1. Nachholung der Antragstellung im Berufungsverfahren bei im Verfahren vor dem Sozialgericht unzulässigem Klageantrag ohne gerichtlichen Hinweis im Verfahren vor dem SG. 2. Beschädigtenversorgung nach dem OEG wegen ärztlicher Behandlung.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 30.01.2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Kläger hat wegen Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung Kosten in Höhe von 850,- € an die Staatskasse zu zahlen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Streitig ist, ob der Kläger aus einer medizinischen Behandlung Ansprüche nach den Vorschriften des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG -) ableiten kann.
Der Kläger ist im Jahre 1938 geboren.
Mit Eingang am 02.12.2015 stellte der Kläger durch seine anwaltliche Bevollmächtigte beim Beklagten einen Antrag auf Leistungen für Gewaltopfer. Dabei trug er Folgendes vor:
Nach einem Unfall im März/April 2007, bei dem er sich bei der Gartenarbeit am rechten Knöchel und der Sehne verletzt habe, sei er von Dr. K. geröntgt worden. Dieser habe gesagt, es müsse eine Operation zur Sehnenrevision erfolgen. Er, der Kläger, habe aber um eine Überweisung ins Klinikum B-Stadt gebeten. Dr. K. habe daraufhin gesagt, er sei selbst Chirurg und könne ihn selbst operieren. Bei der Operation am 04.12.2007 in der L. T. durch Dr. K. sei es zu Pannen gekommen. So sei zunächst der falsche Fuß zur Operation vorbereitet worden. Der Narkoseärztin sei die Spritze auf den Boden gefallen. Er habe dann nach Hause gehen wollen, sei aber festgebunden gewesen. Dr. K. und weitere Personen hätten so lange auf ihn eingeredet, bis er nachgegeben und sich von Dr. K. operieren lassen habe. Seither habe er massivste Schmerzen. Es sei auf ihn massive psychische Gewalt ausgeübt worden, die Praxis des Dr. K. nicht zu verlassen. Er sei massivst fehlerhaft behandelt worden.
Der Beklagte zog die Gerichtsakte des zivilgerichtlichen Verfahrens beim Landgericht (LG) B-Stadt, Aktenzeichen XXX, bei, das der Kläger gegen Dr. K. wegen Schmerzensgeld angestrengt hatte. Darin finden sich zur Operation vom 04.12.2007 folgende Angaben:
* Mit Schriftsatz vom 03.11.2010 hatte die Bevollmächtigte des Klägers, die den Kläger auch im zivilgerichtlichen Verfahren vertreten hatte, gegenüber Dr. K. einen Schmerzensgeldanspruch des Klägers geltend gemacht und dies mit einem "krassen" ärztlichen Behandlungsfehler begründet; Ausführungen, wie es zur Operation am 04.12.2007 gekommen ist, enthält diese Schreiben nicht.
* Im Schriftsatz vom 01.12.2010 hatte die Bevollmächtigte des Klägers ausgeführt, dass die Operation vom 04.12.2007 zu keinerlei Besserung geführt habe und daher einen erheblichen ärztlichen Behandlungsfehler aufweise; Angaben zur unmittelbaren Vorgeschichte am Operationstag hatte sie nicht gemacht.
* Gegenüber den Gutachtern im zivilgerichtlichen Verfahren (orthopädisches Gutachten vom 05.05.2014 und radiologisches Zusatzgutachten vom 20.03.2014) hatte der Kläger zur Operation vom 04.12.2007 schriftlich Folgendes angegeben: "Am 04.12.2007 um 15.00 Uhr wurde es operiert von Dr. K.. Bevor ich operiert wurde, wurde der linke Fuß OP-fertig gemacht. OP-Schwester wollte mir Narkose spritzen. Ich sagte, was ist mit dem rechten Fuß. Ihr fiel die Spritze am Boden. Ich wollte dann nach Hause. Die sagten dann, ich brauche keine Angst haben. Dr. K. hat es selbst in seiner Praxis erzählt."
Die zivilgerichtlichen Sachverständigen waren zu der Einschätzung gekommen, dass die Operation am 04.12.2007 indiziert gewesen sei, dem Versorgungsstandard entsprochen habe und technisch korrekt durchgeführt worden sei; auch die Nachbehandlung sei korrekt erfolgt. Die zivilgerichtliche Klage war in erster (Urteil des LG B-Stadt vom 23.12.2014, XXX) und zweiter Instanz (Beschluss des Oberlandesgerichtes B-Stadt vom 19.08.2015, XXX) erfolglos geblieben.
Strafanzeige gegen Dr. K. hatte der Kläger nicht gestellt.
Mit Bescheid vom 01.02.2016 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab. Begründet wurde die Ablehnung damit, dass ein ärztlicher Eingriff, sofern dieser fachgerecht durchgeführt werde und medizinisch indiziert sei, keinen tätlichen Angriff im Sinne des OEG darstelle. Einen Heilerfolg schulde ein Arzt nicht, sondern nur eine fachgerechte, dem wissenschaftlichen Standard entsprechende Behandlung. Die von Dr. K. durchgeführte Operation sei technisch korrekt durchgeführt worden, wie auch im zivilgerichtlichen Verfahren festgestellt worden sei.
Dagegen legte die Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 03.03.2016 Widerspruch ein mit dem Antrag, den Bescheid vom 01.02.2016 aufzuheben und den Kläger "neu zu verbescheiden".
