1. Eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im Sinne von § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V kann auch dann zu bejahen sein, wenn zwar keine Aussicht auf Heilung mehr besteht, wenn aber mit der Alternativbehandlung eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg im Sinne einer wenigstens positiven Einwirkung auf den Verlauf der Grunderkrankung selbst besteht, etwa durch Verlängerung der möglichst beschwerdefreien oder beschwerdearmen (Über-)Lebenszeit des (Tod-)Kranken. In der Lebenszeitverlängerung als solcher liegt dann die positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, die allerdings auch spürbar sein muss.
2. Damit eine Leistung als genehmigt gelten kann, bedarf es eines hinreichend bestimmten, fiktionsfähigen Antrags (BSG, Urteil vom 06.11.2018 – B 1 KR 20/17 R).
3. Zweck der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V ist es, die Krankenkassen zu einer zügigen Prüfung und Entscheidung anzuhalten, damit Versicherten erforderliche Krankenbehandlungen nicht unbotmäßig lange vorenthalten werden. Daran würde es vorbeigehen, wenn aufgrund eines z.T. prophylaktischen Antrags auf alle möglichen Therapiefacetten, die gegebenenfalls irgendwann irgendwie zum Einsatz kommen könnten (und im konkreten Fall auch über fünf Jahre nach Antragstellung teilweise noch nicht zum Einsatz gekommen sind), die Genehmigungsfiktion quasi als „Blanko-Bewilligung“ für lediglich potentielle künftige Leistungen eintreten würde.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.01.2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Sachleistungsanspruch bzgl. einer Behandlung des Klägers mit Hyperthermie, Boswellia carterii (Weihrauch), onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, DCA, Artesunaten, Vitamin C und Amygdalin bei dem Arzt T sowie ein entsprechender Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch für bereits selbstbeschaffte Leistungen.
Der am 1962 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Im Februar 2002 trat beim Kläger eine Kopfschmerz- und Schwindelsymptomatik auf. Eine kernspintomographische Abklärung ergab einen Tumor im linken unteren Frontallappen des Gehirns. Eine dem Kläger damals empfohlene Resektion wurde anschließend nicht durchgeführt. Erst nach einem erstmaligen Krampfanfall im Jahre 2014 und erneuter Abklärung erfolgte am 07.11.2014 die Resektion des linken Frontalpols. Die histologische Aufarbeitung des damals gewonnenen Materials ergab die Diagnose eines Glioblastoma multiforme mit oligodendroglialer Komponente Grad IV. Anschließend wurde im Dezember 2014 und im Januar 2015 eine postoperative Radio-Chemotherapie durchgeführt und bis 16.02.2015 fand anschließend eine Rehabilitationsbehandlung statt; eine Temozolomid-Therapie erfolgte bis Mitte April 2015. Am 24.04.2015 begann der Kläger beim Herrn T (Arzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren) eine Hochdosis-Vitamin C-Therapie und am 15.06.2015 eine Therapie mit Boswellia carterii. Bei einer kernspintomographischen Untersuchung am 07.05.2015 wurde über eine diffuse Kontrastmittelanreicherung der Tumoranteile berichtet, bei einer weiteren derartigen Untersuchung am 06.08.2015 von einem Rückgang der signalgesteigerten kontrastmittelaufnehmenden Tumoranteile und von einem insgesamt erfreulich stabilen Zustand ohne akuten operativen Handlungsbedarf. Es wurde aber aufgrund der großen verbliebenen Resttumoranteile die Fortführung der Therapie mit Temodal nach Normalisierung der Blutwerte empfohlen.
Mit Schreiben vom 12.06.2015 (eingegangen am selben Tag) beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für die streitgegenständliche Immuntherapie mit Hyperthermie, Boswellia carterii, onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, Hypericin, DCA, Artesunaten, Vitamin C und Amygdalin bei Herrn T. Dem Antrag lag ein Schreiben des Herrn T bei, in dem dieser den bisherigen Krankheitsverlauf des Klägers darlegte und seine Therapie vorstellte. Die Therapie habe kurativen Anspruch. Durch die Therapie könne die Krebsstammzelle vernichtet werden. Alle beantragten Therapiefacetten hätten eine ausreichende wissenschaftliche Dokumentation vorzuweisen. Es handele sich um ein immuntherapeutisches Gesamtkonzept. Beigefügt war ein Kostenvoranschlag des Herrn T für die einzelnen Behandlungsbausteine. Wann, wie oft, wie lange, unter welchen Voraussetzungen oder in welcher Kombination diese zur Anwendung kommen sollten, ist daraus nicht ersichtlich.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein, informierte den Kläger jedoch darüber nicht. In seiner Stellungnahme vom 03.07.2015 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass weitere schulmedizinische Behandlungsmöglichkeiten bestünden. Der Kläger möge sich an ein Tumorzentrum wenden. Eine wirklich spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf könne durch die - weltweit ausschließlich durch Herrn T angebotene - Therapiemischung in keinster Weise belegt werden, auch nicht als palliative Option. Dies gelte sowohl für die Einzelbestandteile als auch für die Kombination dieser Verfahren. Aus sozialmedizinischen Gründen sei eine Leistungspflicht der Beklagte daher nicht gegeben.
Mit Bescheid vom 17.07.2015 lehnte die Beklagte daraufhin eine Übernahme der Kosten ab. Dagegen legten der Kläger selbst und auch Herr T für diesen Widerspruch ein. Herr T wehrte sich gegen die Behauptung, es handele sich um hochexperimentelle Methoden. Dieser Ausdruck stelle seinen individuellen Heilversuch in den Rahmen eines Menschenexperiments. Bei einem Experiment gehe es um Wissensgewinn. Bei einem individuellen Heilversuch gehe es um Heilung. Der Wissensgewinn sei dem untergeordnet.
Es erfolgte eine erneute Begutachtung durch den MDK. Mit Gutachten vom 06.11.2015 bestätigte der MDK, dass es sich nicht um eine anerkannte Methode, sondern um eine hochexperimentelle Therapie außerhalb der Empfehlung onkologischer Fachkreise, der Arzneimittelrichtlinie und zum Teil des Arzneimittelgesetzes handele. Wissenschaftliche Grundlagen der Methoden seien auch im Widerspruch nicht dokumentiert. Unter ambulanter allgemeinärztlicher Behandlung sei eine ausreichende Risikobewertung unter Würdigung komplexer Behandlungsmuster und drohender schwerwiegender Komplikationen nicht möglich, insbesondere unter Anwendung fragwürdiger bzw. vertragsärztlich ausgeschlossener Substanzen. Die Methode verspreche keine positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf und habe gegenüber anerkannten Behandlungsoptionen keinen medizinischen Nutzen.
Dementsprechend wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2015 den Widerspruch zurück.
Dagegen hat der Kläger am 17.01.2016 Klage zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben und zur Begründung insbesondere auf die prekäre Situation im Behandlungskonzept von Glioblastomen sowie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verwiesen (Klagebegründung vom 22.02.2016).
Mit Schreiben vom 29.08.2017 wandte sich der Kläger an das SG Nürnberg mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Beklagte zur vorläufigen Kostenübernehme für die Immuntherapie bei Herrn T zu verpflichten (S 21 KR 569/17 ER). Dem Kläger sei es nicht zuzumuten, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten. Dem Antrag lag ein Schreiben des behandelnden Arztes T bei, wonach die Behandlung unaufschiebbar sei, da der Kläger seit 03.08.2017 unter zunehmenden Wortfindungsschwierigkeiten und Artikulationsstörungen leide. Dieses neurologische Symptom im Verein mit dem Verdacht auf ein Rezidiv schaffe eine völlig neue, hochbrisante Situation. Die Behandlung sei so dringlich, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines zeitlichen Aufschubs bestehe. Der Kläger sei nicht in der Lage, aus eigenen Mitteln die Behandlung zu finanzieren. Die monatlichen Kosten für die Therapie mit onkolytischen Viren betrügen zwischen 2.000 und 4.000 € pro Monat initial, nach Beherrschung des Tumorwachstums 1.000 bis 2.000 €. Die dendritischen Zellen kosteten etwa 4.500 € pro Monat.
Am 29.09.2017 fand in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Erörterungstermin vor dem SG Nürnberg statt. Die Ehefrau des Klägers führte aus, dass der Kläger am 24.04.2015 mit der Therapie bei Herrn T begonnen habe. Diese bestehe aus hochdosiertem Vitamin C, DCA und Weihrauch und sei bis jetzt durchgeführt worden. Bei dem Kläger seien seit Beginn des Monats August 2017 Sprachstörungen aufgefallen, die auf ein Aufflammen des Krankheitsgeschehens hindeuteten. Der Kläger wolle nunmehr die Therapie mit den dendritischen Zellen, onkolytischen Viren und Hyperthermie beginnen. Am 31.08.2017 sei er in der Uni-Klinik E zum MRT gewesen. Es habe keine genaue Aussage getroffen werden können, ob ein Rezidiv vorliege. Sie seien gebeten worden, kurzfristig zu einer Verlaufskontrolle wieder in der Uni-Klinik zu erscheinen.
Die Erkrankung des Klägers sei im Oktober 2014 entdeckt und im November sofort operiert worden. Es seien dann Strahlentherapie und Chemotherapie gefolgt. Ab Februar 2015 habe sich das Krankheitsgeschehen als stabil gezeigt. Im Mai 2015 sei ein erneutes MRT erfolgt, auch dieses habe einen stabilen Verlauf gezeigt. Im März 2015 hätten die behandelnden Ärzte in A mitgeteilt, dass eine weitere Chemotherapie nicht mehr erfolgen könne, da die Leukozytenwerte zu schlecht gewesen seien.
Auf Nachfrage des Gerichts reichte der Kläger am 07.11.2017 ein Schreiben des Arztes T vom 06.11.207 ein, wonach es in der Rezidivsituation keine allgemein anerkannte Leitlinientherapie mehr gebe. Die Behandlung mit CCNU sei wegen der zu befürchtenden Nebenwirkungen kein sinnvoller Weg. Die onkolytischen Viren hingegen seien der Hoffnungsträger der Onkologie.
