S 2 KR 226/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 226/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 315/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

I.   Die Klage gegen den Bescheid vom 22. Dezember 2014 in Gestalt  des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2015 wird abgewiesen.

II.   Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.


T a t b e s t a n d :

Streitig ist ein Anspruch des Klägers als Rechtsnachfolger der verstorbenen Versicherten auf Kostenerstattung für eine bei der Versicherten durchgeführte Behandlung mit dendritischen Zellen.

Am 03.12.2014 beantragte die verstorbene Versicherte über ihren behandelnden Arzt
PD Dr. D. die Kostenübernahme für die Behandlung mit dendritischen Zellen aufgrund eines metastasierenden Mammakarzinoms.

Mit Bescheid vom 22.12.2014 wurde der Antrag abgelehnt. Die dendritische Zelltherapie sei als neue Behandlungsmethode noch nicht bewertet worden. Um zu klären, ob besondere Gründe eine Kostenübernahme im Einzelfall zulassen, sei der MDK eingeschaltet worden. Dieser sei im Gutachten zum Ergebnis gekommen, dass vertragliche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden als Alternative zur Verfügung stehen würden. In Betracht käme z.B. die Bestrahlung der Knochenmetastasen und sonstige Weiterbehandlung gemäß S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Hierzu legte sie Befunde der behandelnden Ärzte vor. Daraufhin holte die Beklagte ein erneutes Gutachten des MDK ein. Dieser kam jedoch weiterhin zu keiner anderen Beurteilung. Die Klägerin wollte den Widerspruch aufrechterhalten und legte Rechnungen über die durchgeführten Behandlungen vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2015 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Bei der von der Klägerin durchgeführten Therapie handelt es sich um eine unkonventionelle Methode, für die der G-BA noch keine Empfehlung ausgesprochen habe. Kosten dürften daher leider nicht getragen werden. Der MDK habe die beantragte Leistung nicht befürwortet, da die vom BSG geforderten und vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Kriterien für die Anwendung einer nicht anerkannten Behandlungsmethode nicht vorliegen würden. Die Klägerin leide zwar an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung, es stünden jedoch allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungen zur Verfügung.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht. Sie leide seit 2011 an einer schwerwiegenden Krebserkrankung in Form eines metastasierenden Mammakarzinoms. Es handele sich angesichts der insbesondere im Jahr 2014 aufgetretenen Metastasen um eine fortgeschrittene Form eines Mammakarzinoms. Eine lediglich palliative Therapie zeige bei der Klägerin nur bedingt Wirkung, im September 2014 seien neuerlich Metastasen aufgetreten. Die Klägerin hätte sich angesichts dieser sehr Besorgnis erregenden Entwicklung auf ausdrücklichen ärztlichen Rat zu einer Therapie mit dendritischen Zellen entschlossen. Insoweit habe sie am 03.12.2014 die Kostenübernahme bei der Beklagten beantragt. Für die Inanspruchnahme der Therapie seien der Klägerin Kosten in Höhe von 6.353,15 € entstanden. Das von der Beklagten eingeholte MDK-Gutachten nehme an keiner Stelle Bezug auf die konkreten Erkrankungsbefunde bei der Klägerin. Außerdem existierten keine schulmedizinischen Alternativmethoden, die nicht nur palliativ wirken, sondern auch die Krankheit bekämpfen würden. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2015 sei die Kostenübernahme gerechtfertigt. Im vorliegenden Fall hätten die zahlreich durchgeführten Chemotherapien eine Metastasierung nicht verhindern können. Die beantragte dedritische Zelltherapie habe bereits eine spürbar positive Wirkung bei der Vielzahl von Krebspatienten gezeigt. Aus Sicht des behandelnden Arztes PD Dr. D. sei die Behandlung mit dendritischen Zellen bei der Klägerin dringend im Sinne einer Ultima-Ratio-Maßnahme indiziert, um angesichts der weit fortgeschrittenen Krebserkrankung das fortbestehende Rezidivrisiko relevant zu verringern. Sowohl die bei der Klägerin vorliegende Schwere der Erkrankung als auch die offensichtlich weder kurativ wirkenden noch zu einer spürbaren Heilung oder Linderung führenden alternativen Behandlungsmethoden würden zu einer Ausnahme im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts führen, so dass die Kostenübernahme durch die Beklagte gerechtfertigt sei. Die Klägerin könne nicht ausschließlich auf andere Alternativbehandlungen verwiesen werden. Im Rahmen der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien komme es nicht darauf an, einen möglichst weitgehenden Wirksamkeitsnachweis der Methode zu belegen, sondern nur darauf, ob eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht wenigstens auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Insoweit wurde auch auf die Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg verwiesen.

