von einer durchschnittlichen Zahl von 240 Kupplungskörpern pro Schicht ausgegangen, liegt der Dosisrichtwert für die kleineren Kupplungskörpertypen bei 3,897 x 103 Nh und für die größeren bei 4,244 x 103 Nh, so dass der schichtbezogene Beurteilungsdosis-Richtwert für Männer nicht erreicht wird, wie die Berechnungen des Dipl.-Ing. R ... vom 17.11.1999 und 23.05.2000 nachgewiesen haben. Soweit der Kläger zuletzt vorgetragen hat, er habe bis zu 300 dieser Werkstücke pro Arbeitsschicht bearbeitet, wird dies von dem Arbeitgeber zwar nicht bestätigt. Aber auch unter Zugrundelegung dieser - nicht bewiesenen - Stückzahl, würde sich am Ergebnis nichts ändern. Die Beurteilungsdosis pro Arbeitsschicht für den Typ 86 läge dann bei 4,374 x 103 Nh und für den Typ 80-81 bei 4,763 x 103 und damit auch weiterhin unter dem als gesundheitsschädigend angesehenen Dosisrichtwert von 5,5 x 103 Nh.
Nach alledem fehlt es hier schon am Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität, so dass sich die Frage des Ursachenzusammenhangs zwischen der beruflichen Tätigkeit und den bandscheibenbedingten Veränderungen an der LWS des Klägers nicht mehr stellt. Die von den Sachverständigen Dr. S ... und Dr. V ... im wesentlichen übereinstimmend beschriebenen bandscheibenbedingten Veränderungen der LWS können daher - entgegen der Auffassung des SG - nicht wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit des Klägers zurückgeführt werden; sie sind nach alledem schicksalhaft entstanden.
Auf die Berufung der Beklagten war daher das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Der Senat hat bereits im Urteil vom 10.05.2000 die Berechnung der Gesamtbelastungsdosis nach dem MDD als ein geeignetes Beweismittel zur Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität der BK 2108 der Anlage zur BKV angesehen. Die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BSG am 10.08.2000 als unzulässig verworfen (B 2 U 222/00 B).
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