Mit Beschluss vom 20.11.2017 lehnte das SG Nürnberg den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab, nachdem zwischenzeitlich im Hauptsacheverfahren ein für den Kläger negatives Gutachten eingeholt worden war (näher dazu siehe unten). Die dagegen gerichtete und unter dem Aktenzeichen L 20 KR 742/17 B ER geführte Beschwerde wurde vom Bayerischen Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 29.03.2018 zurückgewiesen. Beide Gerichte waren zu der Auffassung gelangt, dass ein Anordnungsanspruch nicht gegeben sei, weil die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht vorlägen.
Im Hauptsacheverfahren hat das SG Befundberichte des Hausarztes K, des Facharztes für Innere Medizin, Internistische Onkologie/Hämatologie M, des Universitätsklinikums E, der Praxis für Strahlentherapie B sowie von Herrn T eingeholt. Am 22.03.2017 hat das Gericht H, Universitätsklinikum B (Klinik für Neurologie, Schwerpunkt Klinische Neuroonkologie, zertifiziertes neuroonkologisches Zentrum), mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens über den Kläger beauftragt.
H hat in seinem Gutachten vom 07.11.2017 im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Bei dem Kläger sei im Februar 2002 eine Kopfschmerz- und Schwindelsymptomatik mittels MRT abgeklärt worden. Dabei habe sich ein Tumor gezeigt, der zu diesem Zeitpunkt keine Kontrastmittel aufgenommen habe. Der Kläger habe entgegen dem Rat seiner behandelnden Ärzte eine operative Therapie abgelehnt. Es seien daraufhin vierteljährlich MRT-Kontrollen durchgeführt worden. Im Oktober 2014 sei es zu einer transienten Symptomatik mit sekundenlanger Sprachstörung gekommen und es sei eine Abklärung im MRT erfolgt. Am 07.11.2014 sei die Resektion des linken Frontalpols erfolgt. Es habe sich die Diagnose eines Glioblastoma multiforme mit oligodendroglialer Komponente Grad IV ergeben. Es sei daraufhin eine Radio-Chemotherapie mit Radiatio durchgeführt worden. Im März 2015 habe der Kläger mit der Therapie bei Herrn T begonnen. Diese habe zunächst aus hoch dosiertem Vitamin C, DCA und Weihrauch bestanden. Bei dem Kläger liege eine besondere Konstellation vor. Es sei ein Glioblastom mit oligodendroglialer Komponente nachgewiesen, bei dem es sich um ein sog. anaplastisches Oligodendrogliom handeln kann (was im Falle des Klägers aber offensichtlich nicht analysiert worden sei). Dieser Tumor sei in der Version der WHO-Klassifikation, die von 2007 bis 2016 gegolten habe, als Glioblastom geführt worden, obwohl die Prognose eine deutlich bessere sei als beim "Standard-Glioblastom". Die Überlebenszeiten seien sehr viel länger (50 % der Patienten überlebten deutlich mehr als sechs Jahre) als beim Glioblastom ohne oligodendrogliale Komponente. Es sei zwar auch hier keine heilende Therapie möglich, jedoch sei der Therapieeffekt der zusätzlichen alkylierenden Chemotherapie in zwei großen internationalen Studien exzellent belegt. Zur Behandlung des Glioblastoms stünde eine Chemotherapie mit Temozolomid zur Verfügung. Im Rezidiv eines Glioblastoms sei auch die Therapie mit Nitrosoharnstoff (BCNU oder CCNU) zugelassen. Selbst in dem Fall, dass man eine Progression der Erkrankung am 07.05.2015 konstatiert hätte, stünde eine CCNU-Monotherapie oder, analog zum Therapiealgorithmus beim anaplastischen Oligodendrogliom, eine CCNU-basierte PCV-Chemotherapie mit der Aussicht auf gute Wirksamkeit zur Verfügung. Die Therapie des Glioblastoms mit oligodendroglialer Komponente sei somit selbst bei Vorliegen eines Progresses nicht ausgeschöpft und damit nicht als endgültig erfolglos oder mit nicht ausreichendem Erfolg behaftet anzusehen.
Im weiteren Verlauf des Gutachtens hat sich H mit den einzelnen Bestandteilen der Therapie, wie sie Herr T durchführt, auseinandergesetzt. Bezüglich der Hyperthermie gebe es keine belastbaren wissenschaftlichen Daten, die nahelegen würden, dass die Hyperthermie die Chance auf Heilung, Verhütung der Verschlimmerung, Lebensverlängerung sowie Schmerzlinderung bei malignen Gliomen verbessere. Es gebe jedoch Studien zur Wirksamkeit der Elektrohyperthermie. Insbesondere gebe es eine Studie zur loco-regionalen Elektrohyperthermie mit externer Applikationsweise, die Hyperthermie als Brachytherapie, d.h. nach neurochirurgischer Implantation von Kathetern in das Gehirn des Patienten, appliziere. Im Rahmen dieser Untersuchung sei jedoch auch die Radiotherapie über Brachytherapieverfahren appliziert worden, so dass sich die Studiensituation deutlich von dem durch Herrn T angewandten Verfahren unterscheide. Des Weiteren gebe es folgende Studien: Fiorentine et al (2006), Wismeth et al. (2010), Hager et al (2008), Sahinbas et al. (2007). In Summe gebe es keine belastbaren wissenschaftlichen Daten, die nahelegen würden, dass Hyperthermie die Chance auf Heilung, Verhütung der Verschlimmerung, Lebensverlängerung sowie Schmerzlinderung bei malignen Gliomen verbessere. Der Ansatz habe sich in der medizinischen Praxis nicht durchgesetzt. Auch in die Leitlinie "Gliome" der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und der Leitlinie zur Diagnose und Therapie anaplastischer Gliome und Glioblastome der European Association of Neurooncology gehöre die Elektro-Hyperthermie nicht zu den Empfehlungen. Boswellia-Säuren seien Weihrauch-Extrakte. Diese zeigten antitumorale Effekte in der Zellkultur, eine lebenszeitverlängernde Wirkung könne jedoch nicht indiziert werden. Bezüglich der onkolytischen Viren hat der Gutachter ausgeführt, dass die Palette breit sei und diverse Studien derzeit derartige Therapieansätze analysieren würden. Es handele sich durchweg um experimentelle Ansätze, die auch nur in definierten Studien appliziert werden sollten. Bei dem Kläger solle ein Newcastle-Disease-Virus (NDV) eingesetzt werden, so dass nach Studien gesucht werden müsse, in denen dieser Virustyp eingesetzt worden sei. Es würden sich Einzelfälle einer Behandlung finden und mehrere nicht randomisierte Studien. Diese Fälle würden sich nicht dazu eignen, die Therapie mit NDV zu etablieren. Bezüglich der dendritischen Zellen gebe es keine publizierten Phase III-Studien, die eine Effektivität der Vakzination mit dendritischen Zellen nahelegten. Es handele sich um eine experimentelle Therapie, deren konkrete Wirksamkeit noch zu belegen sei. Zu der Behandlung mit Curcumin gebe es keine Studien. Bezüglich der Behandlung mit Dichlorazetat (DCA) seien bisher fünf Fälle von Glioblastom-Patienten publiziert worden, bei denen diese Substanz eingesetzt worden sei. Eine Generalisierung der zum Teil günstigen individuellen Verläufe auf eine größere Gesamtheit von Patienten verbiete sich angesichts der sehr kleinen Fallzahl und der fehlenden Kontrollgruppe. Bei Artesunaten handele es sich ursprünglich um ein Anti-Malariamittel. Auch bezüglich dieser Therapie gebe es keinerlei klinische Daten, die Chancen auf Heilung, Verhütung der Verschlimmerung, Lebensverlängerung sowie Schmerzlinderung begründen würden. Artesunate seien kein etablierter Teil der Therapie von Hirntumorpatienten. Auch Vitamin C sei kein etablierter Teil der Therapie von Hirntumorpatienten, ebenso Amygdalin. Zusammenfassend gebe es für keine der von Herrn T eingesetzten Therapien ausreichende klinische Hinweise, dass der Verlauf der Erkrankung eines Patienten mit malignem Gliom verbessert werde. Da die Wirksamkeit der Einzelelemente nicht ausreichend belegt sei und für die Kombination keinerlei klinische Wirksamkeitsdaten vorlägen, ergebe sich insgesamt für die Kombinationstherapie keine hinreichende Chance auf Heilung, Verhütung der Verschlimmerung, Lebensverlängerung oder Schmerzlinderung. Der Kläger habe bereits im März 2015 mit der Therapie begonnen. Der Beginn der Behandlung bei Herrn T sei nicht unaufschiebbar gewesen. Die Behandlung sei schon begonnen worden, bevor eine mögliche Progression der Erkrankung diskutiert worden sei. Bei Nachweis einer Progression zu diesem Zeitpunkt wäre im schlimmsten Falle einer Umstellung der Chemotherapie nach Erholung der Leukopenie zwingend gewesen.
