1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere Ausstellung von Ersatzbescheinigungen für die elektronische Gesundheitskarte (eGK). 2. Das Erfordernis eines Lichtbilds für die eGK und der Auf- und Ausbau der Telematikinfrastruktur verstoßen nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Auch den Vorgaben der DSGVO hat der Gesetzgeber Rechnung getragen. Auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts wird verwiesen.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 12. November 2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Der Kläger hat 225,00 EUR an die Staatskasse zu zahlen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Streitig ist die Ausstellung einer befristeten Ersatzbescheinigung für die elektronische Gesundheitskarte (eGK) über den 30.06.2018 bzw. 31.03.2021 hinaus.
Dem Kläger und Berufungskläger wurde von der Beklagten und Berufungsbeklagten mit Bescheid vom 28.12.2016 bescheinigt, dass er seit dem 01.09.2010 bei der Beklagten als Rentner gesetzlich krankenversichert ist. Die eGK-Ersatzbescheinigung sei bis zum 31.03.2017 gültig. Die Beklagte stellte weitere eGK-Ersatzbescheinigungen datierend auf den 28.08.2017, auf den 27.12.2017, auf den 10.01.2018 und auf den 29.03.2018 aus.
Die Beklagte mahnte mit Schreiben vom 29.03.2018 die Zusendung eines Lichtbildes an. Ab dem 01.01.2015 könnten gesetzlich Krankenversicherte nur noch mit der eGK den Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeuten etc. aufsuchen. Der Kläger besitze derzeit keinen gültigen Berechtigungsnachweis, um Leistungen in Anspruch zu nehmen. Dies würde für ihn bedeuten, dass er beim nächsten Arztbesuch als Privatpatient behandelt würde und die Privatrechnung seitens der Beklagten nicht erstattet werden könne. Es entstünden dem Kläger zusätzliche Kosten. Die Ersatzbescheinigung für die Inanspruchnahme von Leistungen ohne gültige eGK würde seitens der Beklagten nur noch einmalig ausgestellt werden. Der Kläger erhalte diese Ersatzbescheinigung nur nach persönlicher Vorsprache und Abgabe eines aktuellen Lichtbildes in einer der Geschäftsstellen.
Die Mitwirkung wurde von der Beklagten am 29.03.2018 nochmals angemahnt. Komme der Kläger seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nach, bestehe keine Möglichkeit, wiederholt befristete Ersatzbescheinigungen auszustellen. Der Kläger wurde erneut angemahnt, bis zum 15.04.2018 ein Lichtbild abzugeben.
Mit Schreiben vom 20.06.2018 beantragte der Kläger eine erneute Ersatzbescheinigung, da seine bisherige zum 30.06.2018 ablaufe. Er brauche dringend einen Versicherungsnachweis ab dem 01.07.2018 für anstehende Arztbesuche.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29.06.2018 ab. Dem Kläger sei angekündigt worden, dass ihm aufgrund fehlender Mitwirkung keine Ersatzbescheinigung mehr ausgestellt werden könne. Eine befristete Ersatzbescheinigung dürfe aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Vorgaben nicht mehr ausgestellt werden. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2018 zurück. Der Kläger habe es unterlassen, trotz mehrmaliger Aufforderungen ein Lichtbild für die eGK vorzulegen. Nach § 291 Abs. 2 S. 4 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) sei die eGK mit einem Lichtbild des Versicherten zu versehen. Dies diene der Möglichkeit zur Identifikation des Versicherten und der Verhinderung des Missbrauchs. Die Kosten für die Erstellung des Lichtbilds habe der Versicherte zu tragen. Die wiederholte Ausstellung eines Berechtigungsscheins sei nur dann möglich, wenn der Versicherte bei der Ausstellung der eGK mitwirken würde. Hierauf sei der Kläger hingewiesen worden, zuletzt mit Schreiben vom 29.03.2018. Dort sei ihm auch mitgeteilt worden, dass eine weitere Ausstellung einer Ersatzbescheinigung über den 30.06.2018 hinaus nicht erfolgen werde. Die aufschiebende Wirkung greife im Fall des Klägers nicht, da die Ersatzbescheinigung bis zum 30.06.2018 befristet sei.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben. Er habe seit 2015 meistens quartalsweise die Ersatzbescheinigung bis zum 30.06.2018 - insgesamt dreizehnmal - erhalten. Daraus würde ein Gewohnheitsrecht resultieren; das Lichtbild würde nicht mehr das Gewicht erhalten, wie es vom Gesetzgeber vielleicht einmal erdacht worden sei. Deshalb plädiere er dafür, weiterhin Ersatzbescheinigungen zu erhalten. Seit dem 01.07.2018 sei kein Nachweis mehr erfolgt und er habe einen Arzttermin am 19.09.2018 abbrechen müssen.
Einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 30.10.2019 abgelehnt (S 15 KR 2563/19 ER). Es fehle ein Anordnungsanspruch; insoweit hat die Kammer auf die Gründe des Widerspruchsbescheides verwiesen. Im Übrigen schließe § 15 Abs. 6 S. 5 SGB V die erneute Ausstellung einer Ersatzbescheinigung aus. Der Kläger und Antragsteller habe unstreitig nicht bei der Ausstellung der eGK mitgewirkt, da er das nach § 291 Abs. 2 S. 4 SGB V notwendige Lichtbild nicht vorgelegt habe. Es sei höchstrichterlich geklärt, dass die Notwendigkeit der Vorlage eines Lichtbildes rechtmäßig und verfassungskonform sei (Bundessozialgericht - BSG, BSGE 117, 224 ff). Eine Ausnahme von der Obliegenheit des Antragstellers nach § 291 Abs. 2 S. 5 SGB V sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Entscheidung ist vom Kläger nicht angefochten worden.
Die Klage hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 12.11.2019 abgewiesen. Die Begründung deckt sich weitgehend mit den Ausführungen im Beschluss vom 30.10.2019.
Der Kläger hat gegen den ihm am 14.11.2019 zugestellten Gerichtsbescheid am 11.12.2019 Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Das Verfahren hat zunächst gemäß Beschluss vom 29.07.2020 geruht.
Mit Schriftsatz vom 10.12.2019 hat der Kläger zugleich mit der Berufungseinlegung eine einstweilige Verfügung beantragt. Er hat eine von der Beklagten ausgestellte eGK-Ersatzbescheinigung vom 13.09.2019 mit Gültigkeit bis 31.12.2019 vorgelegt und beantragt, ihm ab 01.01.2020 bis zu einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung Krankenversicherungsschutz zu gewähren, da sonst möglicherweise irreparable gesundheitliche Schäden entstehen könnten. Mit Beschluss vom 20.12.2019 (L 4 KR 646/19 ER) hat der Senat die Beklagte und Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller eine befristete Ersatzbescheinigung vorläufig für den Zeitraum vom 01.01.2020 bis 31.03.2020 auszustellen. Der Senat hat deutlich gemacht, dass er vorliegend zwar bei summarischer Prüfung nur äußerst geringe Erfolgsaussichten für das Berufungsverfahren des Antragstellers sehe. Mit der Verweigerung von grundsätzlichem Krankenversicherungsschutz gegenüber dem Versicherten durch die Nichtausstellung einer vorläufigen eGK-Ersatzbescheinigung ab 01.01.2020 wegen Nichtvorlage seines Lichtbildes verstoße die Antragsgegnerin jedoch gegen das rechtsstaatliche Gebot der Verhältnismäßigkeit (Art. 20 Abs. 3 Grund-gesetz - GG). Der Antragsteller wäre hierdurch in seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verletzt. Der Senat hat darauf hingewiesen, dass dies zumindest für dieses einstweilige Rechtsschutzverfahren gelte, bei dem bei Gefahr des Entstehens schwerer und unzumutbarer, anders nicht abwendbarer Beeinträchtigungen eine umfassende Güter- und Folgeabwägung vorzunehmen sei (BVerfG, a.a.O.).
In einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 19.02.2020 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass ab April 2020 kein Versicherungsschutz bei der Beklagten mehr bestehe, da eine Verlängerung einer Ersatzbescheinigung vom Senat nicht in Aussicht gestellt werden könne. Der Vorsitzende hat die Beteiligten auf das Urteil des BSG vom 18.12.2018 (B 1 KR 31/17 R - juris, RdNr. 20) hingewiesen, mit dem das BSG nochmals klargestellt habe, dass der Krankenversicherungsträger ein Lichtbild einfordern und nutzen darf, um eine eGK auszustellen. Im Hinblick auf Art. 17 Abs. 1 Buchstabe a DSGVO ende die Berechtigung, das Lichtbild zu speichern, mit der Übermittlung der eGK in den Herrschaftsbereich des Klägers. Der Rechtsstreit ist in dem Termin vertagt worden.
Einen zweiten Antrag vom 23.03.2020 auf einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel der Ausstellung einer Ersatzbescheinigung für das 2. Quartal 2020 hat der Vorsitzende mit Beschluss vom 30.03.2020 (L 4 KR 121/20 ER) abgelehnt. Bereits im Beschluss vom 20.12.2019 habe der Senat darauf hingewiesen, dass bei summarischer Prüfung nur äußerst geringe Erfolgsaussichten für das Berufungsverfahren des Antragstellers gesehen würden. Zu Recht habe die Antragsgegnerin insoweit auf die gesetzlichen Regelungen vor allem der § 291 Abs. 2 S. 4 und § 15 Abs. 6 S. 5 SGB V verwiesen. Im Anschluss an den ausführlichen Erörterungstermin im Hauptsacheverfahren werde nun auch kein Grund mehr gesehen, dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stattzugeben. Schließlich führe auch das Vorliegen der aktuellen Corona-Pandemie nicht zu einem anderen Ergebnis.