Die Beklagte machte geltend, dass sich keine andere Beurteilung ergebe. Das von der Klägerin zitierte Urteil des LSG Baden-Württemberg befasse sich mit einer vom Fall der Klägerin abweichenden Ausgangssituation, dieser Fall sei daher nicht mit dem der Klägerin zu vergleichen. Bei der Klägerin stünden noch vertragliche Standardbehandlungsmethoden zur Verfügung. Bei der Behandlung der Knochenmetastasen stehen der Klägerin die Therapie mit indikationsgerecht zugelassenen Behandlungsformen sowie die Bestrahlung der Knochenmetastasen zur Verfügung. Diese Therapiemethoden wären zumindest ein gleich geeignetes Mittel zum Erreichen des Behandlungsziels.

Die Klägerin machte dagegen geltend, dass die Bestrahlung der Knochenmetastasen laut Aussage des behandelnden Onkologen Dr. H. primär gegen die Schmerzen eingesetzt werde, mithin wohl zu rein palliativen Zwecken. Ferner bestünde bei der Bestrahlung der Knochenmetastasen das Risiko, dass entsprechende Nekrosen auftreten. Außerdem sei der Klägerin mitgeteilt worden, dass eine Strahlentherapie allenfalls kleinflächig und punktuell durchgeführt werden könne. Das Urteil des LSG Baden-Württemberg bestätige gerade, dass der dendritischen Zelltherapie auch eine präventive Komponente zuerkannt werden kann. Soweit die Beklagte geltend mache, dass für den konkreten Erkrankungsfall der Klägerin eine entsprechende allgemein anerkannte medizinische Standardmethode zur Verfügung stehe, sei dies nicht belegt.

Das Sozialgericht zog Befunde der behandelnden Ärzte bei. Die Beklagte machte geltend, dass die Klägerin sich laut den Befundberichten seit 2013 in einem palliativen Stadium der Erkrankung befinde. Dr. H. habe mitgeteilt, dass eine zugelassene palliative Therapie sowie antihormonelle Therapie durchgeführt werden, somit seien die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V nicht erfüllt. Außerdem habe PD Dr. D. selbst mitgeteilt, dass nach der im Januar 2015 durchgeführten Therapie mit dendritischen Zellen gegenüber dem Vorbefund kein entsprechender Wandel eingetreten sei.

Anschließend veranlasste das Sozialgericht von Amts wegen nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine Begutachtung durch Herrn Prof. Dr. F. (Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie) nach Aktenlage. Dieser kam in seinem Gutachten zu folgendem Ergebnis:
Die bisherige Therapie sei korrekt nach den aktuellen S3-Leitlinien für das Mammakarzinom erfolgt. Unter engmaschiger Kontrolle sollte die bisherige Therapie weitergeführt werden. Bei einer erneuten Progression sollte eine systematische Chemotherapie durchgeführt werden. Sollten die Knochenmetastasen schmerzhaft und bzw. oder frakturgefährdend werden, wäre eine lokale Bestrahlung die beste Behandlung. Diese aufgeführten Therapiemaßnahmen hätten eine gute Chance, die Erkrankung längerfristig zu stabilisieren. Das Mammakarzinom sei nicht die Tumorerkrankung mit einer positiven Beeinflussung durch dendritische Zellen. Dendritische Zellen dürften bei einem Mammakarzinom nur dann eingesetzt werden, wenn keine Therapieoption bestehe. Dies sei hier nicht der Fall. Vielmehr werde die Gefahr gegeben, dass die Patienten in der Hoffnung auf die dendritischen Zellen eine entsprechende Therapie nach den S3-Richtlinien ablehnen.
Nach Auffassung von Prof. Dr. F. könnte der Klägerin nur mit einer konsequenten Therapie nach den S3-Richtlinien geholfen werden. Die Begründung der Krankenkasse und des MDK Bayern seien zutreffend und richtig.

