L 20 KR 412/19

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 412/18
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 KR 412/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

"Zur Frage der Kostenerstattung für Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung in Form einer heterologen Insemination bei einem gleichgeschlechtlichen Ehepaar".

 

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 21.05.2019 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

T a t b e s t a n d :

Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung für bereits durchgeführte Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung in Form einer heterologen Insemination streitig.

Die Klägerin lebt in gleichgeschlechtlicher Ehe mit Frau A. (im Folgenden: A). Sie war bis zum 31.01.2019 bei der Beklagten gegen Krankheit versichert.

Mit Schreiben vom 09.02.2018 hatten die Klägerin und A unter Vorlage eines Behandlungsplans und einer Apothekenrechnung vom 09.02.2018 die Kostenübernahme für Arzneimittel und Behandlungsversuche der Insemination und später In-vitro-Fertilisation (IVF) wegen einer Fertilitätsstörung beantragt. Diesen Antrag hatte die Beklagte mit Bescheid vom 12.02.2018 abgelehnt, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien; der Einsatz von Fremdsperma sei nicht möglich. Dagegen hatten die Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 24.04.2018 Widerspruch erhoben. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.2018 war der dagegen erhobene und mit einer angenommenen Verfassungswidrigkeit des § 27a Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) begründete Widerspruch zurückgewiesen worden. Klage war anschließend nicht erhoben worden.

Am 11.06.2018 hatte die Klägerin unter Vorlage von zwei Laborrechnungen vom 19.04.2018 und 27.04.2018 (über 72,86 € und 55,47 €) die Übernahme von Kosten im Zusammenhang mit der begehrten künstlichen Befruchtung beantragt. Diesen Antrag hatte die Beklagte mit Bescheid vom 14.06.2018 abgelehnt. Widerspruch war nicht erhoben worden.

Mit Schriftsatz vom 23.07.2018 beantragten die Bevollmächtigten der Klägerin und der A, im Wege einer Entscheidung gemäß § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) die Bescheide vom 12.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom "25.06.2018" (Anmerkung des Senats: Der Widerspruchsbescheid datiert vom 11.06.2018.) und vom "14.07.2018" (Anmerkung des Senats: Einen Bescheid vom 14.07.2018 gibt es nicht, gemeint sein kann nur der Bescheid vom 14.06.2018.) aufzuheben und die begehrten Kostenzusagen zu erteilen. Zur Begründung werde auf das Schreiben vom 24.04.2018 verwiesen; die Ablehnung der Kostenübernahme sei rechtswidrig und verfassungswidrig.

Mit Bescheid vom 30.07.2018 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Das Recht - so die Beklagte - sei nicht fehlerhaft angewendet worden und die Beklagte sei bei ihren Entscheidungen nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. 

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2018 gab die Beklagte dem mit Schriftsatz vom 03.08.2018 eingelegten Widerspruch nicht statt. Mit dem Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.07.2017 seien zwar das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das Lebenspartnerschaftsgesetz, das Personenstandsgesetz und das Transsexuellengesetz geändert worden. Neue oder geänderte gesetzliche Regelungen im Bereich der Sozialversicherung seien aber nicht vereinbart worden. Leistungen der Krankenbehandlung würden daher medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nur dann umfassen, wenn ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet würden (§ 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V), was vorliegend nicht der Fall sei. 

Mit Schriftsatz vom 20.09.2018, eingegangen bei Gericht am selben Tag, haben die Bevollmächtigten für die Klägerin und die A Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben. 

Zur Begründung der Klage haben sie Folgendes vorgetragen:

Die Klägerin und A seien gleichgeschlechtliche Eheleute. Aus biologischen Gesichtspunkten bedürfe es zur Erfüllung des der Klägerin und A innewohnenden Kinderwunsches des Einsatzes von Fremdsperma. Die Schwangerschaft solle bei der Klägerin herbeigeführt werden. Aufgrund der medizinischen Gegebenheiten würden sich bei der Klägerin ohne hormonelle Unterstützung kein Eiwachstum und somit kein Eisprung bilden. Die Schwangerschaft könne nur im Rahmen einer IVF mit Embryotransfer durch Einsatz von Fremdsperma herbeigeführt werden.

