I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
T a t b e s t a n d :
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalls bei einem Bauvorhaben streitig.
Der am 1988 geborene Kläger half dem Zeugen D., dem privaten Bauherrn, am 18.06.2015 bei Arbeiten auf dessen Bauvorhaben in D-Stadt. Laut Unfallanzeige vom 30.07.2016 brach der Kläger auf einem Gerüst durch den Boden. Der Kläger gab im Fragebogen zum Unfallhergang an, dass der Bauherr seinen Bau nicht bei der Beklagten gemeldet habe bzw. nicht einmal eine Bau-/Bauhelferversicherung abgeschlossen habe. Bei dem Unfall zog sich der Kläger eine Unterschenkelmehrfragmentfraktur sowie ein komplexes neurogenes Schmerzsyndrom zu.
Das Eigenbauvorhaben und die Beteiligung privater Helfer wurden vom Zeugen D. am 22.06.2015 bei der Beklagten angemeldet. Am 19.07.2016 meldete der Zeuge des Weiteren den Unfall des Klägers vom 18.06.2015 an die Beklagte. Sein damaliger Schwiegersohn in Spe sei durch das Baugerüst ca. 2 m in die Tiefe gefallen und habe sich dabei den linken Fuß gebrochen. Er habe den Vorfall leider vorher nicht melden dürfen/sollen, weil der Kläger ihn darum gebeten habe. Er habe gesagt, er würde den Unfall seiner Versicherung melden, damit er auch sein Krankengeld/Tagegeld und eine Abstandszahlung bekomme. Der Zeuge solle nicht bei der Beklagten den Unfall melden. Der Kläger und die Tochter des Zeugen, die Zeugin D., seien seit Dezember 2015 nicht mehr zusammen. Deshalb stelle der Kläger nun Forderungen aus dem Unfall an ihn. Beigefügt war ein Schreiben des Klägerbevollmächtigten, mit dem der Kläger Schmerzensgeld in Höhe von 30.000,00 € forderte. Er habe aufgrund der bleibenden Unfallfolgen einen GdB von 40.
Der Zeuge D. gab gegenüber der Beklagten an, dass der Kläger bis zum Unfall ca. 15 Stunden auf der Baustelle gearbeitet hatte. Die Wohnung sei als Hochzeitsgeschenk für seine Tochter und den Kläger vorgesehen gewesen. Deshalb habe der Kläger auf dem Bau geholfen.
Der Kläger gab telefonisch am 04.11.2016 an, dass er sehr umfangreiche Arbeitsleistungen bei der Baumaßnahme erbracht habe. Er könne die Arbeitsleistung auch mit Fotos bestätigen. Ein Bezug der Baumaßnahme sei nach seinen Ausführungen bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt nicht mehr aktuell gewesen. Der Kläger hätte nach seinen Aussagen unverhältnismäßig viel Geld in die Baumaßnahme investieren sollen oder alternativ eine überhöhte Miete bezahlen sollen. Damit sei er nicht einverstanden gewesen und deshalb sei der Einzug in die Baumaßnahme ausgeschieden.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 23.11.2016 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund des Ereignisses vom 18.06.2015 ab. Der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt bei der Baumaßnahme eigenwirtschaftlich tätig gewesen. Die Arbeiten hätten überwiegend Privatzwecken gedient. Der Kläger hätte durch seine Mithilfe auf dem Bauvorhaben eigenen Wohnraum geschaffen. Deshalb seien die dortigen Gefahren grundsätzlich seiner privaten Sphäre zuzuordnen. Ein innerer Zusammenhang mit einer Versichertentätigkeit im Unternehmen sei nicht nachgewiesen.