Die Klägerin wurde um Mitteilung gebeten, ob die Klage zurückgenommen wird. Daraufhin teilten die Klägerbevollmächtigen mit, dass die Klage aufrecht erhalten bleibe. Gegen die Ausführungen des Sachverständigen bestünden insoweit Bedenken, als dieser auf Seite 17 des Gutachtens ausführe, dass der vorliegende sog. Nikolaus-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht anwendbar sei. Außerdem wurde nochmals auf die zitierte Entscheidung des LSG Baden-Württemberg zu Therapien mit dendritischen Zellen verwiesen. Auf dieses könne insoweit verwiesen werden, als der Sachverständige auf Seite 8 des Gutachtens arzneimittelrechtliche Bedenken gegen die Anwendung und Herstellung von dendritischen Zellen erhebe. Die Ausführungen zu § 31 SGB V bzw. § 4b AMG würden in rechtlicher Hinsicht fehl gehen. Auch die Ausführungen des Gutachters auf Seite 9 zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2015 sowie zu § 2 Abs. 1a SGB V würden eine insoweit unzutreffende Rechtsauffassung des Sachverständigen widerspiegeln, mit welchen der Sachverständige seinen Gutachtensauftrag erheblich überschreite. Insoweit könne die Besorgnis der Befangenheit nicht ausgeschlossen werden. Soweit der Sachverständige zu dem Ergebnis gelange, dass der Einsatz von dendritischen Zellen nicht einem in Fachkreisen anerkannten Standard entspreche, sei dies ohne Aussagewert. Insoweit wäre im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes nach der korrekten Herstellung und Applikation durch das Labor PD Dr. D. nachzufragen.

Das Gericht bat den Klägerbevollmächtigen um Mitteilung, ob ein Befangenheitsantrag gegen den Gutachter gestellt wird. Der Klägerbevollmächtigte teilte daraufhin mit, dass kein Befangenheitsantrag gestellt werde. Außerdem bat das Gericht um Vorlage des Behandlungsvertrages mit Herrn PD Dr. D..
Die Klägerbevollmächtigen legten daraufhin den Behandlungsvertrag vor und teilten mit, dass dieser am 03.12.2014 mit dem Arzt geschlossen worden sei. Außerdem wurde mitgeteilt, dass die Klägerin mittlerweile verstorben sei und der Rechtsstreit durch den Ehemann fortgesetzt werde.

Die Beklagte stützte sich auf das Gutachten von Herrn Prof. Dr. F. und machte geltend, dass die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1a SGB V nicht erfüllt seien. Außerdem machte die Beklagte geltend, dass der Beschaffungsweg nicht eingehalten worden sei. Die Klägerin habe den Behandlungsvertrag mit Prof. Dr. D. bereits am 03.12.2014 abgeschlossen. Erst an diesem Tag habe sie dann auch den Antrag auf Kostenübernahme bei der Beklagten gestellt. Bereits aus diesem Grund seien die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nicht erfüllt.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22.12.2014 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 21.05.2015 zu verurteilen, die dem Kläger
entstandenen Kosten für die Behandlung mit dendritischen Zellen gemäß
Rechnung des Labors Dr. D. vom 22.01.2015 in Höhe von 6.353,15 €
zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die vorliegenden Akten der Beklagten.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige und insbesondere form- und fristgerechte Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 22.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger als Rechtsnachfolger der verstorbenen Versicherten nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die durchgeführte Behandlung mit dendritischen Zellen.