Die Beklagte begründe ihre Ablehnung im Wesentlichen mit Hinweis auf den Wortlaut des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V, wonach die Leistungen der Krankenbehandlung medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nur dann umfassen würden, wenn ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet würden. Zwar sei es richtig, dass bei der geplanten Herbeiführung der Schwangerschaft nicht Samenzellen der Ehegatten verwendet würden. Dies sei indes aus biologischen Gesichtspunkten schlechterdings nicht möglich. Die Klägerin und A als homosexuelle Eheleute seien somit per gesetzlicher Definition von dem bei ausschließlich heterosexuellen Ehegatten regelmäßig bestehenden Anspruch auf Kostenübernahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft ausgeschlossen. Dies sei verfassungs- und gesetzeswidrig. Der Gesetzgeber habe es beim Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung gleichen Geschlechts versäumt, Änderungen der gesetzlichen Regelungen im Bereich der Sozialversicherung vorzunehmen. Der Begriff der Ehegatten sei nach der Neufassung des § 1353 BGB geschlechtsneutral definiert. Der Gesetzesänderung liege auch der Grundsatz mit Verfassungsrang gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) zugrunde, wonach niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt werden dürfe. Gegen diesen Gleichheitsgrundsatz verstoße die Regelung des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V, indem Ehegatten unterschiedlichen Geschlechts eine Kostenzusage für die Herbeiführung einer künstlichen Befruchtung in Anspruch nehmen könnten, Ehegatten gleichen Geschlechts jedoch grundsätzlich und ausnahmslos nicht. Ein sachlicher Grund für diese Differenzierung sei nicht ersichtlich. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe sich in seiner Entscheidung vom 28.02.2007,1 BvL 5/03, mit der Frage beschäftigt, ob die Vorschrift des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V verfassungsgemäß sei. Das BVerfG habe hierbei jedoch ausschließlich geprüft, ob eine Ungleichbehandlung von Personen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gegenüber Ehegatten vorliege. Ausdrücklich nicht geprüft worden sei die Ungleichbehandlung von heterosexuellen Ehegatten zu homosexuellen Ehegatten. Das SG Darmstadt habe in einer Entscheidung vom 28.10.2013 zu dieser Thematik ausgeurteilt, dass eine Kostenübernahme bei einem heterosexuellen Ehepaar nicht erfolgen dürfe, das auf die Verwendung von Fremdsperma angewiesen sei, und dies mit der sogenannten gespaltenen Elternschaft begründet. Diese Grundsätze seien auf die Personen der Klägerin und A nicht übertragbar; beide seien gemeinsame Mütter des minderjährigen Kindes Phil, welches im Haushalt der Klägerin und der A lebe und aufwachse. Das soziale Umfeld für das Kind sei geregelt und förderlich. Der Rechtsstreit sei aus Sicht der Klägerin und der A von grundsätzlicher Bedeutung. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V stehe aus. Lediglich der Bundesfinanzhof (BFH) habe in seiner Entscheidung vom 05.10.2010, VI R 47/15, festgestellt, dass Aufwendungen einer unfruchtbaren Frau für eine IVF auch dann als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen seien, wenn die Frau in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebe. Insofern werde die homosexuelle Beziehung gegenüber der heterosexuellen Beziehung gleichgestellt. Es werde ersucht, das Verfahren auszusetzen und dem BVerfG zur Überprüfung vorzulegen.

Als Anlage beigefügt worden ist der Behandlungsplan, wie er bereits dem Antrag vom 09.02.2018 zugrunde gelegen hatte.