Mit Schreiben vom 12.12.2017 hat der Kläger die Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei dem Facharzt für Radiologie und Strahlentherapie B vom Institut O in H beantragt. B hat in seinem Gutachten vom 24.10.2018 dargelegt, dass er weltweit seit bald 40 Jahren auf dem Gebiet onkologischer Verlaufskontrollen in Bildgebung und Labordiagnostik tätig sei und seit ca. 35 Jahren im Bereich therapeutischer anti-tumoröser Verfahren. Er betreibe eine Privatpraxis für individuelle Krebstherapie und Krebsdiagnostik. In seiner Praxis führe er Behandlungen bestehend aus Radiotherapien, aus Chemoradiotherapien, zellulären Immuntherapien (z.B. mit dendritischen Zellen) in möglichst umfassender, möglichst simultaner Kombination und unter Einbindung von lokoregionären oder Ganzkörper-Hyperthermien. B hat zunächst kurz den Verlauf der klägerischen Erkrankung dargestellt. Der Kläger habe Ende April 2015 mit der Boswellia-Therapie, DCA-Therapie und Hochdosis Vitamin C-Behandlung begonnen. Bei der Kernspintomographie sei keine Veränderung bis einschließlich September 2016 festgestellt worden. Die durchgeführten Behandlungsmaßnahmen zwischen der Diagnose des Glioblastoms im Jahr 2014 und der Temodalpause im März 2015 seien eindeutig gemäß den therapeutischen Leitlinien durchgeführt worden. Der anschließende stabile Verlauf bei posttherapeutisch makroskopisch verbliebenem Resttumor könne jedoch nicht allein als Ergebnis der Chemoradiotherapie angesehen werden, da die Stabilität auch erhalten geblieben sei, als schon monatelang kein Temodal mehr verabreicht worden sei. H gehe davon aus, dass bei dem Kläger ein Oligodendrogliom vorliege. Oligodendrogliome wiesen tatsächlich eine deutlich längere Überlebenszeit auf, aber nur bis zu einer weiteren Malignisierung bis zu einem Glioblastom. Niedermaligne Tumore würden über die Jahre hinweg eine stetige Malignisierung erfahren. Es bestünden keine anerkannten Behandlungsmethoden mehr. Die von H vorgeschlagene Therapie mit CCNU oder BCNU mit oder ohne Bevacizumab als Antikörper (= Avastin) würde der Gutachter nicht einmal für sich selbst wahrnehmen, sondern vehement als voraussichtlich nutzlos, aber hochgradig nebenwirkungsbelastet verweigern, da ihr Schaden während der letzten Lebensmonate oder eher wohl nur Lebenswochen mit hoher Wahrscheinlichkeit größer wäre als der Nutzen. Es lägen wissenschaftliche Erkenntnisse vor, wonach die geplante Therapie mit Fokus auf die Hyperthermie für den Kläger vorteilhaft sei. Dabei gehe der Gutachter als Prämisse grundsätzlich davon aus, dass wissenschaftliches Arbeiten bereits dann vorliege, wenn der Arzt nach jedem schwierigen Einzelfall seine von ihm angewendeten Methoden kritisch hinterfrage und zu ändern bereit sei. Es stünden Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hyperthermie zur Publikation an. Die Publikationen oder Resultate der lokalen Elektrohyperthermie hätten anfänglich größtenteils auf einer stetig wachsenden Anzahl von Einzelfällen basiert, unterstützt durch eine ansteigende Anzahl von Studien. Die Durchführung von Studien werde durch eine ständig in diesem Sinne aktualisierte Gesetzeslage immer weiter erschwert. Jede sinnvolle Studie koste mindestens 300.000 €. Solche Summen könnten niedergelassene Ärzte nicht aufbringen. Nach knapp 40 Jahren Krebsdiagnostik und Radioonkologie sowie nach knapp 15 Jahren eigener Anschauung von Behandlungsergebnissen mit dendritischen Zellen bei Glioblastomen sei es für den Gutachter ein Leichtes festzustellen, dass während 40 Jahren Strahlentherapie von ihm und seinen Kollegen weltweit nicht annähernd so gute Ergebnisse hätten erzielt werden können wie durch die streitbewährten Methoden mit onkolytischen Viren und dendritischen Zellen. Es sei jedoch typisch für die Schulmedizin, konkurrierende Methoden abzulehnen, um pharma-onkologische Weltbilder und Ökonomie nicht zu gefährden oder gar einreißen zu müssen. Es sei wichtig, statt Studienergebnissen auch eigene bloße Erfahrungen mit neuen sinnvollen nebenwirkungsarmen Methoden miteinander auszutauschen und auch schon diesen Austausch und dessen Resultate als wissenschaftlich anzuerkennen. Mit der Therapie habe man nicht bis zu der Entscheidung der Krankenkasse warten können. Der Gutachter habe so viele Patienten mit einer geradezu explodierenden Tumorprogression gesehen, dass man keinesfalls darauf habe hoffen dürfen, der Kläger werde schon nicht zu dieser prekären Patientengruppe gehören und habe damit genügend Zeit, voraussichtlich abschlägige Bescheide abwarten zu können. In einem Nachtrag des Gutachters zum besseren Verständnis von Behandlungsziel und Behandlungsmöglichkeiten der Hyperthermie hat er die Unterschiede zwischen Elektrohyperthermie und der Durchführung der Hyperthermie mit mikrowellen-induzierten Geräten erläutert. Des Weiteren hat der Gutachter einen von ihm selbst verfassten Artikel über Elektrohyperthermie beigelegt.
Die Ehefrau des Klägers hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 18.01.2019 erklärt, nach dem Gerichtstermin im Jahr 2017 sei der Gesundheitszustand ihres Mannes zunächst stabil gewesen. Mitte des Jahres 2018 habe sich dann eine Verschlechterung des Zustandes gezeigt, es sei eine erneute Operation an der Uni-Klinik E erfolgt. Die Operation sei am 08.08.2018 durchgeführt worden. Nach der operativen Entfernung des Tumors sei eine Bestrahlung empfohlen worden, diese habe man in A durchführen lassen wollen. Der behandelnde Arzt in A habe jedoch die Verantwortung nicht auf sich nehmen wollen und den Kläger an eine Klinik in M verwiesen. Man sei jedoch nicht dorthin gefahren, sondern habe sich wieder an Herrn T gewandt, weil es dem Kläger so schlecht gegangen sei. Mit der Hyperthermie habe der Kläger bereits im September 2017 angefangen, mit der Behandlung mit onkolytischen Viren am 06.09.2018. Die Ehefrau des Klägers habe für die Behandlung mit Hyperthermie und onkolytischen Viren eine Rechnung von Herrn T über insgesamt ca. 20.000 € bekommen. Seit der Kläger die Therapie bei Herrn T angefangen habe, gehe es ihm wieder besser.
Das SG Nürnberg hat mit Urteil vom 18.01.2019 die Klage, die auf "Kostenübernahme" für eine Immuntherapie mit Hyperthermie, Boswellia carterii, onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, DCA, Artesunaten, Vitamin C und Amygdalin gerichtet war, abgewiesen, weil der Kläger weder einen Anspruch auf Erstattung der von ihm bereits bezahlten Kosten der Behandlung bei Herrn T noch einen Anspruch auf Gewährung der Behandlung als Sachleistung habe. Die Kammer lasse es dahingestellt, ob die Klage mangels hinreichend bestimmten (bezifferten) Zahlungsantrags bereits unzulässig sei. Jedenfalls habe der Kläger keinen Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V - und zwar weder nach dessen 1. Alternative, weil dem Kläger ein vorübergehendes Zuwarten bis zur Entscheidung der Beklagten zumutbar gewesen sei, noch nach dessen 2. Alternative, weil der Beschaffungsweg nicht eingehalten worden sei; denn der Kläger habe sich unabhängig vom nachfolgenden Verhalten der Krankenkasse bereits endgültig festgelegt und mit der von Herrn T als einheitliche Gesamttherapie mit verschiedenen Facetten beschriebenen Behandlung bereits vor der Leistungsablehnung durch die Beklagte begonnen. Darüber hinaus lägen, so das SG weiter, auch die Voraussetzungen eines Sachleistungsanspruchs nicht vor, weil die in § 2 Abs. 1a SGB V normierten Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Zwar leide der Kläger an einer lebensbedrohlichen bzw. regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung, es bestünden jedoch, wie H ausgeführt habe, noch schulmedizinische Behandlungsmöglichkeiten. So habe der Kläger etwa die vorgeschlagene Bestrahlung in einer Klinik in M nicht wahrgenommen, sondern sich wieder an Herrn T gewandt. Die von diesem angebotene Therapie biete jedoch keine Aussicht auf Heilung oder wenigstens eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Denn es lägen keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse vor, dass die Therapie, so wie sie Herr T durchführe, Aussicht auf Erfolg verspreche. Schließlich habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Therapie bei Herrn T gemäß § 13 Abs. 3a SGB V. Auch insofern sei zu beachten, dass sich der Kläger bereits unabhängig vom nachfolgenden Verhalten der Krankenkasse endgültig festgelegt und mit der Therapie begonnen habe. In einem solchen Fall trete weder durch einen ablehnenden Bescheid noch durch den möglichen Eintritt der Genehmigungsfiktion eine Zäsur ein. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die bereits begonnene Dauermaßnahme könne folglich nicht auf § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V gestützt werden.
Gegen das dem - zwischenzeitlich nicht mehr vom erstinstanzlichen Bevollmächtigten vertretenen - Kläger am 07.03.2019 zugestellte Urteil hat dieser durch seine neuen Prozessbevollmächtigten am 04.04.2019 Berufung zum Bayer. LSG einlegen lassen.
Mit Schriftsatz vom 26.06.2019 hat der Bevollmächtigte beantragt, "die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2016 zu verurteilen, die Kosten für die selbstbeschaffte Therapie bestehend aus Hyperthermie, Boswellia carterii, onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, DCA, Artesunate, Vitamin C und Amygdalin zu erstatten."
Zur Berufungsbegründung hat der Prozessbevollmächtigte sodann im Wesentlichen Folgendes vorgetragen: Der Kläger begehre keine vertragsärztliche Leistung, sondern mache einen Anspruch auf außervertragsärztliche Versorgung nach den sogenannten Nikolaus-Grundsätzen, nun gesetzlich normiert in § 2 Abs. 1a SGB V, geltend.
Dessen Voraussetzungen lägen vor. Der Kläger leide unstreitig an einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Ferner stünden keine allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen zur Verfügung. Zwar habe der gerichtlich bestellte Sachverständige ausgeführt, dass noch die Therapie mit CCNU als vertragsärztliche Leistung zur Verfügung stehe. Dem sei jedoch zu widersprechen, da es sich bei der Therapie mit Bevacizumab um eine Therapie mit nicht zugelassenen Zytostatika handele. In Fachkreisen bestehe bereits Konsens, dass diese Therapie keinen Überlebensvorteil der Patienten ergebe, jedoch mit unverhältnismäßigen Nebenwirkungen behaftet sei.