Hiergegen legte der Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass der Kläger nie in die Wohnung einziehen hätte wollen, da die Konditionen ungünstig waren. Der Kläger wollte zu keinem Zeitpunkt in das Objekt, an dem er mitgearbeitet hat, einziehen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2018 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde darauf abgestellt, dass die Tätigkeit "nicht arbeitnehmerähnlich" sei. Verfolge eine Person mit einem Verhalten, das ansonsten einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnle, in Wirklichkeit wesentlich eigene Angelegenheiten, so sei sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung tätig. Vielmehr sei ihre Handlungstendenz auf die Erfüllung eigenwirtschaftlicher Interessen ausgerichtet. Diese Person sei deshalb eigenwirtschaftlich tätig und stehe somit nicht wie eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Beschäftigte nach § 2 Abs. 2 SGB VII unter Versicherungsschutz. Entscheidend sei nach der Rechtsprechung die Handlungstendenz. Der Kläger habe mit dem Bauvorhaben die Sicherstellung eigenen Wohnraums angestrebt.
Hiergegen legte der Bevollmächtigte des Klägers am 11.05.2018 Klage beim Sozialgericht Augsburg ein. Zur Begründung wurde erneut darauf hingewiesen, dass der Kläger die Wohnung zu einem Preis von 800,00 € hätte mieten können, was aus Sicht des Klägers völlig unakzeptabel gewesen sei. Das Angebot habe er sofort ausgeschlagen. Bei einer Veräußerung durch den Bauherrn wäre die Tochter des Zeugen D. Alleineigentümerin geworden. Auch dieses Ansinnen habe der Kläger abgelehnt.
In der mündlichen Verhandlung wurden der Bauherr und seine Tochter als Zeugen vernommen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 23.10.2019 verwiesen.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.04.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Unfall des Klägers vom 18.06.2015 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagtenvertreterin beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 23.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2018 nicht beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist. Die Beklagte hat es zurecht abgelehnt, das Ereignis vom 18.06.2015 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Nach Paragraph § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (Versichertentätigkeit). Danach handelt es sich bei dem Unfall vom 18.06.2015 nicht um einen Arbeitsunfall, da er sich nicht bei einer versicherten Tätigkeit des Klägers ereignete. In Betracht kommt vorliegend als eine den Versicherungsschutz begründende Tätigkeit nur eine solche nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Beschäftigter oder nach § 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Wie-Beschäftigter. Solche Tätigkeiten hat der Kläger nicht verrichtet.
Ein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis zu dem Bauherrn bestand nicht, so dass eine Versicherung des Klägers kraft Gesetzes als Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ausscheidet. Zwischen dem Kläger und dem Zeugen D. bestand kein Rechtsverhältnis, das den Kläger zu den von ihm verrichteten Tätigkeiten für diesen verpflichtete. Dementsprechend hat der Kläger dem Bauherrn auch nur nach jeweiliger Absprache unter Berücksichtigung seiner eigenen zeitlichen Möglichkeiten und unentgeltlich geholfen.
Es bestand auch kein Versicherungsschutz kraft Gesetzes nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII, wonach Personen versichert sind, die "wie" nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherte tätig werden. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ist jede Verrichtung versichert, die der Ausübung einer Beschäftigung vergleichbar ist. Es muss sich um eine Tätigkeit handeln, die einer Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ähnelt, in dem eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 27.03.2012, B 2 U 5/11 R und weitere). Dabei braucht weder eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit zu bestehen, noch sind die Beweggründe des handelnden für sein Tätigwerden maßgebend. Maßgeblich sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, unter denen sich die Tätigkeit vollzogen hat im Sinne einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles. Die von den - unerheblichen - Beweggründen für den Entschluss, tätig zu werden, zu unterscheidende objektivierbare Handlungstendenz zeigt an, welches Unternehmen in erster Linie und wesentlich unterstützt wird. Bei der unfallbringenden Tätigkeit muss diese Handlungstendenz wesentlich auf die Belange des als unterstützt geltend gemachten Unternehmens gerichtet sein, damit die Handlung als beschäftigtenähnliche Tätigkeit für dieses Unternehmen gewertet werden kann (BSG Urteil vom 05.03.2002, B 2 U 9/01).