Die Beklagte hat auf die Entscheidung des BVerfG vom 28.02.2007,1 BvL 5/03, verwiesen, wonach es mit dem GG vereinbar sei, dass die Erbringung medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft durch die gesetzliche Krankenversicherung auf Personen beschränkt sei, die miteinander verheiratet seien, und wenn die Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet würden, was hier nicht der Fall sei. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Entstehung einer Familie durch medizinische Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern, liege im Ermessen des Gesetzgebers. Es sei dem Gesetzgeber nicht verwehrt, die Leistungen nach § 27a SGB V auszuweiten.

In der mündlichen Verhandlung vom 21.05.2019 hat die Klägerin erklärt, dass im September 2018 eine erste künstliche Befruchtung erfolglos durchgeführt worden sei. Kosten dafür seien in Höhe von ca. 6.500,- € entstanden. Seit dem 01.02.2019 sei sie nicht mehr Mitglied der Beklagten, sondern bei der AOK Baden-Württemberg versichert. Eine zweite künstliche Befruchtung sei im April 2019 erfolgt. 

Mit Urteil vom 21.05.2019 ist die Klage abgewiesen worden. Ein Anspruch der Klägerin und der A - so das SG - scheide nach § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V aus, weil ein Anspruch auf künstliche Befruchtung nur dann bestehe, wenn ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet würden, was vorliegend nicht möglich sei. Die verfassungsrechtlichen Zweifel der Klägerin und der A teile das SG nicht. Die Klägerin und A würden im Vergleich zu einem männlichen gleichgeschlechtlichen Ehepaar absolut gleichbehandelt. Die Klägerinnen würden zudem absolut gleichbehandelt wie ein verschiedengeschlechtliches Ehepaar, bei dem zumindest ein Ehegatte keine Keimzellen beitragen könne, er also absolut unfruchtbar sein. Für den Ausschluss der heterologen Befruchtung gebe es auch systematische Gründe, da es sich dabei nicht um eine Krankenbehandlung handle; insbesondere stelle Homosexualität keine Krankheit dar. Auch die zwischenzeitlich vorgelegten und anscheinend noch nicht abschließend behandelten Gesetzentwürfe zur umfassenden Ermöglichung von Kinderwunschbehandlung würden daran nichts ändern. Dem Gesetzgeber bleibe es unbenommen, die bestehenden einfachgesetzlichen Regelungen entsprechend dem gesellschaftlichen Wandel zu ändern. Eine verfassungsrechtliche Pflicht besteht insofern nicht.

Gegen das ihnen am 17.06.2019 zugestellte Urteil haben die Bevollmächtigten im Namen der Klägerin und der A Berufung eingelegt.

Zur Begründung der Berufung haben die Bevollmächtigten auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug genommen; die Regelung des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V sei verfassungswidrig.

Die Beklagte hat sich der Begründung des SG angeschlossen und auf das Urteil des BVerfG vom 28.02.2007, 1 BvL 5/03, verwiesen. Danach verletze die Regelung des § 27a SGB V keine Grundrechte. Das GG sei nicht berührt, da diesem keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers entnommen werden könne, die Entstehung einer Familie durch medizinische Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern. 

Mit gerichtlichem Schreiben vom 26.03.2020 ist den Beteiligten umfassend die Einschätzung des Gerichts zu den fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung erläutert worden. Gleichzeitig sind die Beteiligten um Mitteilung gebeten worden, ob sie mit einer Entscheidung durch den konsentierten Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung einverstanden seien. Mit weiterem gerichtlichem Schreiben vom 15.04.2020 sind die Bevollmächtigten der Klägerin und der A darauf hingewiesen worden, dass hinsichtlich der A eine Klagebefugnis nicht zu erkennen sei. Zudem ist gebeten worden, den Berufungsantrag zu beziffern und durch entsprechende Nachweise zu belegen, da anderenfalls von einer Unzulässigkeit der Klage ausgegangen werden müsste.