Es habe auch eine hinreichende Erfolgsaussicht der begehrten Therapie mit Hyperthermie, Boswellia carterii, onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, DCA, Artesunaten, Vitamin C und Amygdalin bestanden. Im Falle einer - wie vorliegend - lebensbedrohlichen, wenig erforschten Erkrankung sei es bereits ausreichend, wenn die Annahme gerechtfertigt sei, dass der voraussichtliche Nutzen der Behandlungsmaßnahme die möglichen Risiken überwiege. Vorliegend sei die Therapie sehr gut vertragen worden und habe zu einem signifikanten Rückgang der Tumormasse sowie der Schmerzen geführt. Diese wesentliche Verbesserung des Allgemeinbefindens des Klägers könne in der vorliegenden Palliativsituation nur als erheblicher Therapieerfolg gewertet werden. Hier bestehe die Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausgehenden Erfolg. Es müsse das Gesamtkonzept der Therapie gesehen werden, die zu einem signifikanten Rückgang des Tumors und zu einer erheblichen Verbesserung des Gesundheitszustandes und des Wohlbefindens geführt habe. Ein über die palliative Standardtherapie hinausgehender Erfolg könne auch in einer nicht unerheblichen Verlängerung der Lebenserwartung oder einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität liegen.
Vorliegend bestehe eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Es gebe eine Vielzahl von Studien und Daten zu der begehrten Behandlung. Daraus ergebe sich, dass die Voraussetzungen der dritten Stufe (§ 2 Abs. 1a Satz 1 letzter Halbsatz SGB V) ebenfalls erfüllt seien. Denn die begehrte Therapie sei derart aussichtsreich, dass es sich aller Voraussicht nach rechne, eine Studie für diese Therapie zu finanzieren.
Schließlich sei auch der Beschaffungsweg eingehalten worden. Die einzelnen Therapieabschnitte stellten keinen unteilbaren, einheitlichen Behandlungsvorgang in Form eines zusammenhängenden Komplexes dar. Vielmehr hätten in den einzelnen Behandlungen jeweils voneinander abtrennbare Leistungen vorgelegen. Dass die Behandlungen jeweils in Zyklen erfolgten, nach denen jeweils laborchemische Parameter bzw. das Fortschreiten der Krankheit kontrolliert werde, spreche gerade für eine Teilbarkeit der Leistungen, da mit jedem neuen Zyklus gleichsam eine neue Behandlung angefangen werde.
Der Berufungsbegründung beigefügt waren zahlreiche Unterlagen über verschiedene in der Therapie von Herrn T vorkommende Behandlungsansätze, sowohl einzeln als auch in verschiedenen Kombinationen. Eine Darstellung oder Bewertung der streitgegenständlichen Therapie des Herrn T aus einer Kombination von Hyperthermie, Boswellia carterii, onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, DCA, Artesunate, Vitamin C und Amygdalin findet sich darunter nicht.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 02.09.2019 erwidert, die erfreulicherweise eingetretene Verbesserung des Allgemeinzustandes bzw. der Rückgang der Tumorwerte sowie die pauschal genannte Vielzahl von Studien und Daten zur begehrten Behandlung könnten nicht als Beleg dafür herangezogen werden, dass eine Aussicht auf Heilung oder wenigstens spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf durch die beantragte Therapie bei Herrn T bestehe. Außerdem stünden, wie H ausgeführt habe, zugelassene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Weiter sei der Berufungsbegründung zu widersprechen, wonach es sich bei den einzelnen Therapieabschnitten um keinen unteilbaren, einheitlichen Berufungsvorgang in Form eines zusammenhängenden Komplexes handele. Es lägen hier keine selbstständigen, abtrennbaren Leistungen vor, da laut Herrn T ein Gesamtkomplex durchgeführt werde. Bereits im Kostenübernahmeantrag vom 12.06.2015 habe Herr T unter anderen von einer Kombination von Hyperthermie und dendritischen Zelltherapie gesprochen, die nur im Zusammenwirken das gewünschte Ergebnis erzielen könnten. Auch H und B seien zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich hier um eine Kombinationstherapie handele. Diese sei nicht nur eine nicht anerkannte Methode, sondern ein hoch experimentelles Verfahren außerhalb der Empfehlung onkologischer Fachkreise.
Im Erörterungstermin vor dem LSG am 15.09.2020 hat die Ehefrau des Klägers erklärt, dass dieser zur Zeit mit Hyperthermie, onkolytischen Viren, Vitamin C und Weihrauch von Herrn T behandelt werde. Es fielen monatliche Kosten von 2.000 bis 3.000 € dafür an. Insgesamt habe man bereits ca. 80.000 € zahlen müssen, von denen noch ein gewisser Anteil offen sei. Die Berichterstatterin hat darauf hingewiesen, dass der Berufungsantrag laut Schriftsatz vom 26.06.2019 nur auf Kostenerstattung gerichtet sei - und zwar in unbezifferter Höhe.
Daraufhin hat sich der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 25.09.2020 nochmals gemeldet, eine Fallstudie vom Mai 2020 über die Behandlung des Glioblastoma multiforme mit onkolytischen Viren sowie eine Aufstellung der bisher für die Therapie durch Herrn T aufgewandten Kosten inklusive Rechnungen vorgelegt und den Berufungsantrag geändert bzw. präzisiert.
Der Kläger beantragt zuletzt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2015 zu verurteilen, die Kosten für die selbstbeschaffte Therapie bestehend aus Hyperthermie, Boswellia carterii, onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, DCA, Artesunaten, Vitamin C und Amygdalin in Höhe von 84.041,46 € zu erstatten sowie in Zukunft als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten in den Verfahren L 20 KR 139/19 / S 21 KR 33/16 und L 20 KR 742/17 B ER / S 21 KR 569/17 ER sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Kläger hat weder einen Sachleistungsanspruch auf eine Immuntherapie mit Hyperthermie, Boswellia carterii, onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, DCA, Artesunaten, Vitamin C und Amygdalin bei dem Arzt T noch einen entsprechenden Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch für bereits selbstbeschaffte Leistungen.
1. Streitgegenstand im Berufungsverfahren:
Streitgegenstand ist sowohl die künftige Übernahme als auch die Erstattung bisher angefallener Kosten (bzw. ein entsprechender Freistellungsanspruch, sofern die Rechnungen des Herrn T noch nicht bezahlt worden sind) im Rahmen der Immuntherapie durch Herrn T.
Zwar wurde mit der Klage nur beantragt, die Beklagte zu verpflichten, die Kosten für eine Immuntherapie "zu übernehmen". Allerdings wurden im Verlauf des Klageverfahrens zahlreiche Rechnungen vorgelegt, was deutlich macht, dass der Klageantrag auch auf Kostenerstattung im eigentlichen Sinne gerichtet sein sollte. Das SG hat deshalb den Klageantrag zutreffend einerseits als Antrag auf künftige Sachleistung und andererseits als (womöglich unzulässigen, da unbezifferten) Antrag auf Kostenerstattung für die Vergangenheit ausgelegt.
Im Berufungsverfahren wurde zunächst (Schriftsatz vom 26.06.2019) nur beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verurteilen, "die Kosten für die selbstbeschaffte Therapie" bei Herrn T "zu erstatten." Hieraus ergibt sich jedoch kein Rechtsmittelverzicht bezüglich eines künftigen Sachleistungsanspruchs, wie etwa den Ausführungen des BSG im Beschluss vom 30.03.2020 B9 SB 59/19 B, zu entnehmen ist, wo es heißt:
"Nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 705 Satz 2 ZPO wird der Eintritt der Rechtskraft durch rechtzeitige Einlegung des Rechtsmittels gehemmt. Diese Hemmungswirkung erfasst grundsätzlich das gesamte Urteil und nicht lediglich den Teil, der in der Rechtsmittelschrift oder in der Begründungsschrift als angefochten bezeichnet ist, weil bei einem statthaften Rechtsmittel eine Erweiterung der Rechtsmittelanträge bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zulässig ist, soweit nicht hinsichtlich des nicht mehr im Streit stehenden Teils ein eindeutiger Rechtsmittelverzicht erklärt wird (vgl BSG Beschluss vom 11.10.1991 - 7 RAr 24/89 - SozR 3-1750 § 706 Nr 1 S 5 mwN; BGH Urteil vom 12.11.1997 - XII ZR 39/97 - juris RdNr 14; BGH Urteil vom 6.10.1987 - VI ZR 155/86 - juris RdNr 5). Ein Rechtsmittelverzicht muss dabei unmissverständlich den Willen zum Ausdruck bringen, dass sich ein Beteiligter mit der Entscheidung zufrieden gibt (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, vor § 143 RdNr 11 mwN). Die Stellung beschränkter Rechtsmittelanträge enthält für sich allein im Zweifel keinen Verzicht auf die Anfechtung des Urteils im Übrigen oder auf eine künftige Erweiterung des Rechtsmittelantrags (vgl BGH Urteil vom 12.11.1997 - XII ZR 39/97 - juris RdNr 14). Denn erst mit dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Rechtsmittelgericht steht auch für die Berufung fest, wie weit die Entscheidung der Vorinstanz angefochten wird. Bis dahin hat der Rechtsmittelantrag nur vorläufigen Charakter und kann im Rahmen der Begründung noch erweitert werden (vgl BGH Urteil vom 6.10.1987 - VI ZR 155/86 - juris RdNr 5 mwN). Darlegungen hierzu enthält die Beschwerdebegründung nicht."
Demnach ist Gegenstand des Berufungsverfahrens nicht nur ein Erstattungs- bzw. Freistellungsanspruch, sondern weiterhin auch ein künftiger Sachleistungsanspruch. Die Erweiterung des Antrags mit Schriftsatz vom 25.09.2020 war hierfür noch ausreichend.
2. Kein Sachleistungsanspruch auf die beantragte Immuntherapie
Der Kläger hat keinen Sachleistungsanspruch auf die beantragte Immuntherapie durch Herrn T.
Versicherte haben gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V unter anderem ärztliche Behandlung. Der Anspruch auf Krankenbehandlung unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Zu erbringen sind nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung bedarf es gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V einer positiven Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V. Eine Empfehlung des GBA zu den von Herrn T ambulant angewandten Behandlungsmethoden im Einzelnen oder insgesamt liegt nicht vor. Auch sind weder Anhaltspunkte für ein Systemversagen noch für einen sogenannten Seltenheitsfall ersichtlich.