Begründet wurde der Widerspruch mit anwaltlichem Schriftsatz vom 05.08.2016 damit, dass eine fachgerechte und dem wissenschaftlichen Standard entsprechende Behandlung des Klägers nicht vorliege, woran auch nichts die Tatsache ändere, dass im zivilgerichtlichen Verfahren ein Behandlungsfehler verneint worden sei. Der Kläger habe in seiner Antragstellung geschildert, inwiefern die Operation technisch nicht korrekt durchgeführt worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2016 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Ergänzend zur Begründung im Bescheid wurde darauf hingewiesen, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 29.04.2010, B 9 VG 1/09 R) ein ärztlicher Eingriff nur dann einen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG darstelle, wenn der ärztliche Eingriff objektiv in keiner Weise dem Wohl des behandelten Patienten diene, was insbesondere dann der Fall sei, wenn sich der Arzt bei seiner Vorgehensweise im Wesentlichen von eigenen finanziellen Interessen leiten lasse und die gesundheitlichen Belange des Patienten hintanstelle.
Am 12.09.2016 hat die Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Sozialgericht (SG) Bayreuth erhoben und folgende Anträge gestellt:
"1. Der Bescheid der Beklagten vom 01.02.2016, Az.: ..., in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2016, Az. ..., wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen."
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 06.10.2016 beantragt, die Klage als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet abzuweisen. Das Klagebegehren sei nicht ersichtlich, da weder der Widerspruch noch die Klage bisher begründet worden seien. Dieses Schreiben ist mit gerichtlichem Schreiben vom 10.10.2016 an die Bevollmächtigte des Klägers "zur Kenntnis" übersandt worden.
Die Bevollmächtigte des Klägers hat zur Begründung der Klage mit Schriftsatz vom 25.01.2017 die Widerspruchsbegründung vom 05.08.2016 wiederholt.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.01.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei bereits unzulässig, in jedem Fall aber unbegründet. Unzulässig sei die Klage deshalb, weil die vom Kläger gestellte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf Erteilung eines neuen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts so nicht zulässig sei, weil ein Leistungsantrag, der die begehrte Leistung nicht genau bezeichne, unzulässig sei (vgl. BSG, Urteile vom 17.04.2013, B 9 V 3/12 R, und vom 02.10.2008, B 9 VG 2/07 R). Der Antrag neben dem Anfechtungsteil hätte z. B. lauten können, den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ab 02.12.2015 eine Beschädigtenrente nach dem OEG zu gewähren. Aber auch eine zulässig erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage wäre unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch nach dem OEG habe. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die behandelnden Ärzte bei der Behandlung des Klägers im Wesentlichen von eigenen finanziellen Interessen leiten lassen hätten. Auch sei nicht ersichtlich, dass die Operation sowie die Nachbehandlung nicht dem Wohl des Klägers gedient haben sollten oder die gesundheitlichen Belange des Klägers hintangestellt worden seien.
Gegen den am 01.02.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Bevollmächtigte des Klägers am 01.03.2019 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 01.08.2019 ist, nachdem bis dahin eine Begründung der Berufung nicht vorgelegt worden war, darauf hingewiesen worden, dass Erfolgsaussichten des Verfahrens nicht zu erkennen seien. Nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen sei nicht mal ein Behandlungsfehler nachzuvollziehen, wobei allein auf die Schilderungen des Klägers der Nachweis eines tätlichen Angriffes kaum gestützt werden könne. Unter Hinweis auf § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist angeregt worden, die Berufung zurückzunehmen.
Mit Schriftsatz vom 19.08.2019 ist die Berufung anschließend wie folgt begründet worden:
Der Gerichtsbescheid sei falsch, weil das Urteil sehr oberflächlich abgefasst und der Kläger als 1961 geborener Kläger dargestellt worden sei, obwohl er tatsächlich 1938 geboren sei. Der Kläger habe einen Anspruch auf Ersatz der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen aufgrund eines vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffs, wodurch er eine gesundheitliche Schädigung erlitten habe. Der eigentliche Tatort sei in der L. T. gewesen, wo Dr. K. den Kläger operiert und es sträflich unterlassen habe, den Kläger zu einer Operation in eine Klinik zu schicken. Bereits bei der Operation sei es zu Pannen gekommen, indem der falsche Fuß quasi für die Operation vorbereitet und nur auf massivstes Insistieren des Klägers dann das richtige Bein operiert worden sei. Ab diesem Zeitpunkt habe der Kläger massivste Schmerzen gehabt. Die Gewalt gegenüber dem Kläger habe Dr. K. verübt, indem er zum einen die Operation entgegen dem ausdrücklichen Wunsch des Klägers nicht im Klinikum durchführen lassen und dann die Operation offensichtlich so ausgeführt habe, dass dem Kläger hierdurch massivste Schmerzen und Beschwerden entstanden seien. Es sei auch massive psychische Gewalt auf den Kläger ausgeübt worden, die Praxis des Dr. K. nicht zu verlassen. Neben Dr. K. hätten nach Erinnerung des Klägers noch vier weitere Personen auf den Kläger eingeredet und ihn am Weggehen gehindert. Somit liege ein vorsätzlicher tätlicher Angriff auf den Kläger vor. Es liege keine fachgerechte und dem wissenschaftlichen Standard entsprechende Behandlung des Klägers vor, woran auch die Tatsache nichts ändere, dass das LG B-Stadt das Vorliegen eines Behandlungsfehlers verneint habe. Ergänzend gebe der Kläger noch an, dass er vor der fehlerhaften Operation bemerkt habe, dass der Behandler aufgrund einer Feier in den Räumen seiner Praxis Sekt getrunken habe. Dr. K. habe in massiver Art und Weise auf ihn eingeredet, die Operation nicht im Krankenhaus, sondern von ihm, Dr. K., durchführen zu lassen. Der Kläger sei zunächst psychisch unter Druck gesetzt und danach auch physisch, indem er aus seiner Sicht mit roher Gewalt behandelt worden sei. Sein erneut geäußerter Wunsch, in einem Krankenhaus behandelt zu werden, sei erneut missachtet worden. Für den Kläger stelle sich die Behandlungsweise als eine massive, auf seine Person einwirkende Gewalthandlung dar.