Die Bevollmächtigten der Klägerin haben daraufhin mit Schriftsatz vom 08.06.2020 den Berufungsantrag mit 8.882,31 € beziffert und entsprechende Zahlungsbelege aus dem Jahr 2018 vorgelegt; das ursprüngliche Klagebegehren habe sich dadurch in der Hauptsache erledigt, dass die Klägerin mittlerweile schwanger geworden sei. Zudem haben sie die Berufung der A zurückgenommen

Die Klägerin beantragt (Schriftsätze ihrer Bevollmächtigten vom 17.07.2019 und 08.06.2020),
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils vom 21.05.2019 und unter Abänderung des Bescheids vom 30.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2018 zu verurteilen, den Bescheid vom 12.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2018 sowie den Bescheid vom 14.06.2018 aufzuheben und die bis 31.01.2019 angefallenen Kosten für eine künstliche Befruchtung in Höhe von 8.882,31 € samt Zins in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, 
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Der Senat kann vorliegend durch den Vorsitzenden anstelle des Senats gemäß § 155 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da die Beteiligten dazu mit Schreiben vom 24.06.2020 und vom 10.07.2020 ihr Einverständnis erklärt haben.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin kann keine Erstattung von Kosten für Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung verlangen. 

Zwar hat es das SG unterlassen, den Kostenerstattungsanspruch konkret beziffern zu lassen, wie dies nach § 106 Abs. 1 SGG grundsätzlich geboten gewesen wäre. Eine solche Bezifferung ist auch nach Abschluss der Instanz in der Regel noch möglich - und auch prozessual geboten. Bei der - auf Veranlassung des Senats erfolgten - Bezifferung des Kostenerstattungsanspruchs handelt sich um die Klarstellung des Zahlungsbegehrens, die nach § 99 Abs. 3 Nr. 1 und 2 SGG nicht als Klageänderung gilt (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 26.01.2006, B 3 KR 4/05 R).

Als eine Änderung der Klage ist es gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG auch nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes statt der ursprünglich geforderten Sachleistung wegen einer später eingetretenen Veränderung, hier der Durchführung der Behandlung, eine andere Leistung verlangt wird, also von einem Sachleistungsbegehren auf einen Kostenerstattungsanspruch umgestellt wird (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2018, B 1 KR 10/17 R).

Der Senat hat nur noch über die Berufung der Klägerin zu entscheiden, nachdem die A mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 08.06.2020 ihre (bereits unzulässige) Klage zurückgenommen hat.

Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, im Wege einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X ihren bestandskräftigen Bescheid vom 12.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2018 und ihren bestandskräftigen Bescheid vom 14.06.2018 aufzuheben und der Klägerin Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung zu gewähren. Denn den vorgenannten bestandskräftigen Bescheiden liegt keine unrichtige Rechtsanwendung zugrunde. Ein Kostenerstattungsanspruch - hier gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V (rechtswidrige Leistungsablehnung) - kommt daher nicht in Betracht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung des Berufungsbegehrens der der Durchführung der Behandlung, also der Selbstbeschaffung, ist (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2017, B 3 KR 30/15 R), weil es um einen Kostenerstattungsanspruch geht, oder ob "auf die bei Erlass des Bescheides maßgebliche Sach- und Rechtslage, wobei es nicht auf den Stand der Erkenntnisse bei Erlass des Verwaltungsakts, sondern im Zeitpunkt seiner Überprüfung ankommt und somit eine rückschauende Betrachtungsweise im Lichte einer eventuell geläuterten Rechtsauffassung zu der bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsakts geltenden Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen ist" (BSG, Urteil vom 26.10.2017, B 2 U 6/16 R), abzustellen ist, weil Streitgegenstand eine Überprüfungsentscheidung nach § 44 SGB X ist. Denn es würde sich keine unterschiedliche rechtliche Bewertung ergeben.