Deshalb kann die Immuntherapie des Herrn T zur Behandlung des Glioblastoma multiforme vorliegend als ambulante ärztliche Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs bzw. nach dem seit 01.01.2012 geltenden § 2 Abs. 1a SGB V erbracht werden. Das BVerfG hat mit Beschluss vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) zu einer ärztlichen Behandlungsmethode entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Eine solche verfassungskonforme Auslegung setzt nach § 2 Abs. 1a SGB V voraus, dass drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
- Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vor,
- bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung und
- es besteht eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
a) Lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung
Der Kläger leidet an einem Glioblastoma multiforme - laut MDK (Gutachten vom 06.11.2015) an einem bösartigen Tumor des Gehirns nach sekundärer Malignisierung im Oktober 2014 (Glioblastom WHO IV) auf dem Boden eines Oligodendroglioms niedriger Malignität 2002.
Dabei weist H in seinem Gutachten (Seite 9) darauf hin, dass beim Kläger ein anaplastisches Oligodendrogliom vorliegen könnte - mit der Folge deutlich längerer Überlebenszeiten.
Voraussetzung für eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung im Sinne von § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V ist eine Gefährdungslage im Sinne einer notstandsähnlichen Situation, in der ein erheblicher Zeitdruck für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Anknüpfungspunkt ist daher das Vorliegen einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage. Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch ist auf extreme Situationen einer krankheitsbedingten Lebensgefahr beschränkt. Entscheidend ist daher, dass eine Krankheit lebensbedrohlich ist, d.h. in überschaubarer Zeit das Leben beenden kann, und dies eine notstandsähnliche Situation herbeiführt, in der der Versicherte nach allen verfügbaren medizinischen Hilfen greifen muss (vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 26.03.2014, 1 BvR 2415/13, und vom 10.11.2015, 1 BvR 2056/12). Das BVerfG hat es dabei ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich "erst" in einigen Jahren zum Tod führt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98, und vom 06.02.2007, 1 BvR 3101/06).
Laut H ist davon auszugehen, dass auch im Falle eines (günstigeren) anaplastischen Oligodendroglioms der Tumor irgendwann weiterwächst und auch diese Erkrankung nach Jahren bis zu Jahrzehnten zum Tod führt. Angesichts dessen, angesichts der ungeklärten Einordnung des klägerischen Glioblastoms (Standard-Glioblastom oder anaplastisches Oligodendrogliom) und angesichts des beim Kläger bereits vorliegenden Rezidivstadiums bejaht der Senat eine lebensbedrohliche bzw. regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung des Klägers.
b) Zurverfügungstehen einer allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlung
Aus Sicht des Senats ist ein grundrechtsorientierter Leistungsanspruch des Klägers jedoch deshalb zu verneinen, weil zur Behandlung seines Glioblastoms allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlungen zur Verfügung standen bzw. stehen.
Allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen stehen nicht zur Verfügung, wenn solche, bezogen auf das jeweilige konkrete Behandlungsziel i.S.v. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V, im medizinischen Leistungsspektrum (allgemein) nicht vorhanden sind oder diese für den konkreten Behandlungsfall wegen erheblicher gesundheitlicher Risiken, vor allem schwerwiegender Nebenwirkungen, nicht nutzbar sind (Hauck/Noftz, SGB V, Stand 04/2019, § 2 Rn. 76f m.w.N.).
Zu Beginn der Therapie bei Herrn T im Jahr 2015 bestanden laut H weitere schulmedizinische Behandlungsmöglichkeiten - allerdings nicht mit Aussicht auf Heilung, sondern (nur) auf Lebensverlängerung (CCNU-Monotherapie bzw. CCNU-basierte PCV-Chemotherapie). In seinem Arztbrief vom 06.11.2017 beschreibt auch Herr T die Möglichkeit einer Therapie mit CCNU, was aus seiner Sicht zwar keinen sinnvollen Weg darstelle, aber möglich sei. H führt aus, dass die CCNU-Therapie auch in der Rezidivsituation durchgeführt werden und zu einer positiven Einwirkung auf den Krankheitsverlauf führen könne. Diese Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen können durch das Gutachten des B nicht widerlegt werden. Dieser beschränkt sich darauf, ohne weitere Begründung die Behandlung mit CCNU zu verwerfen, weil diese Behandlung "der Gutachter nicht einmal für sich selbst wahrnehmen, sondern vehement als voraussichtlich nutzlos, aber hochgradig nebenwirkungsbelastet verweigern" würde. Ein Beleg für diese Behauptung wird von B nicht angeführt. Sie kann deshalb die sorgfältigen und auf medizinwissenschaftliche Erkenntnisse gestützten Äußerungen des H nicht erschüttern. Damit standen in der Vergangenheit - vor dem erneuten Aufflammen der Erkrankung im August 2018 - zugelassene Behandlungsmethoden zur Verfügung, die noch nicht vom Kläger ausgeschöpft worden sind.
Auch aktuell bestehen noch schulmedizinische Behandlungsmöglichkeiten. Mitte des Jahres 2018 hat sich bei dem Kläger eine Verschlechterung des Zustandes eingestellt, es erfolgte am 08.08.2018 eine erneute Operation am Universitätsklinikum E. Nach der operativen Entfernung des Tumors wurde ärztlicherseits eine Bestrahlung empfohlen, die in A durchgeführt werden sollte. Nach Angabe der Ehefrau des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2019 habe der behandelnde Arzt in A die Verantwortung jedoch nicht auf sich nehmen wollen und den Kläger an eine Klinik in M verwiesen. Diese Therapieoption habe der Kläger jedoch nicht wahrnehmen wollen, sondern habe sich wieder an Herrn T gewandt. Demnach standen mit der Bestrahlung in einer Klinik in M weiter noch zugelassene Behandlungsmethoden zur Verfügung.
Die dem Kläger empfohlenen Therapien entsprechen auch den Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie - Gliome (AWMF-Registernummer: 030/099; vollständig überarbeitet: 1. März 2014, gültig bis: 31. Dezember 2017, z.Z. in Überarbeitung), wo es auf Seite 5 zusammenfassend heißt:
"Im Rezidiv ist keine Standardtherapie definiert. Auf individueller Basis sollte die Indikation zu Reoperation, Chemotherapie oder erneuter Strahlentherapie geprüft werden. Medikamente der ersten Wahl sind Nitrosoharnstoffe (CCNU), erneut Temozolomid (Rechallenge) oder - unter Beachtung der Zulassung und Erstattungsfähigkeit (Schweiz: ja, Deutschland und Österreich: nein) - Bevacizumab."
Zum Berufungsvortrag im Hinblick auf das Vorliegen allgemein anerkannter, dem medizinischen Standard entsprechender Leistungen ist Folgendes auszuführen: Im Schriftsatz vom 26.06.2019 weist der Klägerbevollmächtigte einerseits darauf hin, dass laut SG Nürnberg noch eine Therapie mit CCNU als vertragsärztliche Leistung zur Verfügung stehe, andererseits darauf, dass es sich bei der Therapie von Bevacizumab um eine Therapie mit einem nicht zugelassenen Zytostatikum, handele, bezüglich dessen in Fachkreisen bereits der eindeutige Konsens bestehe, dass diese Therapie keinen Überlebensvorteil der Patienten ergebe - bei unverhältnismäßigen Nebenwirkungen. Aus diesem Grunde werde von Bevacizumab bei der Behandlung eines Glioblastoms abgeraten, wie zahlreiche - in der Anlage beigefügte - medizinische Verlautbarungen bestätigten.
Allerdings hat H nur die Möglichkeit einer CCNU- oder BCNU-Therapie genannt, eine Empfehlung einer Therapie mit Bevacizumab (Avastin) hat er dagegen nicht ausgesprochen. Womöglich beruhen die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten darauf, dass B in seinem Gutachten (Seite 8) die Möglichkeit einer CCNU- oder BCNU-Therapie "mit oder ohne Bevacizumab als Antikörper" erwähnt und ihr eine äußerst geringe Erfolgsaussicht attestiert hat. Da aber vorliegend - auch laut H - Bevacizumab nicht als mögliche Therapieoption im Raum steht, gehen die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten insoweit jedenfalls ins Leere.
Wenn der Bevollmächtigte schließlich im Hinblick auf noch zur Verfügung stehende Standardtherapien auf das Wirtschaftlichkeitsgebot hinweist und hervorhebt, dass der Kläger gerade auf klassische Behandlungsmethoden verzichte und hierdurch eine erhebliche Kostenentlastung der Versichertengemeinschaft veranlasse, so zeigt dies zum einen, dass auch er vom Vorhandensein klassischer Behandlungsmethoden für den Kläger noch ausgeht. Zum anderen wird dadurch aber auch deutlich, dass er das Sachleistungsprinzip als Grundprinzip der GKV außer Acht lässt. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG besteht ein Kostenerstattungsanspruch nicht schon deshalb, weil die Krankenkasse dadurch, dass der Versicherte Leistungen außerhalb des Leistungssystems der GKV in Anspruch genommen hat, vermeintlich Aufwendungen anderer Art erspart; denn sonst könnte die krankenversicherungsrechtliche Beschränkung auf bestimmte Formen der Leistungserbringung letztlich durch den Anspruch auf (teilweise) Kostenerstattung ohne Weiteres durchbrochen werden (BSG, Beschluss vom 26.07.2004, B 1 KR 30/04 B).
Die noch zur Verfügung stehenden schulmedizinischen Behandlungsmethoden verfolgen (nur) einen palliativen Ansatz, während die streitgegenständliche Immuntherapie laut Herrn T (vgl. Schreiben vom 12.06.2015, Seite 4) einen kurativen Anspruch besitze.
Das BVerfG hat insoweit ausgeführt, dass die Frage, ob eine alternative Behandlungsmethode von der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren ist, nicht losgelöst davon betrachtet werden darf, was die anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermag und was die alternative Behandlung zu leisten vorgibt. Zur Klärung der Frage, ob eine Behandlung mit Mitteln der Schulmedizin in Betracht kommt und inwieweit Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen, ist zunächst das konkrete Behandlungsziel zu klären. Bietet die Schulmedizin nur palliative Behandlungsmöglichkeiten an, weil sie jede Möglichkeit einer kurativen Behandlung als aussichtslos betrachtet, kommt ein Anspruch auf eine alternative Behandlungsmethode allerdings nur dann in Betracht, wenn eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg besteht (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 26.02.2013, 1 BvR 2045/12).