Als Anspruchsgrundlage kommt insoweit nur § 13 Abs. 3 SGB V in Verbindung mit § 2 Abs. 1a SGB V in Betracht. In § 13 Abs. 3 SGB V ist Folgendes geregelt:

Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

In § 2 Abs. 1a SGB V ist Folgendes geregelt:

Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsgemäß vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Abs. 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

Vorliegend wird ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V durch den Kläger als Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Ehefrau geltend gemacht. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als der Gewährleistungsanspruch auf ein bestimmtes Sachmittel oder eine bestimmte Dienstleistung. Deswegen bedarf es eines Rechtsanspruchs auf die selbstbeschaffte Leistung. Als solche Rechtsgrundlage käme vorliegend nur § 2 Abs. 1a SGB V Betracht. Ein Anspruch nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V scheidet deshalb aus, da es sich bei der durchgeführten Therapie mit dendritischen Zellen nicht um eine zugelassene Behandlungsmethode gemäß § 135 Abs. 1 SGB V handelt. Die Zulassung ist danach jedoch Voraussetzung für einen Behandlungsanspruch gemäß § 27
Abs. 1 Satz 1 SGB V (vgl. Bundessozialgericht - BSG - vom 08.07.2015, B 3 KR 5/14 R).
Ein Behandlungsanspruch mit einer nicht zugelassenen Behandlungsmethode setzt nach § 2 Abs. 1a SGB V in Anlehnung an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) voraus, dass bei dem Versicherten eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vorliegt, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht und dass die nicht anerkannte Behandlungsmethode eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bietet.
Bei der Ehefrau des Klägers lag zwar eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung im Sinne der genannten Vorschrift vor.
Nach dem überzeugenden Gutachten von Herrn Prof. Dr. F. konnte jedoch nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen werden, dass eine allgemein anerkannte Behandlungsmethode nicht zur Verfügung stand. Insoweit konnte daher dahinstehen, ob auch die weitere Voraussetzung des § 2 Abs. 1a SGB V vorlag (nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf) bzw. ob der Beschaffungsweg nach § 13 Abs. 3 SGB V eingehalten wurde.
Das Gutachten von Herrn Prof. F. ist schlüssig und überzeugend. Das Gericht hat daher keine Bedenken, das Gutachten seiner Beurteilung zugrunde zu legen. Der Gutachter hat sich ausführlich mit den vorliegenden Befunden auseinandergesetzt und kam zum Ergebnis, dass noch allgemein anerkannte Behandlungsmethoden zur Verfügung standen.

Im Gutachten wurde festgestellt, dass die bisherige Therapie bei der Ehefrau des Klägers korrekt nach den aktuellen S3-Leitlinien für das Mammakarzinom erfolgte und unter engmaschiger Verlaufskontrolle die bisherige Therapie weitergeführt werden sollte. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass bei einer erneuten Progression eine systematische Chemotherapie nach dem CMF-Schema oder "Gemcitabin/Carboplatin"Schema durchgeführt werden sollte. Sollten die Knochenmetastasen schmerzhaft und/oder frakturgefährdend werden, wäre eine lokale Bestrahlung die beste Behandlung. Im Gutachten wurde dargelegt, dass die aufgeführten Therapiemaßnahmen eine gute Chance haben, die Erkrankung längerfristig zu stabilisieren. Gleichzeitig kam Herr Prof. Dr. F. zum Ergebnis, dass das Mammakarzinom nicht eine Tumorerkrankung darstellt, die durch dendritische Zellen positiv beeinflusst werden könnte. Dendritische Zellen könnten beim Mammakarzinom nur dann eingesetzt werden, wenn keine Therapieoption mehr besteht. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass die Patientin in der Hoffnung auf eine Therapie mit dendritischen Zellen eine wirksame Therapie entsprechend den S3-Richtlinien ablehnt. Insgesamt kam Herr Prof. Dr. F. daher zum Ergebnis, dass nur mit einer konsequenten Therapie nach den S3-Richtlinien der Patientin geholfen werden könnte.

Es konnte daher nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis festgestellt werden, dass keine andere Behandlungsalternative entsprechend dem medizinischen Standard bestand. Insoweit konnte daher nicht im Vollbeweis festgestellt werden, dass alle Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1a SGB V erfüllt sind. Der Vollbeweis erfordert, dass die Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann. Können die Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht im erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zulasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleiten möchte. Für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung, dass keine allgemein anerkannte Behandlungsmethode mehr zur Verfügung stand, trifft insoweit den Kläger die Darlegungs- sowie die objektive Beweislast.