Der Krankenkassenwechsel der Klägerin zum 01.02.2019 steht dem Klagebegehren nicht entgegen. Zwar erlischt, unabhängig davon, ob der Kassenwechsel vor oder nach Rechtshängigkeit erfolgt (vgl. BSG, Urteil vom 18.05.2011, B 3 KR 7/10 R), nach § 19 Abs. 1 SGB V der Anspruch auf Leistungen grundsätzlich mit dem Ende der Mitgliedschaft, wobei diese Vorschrift auch bei einem Kassenwechsel Anwendung findet. Die Regelung des § 19 Abs. 1 SGB V führt aber nach ihrem Sinn und Zweck nur zum Erlöschen der Naturalleistungspflicht der früheren Krankenkasse, also des Sachleistungsanspruchs, nicht jedoch zum Erlöschen bereits entstandener Geldleistungsansprüche wie z.B. dem Anspruch auf Kostenerstattung für eine durch die bisherige Krankenkasse zu Unrecht abgelehnte selbstbeschaffte Leistung (vgl. BSG, Urteil vom 03.07.2012, B 1 KR 25/11 R). Vorliegend macht die Klägerin keinen Sachleistungsanspruch mehr geltend, sondern begehrt eine Kostenerstattung. Alle von ihr im Rahmen der Kostenerstattung geltend gemachten Rechnungen für Behandlungsmaßnahmen, wie sie mit Schriftsatz vom 08.06.2020 vorgelegt worden sind, betreffen Maßnahmen vor dem Krankenkassenwechsel. Sofern in der Aufstellung der Rechnungen mit Beleg Nr. 8 ("Rechnung Kinderwunschzentrum vom 28.08.19") und Beleg Nr. 10 ("dito Rechnung vom 28.09.19") Rechnungen mit einem vermeintlichen Rechnungsdatum nach dem Krankenkassenwechsel aufgelistet werden, liegen den von den Bevollmächtigten der Klägerin angegebenen Rechnungsdaten Schreibfehler zugrunde; wie sich aus der übersandten Anlage entnehmen lässt, war das Rechnungs- und Leistungsjahr jeweils nicht 2019, sondern tatsächlich 2018.

Die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind vorliegend nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine notwendige, selbstbeschaffte Leistung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alt.) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (2. Alt.) und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. In Betracht kommt vorliegend nur § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V. Danach besteht ein Kostenerstattungsanspruch, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Primärleistungs-(Naturalleistungs-)anspruchs - ein solcher Anspruch ist Grundvoraussetzung des Kostenerstattungsanspruchs, da der Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht weiter reicht als ein entsprechender Primäranspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse, den der Erstattungsanspruch ersetzt bzw. an dessen Stelle er tritt - rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat. 

Ein Primärleistungsanspruch der Klägerin auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung hat aber nicht bestanden.

Die für die Beurteilung der inmitten stehenden Rechtsfrage, ob die Klägerin Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung hat, maßgebliche Rechtsnorm des § 27a Abs. 1 SGB V lautet wie folgt:

"Die Leistungen der Krankenbehandlung umfassen auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn
1.   diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind,
2.   nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, daß durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist,
3.   die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind,
4.   ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und
5.   sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121a erteilt worden ist."

Dies zugrunde gelegt hat die Beklagte die Erbringung medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft im Sinne einer künstlichen Befruchtung mit den Bescheiden vom 12.02.2018 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2018) und 14.06.2018 zu Recht abgelehnt. Denn die Voraussetzung des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V ist - unter den Beteiligten unstrittig - nicht erfüllt, da die Befruchtung mit Fremdsperma erfolgen sollte. Die von der Klägerin beantragten und dann selbst beschafften Maßnahmen sind somit Teil einer heterologen Insemination; § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V setzt aber eine homologe Insemination voraus.