Allein die Behauptung von Herrn T, seine alternative Behandlungsmethode besitze kurativen Charakter, kann damit nicht ausreichen. Bietet die Schulmedizin nur noch palliative Therapien an, kommt ein grundrechtsorientierter Leistungsanspruch nur dann in Betracht, wenn mit der Alternativbehandlung eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg im Sinne einer wenigstens positiven Einwirkung auf den Verlauf der Grunderkrankung selbst besteht (Sächsisches LSG, Urteile vom 27.03.2018, L 9 KR 275/13, und vom 16.04.2017, L 1 KR 185/12). Ein solcher Erfolg muss nicht zwingend die (vollständige) Heilung sein, sondern kann auch die spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, etwa durch Verlängerung der möglichst beschwerdefreien oder beschwerdearmen (Über-)Lebenszeit des (Tod-)Kranken, namentlich durch das vorübergehende Aufhalten oder Verlangsamen des Fortschreitens der nicht mehr heilbaren und deshalb kurativ nicht behandelbaren Erkrankung sein; das gilt insbesondere für nicht mehr heilbare Tumorerkrankungen, bei denen das Tumorwachstum zur Verlängerung der Lebenszeit des Erkrankten vorübergehend aufgehalten oder verlangsamt werden soll. In der Lebenszeitverlängerung als solcher liegt dann die positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, die freilich außerdem auch spürbar sein muss (vgl. insg. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.02.2017, L 5 KR 1653/15).
c) Keine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf
Eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg in diesem Sinne besteht jedoch zur Überzeugung des Senats nicht.
Der Senat kann für die streitige Immuntherapie weder Indizien erkennen, die auf eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung des Glioblastoma multiforme des Klägers, wie sie vom Arzt T geltend gemacht wird, hindeuten, noch solche, die auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, wie sie für einen Sachleistungsanspruch und damit eine Kostenerstattung ausreichen würde, hinweisen. Dabei stützt sich der Senat auf das vom SG gemäß § 106 SGG eingeholte Gutachten des H. Auch aus dem gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten des B ergeben sich derartige Indizien nicht, ebenso nicht aus den im Berufungsverfahren vom Klägerbevollmächtigten vorgelegten Unterlagen.
Die Frage, ob eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf vorliegt, ist - genauso wie das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Krankheit und das Fehlen einer anwendbaren Standardtherapie - nach den Regeln der ärztlichen Kunst und zum Zeitpunkt des Beginns der Behandlung zu beurteilen (vgl. BSG, Urteile vom 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, und vom 07.05.2013, B 1 KR 26/12 R). Eine rückblickende Beurteilung unter Berücksichtigung eines etwaigen Erfolgs der durchgeführten Behandlung verbietet sich also. Dies hat zur Konsequenz, dass bei der Frage, ob eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf vorliegt, der konkrete - vorliegend über Jahre erfreuliche - Erkrankungsverlauf des Klägers keine Bedeutung haben kann, da dieser nur mit einer - nicht zulässigen - rückblickenden Betrachtung einbezogen werden könnte.
Für die Prüfung des Vorliegens der auf Indizien gestützten, nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, der einerseits eine abstrakte und andererseits eine konkret-individuelle Prüfung und Abwägung von Risiken und Nutzen einer Behandlungsmethode zugrunde zu legen ist (vgl. BSG, Urteile vom 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, und vom 02.09.2014, B 1 KR 4/13 R), dürfen die Anforderungen wegen der grundrechtsorientierten Auslegung und des im Mittelpunkt stehenden Grundrechts des Lebens nicht überspannt werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.03.2017, L 5 KR 1036/16; Bayer. LSG, Urteil vom 09.11.2017, L 4 KR 49/13). Gleichwohl begründet das subjektive Empfinden des Versicherten, auch gestützt durch die gleichlautende Einschätzung oder Empfehlung des behandelnden Arztes, oder das Befürworten der Therapie durch einzelne Ärzte allein - ebenso wie der positive Verlauf einer Erkrankung im konkreten Fall eines Antragstellers (vgl. oben) - Indizien im genannten Sinne grundsätzlich nicht (vgl. BSG, Urteile vom 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, und vom 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R; Bayer. LSG, Urteil vom 01.10.2018, L 4 KR 49/13; LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 27.07.2016, L 5 KR 442/16, und vom 22.02.2017, L 5 KR 1653/15). Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, muss die GKV auch nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (bzw. des § 2 Abs. 1a SGB V) nicht gewähren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.02.2013, 1 BvR 2045/12; BSG, Urteil vom 07.05.2013, B 1 KR 26/12 R).
Allerdings hat das BVerfG im Beschluss vom 06.12.2005,1 BvR 347/98, auch ausgeführt, dass sich Hinweise auf einen individuellen Wirkungszusammenhang auch aus dem Gesundheitszustand des Versicherten im Vergleich mit anderen Erkrankten, aus der fachlichen Einschätzung der Wirksamkeit der Methode im konkreten Einzelfall durch die Ärzte des Erkrankten sowie aus der wissenschaftlichen Diskussion ergeben können. Indizien für eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf können sich also auch außerhalb von Studien, vergleichbaren Erkenntnisquellen oder von Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften finden.
Die Anforderungen an die auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf unterliegen Abstufungen je nach der Schwere und dem Stadium der Erkrankung. Es ist eine Differenzierung im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen, dass umso schwerwiegender die Erkrankung und umso hoffnungsloser die Situation ist, desto geringere Anforderungen an die ernsthaften Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg zu stellen sind (vgl. BSG, Urteile vom 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, und vom 02.09.2014, B 1 KR 4/13 R).
Schließlich hat das BSG auch "wissenschaftliche Verlaufsbeobachtungen anhand von operierten 126 Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen im Rahmen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle" als "ihrer Art nach ohne Weiteres geeignet" betrachtet, "nach den Regeln der ärztlichen Kunst als Grundlage für "Indizien" im dargelegten Sinne für eine positive Einwirkung zu dienen" (BSG, Urteil vom 02.09.2014, B 1 KR 4/13 R).
Nach diesen Maßgaben lässt sich für die beantragte Immuntherapie, wie sie im Schreiben von Herrn T vom 12.06.2015 dargestellt wurde, keine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf feststellen. Der Senat stützt sich hierbei vornehmlich auf die Ausführungen des sozialgerichtlichen Sachverständigen H, der aufgrund seiner beruflichen Stellung als Leiter eines zertifizierten neuroonkologischen Zentrums (Universität B) über große Erfahrung und Kenntnisse in der Behandlung von Hirntumoren verfügt und dessen Einschätzung sich der Senat als überzeugend zu eigen macht. H legt ausführlich dar, dass es für keine der Therapiefacetten, zumindest so, wie sie Herr T durchführt, ausreichende klinische Hinweise darauf gibt, dass der Verlauf eines Patienten mit malignem Gliom verbessert wird. Zwar handelt es sich hierbei teilweise um Therapieansätze, zu denen durchaus geforscht wird; sie befinden sich jedoch noch im experimentellen Stadium. Da die Wirksamkeit der Einzelelemente nicht ausreichend belegt ist und für die Kombination keinerlei klinischen Wirksamkeitsdaten vorliegen, ergibt sich, so H, für die Kombinationstherapie keine hinreichende Chance auf Heilung, Verhütung der Verschlimmerung, Lebensverlängerung oder Schmerzlinderung. Der experimentelle Charakter der beantragten Therapien schließt ihre Anwendung zulasten der GKV aus.
Nur am Rande sei erwähnt, dass auch Professor J, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen H, in einem Parallelverfahren (L 20 KR 502/17, ebenfalls Glioblastoma multiforme) zum selben Ergebnis bezüglich der von Herrn T angewandten Therapie gelangte.
Für den Senat ist maßgeblich, dass die streitgegenständliche Immuntherapie laut Herrn T als Gesamttherapie zu betrachten ist und auch als solche beantragt wurde (vgl. dessen Schreiben vom 12.06.2015, dort Seite 5: "Die Hyperthermie ist hier keine Monotherapie, sondern eine wichtige Facette in einem immuntherapeutischen Gesamtkonzept." und Seite 9: "Dass die Kombination von Fieber, Viren und Dendritischen Zellen einen ganz besonderen Sinn hat und nicht nur ein Sammelsurium verschiedener immuntherapeutischer Ansätze ist, wird jedem denkwilligen Arzt durch den Nachweis nahegelegt, dass nur im Zusammenwirken von Dendritischen Zellen, Newcastle-Viren und Lipoposysaccaarid (LPS), einem Bestandteil unseres Fiebermittels, das erwünschte Ergebnis erzielt werden kann, ..."). Auch im Schreiben vom 25.09.2019 mit dem Betreff "Sinn einer Kombinationstherapie, wo die einzelnen Therapie-Facetten bereits wissenschaftlich gut belegt sind: Kombination von onkolytischen Viren und dendritischen Zellen" weist Herr T speziell auf die potenzierende Wirkung der Kombination von onkolytischen Viren und dendritischen Zellen hin (wobei es allerdings kein festes Protokoll gebe, sondern der klinische Verlauf das Vorgehen bestimme).
Damit kommt es nach dem Willen von Herrn T auf seine Immuntherapie als Gesamtkonzept an. Eine aufgespaltene Bewertung und gegebenenfalls Bewilligung einzelner Therapiebestandteile scheidet damit aus. Sie würde sich im Übrigen auch rechtlich verbieten - zum einen, weil nicht, was durchaus auch möglich und üblich ist, die Bewilligung einzelner Therapien, sondern eben eines Gesamtkonzeptes als solchen beantragt wurde, zum anderen aber auch, weil bei der rechtlichen Bewertung der beantragten Therapie im Hinblick auf ihr Einwirken auf den Krankheitsverlauf auch zu berücksichtigen ist, dass es keine dokumentierten Erkenntnisse über eventuell sich potenzierende Nebenwirkungen bei der Kombination der einzelnen Therapiefacetten gibt.