Auf den gerichtlichen Hinweis im Schreiben vom 23.08.2019 hin, dass nach dem geschilderten Sachverhalt ein Schädigungstatbestand im Sinne des OEG nicht nachzuvollziehen sei, hat die Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 05.09.2019 Folgendes vorgetragen:
Der Kläger habe sich am Operationstag um 15:00 Uhr in der L. T. im Operationsraum befunden. Er habe ca. 20 bis 30 Minuten operationsbereit auf dem OP-Tisch gelegen, bis jemand zu ihm gekommen sei. Eine der Sprechstundenhilfen habe den Kläger auf Anweisung auf dem OP-Tisch festgebunden und den linken Fuß eingebunden, obwohl der rechte Fuß operiert werden sollte. Auf die Frage des Klägers, was denn mit dem rechten Fuß sei, der operiert werden solle, sei der Narkoseschwester die Spritze auf den Boden gefallen und zerbrochen. Nachdem der Kläger aufgrund dieser Vorfälle äußerst beunruhigt gewesen sei und es auch längere Zeit gedauert habe, die Scherben zu beseitigen, habe er dringlichst darum gebeten, losgebunden zu werden, weil er mit seinem Enkel telefonieren möchte, damit der ihn abhole. Er wolle die Sache nochmals überdenken. Daraufhin sei längere Zeit auf den noch auf dem OP-Tisch festgebundenen Kläger eingeredet worden. Der Kläger habe sich weiterhin massiv gewehrt und gefordert, losgebunden zu werden, weil er nach Hause wolle. Zudem habe er nochmals gefordert, telefonieren zu dürfen, um sich vom Enkel abholen zu lassen. Dem sei keine Folge geleistet worden. Vielmehr sei weiterhin auf ihn eingeredet worden, sodass er ca. nach einer halben Stunde bzw. 40 Minuten völlig verzweifelt aufgegeben und sich überreden lassen habe, sich von Dr. K. operieren zu lassen, da er seine Lage als ausweglos betrachtet habe. Es habe nicht nur psychische, sondern auch physische Gewaltanwendung vorgelegen, indem man den Kläger festgebunden und ihn nicht losgebunden habe, damit er seinen Enkel anrufen und weggehen könne. Dr. K. habe dies absolut gebilligt. Somit sei der Gewaltbegriff sehr wohl erfüllt. Auf den Kläger sei auch physische Gewalt ausgeübt worden.
Die Modifizierung des Sachvortrags im anwaltlichen Schreiben vom 05.09.2019 hat die Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 05.11.2019 damit erklärt, dass sie, die Bevollmächtigte, den Kläger noch mehr und intensiver befragt habe, da dieser immer der Meinung gewesen sei, dass die Tatsachen, dass er nicht von Dr. K. operiert werden wolle und die Operation seiner Meinung nach auch misslungen sei, im Vordergrund gestanden hätten. Missbrauchskosten, wie sie vom Gericht angedroht worden seien, seien in keinster Weise angezeigt, insbesondere, wenn man auch das Alter des Klägers bedenke.
Der Kläger beantragt (Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 01.03.2019),
den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 30.01.2019 sowie den Bescheid vom 01.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ab Antragstellung Versorgungsrente nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie der vorgelegten Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen; vorgelegen haben auch Aktenauszüge des zivilgerichtlichen Verfahrens des Klägers wegen der Operation am 04.12.2017 (Akten des LG B-Stadt zum Aktenzeichen XXX).
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Der Senat kann vorliegend durch den Vorsitzenden anstelle des Senats gemäß § 155 Abs. 3 SGG und ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da die Beteiligten hierzu mit Schreiben vom 09.04.2020 und 17.04.2020 ihr Einverständnis erklärt haben.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143,144, 151 SGG) ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.
Zwar hätte das SG die Klage nicht ohne weitere Hinweise an die Bevollmächtigte des Klägers wegen Unzulässigkeit abweisen dürfen (dazu vgl. unten Ziff. 1). Die Klage war aber, wie das SG zutreffend angenommen hat, unbegründet, woran auch der klägerische Vortrag im Berufungsverfahren nichts ändert (vgl. unten Ziff. 2).
1. Zur Zulässigkeit der Klage
Der im Verfahren vor dem SG gestellte klägerische Antrag beinhaltet seinem Wortlaut nach ausschließlich eine Anfechtungs- und Bescheidungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG und kann auch nicht anders ausgelegt werden (vgl. unten Ziff. 1.1). Einer solchen Klage würde das Rechtsschutzbedürfnis fehlen (vgl. unten Ziff. 1.2). Das SG hätte die Klage aber nur dann wegen Unzulässigkeit abweisen dürfen, wenn auch nach einem entsprechenden gerichtlichen Hinweis die Bevollmächtigte des Klägers den unzureichenden Antrag in dieser Form aufrechterhalten hätte; ein solcher Hinweis ist jedoch durch das SG nicht gegeben worden (vgl. unten Ziff. 1.3). Eine Nachholung der zutreffenden Antragstellung ist noch im Berufungsverfahren möglich und vorliegend auch erfolgt (vgl. unten Ziff. 1.4).