Das Gutachten von Herrn Prof. Dr. F. erscheint auch schlüssig und überzeugend. Die Einwände der Klägerseite gegen das Gutachten konnten nicht überzeugen. Soweit die Klägerseite sich auf ein positives Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württem-
berg bezieht, ist zu berücksichtigen, dass sich hieraus keine andere Beurteilung ergibt. Auch insoweit wäre Voraussetzung für einen Anspruch nach § 2 Abs. 1a SGB V, das keine allgemein anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung stand. Dies konnte im hier vorliegenden Verfahren nicht mit dem Vollbeweis nachgewiesen werden. Insoweit liegt daher ein Unterschied zu dem Sachverhalt vor, der der zitierten Entscheidung des LSG Baden-Württemberg zugrunde lag. Insoweit kommt es daher für § 2 Abs. 1a SGB V auf eine Prüfung für jeden konkreten Einzelfall an.

Soweit die Klägerseite geltend macht, dass Bedenken gegen das Gutachten bestehen, nachdem der Gutachter ausführt, dass vorliegend der sog. Nikolaus-Beschluss des BVerfG nicht anwendbar sei, ergibt sich hieraus ebenfalls keine andere Beurteilung. Das Gericht kann nicht feststellen, dass der Gutachter insoweit von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist. Vielmehr hat der Gutachter die im BVerfG-Beschluss aufgestellten Voraussetzungen medizinisch überprüft und kam zum Ergebnis, dass vorliegend die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, nachdem hier noch dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung standen.
Soweit die Klägerseite außerdem darauf verweist, dass die Aussage des Gutachters
- wonach dendritische Zelltherapien nur im Rahmen von klinischen Studien durchgeführt werden sollten - der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg entgegensteht, kommt es hierauf entscheidungserheblich nicht an, weil es bereits an der anderen Vor-
aussetzung nach § 2 Abs. 1a SGB V fehlt, nämlich dass keine andere dem anerkannten Behandlungstandard entsprechende Methode zur Verfügung stand. Auch kam es nicht darauf an, dass Herr Prof. Dr. F. arzneimittelrechtliche Bedenken gegen die Anwendung und Herstellung von dendritischen Zellen erhebt. Auf die Prüfung insoweit kam es vorliegend für die Entscheidung nicht mehr an, da der Anspruch, wie bereits dargestellt, an einer anderen Voraussetzung des § 2 Abs. 1a SGB V scheitert. Eine entsprechende Befragung hierzu von Herrn PD Dr. D. war daher nicht erforderlich.
Soweit die Klägerseite geltend macht, dass die Ausführungen auf Seite 9 des Gutachtens zum Beschluss des BVerfG vom 06.12.2005 sowie zu § 2 Abs. 1a SGB V eine unzutreffende Rechtsauffassung des Sachverständigen widerspiegeln, mit welcher der Sachverständige seinen Gutachterauftrag erheblich überdehnt, ist auf Folgendes hinzuweisen:
Insoweit handelt es sich lediglich um eine wortwörtliche Zitierung aus dem MDK-Gutach-
ten (siehe auch Blatt 6). Auch unter dem Unterpunkt Beurteilung auf Blatt 9 des Gutachtens wurde lediglich aus dem MDK-Gutachten zitiert. Es handelte sich daher lediglich um eine Zusammenfassung der Aktenlage, nachdem im Gutachten zunächst auch andere ärztliche Stellungnahmen und Unterlagen zusammengefasst wurden. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der Gutachter seinen Gutachterauftrag überdehnt hat. Vielmehr ergibt sich, dass er entsprechend dem Gutachtensauftrag und der gestellten Beweisfragen die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1a SGB V geprüft und das Vorliegen der Voraussetzungen verneint hat.

Insgesamt konnte nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis festgestellt werden, dass eine allgemein anerkannte Behandlungsmethode nicht zur Verfügung stand. Bereits aus diesem Grund scheitert der Anspruch nach § 2 Abs. 1a SGB V, auf die Prüfung der weiteren Voraussetzungen kam es daher nicht mehr an.

Nach alledem war die Klage unbegründet und demzufolge abzuweisen.

Folglich sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten, § 193 SGG.


 

Rechtskraft
Aus
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