Objektivierbare Erkenntnisse, dass die Therapie, so wie von Herrn T durchgeführt, Erfolgsaussicht verspricht, liegen nicht vor. Solche lassen sich auch weder aus den Ausführungen von Herrn T selbst noch aus denen des Gutachters B ableiten, der zwar im großen Umfang Behauptungen ins Feld führt, diese jedoch nicht hinreichend medizinisch-wissenschaftlich belegen kann. Insofern wird auf die Ausführungen des SG verwiesen. Auch sämtliche im Berufungsverfahren vorgelegte Unterlagen befassen sich lediglich mit einzelnen der beantragten Therapiefacetten oder mit einer Kombination einzelner Facetten. Wie bereits dargelegt, lassen sich hieraus jedoch keine ausreichenden Schlüsse bezüglich des beantragten Gesamtkonzepts ziehen - weder im Hinblick auf dessen Wirksamkeit noch im Hinblick auf etwaige Nebenwirkungen.
Im Zusammenhang mit der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsanspruchs ist schließlich zu beachten, dass einem Anspruch gegebenenfalls auch der Umstand entgegenstehen kann, dass die Erkenntnisdefizite zu einer Behandlungsmethode in der Sphäre des Therapeuten liegen. Das BSG hat insofern im Urteil vom 07.05.2013, B 1 KR 26/12 R, Folgendes ausgeführt: "Eine weitere Begrenzung der sich aus der grundrechtsorientierten Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V ergebenden Ansprüche auf Methoden, die noch nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, folgt aus der Mitwirkungsobliegenheit der Behandler. Die aus der grundrechtsorientierten Auslegung und aus § 2 Abs 1a SGB V resultierende Absenkung der Anforderungen, die ansonsten an den Evidenzgrad des Behandlungserfolgs zu stellen sind, verlangt unter dem Gesichtspunkt des Patientenschutzes die jeweils mögliche Erhebung und Zugänglichmachung von nach wissenschaftlichen Maßstäben verfügbaren Informationen durch die Behandler entsprechend ihrem Berufs- und Standesrecht. Die aktive Bereitschaft der Behandler, zum Abbau der (noch) vorhandenen Erkenntnisdefizite beizutragen, ist unverzichtbarer Teil des auch der grund-rechtsorientierten Auslegung und § 2 Abs 1a SGB V zugrundeliegenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses."
Offensichtlich hat Herr T schon etliche Patienten mit Glioblastoma multiforme behandelt. Eine systematische Darstellung der Behandlungsschemata und ihres Erfolgs oder auch Misserfolgs wurde jedoch nie vorgelegt, obwohl dies Herrn T durchaus möglich sein sollte. Ob im vorliegenden Verfahren ein Anspruch des Klägers letztlich daran scheitern könnte, dass eine aktive Bereitschaft des behandelnden Arztes T, einen Beitrag zum Abbau der vorhandenen Erkenntnisdefizite zu leisten, nicht erkennbar ist, kann mangels Entscheidungserheblichkeit jedoch dahingestellt bleiben (vgl. auch Bayer. LSG, Urteil vom 16.05.2019, L 20 KR 502/17).
Im Ergebnis ist jedenfalls auch die dritte Voraussetzung des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V, nämlich das Vorliegen einer auf Indizien gestützten, nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, nicht erfüllt. Ein Sachleistungsanspruch auf die beantragte Immuntherapie durch Herrn T besteht damit nicht.
3. Kein Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch wegen bereits entstandener Kosten für die Immuntherapie nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erstattung der bereits entstandenen Kosten gemäß § 13 Abs. 3 SGB V bzw. einen Freistellungsanspruch bzgl. noch offener Zahlungen an Herrn T.
Als Anspruchsgrundlage für die Erstattung bereits entstandener Kosten bzw., sofern - wie vorliegend - der Versicherte noch nicht oder nicht vollständig gezahlt, auf Freistellung von den Kosten und auf Zahlung der Krankenkasse an den Gläubiger (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R) kommt allein § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Hiernach gilt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (1. Alternative) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt (2. Alternative) und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V hat in beiden Regelungsalternativen einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (Primäranspruch) zur Grundvoraussetzung (jurisPK, SGB V, Stand 22.09.2020, § 13 Rn. 52). Damit scheidet ein Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch des Klägers wegen seiner bislang für die Behandlung durch Herrn T verauslagten Kosten bereits deshalb aus, weil der Kläger keinen entsprechenden Sachleistungsanspruch gegen die Beklagte hat, siehe oben.
Ein Kostenerstattung- bzw. Freistellungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V scheitert jedoch zusätzlich daran, dass weder der Beschaffungsweg eingehalten wurde (die Leistungsablehnung also nicht kausal für die Selbstbeschaffung war, § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V) noch die Selbstbeschaffung unaufschiebbar war (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB V).
a) § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V - Beschaffungsweg nicht eingehalten
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG scheidet ein auf § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V gestützter Erstattungsanspruch aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne zuvor die Krankenkasse einzuschalten und ihre Entscheidung abzuwarten (z.B. BSG, Urteil vom 02.07.2015, B 3 KR 3/15 BH; BSG, Beschluss vom 21.02.2008, B 1 KR 123/07 B). § 13 Abs. 3 SGB V soll einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall gewähren, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30.06.2009, B 1 KR 5/09 R).
Nach den eingereichten Abrechnungsunterlagen der Praxis T erfolgte die erste Behandlung am 30.04.2015, Rechnungen aus Apotheken liegen bereits vom März 2015 vor. Der Kläger hat damit bereits vor dem ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 17.07.2015 mit der Therapie begonnen. Damit fehlt es aber an dem notwendigen Kausalzusammenhang zwischen der Leistungsablehnung und der Selbstbeschaffung, der nach der Rechtsprechung des BSG Voraussetzung ist für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V ist.
Dies gilt auch für den Fall einer Behandlung, die sich - wie hier - über einen längeren Zeitraum erstreckt. Ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V ist ausgeschlossen, wenn die Entscheidung der Krankenkasse das weitere Geschehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer Leistung nicht mehr beeinflussen konnte, weil der Betroffene sich bereits unabhängig vom Verhalten seiner Krankenkasse endgültig auf eine bestimmte Leistungsform festgelegt hatte. Bei laufenden oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Leistungen wird die ablehnende Entscheidung der Krankenkasse zwar im Allgemeinen eine Zäsur sein; daher kann die Kostenerstattung im Einzelfall auch nur für diejenigen Leistungen ausgeschlossen sein, die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung auf eigene Rechnung beschafft wurden. Das kann allerdings nur gelten, wenn die nachträglich getroffene Entscheidung der Krankenkasse überhaupt noch geeignet war, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen. Waren mit dem eigenmächtigen Beginn der Behandlung die weiteren Schritte bereits vorgezeichnet und festgelegt, fehlt selbst bei dieser Konstellation der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kasse und der Kostenbelastung des Versicherten auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Behandlung als einheitlicher Vorgang darstellt, der sich hinsichtlich der Leistungsbewilligung nicht aufspalten lässt (vgl. insg. BSG, Urteil vom 22.03.2005, B 1 KR3/04 R).
Wenn Herr T einerseits im Hinblick auf die Besonderheit seiner Immuntherapie gerade auf das Ineinandergreifen und Zusammenspiel der einzelnen Therapiefacetten abstellt, so verbietet sich umgekehrt auch eine Aufspaltung hinsichtlich der Leistungsbewilligung. Der Kläger hatte bereits vor der Entscheidung der Beklagten über seinen Antrag mit der Behandlung begonnen und sich damit bereits unabhängig vom nachfolgenden Verhalten der Krankenkasse endgültig festgelegt. Die Behandlung wurde bzw. wird konstant seit März 2015 durchgeführt. Durch den ablehnenden Bescheid ist keine Zäsur eingetreten.
Dass der Kläger sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Beklagten ausfallen würde, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen war, sich die Leistung auch dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R), wird vorliegend auch dadurch deutlich, dass er die Therapie fortsetzte bzw. intensivierte (durch Hyperthermie und später onkolytische Viren) - und zwar ungeachtet der Ablehnung durch die Beklagte, ungeachtet der Tatsache, dass auch sein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Jahr 2017 im Hinblick auf eine vorläufige Gewährung der beantragten Immuntherapie vom SG abgelehnt und die dagegen eingelegte Beschwerde vom LSG zurückgewiesen wurde (jeweils nach ausführlicher Erläuterung in den Gründen, dass ein Anordnungsanspruch nicht gegeben war) und ungeachtet der Empfehlung der Uni-Klinik E nach der Operation im August 2018, eine Bestrahlung durchführen zu lassen.
b) § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB V - keine Unaufschiebbarkeit
Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB V, weil es sich bei der Immuntherapie nicht um eine unaufschiebbare Leistung handelte.
Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB V sind dem Versicherten die Kosten einer selbstbeschafften Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Leistung unaufschiebbar war und die Krankenkasse sie nicht rechtzeitig erbringen konnte.
Unaufschiebbarkeit verlangt, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z.B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist (BSG, Urteil vom 11.05.2017, B 3 KR 30/15 R). Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. Es betrifft auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG, Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R).