1.1. Antrag im Klageverfahren vor dem SG
Der vor dem SG von der Bevollmächtigten des Klägers gestellte Antrag kann nur als Anfechtungs- und Bescheidungsantrag im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG ausgelegt werden.
1.1.1. Auslegungsgrundsätze
Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen und des sich daraus ergebenden Begehrens vor Gericht ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 17/13). In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch ist der wirkliche Wille des Beteiligten zu erforschen. Dabei sind nicht nur der Wortlaut, sondern auch die sonstigen Umstände des Falls, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind, zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteile vom 22.03.1988, 8/5a RKn 11/87, und vom 14.06.2018, B 9 SB 2/16 R).
Zu berücksichtigen ist der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.11.1995, X B 328/94). Verbleiben Zweifel, ist im Sinne des Meistbegünstigungsprinzips (vgl. Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 22.02.1985, 8 C 107/83; BSG, Beschlüsse 16.02.2012, B 9 SB 48/11 B, und vom 05.06.2014, B 10 ÜG 29/13 B, Urteil vom 14.06.2018, B 9 SB 2/16 R) von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011, B 1 KR 10/10 R), um dem Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschlüsse vom 30.04.2003, 1 PBvU 1/02, und vom 03.03.2004, 1 BvR 461/03).
Wie bei der Auslegung gesetzlicher Regelungen auch (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18.02.2003, 2 BvR 369/01, 2 BvR 372/01, und vom 02.05.2016, 2 BvR 1137/14) ist die Auslegung einer Prozesserklärung durch die Wortlautgrenze (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2016, 2 BvR 1137/14) begrenzt, wobei im Sinn der gebotenen klägerfreundlichen Auslegung vom Gericht im Rahmen der Auslegung alles zu unternehmen ist, der von einem Beteiligten gewählten Formulierung einen Erklärungsinhalt beizumessen, der ihm größtmöglichen Rechtsschutz eröffnet.
Bei einem Rechtsanwalt als rechtskundigem Bevollmächtigten ist dabei in der Regel anzunehmen, dass er das Gewollte auch richtig wiedergibt (vgl. BSG, Beschluss vom 05.06.2014, B 10 ÜG 29/13 B, und Urteil vom 14.06.2018, B 9 SB 2/16 R; Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 123, Rdnr. 3). Ausnahmsweise ist aber auch ein rechtskundig Vertretener nicht am fachsprachlichen Wortlaut seiner gegenüber dem Gericht abgegebenen Erklärung festzuhalten und damit eine Auslegung einer anwaltlichen Erklärung trotz eines entgegenstehenden Wortlauts möglich, wenn für das Gericht erkennbar ein Irrtum vorliegt oder wenn der rechtskundig vertretene Rechtsmittelführer, der durch die Vorinstanz unzutreffend über den gegebenen Rechtsbehelf belehrt worden ist, sich entsprechend der ihm erteilten gerichtlichen Belehrung verhält (vgl. BSG, Urteile vom 16.07.1996, 1 RR 3/95, und vom 14.12.2006, B 4 R 19/06 R).
Anträge im gerichtlichen Verfahren sind daher insoweit einer Auslegung zugänglich, als sie "Anlass und Raum für eine Auslegung bieten" (BSG, Urteil vom 14.06.2018, B 9 SB 2/16 R).
1.1.2. Auslegung im streitgegenständlichen Fall
Anlass und Raum, den erstinstanzlichen klägerischen Antrag anders als einen Anfechtungs- und Bescheidungsantrag auszulegen, bestehen nicht.
Die Bevollmächtigte des Klägers hat mit Schriftsatz vom 12.09.2019 folgenden Antrag gestellt:
"1. Der Bescheid der Beklagten vom 01.02.2016, Az.: ..., in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2016, Az. ..., wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen."
Dieser Antrag beinhaltet seinem Wortlaut nach eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, letztere in Form der Bescheidungsklage, da der Antrag darauf abzielt, die Verwaltung zu einer neuen Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsaufassung des Gerichts zu verpflichten.
Einer Auslegung (als - zulässiger - Anfechtungs- und Leistungsantrag im Sinne des § 54 Abs. 4 SGG) ist dieser klar formulierte und in eindeutiger juristischer Fachsprache gestellte Antrag nicht zugänglich.
Von einer Mehrdeutigkeit des Antrags im Schriftsatz vom 12.09.2016 in dem Sinne, dass er aufgrund des Meistbegünstigungsprinzips zugunsten des Klägers als Anfechtungs- und Leistungsantrag auszulegen wäre, kann vorliegend nicht ausgegangen werden; der Antrag war ohne jeden Zweifel darauf gerichtet, dass das Gericht den Beklagten zum Erlass eines neuen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, nicht zu einer bestimmten Leistung, verurteilen solle. Diesen Antrag als Anfechtungs- und Leistungsantrag zu verstehen, würde dem ersichtlichen Willen der Bevollmächtigten des Klägers widersprechen, die zu keiner Zeit, weder im Widerspruchs- noch im Klageverfahren, zum Ausdruck gebracht hat, dass der Kläger eine bestimmte Leistung nach opferentschädigungsrechtlichen Vorschriften begehre. Diesen Willen muss sich der Kläger zurechnen lassen.