Im Berufungsverfahren hat der Kläger mit Schriftsatz vom 14.03.2020, eingegangen am 01.04.2020, eine umfangreiche Berufungsbegründung vorgelegt. Er hat dargelegt, dass und warum er
* einen Verstoß gegen das Grundgesetz (informationelle Selbstbestimmungsrecht) durch die neue Regelung des § 15 Abs. 6 Satz 5 SGB V sehe;
* die Speicherung von personenbezogenen Daten und von Gesundheitsdaten mit seiner einheitlichen Krankenversicherungsnummer in einer zentralen Telematik-Infrastruktur (TI) ebenfalls als Verstoß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht erachte; die Beklagte sei zu verurteilen, ihm Leistungen zur Verfügung zu stellen, ohne dass er die eGK und die neue, lebenslang gültige Krankenversicherungsnummer benutzen müsse und ohne dass seine Gesundheitsdaten in die TI gelangten;
* durch die Übermittlung personenbezogener Diagnosen, Behandlungs- und Verordnungsdaten an die Beklagte einen Verstoß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht sehe; dies sei bedingt durch das neue Gesundheitssystem nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sei einzuholen;
* die §§ 15 Abs. 6 S. 5, 290 Abs. 1 S. 2, 291 Abs. 2 Nr. 7, 291 a Abs. 7 und 291 b Abs. 1 SGB V für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar halte. Auch hierzu sei eine Entscheidung des BVerfG einzuholen.
Insoweit hat der Kläger entsprechende Feststellungsanträge gestellt und diese eingehend begründet. Auf den Schriftsatz vom 14.03.2020 wird verwiesen. Er hat auf verschiedene Entscheidungen des BVerfG (insbesondere das sog. Volkszählungsurteil, das Urteil zur Vorratsdatenspeicherung, das sog. Garzweiler-Urteil II) Bezug genommen und sich auf das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung, auf das Gebot der Normenklarheit, das Diskriminierungsverbot, das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und auf ein "Grundrecht der Vertraulichkeit und Integrität" berufen. Die auf der eGK gespeicherten Daten seien wesentlich umfangreicher als die auf der Krankenversicherungskarte (KVK). Auch bei der Ablehnung von freiwilligen Anwendungen würden medizinische Daten gesammelt. Es bestehe eine persönliche Betroffenheit, ein Allgemeininteresse sei nicht gegeben. Insgesamt würden auch die verkündeten Ziele nicht verwirklicht. In einem weiteren Abschnitt hat sich der Kläger mit den aus seiner Sicht negativen Folgen des eGK/TI-Systems auseinandergesetzt. Dabei sieht er u.a. in einer Kontrolle von Patienten und Ärzten, Sicherheitsproblemen in der TI und durch die zentrale Speicherung in großen Rechenzentren und in fehlenden Informationen zur Datensicherheit weitergehende Gefahren und Risiken. In diesem Zusammenhang hat er zahlreiche Fragen an die Beklagte aufgeworfen. Die von ihm aufgeworfenen Fragen müssten vom Gericht zunächst einem IT-Experten vorgelegt werden.
Die Beklagte hat auf die Entscheidung des BSG vom 18.12.2018 (B 1 KR 317/17 R) hingewiesen. Damit lägen höchstgerichtliche Entscheidungen vor, die belegten, dass die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben könne.
Der Senat hat die Beteiligten auf die beim BSG anhängige Frage: "Können Versicherte die Verwendung der elektronischen Gesundheitskarte wegen ihrer Online-Funktion und der ihr zugrundeliegenden Telematik-Infrastruktur wirksam ablehnen?" (BSG, B 1 KR 7/20 R), hingewiesen. Mit Beschluss vom 29.07.2020 hat der Senat mit Einverständnis der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Der Kläger hat die Fortsetzung des Verfahrens beantragt. Der Vorsitzende hat mit Schreiben vom 05.03.2021 auf das inzwischen ergangene Urteil des BSG vom 20.01.2021 und auch auf die Möglichkeit der Verhängung von Kosten nach § 192 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch das Bayer. Landessozialgericht hingewiesen. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 27.04.2021 die Berufung aufrecht erhalten ("mit solidarischen Grüssen an Julian Assange"). Er hat sich vor allem gegen die Androhung von Kosten nach § 192 SGG gewandt. Es sei nicht absehbar, ob es auch noch ein viertes Urteil des BSG geben werde. Er hat nochmals auf seine umfangreiche Berufungsbegründung verwiesen. Der "Experte" L warte in dem Parallelverfahren vor dem Bayer. Landesozialgericht (L 4 KR 318/17, jetzt L 12 KR 318/17) seit 2017 auf ein Urteil. Er hat eine "vorläufige Rücknahme" des Verfahrens beantragt, da ihm seine Wohnung zum 31.05.2021 gekündigt worden sei.