Einen Verstoß gegen Verfassungs- und/oder europäisches Gemeinschaftsrecht kann der Senat wie auch das BSG (vgl. BSG, Urteil vom 09.10.2001, B 1 KR 33/00 R) in der Beschränkung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit eigenen Ei- und Samenzellen der Ehegatten nicht erkennen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts über eine besonders weite Gestaltungsfreiheit verfügt, die nur eingeschränkter verfassungsgerichtlicher Kontrolle unterliegt (ständige Rspr., vgl. z.B. BVerfG, Urteile vom 23.01.1990, 1 BvL 44/86, und vom 28.02.2007, 1 BvL 5/03, Beschlüsse vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98, und vom 03.06.2013, 1 BvR 131/13). Dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V die Grenzen seines gesetzgeberischen Ermessens überschritten hätte, ist nicht ersichtlich. Auch aus dem Urteil des BSG vom 18.11.2014, B 1 A 1/14 R, wird wiederum deutlich, dass das BSG keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V mit dem darin enthaltenen Ausschluss der heterologen Insemination aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung hat. So hat das BSG in dieser Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es "zu den prägenden Merkmalen der Leistung gehört ..., dass sie miteinander verheiratete Eheleute und eine homologe Insemination betreffen muss." Auch aus dem Umstand, dass in einer gleichgeschlechtlichen Ehe die Voraussetzung des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V schon per se nie erfüllt sein kann, ergeben sich für den Senat keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Im Einzelnen ist Folgendes festzuhalten: 

*  Mit dem Schutz von Ehe und Familie im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG kann eine Verfassungswidrigkeit des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht begründet werden. Aus Art. 6 Abs. 1 GG resultiert kein Anspruch auf Ermöglichung einer Schwangerschaft mit Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung, unabhängig davon, ob es sich um eine gemischtgeschlechtliche oder eine gleichgeschlechtliche Ehe handelt.

Daran ändert auch die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe mit dem Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.07.2017 (BGBl. I, S. 2787) nichts. Zwar ist mit diesem Gesetz eine weitergehende Angleichung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften an die gemischtgeschlechtliche Ehe erfolgt, als dies zuvor nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz der Fall war, insbesondere auf dem Gebiet des Zivilrechts. Eine absolute, rechtsbereichsübergreifende Gleichstellung ist aber nicht erfolgt, verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten und auch nicht aus der Gleichstellung in anderen Rechtsbereichen ableitbar. Sollte der Gesetzgeber eine Angleichung auch auf dem Gebiet des SGB V gewollt haben, was der klägerische Vortrag suggeriert, was sich aber aus den Gesetzesmaterialien nicht ableiten lässt, hätte dies der Gesetzgeber durch den Erlass entsprechender Vorschriften zum Ausdruck bringen müssen. 

*  Ein Verstoß gegen Art. 3 GG ist nicht ersichtlich, weder unter dem von der Klägerin angeführten Gesichtspunkt des Diskriminierungsverbots des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG noch des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG, insbesondere unter dem daraus abgeleiteten Verbot einer Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung.

o   Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (keine Benachteiligung wegen des Geschlechts) kann § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht begründen, da der Klägerin nicht wegen ihres Geschlechts Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung vorenthalten werden. Sofern die Klägerin der Ansicht ist, ihr würden Leistungen wegen des Geschlechts ihrer Ehegattin verweigert, kann dies einen Verstoß gegen ein Grundrecht der Klägerin nicht begründen, da kein eigenes Grundrecht der Klägerin betroffen ist.

o   Einen Verstoß gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Verbot einer Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung kann die Klägerin nicht geltend machen. Denn die Regelung des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V knüpft nicht an einer sexuellen Orientierung an, sondern daran, dass "Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden". Diese Voraussetzung trifft gleichgeschlechtliche Ehepaare in gleicher Weise wie gemischtgeschlechtliche und kann auch bei gemischtgeschlechtlichen Ehepaaren bei absoluter Unfruchtbarkeit eines Ehegatten einer Realisierung einer Kinderwunschbehandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung entgegenstehen. § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V beinhaltet daher keine Diskriminierung wegen des Geschlechts, sondern eine geschlechterunabhängige Privilegierung der homologen Insemination gegenüber der heterologen Insemination.

o   Schließlich beinhaltet § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V auch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dabei könnte ein solcher Verstoß nur darin gesehen werden, dass eine Gleichbehandlung der heterologen künstlichen Befruchtung, die durch § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen wird, mit der homologen Insemination, die durch § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen wird, geboten wäre. Denn die in einer gleichgeschlechtlichen Ehe lebende Klägerin wird nach dem derzeit geltenden Recht zur künstlichen Befruchtung im SGB V im Übrigen gleichbehandelt mit Ehegatten in einer gemischtgeschlechtlichen Ehe, bei denen Ei- und Samenzellen eines oder beider Ehegatten nicht für eine künstliche Befruchtung verwendet werden können, und auch mit männlichen Ehegatten einer gleichgeschlechtlichen Ehe.