Dafür, dass die Bevollmächtigte des Klägers ihren Antrag lediglich irrtümlich als Bescheidungsantrag formuliert hätte, obwohl ein Leistungsantrag beabsichtigt gewesen wäre, gibt es keinerlei Hinweise. Es deutet nichts darauf hin, dass die rechtskundige Bevollmächtigte des Klägers vor dem SG irrtümlich einen Anfechtungs- und Bescheidungsantrag formuliert hätte. Auch im Widerspruchsverfahren hat sie einen solchen Antrag gestellt. Zudem ist die Bevollmächtigte des Klägers dem Senat aus diversen versorgungsrechtlichen Verfahren bekannt und gibt als ihren Interessenschwerpunkt auch das Opferrecht an. Dies zugrunde gelegt muss davon ausgegangen werden, dass die Bevollmächtigte des Klägers Anträge in einem Rechtsgebiet, in dem sie regelmäßig auftritt, auch zutreffend formulieren kann und ihr bewusst ist, was sie beantragt.
Der von der Bevollmächtigten gestellte Antrag ist daher einer Auslegung dahingehend, dass er unter Zugrundelegung des Meistbegünstigungsprinzips als zulässiger Anfechtungs- und Leistungsantrag im Sinne des § 54 Abs. 4 SGG zu verstehen wäre, nicht zugänglich.
1.2. Kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungs- und Bescheidungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG
Der von der Bevollmächtigten des Klägers erhobenen Anfechtungs- und Bescheidungsklage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.
Leistungen des Opferentschädigungsrechts wie eine Versorgungsrente stellen keine Ermessensleistungen dar, sondern basieren auf einer gebundenen Entscheidung, bei der eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.1999, B 9 V 23/98 R); denn es kann unmittelbar die Leistung begehrt werden (vgl. Keller, a.a.O., § 54, Rdnr. 38c). Mit einem Bescheidungsurteil wäre die begehrte Leistung einer Versorgungsrente nach wie vor offen, obwohl eine rechtsverbindliche und sachlich abschließende Entscheidung im gerichtlichen Verfahren bei entsprechender Antragstellung möglich wäre. Mit einer Leistungsklage könnte der Kläger sein Ziel einer Versorgungsrente auf dem dafür vorgesehenen kürzesten Weg erreichen, was dazu führt, dass eine Bescheidungsklage nicht in Betracht kommt und daher unzulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 14.07.1976, 9 RV 176/75). Aus dem gleichen Grund ist dann auch die zusammen mit der Bescheidungsklage erhobene Anfechtungsklage unzulässig (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 17.01.2017, L 15 VK 13/16).
Darauf, ob die Klage möglicherweise auch deshalb unzulässig gewesen wäre, weil der klägerische Antrag die vom Kläger begehrte Versorgungsleistung nicht ausreichend konkret angegeben hat (vgl. dazu die vom SG angeführten Urteile des BSG vom 17.04.2013, B 9 V 3/12 R, und vom 02.10.2008, B 9 VG 2/07, aber auch BSG, Urteil vom 27.09.2018, B 9 V 2/17 R), wie dies das SG angenommen hat, kommt es nicht weiter an. Denn die Bevollmächtigte des Klägers hat bereits keine Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben, bei der sich die Frage stellen würde, wie genau die beanspruchte Leistung bezeichnet werden muss.
1.3. Gerichtliche Hinweispflicht
Das SG hätte die Bevollmächtigte des Klägers darauf hinweisen müssen, dass der von ihr erhobenen Anfechtungs- und Bescheidungsklage das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, und ihr Gelegenheit geben müssen, einen sachdienlichen Antrag zu stellen.
Die sich aus § 106 Abs. 1 SGG ergebende gerichtliche Hinweispflicht, die auf die Stellung sachdienlicher Anträge durch die Beteiligten gerichtet ist, geht nach der Rechtsprechung des BSG sehr weit. Ihr Umfang richtet sich nach dem Einzelfall und hängt insbesondere auch davon ab, inwieweit die Beteiligten Hinweise benötigen und ob sie rechtskundig vertreten sind. Zwar ist bei rechtskundiger Vertretung der Umfang der Hinweispflicht geringer, die Hinweispflicht entfällt aber nicht (vgl. BSG, Urteil vom 17.10.1974, 9 RV 26/73, und Beschluss vom 11.02.2014, B 12 KR 47/13 B; Bayer. LSG, Beschluss vom 10.12.2008, L 16 AS 350/08; BVerwG, Urteil vom 29.03.1968, IV C 27/67; Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.12.2000, I ZR 179/98). Grundsätzlich soll den Beteiligten der Weg gewiesen werden, wie sie ihr Ziel am besten und zweckmäßigsten erreichen können (vgl. BVerwG, Urteile vom 14.05.1963, VII C 40/63, und vom 10.02.2005, 7 B 11/05). Dabei kann sich das Gericht im Regelfall auf allgemeine Hinweise beschränken. Lediglich dann, wenn sich eine gerichtliche Anregung aufdrängt, weil Sach- und Rechtslage eindeutig sind, kann auch ein konkreter gerichtlicher Rat angezeigt sein, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Disposition über die Prozessführung letztlich bei den Beteiligten liegt und das Gericht sie daher nicht in eine bestimmte Richtung drängen oder ihnen eine Entscheidung aufzwingen darf, was sich auch aus der Neutralitätspflicht des Gerichts ergibt, die in einem gewissen Gegensatz zur Hinweispflicht steht (vgl. zu allem Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ders., SGG, 12. Aufl. 2017, § 106, Rdnr. 4; Mushoff, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., Stand: 17.03.2020, § 106, Rdnrn. 31 f., 38).