Stets hängt der Anspruch wegen Unaufschiebbarkeit jedoch davon ab, ob der Versicherte alles Erforderliche und Zumutbare getan hat, um sich die Sachleistung zu verschaffen. Regelmäßig erforderlich und dem Versicherten zumutbar ist es, die Krankenkasse überhaupt einzuschalten (Kasseler Kommentar, SGB V, 101. EL 9/18, § 13 Rn. 75). Für die erste Fallgruppe des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V wird neben der Unaufschiebbarkeit vorausgesetzt, dass die Krankenkasse die in Rede stehenden Leistungen nicht rechtzeitig erbringen konnte. Davon kann im Regelfall nur ausgegangen werden, wenn sie mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen zur (rechtzeitigen) Leistung herausgestellt hat (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.2000, B 1 KR 5/99 R). Der Versicherte muss daher vor der Leistungsinanspruchnahme grundsätzlich zunächst Kontakt mit der Krankenkasse aufnehmen, damit diese die objektive Verfügbarkeit prüfen und dem Versicherten mitteilen kann. An einer Unaufschiebbarkeit fehlt es dementsprechend, wenn die Krankenkasse vor der Leistungsinanspruchnahme nicht mit dem Leistungsbegehren des Versicherten befasst worden ist, obwohl dies möglich und zumutbar gewesen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 26.09.2006, B 1 KR 3/06 R) oder wenn der Versicherte unabhängig von der Entscheidung der Krankenkasse bereits auf eine bestimmte Leistung festgelegt war (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R). Bei laufenden oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Leistungen ist Unaufschiebbarkeit nur bis zur Entscheidung der Krankenkasse gegeben; für die nach einer ablehnenden Entscheidung in Anspruch genommenen Leistungen kommt nicht mehr § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1, sondern Alt. 2 in Betracht (BSG, Urteil vom 03.08.2006, B 3 KR 24/05 R; vgl. zum Ganzen auch Becker/Kingreen, SGB V, 6. Aufl. 2018, § 13 Rn. 24, 25).
Hieran gemessen, käme ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt.1 SGB V nur für bis zum Ablehnungsbescheid vom 17.07.2015 in Anspruch genommene Leistungen in Betracht; er scheitert jedoch daran, dass es dem Kläger aus medizinischen Gründen möglich und zumutbar gewesen wäre, vor Beginn der Therapie bei Herrn T mit seinem Leistungsbegehren wenigstens an die Beklagte heranzutreten.
Dies ist erst am 12.06.2015 geschehen. Der Kläger hatte die streitgegenständliche Therapie dagegen bereits im März, spätestens im April 2015 begonnen, ohne sich vorher mit seinem Leistungsbegehren an die Beklagte gewandt zu haben, obwohl zumindest dies ihm unproblematisch vorher möglich gewesen wäre. Er hatte zum damaligen Zeitpunkt gerade einen Zyklus der schulmedizinischen Behandlung abgeschlossen. Eine mögliche Progression der Erkrankung, die ein rasches Handeln hätte erfordern können, wurde erst am 07.05.2015 und damit nach Therapiebeginn bei Herrn T diskutiert. Es sind keine Aspekte im Sinne einer ganz besonders hohen Eilbedürftigkeit ersichtlich, wegen derer auch nur eine Information der Beklagten vor Beginn der Therapie den Kläger nicht mehr zumutbar gewesen wäre. Der zeitliche Ablauf spricht zudem dafür, dass der Kläger darauf festgelegt war, die Immuntherapie bei Herrn T unabhängig von einer diesbezüglichen Entscheidung der Beklagten durchzuführen. Ein Kostenerstattungsanspruch wegen Unaufschiebbarkeit gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB V kommt damit insgesamt nicht in Betracht.
4. Auch kein Anspruch wegen Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V
Bezüglich der streitgegenständlichen Immuntherapie besteht auch kein Anspruch wegen Eintritts der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V, weder auf Sachleistung noch auf Kostenerstattung oder Freistellung.
Nach § 13 Abs. 3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Kann die Krankenkasse diese Frist nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7).
Da die Beklagte den Kläger nicht über die Einschaltung des MDK informierte, hätte sie über dessen am 12.06.2015 eingegangenen Antrag innerhalb von drei Wochen entscheiden müssen (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R), was jedoch nicht geschehen ist. Tatsächlich erfolgte die Entscheidung erst mit Bescheid vom 17.07.2015, so dass grundsätzlich die Genehmigungsfiktion eingetreten ist.
Einen Sachleistungsanspruch kann der Kläger bereits aufgrund der neueren Rechtsprechung des 1. und 3. Senats des BSG (Urteile vom 26.05.2020, B 1 KR 9/18, und vom 18.06.2020, B 3 KR 19/13 R) hieraus nicht ableiten. Das BSG hat - unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung - entschieden, dass eine fingierte Genehmigung nach dem Leistungsrecht der GKV (§ 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V) keinen eigenständigen Naturalleistungsanspruch begründet. Sie vermittelt dem Versicherten vielmehr eine Rechtsposition sui generis. Diese erlaubt es ihm, sich die Leistung (bei Gutgläubigkeit) selbst zu beschaffen, und verbietet es der Krankenkasse nach erfolgter Selbstbeschaffung, eine beantragte Kostenerstattung mit der Begründung abzulehnen, nach dem Recht der GKV bestehe kein Rechtsanspruch auf die Leistung.
Der Kläger hat aber auch keinen Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch aufgrund eingetretener Genehmigungsfiktion. Sofern der Kläger mit der Immuntherapie bei Herrn T bereits vor der Entscheidung der Beklagten hierüber begonnen hatte, hätte sich der Sachleistungsanspruch allenfalls in einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V wandeln können. Ansprüche gegen eine Krankenkasse, die - wie sachleistungsersetzende Kostenerstattungsansprüche - unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet sind, sind jedoch vom Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V nicht umfasst (vgl. BSG, Urteile vom 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, und vom 06.11.2018, B 1 KR 13/17 R). Eine Selbstbeschaffung vor Ablauf der Entscheidungsfrist unterfällt im Übrigen generell nicht dem § 13 Abs. 3a SGB V. Denn die krankenversicherungsrechtliche Genehmigungsfiktion und der darauf beruhende Kostenerstattungsanspruch scheiden aus, wenn sich der Versicherte die Leistung selbst beschafft, bevor die der Krankenkasse gesetzlich eingeräumte Frist zur Entscheidung über den Leistungsantrag abgelaufen ist (BSG, Urteil vom 11.05.2017, B 3 KR 30/15 R).
Es besteht aber auch kein Anspruch auf Kostenerstattung (bzw. Freistellung) nach § 13 Abs. 3a Abs. 7 SGB V für nach Fristablauf selbstbeschaffte Leistungen von Herrn T.
Hierfür fehlt es bereits an einem hinreichend bestimmten und damit fiktionsfähigen Antrag. Der Antrag im Schreiben vom 12.06.2015 mit den Ausführungen von Herrn T vom selben Tag erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Zwar lautete der Antrag auf Kostenübernahme der Immuntherapie mit Hyperthermie, Boswellia carterii, onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, Hypericin, DCA, Artesunaten, Vitamin C und Amygdalin. Wann, wie oft, wie lange, unter welchen Voraussetzungen oder in welcher Kombination die einzelnen Therapiefacetten der beantragten Therapie (gleichzeitig oder nacheinander?) zur Anwendung kommen sollten, ist daraus nicht ersichtlich. Zweck der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V ist es, die Krankenkassen zu einer zügigen Prüfung und Entscheidung anzuhalten, damit Versicherten erforderliche Krankenbehandlungen nicht unbotmäßig lange vorenthalten werden. Daran würde es vorbeigehen, wenn aufgrund eines quasi prophylaktischen Antrags auf alle möglichen Therapiefacetten, die gegebenenfalls irgendwann irgendwie zum Einsatz kommen könnten (und vorliegend auch über fünf Jahre nach Antragstellung zum Teil noch nicht zum Einsatz gekommen sind, vgl. z.B. dendritische Zellen), die Genehmigungsfiktion für lediglich potentielle Leistungen vielleicht irgendwann in der Zukunft eintreten würde.
Unabhängig davon scheitern vorliegend Ansprüche nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V aufgrund der Genehmigungsfiktion aber auch daran, dass der Kläger bereits vor Antragstellung mit der beantragten Therapie, die als einheitliche Behandlungsmaßnahme zu bewerten ist (siehe oben), begonnen hatte. Nach den eingereichten Abrechnungsunterlagen der Praxis T erfolgte die erste Behandlung am 30.04.2015, Rechnungen aus Apotheken liegen bereits vom März 2015 vor.
Die Grundsätze über die Einhaltung des Beschaffungswegs, auch bei Behandlungen von längerer Dauer (siehe oben), haben auch im Falle der Genehmigungsfiktion anstelle einer Entscheidung der Krankenkasse zu gelten. Der Sanktionscharakter des § 13 Abs. 3a SGB V besteht darin, dass die Krankenkasse bei nicht rechtzeitiger Entscheidung Gefahr läuft, auch für Leistungen unabhängig vom Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen einstehen zu müssen (vgl. BT-Drucks. 17/10488, Seite 32), nicht jedoch darin, dass leistungsrechtliche Grundsätze der Kausalität bzw. des Beschaffungswegs ausgehebelt werden sollen. Deshalb gilt auch bei § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V, dass bei laufenden oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Leistungen der Eintritt der Genehmigungsfiktion keine Zäsur darstellt (ebenso wenig wie die ablehnende Entscheidung der Krankenkasse bei § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V), wenn wie vorliegend das weitere Leistungsgeschehen dadurch nicht mehr beeinflusst wird bzw. wurde. Mit Beginn der Behandlung bei Herrn T und dem Sich-Abwenden des Klägers von der "Schulmedizin" war der weitere Behandlungsablauf - der zudem nach den Ausführungen von Herrn T als Einheit bzw. Gesamtkonzept und nicht als Sammelsurium einzelner Behandlungen zu betrachten ist - bereits vorgezeichnet bzw. festgelegt (vgl. ausführlich dazu oben).
Damit kommt eine Aufspaltung der durchzuführenden Behandlungsmaßnahmen innerhalb der Immuntherapie des Herrn T in einzelnen Behandlungsschritte, die dann abhängig vom Zeitpunkt ihrer Durchführung - u.U. auch noch nach mehreren Jahren - der Genehmigungsfiktion zugänglich wären, nicht in Betracht. Ein Anspruch nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V ist nicht gegeben.
5. Höhe der beantragten Kostenerstattung
Da bereits ein Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch dem Grunde nach nicht besteht, kann dahingestellt bleiben, ob die mit Schriftsatz vom 25.09.2020 mitsamt Anlagen geltend gemachten Kosten von 84.041,46 € überhaupt allesamt Gegenstand der beantragten Gesamtleistung sind (etwa die zahlreichen nicht näher bezeichneten Medikamente) und der Höhe nach zutreffend ermittelt wurden.
Insgesamt war daher der Klage weder im Hinblick auf den geltend gemachten Sachleistungsanspruch noch bezüglich eines Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruchs stattzugeben. Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).