Eine rechtliche Gleichbehandlung der heterologen mit der homologen Insemination ist aber, gerade auch mit Blick auf die besonders weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts (s.o.) verfassungsrechtlich nicht geboten. Vielmehr liegen unterschiedliche Sachverhalte vor, die dem Gesetzgeber eine Ungleichbehandlung gestatten, wie dies das BSG bereits mit Urteil vom 09.10.2001, B 1 KR 33/00 R, erläutert hat.

Dass der Gesetzgeber im Übrigen auch selbst nicht davon ausgeht, dass im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung gleichgeschlechtliche Ehepaare mit gemischtgeschlechtlichen gleichgestellt sind oder aus verfassungsrechtlichen Gründen gleichzustellen wären, lässt sich dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Gleichstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften und lesbischer Paare bei der Kostenübernahme für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung vom 24.04.2018 (Bundestags-Drucksache 19/1832) entnehmen, wenn dort ausgeführt wird:

"Nach § 27a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) haben lediglich verheiratete Paare einen Anspruch, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Teil der Kosten für künstliche Befruchtungen von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen wird. Dies gilt zudem nur für eine homologe künstliche Befruchtung, d. h. wenn Samen und Eizellen der jeweiligen Partner dabei verwendet werden. Damit schließt die Regelung unverheiratete Paare ebenso aus wie alle lesbischen Paare, unabhängig davon, ob diese verheiratet sind oder nicht. Das Bundessozialgericht hat in einer Entscheidung vom 18. November 2014 (Az. B 1 A 1/14 R) festgestellt, dass gesetzliche Krankenkassen selbst auf freiwilliger Basis die Kosten einer künstlichen Befruchtung bei nicht verheirateten Paaren nicht übernehmen dürfen, da die Voraussetzungen der Kostenübernahme nur vom Gesetzgeber selbst erweitert werden dürfen. Das Bundesverfassungsgericht hatte allerdings bereits in seiner Entscheidung vom 28. Februar 2007 (BVerfGE 117, 316) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Ermessen des Gesetzgebers stehe, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 27a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch näher zu bestimmen."

Gesetz geworden ist dieser Gesetzesentwurf bislang nicht.

Ergänzend weist der Senat in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass die bisher geltende Regelung, wonach sich aus § 27a Abs. 1 Nrn. 3 und 4 SGB V ergibt, dass künstliche Befruchtungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann in Betracht kommen, wenn sowohl eine Ehe vorliegt als auch ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden, seine Rechtfertigung auch im Kindeswohl findet (vgl. BVerfG, Urteil vom 28.02.2007,1 BvL 5/03: "Der Gesetzgeber durfte auch in typisierender Betrachtung die Ehe wegen ihres besonderen rechtlichen Rahmens als eine Lebensbasis für ein Kind ansehen, die den Kindeswohlbelangen mehr Rechnung trägt als eine nichteheliche Partnerschaft, und deshalb den Ehegattenvorbehalt in § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V vorsehen."). Dem Kindeswohl wäre aber bei einer heterologen künstlichen Befruchtung in einer gleichgeschlechtlichen Ehe nicht in gleicher Weise Rechnung getragen wie bei einer homologen künstlichen Befruchtung (in einer gemischtgeschlechtlichen Ehe). Bei ersterer hätte das durch künstliche Befruchtung gezeugte Kind kraft Geburt mit der Mutter im Sinne des § 1591 BGB lediglich einen Elternteil, der ihm zum Unterhalt verpflichtet wäre, nicht aber mit Mutter im Sinne des § 1591 BSG und Vater im Sinne des § 1592 BGB deren zwei. Erst durch Annahme des Kindes durch den gleichgeschlechtlichen Ehepartner gemäß § 1741 Abs. 2 Satz 3 BGB würde das Kind die Stellung eines gemeinschaftlichen ehelichen Kindes der Ehegatten nach § 1754 Abs. 1 BGB erhalten. Solange dieser Akt der Annahme, der nicht rechtlich erzwingbar ist, nicht erfolgt ist, würde sich das durch heterologe künstliche Befruchtung gezeugte Kind in einer unter Unterhaltsgesichtspunkten schlechteren Stellung befinden als ein durch homologe künstliche Befruchtung gezeugtes Kind. Dies ist jedenfalls auch ein weiterer gewichtiger Rechtfertigungsgesichtspunkt für eine Ungleichbehandlung. 

Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat abschließend auf Folgendes hin:

*  Sofern die Bevollmächtigten der Klägerin der Ansicht zu sein scheinen, aus dem Urteil des BFH vom 05.10.2017, VI R 47/15, für die Klägerin positive Rückschlüsse ziehen zu können, haben sie zweierlei übersehen: Zum einen enthalten die Entscheidungsgründe des BFH keinerlei Ausführungen verfassungsrechtlicher Art, die einen Rückschluss auf das Verfahren der Klägerin zulassen würden. Zum anderen verkennen die Bevollmächtigten, dass aus steuerrechtlichen Gesichtspunkten regelmäßig keine Rückschlüsse auf die Beurteilung sozialrechtlicher Sachverhalte möglich sind.

*  Wenn die Bevollmächtigten der Klägerin zum Urteil des BVerfG vom 28.02.2007, 1 BvL 5/03, auf S. 3 ihres Schriftsatzes vom 20.09.2018 darauf hinweisen, dass sich das BVerfG in dieser Entscheidung mit der Frage beschäftigt habe, ob die Vorschrift des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V verfassungsgemäß sei, das BVerfG aber ausschließlich geprüft habe, ob eine Ungleichbehandlung von Personen einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft gegenüber Ehegatten vorliege, und die Ungleichbehandlung von heterosexuellen Ehegatten zu homosexuellen Ehegatten ausdrücklich nicht geprüft habe, verkennen die Bevollmächtigten die Entscheidung des BVerfG. Denn das Bundesverfassungsgericht hat sich in dieser Entscheidung inhaltlich ausschließlich mit der Regelung des § 27a Abs. 1 Nr. 3 SGB V beschäftigt; § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V war explizit nicht Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Überprüfung ("Die Vorlage ist zulässig, die Vorlagefrage ist jedoch einzuschränken. Sie kann § 27 a Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht umfassen. Soweit diese Vorschrift von Ehegatten spricht, knüpft sie damit lediglich - wie im Übrigen ebenso § 27 a Abs. 1 Nr. 5 SGB V - an den in § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V geregelten Ehegattenvorbehalt an. Regelungszweck ist vor allem, die so genannte heterologe Insemination als Methode der künstlichen Befruchtung von der Finanzierung durch die gesetzliche Krankenversicherung auszuschließen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Oktober 2001 - B 1 KR 33/00 R, SozR 3-​2500 § 27 a Nr. 4). Diese Frage ist jedoch für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens nicht erheblich (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE 58, 300 <319>; stRspr), da ausschließlich Samenzellen des Lebenspartners der Klägerin des Ausgangsverfahrens verwendet werden sollen und daher eine so genannte homologe Insemination beabsichtigt ist (vgl. Deutsch/Spickhoff, a.a.O., Rn. 544).").

Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, liegen angesichts des eindeutigen Wortlauts der gesetzlichen Regelung des § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht vor. 

Rechtskraft
Aus
Saved