Einen Hinweis darauf, dass der Klage mit den im Schriftsatz vom 12.09.2016 gestellten Anträgen das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, hat das SG nicht gegeben. Das SG wäre aber gehalten gewesen, zumindest einen abstrakt gehaltenen Hinweis auf die unzureichende Antragsstellung zu geben und somit der Bevollmächtigten des Klägers die Möglichkeit zu eröffnen, einen sachdienlichen Antrag zu stellen. Würde ein Kläger in einer solchen Situation hingegen aufgrund eines anwaltlichen Fehlers, nämlich der Stellung nicht sachdienlicher Anträge, schon an der Zulässigkeit der Klage scheitern und ihm damit nur die Möglichkeit verbleiben, sich gegebenenfalls im Rahmen der Anwaltshaftung bei seinem Bevollmächtigten schadlos zu halten, wäre dies schwerlich mit der klägerfreundlichen Rechtsprechung des BSG zu der gerichtlichen Hinweispflicht zu vereinbaren.
Nicht zur Erfüllung der gerichtlichen Hinweispflicht aus § 106 Abs. 1 SGG ausreichend war es, dass das SG mit gerichtlichem Schreiben vom 10.10.2016 den Schriftsatz des Beklagten vom 06.10.2016 an die Bevollmächtigte des Klägers "zur Kenntnis" übermittelt hat. Zwar hatte der Beklagte in diesem Schreiben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aus seiner Sicht ein Klagebegehren nicht erkennbar und die Klage daher als unzulässig zu verwerfen sei. Dieses Schreiben hat das SG der Bevollmächtigten des Klägers aber lediglich zur Kenntnis, nicht zur Stellungnahme, übermittelt, so dass nicht ersichtlich war, dass sich das Gericht die dort erhobenen Einwendungen zur Zulässigkeit der Klage zu eigen gemacht habe und eine Befassung der Bevollmächtigten des Klägers mit der aufgezeigten Problematik angezeigt sei.
1.4. Nachholung der Antragstellung im Berufungsverfahren
Eine Antragstellung im Sinne eines zulässigen Anfechtungs- und Leistungsantrags ist auch im Berufungsverfahren noch möglich.
Der Verfahrensmangel, dass der Bevollmächtigten des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren nicht durch einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis die Gelegenheit eröffnet worden ist, einen sachdienlichen Antrag zu stellen, kann nicht zu Lasten des Klägers gehen und zur Unzulässigkeit der Klage führen; eine Korrektur dieses Verfahrensfehlers ist im Berufungsverfahren möglich (vgl. BSG, Urteil vom 06.08.2014, B 4 AS 37/13 R, Beschlüsse vom 08.09.2015, B 1 KR 134/14 B, und vom 01.03.2018, B 8 SO 52/17 B).
Mit Erhebung der Berufung hat die Bevollmächtige des Klägers, wohl infolge der Ausführungen des SG in den Gründen des angefochtenen Urteils zur Zulässigkeit der Klage, dann auch beantragt, den Bescheid vom 01.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ab Antragstellung Versorgungsrente zu gewähren, und damit einen sachdienlichen Antrag gestellt.
2. Unbegründetheit der Anfechtungs- und Leistungsklage
Das SG ist zutreffend zu der Einschätzung gekommen, dass ein Anspruch auf Versorgung, insbesondere auf Versorgungsrente gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i.V.m. § 31 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz, wegen der am 04.12.2007 durch Dr. K. durchgeführten Operation in Form einer Sehnenrevision nicht gegeben ist.