Die Ausübung einer beschäftigungsähnlichen Tätigkeit ist zu verneinen, wenn die Verrichtung wegen und im Rahmen einer Sonderbeziehung zum Unternehmen erfolgt, zum Beispiel als Familienangehöriger, aufgrund enger Freundschaft oder als Vereinsmitglied. Handelt es sich um eine selbstverständliche Hilfeleistung oder ist die Tätigkeit durch die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft oder sozial geprägte Beziehung gekennzeichnet, so fehlt es regelmäßig an einer konkreten Arbeitnehmerähnlichkeit. Selbstverständliche Hilfeleistungen sind solche, die sich - ausgehend von der sozialgeprägten Sonderbeziehung - in einem üblichen und zu erwartenden Rahmen bewegen. Wesentlich ist hierbei das Gesamtbild der den Einzelfall prägenden Umstände, insbesondere Art, Umfang und Zeitdauer der verrichteten Tätigkeit sowie die Intensität der tatsächlichen verwandtschaftlichen bzw. freundschaftlichen Beziehungen. Je intensiver und enger einer Sonderbeziehung geprägt ist, desto höher ist auch die Anforderung an die zu erwartende (und versicherte) Gefälligkeitsleistung hinsichtlich der Art, des Umfanges und der Zeitdauer, die Schwelle zum Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII zu überwinden.
Unter Beachtung dieser Grundsätze stand der Kläger zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Bei der zum Unfall führenden Tätigkeit des Klägers handelt es sich um eine die Versicherungspflicht ausschließende Gefälligkeitsleistung aufgrund einer Sonderbeziehung zu dem Bauherrn. Die Motivation des Klägers, dem Bauherrn bei der unfallbringenden Verdichtung zu helfen, lag darin, seinem zukünftigen Schwiegervater zu helfen und gleichzeitig, wie es die Zeugin D. überzeugend dargelegt hat, einen eigenen Wohnraum für sich und die Zeugin zu schaffen. Der Kläger und sein zukünftiger Schwiegervater waren zum Zeitpunkt des Unfalls freundschaftlich miteinander verbunden. Dies hat auch der Zeuge D. bestätigt. Noch nach dem Unfall hat der Kläger der Tochter des Zeugen einen Heiratsantrag gemacht.
Der Umfang der Hilfeleistung steht dem nicht entgegen. Zwar hat der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls wohl mehr als die angegebenen 10,5 Stunden gearbeitet, jedoch ist dies in einem Verhältnis, das in absehbarer Zukunft zu einem Schwiegerverhältnis werden sollte, durchaus im Rahmen eines engen verwandtschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Der Kläger verrichtete seine Tätigkeiten nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und des Bauherrn jeweils auf ein paar Stunden abends nach der Arbeit und auf die Wochenenden verteilt. Dies ist auch bei einer objektiven Betrachtungsweise im Hinblick auf den Nutzen der bereits erfolgten und noch zu erwartenden gegenseitigen Hilfeleistungen nicht außergewöhnlich. Hinzu kommt, dass der Kläger auch selbst einen Nutzen davon gehabt hätte.
Hätte sich das Verhältnis des Klägers zum Zeugen D. bereits vor dem Unfall verschlechtert, da der Zeuge eine finanzielle Gegenleistung für die zur Verfügungsstellung der Wohnung bzw. Eigentumsübertragung an den Kläger und seine Tochter beanspruchte, ist es überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, warum der Kläger dort nach wie vor recht umfangreich mithalf und im Übrigen nach dem Unfall der Zeugin D. noch einen Heiratsantrag gemacht hätte.
Im Ergebnis war die Tätigkeit des Klägers von der Sonderbeziehung zu dem Bauchherrn geprägt, denn sie zielte darauf ab, diesem aus der zukünftigen Verwandtschaft heraus zu helfen und auch für sich und seine zukünftige Ehefrau Wohnraum zu schaffen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).