Der Senat weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids vom 30.01.2019 zur Frage der Begründetheit der Klage zurück und sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab
Ergänzend wird zum Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren auf Folgendes hingewiesen:
Sofern der Kläger seine Angaben zum angeblichen Tathergang im Berufungsverfahren gegenüber seinen Angaben im Verwaltungsverfahren der Beklagten - im Verfahren vor dem SG hatte er keine Angaben gemacht - zuletzt dahingehend abgeändert hat, dass er nicht nur einer psychischen, sondern auch physischen Gewaltanwendung dadurch ausgesetzt gewesen sei, dass er mit Billigung des Dr. K. auf dem OP-Tisch festgebunden und trotz seiner Bitte nicht losgebunden worden sei, damit er seinen Enkel anrufen und weggehen könne, erscheint diese Angabe des Klägers dem Senat schon nicht als glaubwürdig. Denn die Modifikation des Tatgeschehens durch den Kläger bzw. seine Bevollmächtigte zielt ersichtlich darauf ab, den Sachverhalt vermeintlich "passend" für eine Entschädigung nach dem OEG zu machen. Wenn sich der Tatablauf tatsächlich so zugetragen hätte, hätte dies der Kläger nach der Überzeugung des Senats mit Sicherheit bereits im Verwaltungsverfahren gegenüber dem Beklagten angegeben. Dass der jetzt behauptete Tatablauf tatsächlich so, wie er zuletzt beschrieben worden ist, nicht stattgefunden haben dürfte, ergibt sich zudem auch daraus, dass die vom Kläger gegenüber den Gutachtern im zivilgerichtlichen Verfahren gemachten Angaben den zuletzt im Berufungsverfahren geschilderten Zwang durch Dr. K. nicht beinhalten. Schließlich belegt auch der im zivilgerichtlichen Verfahren erfolgte Vortrag der Bevollmächtigten des Klägers, die diesen auch im sozialgerichtlichen Verfahren vertreten hat, dass tatsächlich von einem durch Dr. K. ausgeübten Zwang - weder in psychischer noch in physischer Hinsicht - keine Rede sein kann. Wäre ein solcher Zwang ausgeübt worden, hätte, davon ist der Senat überzeugt, die Bevollmächtigte des Klägers diesen Sachverhalt schon im zivilgerichtlichen Verfahren vorgetragen, um die dortige Rechtsposition des Klägers zu verbessern. Aber selbst dann, wenn von einer Richtigkeit der zuletzt gemachten Angaben des Klägers ausgegangen würde, könnte damit eine Versorgung nach dem OEG nicht begründet werden. Zwar würde eine durch (psychischen oder physischen) Zwang erreichte Einwilligung in die Operation eine Rechtswidrigkeit der anschließend durchgeführten Behandlung begründen, da dann keine rechtswirksame Einwilligung vorläge. Damit eine medizinische Behandlung als feindselige Angriffshandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG bewertet werden kann, ist aber neben einer Strafbarkeit als Vorsatztat weiter Voraussetzung, dass die Behandlung in keiner Weise dem Wohl des Patienten gedient hat. Das BSG hat dies in seinem auch vom SG angeführten Urteil vom 29.04.2010, B 9 VG 1/09 R, wie folgt dargestellt:
"Für die besondere Fallkonstellation des ärztlichen Eingriffs müssen deshalb - neben der Strafbarkeit als Vorsatztat - bestimmte weitere Voraussetzungen hinzukommen, bei deren Vorliegen die Grenze zur Gewalttat, also zum "vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff", überschritten ist. Nach Auffassung des erkennenden Senats wird ein Patient unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des OEG dann zum Gewaltopfer, wenn ein als vorsätzliche Körperverletzung strafbarer ärztlicher Eingriff objektiv - also aus der Sicht eines verständigen Dritten - in keiner Weise dem Wohl des Patienten dient. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich der Arzt bei seiner Vorgehensweise im Wesentlichen von eigenen finanziellen Interessen leiten lässt und die gesundheitlichen Belange des Patienten hintangestellt hat."
Dass die gesundheitlichen Belange des Klägers bei der Operation durch Dr. K. vernachlässigt oder gar gänzlich unberücksichtigt geblieben wären, ist nicht nachgewiesen. Vielmehr ist nach den im zivilgerichtlichen Verfahren eingeholten überzeugenden Gutachten die Operation sowohl indiziert gewesen als auch dem aktuellen Versorgungsstandard entsprechend technisch korrekt durchgeführt worden. Damit sind die gesundheitlichen Belange des Klägers nicht hintangestellt worden. Eine Gewalttat im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG liegt somit nicht vor.
Der Kläger kann daher mit seiner Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat dem Kläger gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG im Wege der Ausübung seines Ermessens Missbrauchskosten in Höhe von 850,- € auferlegt.
Nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht im Urteil bzw. Beschluss einem Beteiligten die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Gericht die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist.
Eine missbräuchliche Rechtsverfolgung ist dann anzunehmen, wenn die Weiterführung des Rechtsstreits von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23.02.2016, 2 BvR 63/16, 2 BvR 60/16) und der Beteiligte entgegen seiner besseren Einsicht von der weiteren Rechtsverfolgung nicht Abstand nimmt (vgl. BSG, Urteil vom 19.06.1961, 3 RK 67/60). Es ist also ein ungewöhnlich hohes Maß an Uneinsichtigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 12.03.1981, 11 RA 30/80) zu verlangen, wobei sich ein Beteiligter die Uneinsichtigkeit seines Bevollmächtigten zurechnen lassen muss (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.1967, 10 RV 102/67).
Die Darlegung der Missbräuchlichkeit und der Hinweis auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung kann in einem Gerichtstermin (mündliche Verhandlung oder Erörterungstermin) oder "auch in einer gerichtlichen Verfügung" (Bundestags-Drucksache 16/7761, S. 23), also - wie hier am 01.08.2019 - in einem gerichtlichen Schreiben an den Beteiligten erfolgen (ständige Rspr., vgl. z.B. Bayer. LSG, Urteil vom 27.03.2014, L 15 VK 17/13, und Beschluss vom 25.03.2019, L 20 P 35/18).
Die aufgezeigten Voraussetzungen für die Verhängung von Missbrauchskosten sind vorliegend erfüllt. Der Kläger hat in Kenntnis der klaren Rechtsprechung des BSG zur Anwendung des OEG auf ärztliche Behandlungen gleichwohl sein Begehren aufrechterhalten. Jeder einsichtige Kläger hätte in einer solchen Situation spätestens nach den ausführlichen Hinweisen zu der inmitten stehenden materiellen Rechtsfrage in den gerichtlichen Schreiben vom 01.08.2019, 10.09.2019 und 06.11.2019 von seinem Begehren abgelassen und das offensichtlich keinerlei Erfolg versprechende Berufungsverfahren durch Rücknahme beendet. Dass die Bevollmächtigte des Klägers anschließend noch durch eine - nach der Überzeugung des Senats nicht glaubwürdige und im Übrigen auch nicht für die Schaffung eines Entschädigungstatbestands geeignete - Modifizierung des Sachvortrags versucht hat, eine Grundlage für eine Entschädigung zu schaffen, verstärkt nur den Eindruck eines rechtsmissbräuchlichen Begehrens des Klägers und seiner massiven Uneinsichtigkeit. An dieser Einschätzung ändert auch der Hinweis der Bevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 05.11.2019 nichts, dass sie insbesondere in Anbetracht des Alters des Klägers die Verhängung von Missbrauchskosten nicht für angezeigt erachte. Ganz abgesehen davon, dass das Alter eines Beteiligten kein Hindernisgrund für die Verhängung von Missbrauchskosten ist, müsste sich der Kläger auch die Uneinsichtigkeit seiner Bevollmächtigten zurechnen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.1967, 10 RV 102/67). Zugunsten der Bevollmächtigten des Klägers geht der Senat nicht davon aus, dass die Bevollmächtigte die allein treibende Kraft für die Fortsetzung des Berufungsverfahrens gewesen ist und die Missbräuchlichkeit daher vorrangig der Bevollmächtigten selbst zuzurechnen wäre, was eine Auferlegung der Missbrauchskosten gegenüber der Bevollmächtigten selbst, nicht dem Kläger begründen könnte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.12.2008, 2 BvR 2187/08; LSG Niedersachen-Bremen, Beschluss vom 26.08.2010, L 8 SO 159/10; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.02.2012, L 29 AS 1144/11; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.03.2017, L 7 R 2213/16, und Beschluss vom 25.10.2017, L 7 AS 2722/17 B).
Die Höhe der zu verhängenden Kosten hat der Senat durch Schätzung des ansonsten vom Steuerzahler zu tragenden Kostenaufwands für die Fortführung des Berufungsverfahrens ermittelt. Dabei ist berücksichtigt, dass § 192 SGG eine Schadensersatzregelung darstellt (vgl. Schmidt, a.a.O., § 192 Rdnrn. 1 a und 12 - m.w.N.), die unter den in § 192 SGG genannten Voraussetzungen das Privileg der Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens teilweise entfallen lässt. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG für die jeweilige Instanz, also für das Verfahren vor dem LSG 225,- €; nach oben begrenzt hat der Gesetzgeber die aufzuerlegenden Kosten nicht (vgl. Stotz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., Stand: 09.05.2019, § 192, Rdnr. 65). Im Übrigen können die anfallenden Gerichtskosten gemäß § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 287 Zivilprozessordnung geschätzt werden. Dabei sind neben den bei der Abfassung des Urteils entstehenden Kosten sämtlicher Richter und Gerichtsbediensteten auch die allgemeinen Gerichtshaltungskosten zu berücksichtigen (vgl. Schmidt, a.a.O., § 192, Rdnr. 14).
Gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG können die Kosten auferlegt werden, die durch die Fortführung des Rechtsstreits verursacht sind. Davon umfasst sind die Kosten, die ab dem Zeitpunkt entstanden sind, in dem dem Beteiligten die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Unter Berücksichtigung zum einen der Tatsache, dass bereits im Jahr 1973 die Kosten einer Richterstunde auf etwa 194,- DM geschätzt worden sind (vgl. Franzen, Was kostet eine Richterstunde, NJW 1974, S. 784) bzw. im Jahr 1986 von Kosten von 350,- bis 450,- DM ausgegangen worden ist (vgl. Goedelt, Mutwillen und Mutwillenskosten, SGb 1986, S. 493, 500) und im Jahr für die Kosten einer erstinstanzlichen Richterstunde 300,- € angenommen worden sind (vgl. SG Frankfurt, Urteil vom 10.12.2003, S 21 RJ 4016/99), und zum anderen der seitdem bis heute stattgefundenen allgemeinen Kostensteigerung liegen im vorliegenden Verfahren Missbrauchskosten in Höhe von 850,- € noch weit unter dem, was tatsächlich an weiteren Kosten entstanden ist. So sind in den letzten Jahren diverse Landessozialgerichte von Missbrauchskosten in Höhe von 1.000,- € ausgegangen (vgl. z.B. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 07.11.2011, L 3 R 254/11, und vom 21.01.2014, L 2 AS 975/13; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.10.2011, L 13 R 2150/10; vgl. auch Stotz, a.a.O., § 192, Rdnr. 67) und haben dabei teilweise sogar noch darauf hingewiesen, dass die auferlegten Kosten deutlich unter den Kosten lägen, die durch die Weiterführung des Rechtsstreits tatsächlich entstanden seien.
Im Rahmen der Ausübung seines Ermessens sieht der Senat mit Blick auf den durch die Entscheidung entstandenen Aufwand, auch wenn bei deren Abfassung angesichts der Übertragung auf den Einzelrichter nicht der volle Senat beteiligt war, keine Möglichkeit, im Rahmen seines Ermessens niedrigere Kosten als 850,- € aufzuerlegen oder gar auf den gesetzlichen Mindestbetrag für die Missbrauchskosten zurückzugreifen. Denn es ist auch zu berücksichtigen, dass durch solche Verfahren wie hier, denen offenkundig jegliche Erfolgsaussichten fehlen, und den mit der Abfassung der Entscheidung entstandenen Zeitaufwand Verfahren verzögert werden, in denen die Beteiligten - anders als der Kläger hier - ein berechtigtes Interesse an einer möglichst bald zu ergehenden Entscheidung des Gerichts geltend machen können.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).