Der Kläger ist darauf hingewiesen worden, dass eine "vorläufige" Rücknahme des Berufungsverfahrens nicht möglich ist. Einem erneuten Ruhen des Verfahrens hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 11.05.2021 nicht zugestimmt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 17.05.2021 die Berufung dem Vorsitzenden als Berichterstatter übertragen (§ 153 Abs. 5 SGG).
Am 22.06.2020 hat der Kläger im Rahmen des anhängigen Berufungsverfahrens einen erneuten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und beantragt, weiter bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung auf Papier eine eGK-Ersatzbescheinigung zu gewährleisten (L 4 KR 261/20 ER). Dabei hat er angegeben, dass die Antragsgegnerin eine weitere Ersatzbescheinigung befristet bis 30.06.2020 ausgestellt habe. Die Grundlagen des Beschlusses vom 30.03.2020 hätten sich grundsätzlich geändert; er habe seine Berufung mit einem umfangreichen Schriftsatz substantiiert begründet. Es seien ab Juli mehrere Arztbesuche vorgesehen. Er hat eine eGK-Ersatzbescheinigung, ausgestellt von der Antragsgegnerin am 30.03.2020, für die Zeit vom 01.01.2020 bis 30.06.2020 vorgelegt.
Der Senat hat nach Hinweis auf die beim BSG anhängigen Verfahren (B 1 KR 7/20 R; B 1 KR 15/20 R) mit Beschluss vom 10.08.2020 die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller eine befristete Ersatzbescheinigung für die eGK vorläufig für den Zeitraum vom 01.07.2020 bis zunächst 30.11.2020 auszustellen. Allein im Hinblick auf die beim BSG anhängigen Verfahren (BSG, a.a.O.) sehe der Senat eine ausreichende Erfolgsaussicht als glaubhaft an, wobei eine Befristung vorläufig bis 30.11.2020 als angebracht erscheine.
Mit Schreiben vom 30.11.2020, eingegangen am 01.12.2020, hat der Kläger eine Verlängerung der einstweiligen Verfügung bis zu einem Urteil des BSG beantragt (L 4 KR 524/20 ER). Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 08.12.2020 mitgeteilt, dass sie bereit sei, dem Kläger ab dem 01.01.2021 bis 31.03.2021 eine Ersatzbescheinigung auszustellen. Darüber hinaus sei bereits eine Ersatzbescheinigung entgegen des damaligen einstweiligen Rechtsschutzantrages bis 31.12.2020 ausgestellt worden.
Da der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz aufrecht erhalten wurde, hat der Senat mit Beschluss vom 11.01.2021 den Antrag vom 01.12.2020 auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Der Antrag sei mangels Rechtsschutz- bzw. Antragsbedürfnisses unzulässig.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 12.11.2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29.06.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2018 aufzuheben und weiterhin eine befristete Ersatzbescheinigung für den Zeitraum ab dem 01.07.2018 bzw. 01.01.2020 bzw. 01.04.2021 auszustellen.
Hilfsweise beantragt er,
den Rechtsstreit auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen (Art. 100 Abs. 1 GG).
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, der Gerichtsakten des Sozialgerichts und des Bayer. Landessozialgerichts sowie die Klage- und Berufungsakte hingewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2021 entscheiden, da dieser ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen wurde (§§ 110, 126, 132 SGG).
Aufgrund des Senatsbeschlusses vom 17.05.2021 nach § 153 Abs. 5 SGG entscheidet der Senat in der Besetzung mit dem Vorsitzenden als Berichterstatter und den ehrenamtlichen Richtern.
Zwar lautete der Klageantrag vor dem Sozialgericht noch darauf, weiterhin eine befristete Ersatzbescheinigung für den Zeitraum ab dem 01.07.2018 auszustellen. In der Berufungsschrift vom 10.12.2019 hat der Kläger auf den Zeitraum "ab dem 1.1.2020" abgestellt, doch wurde dem Kläger diese faktisch teils durch die Beklagte, teils aufgrund gerichtlichem Beschluss bis 31.03.2021 ausgestellt.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 14.03.2020 unter Nrn. 2 bis 5 Feststellungsanträge im Sinne des § 55 SGG gestellt. Die Feststellungsanträge sind unzulässig, da die Feststellungsklage subsidiär gegenüber einer Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) ist. Letztere ist vorliegend als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage die richtige Klageart; dabei werden inzident auch die geltend gemachten Verstöße gegen das Grundgesetz, insbesondere gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht, mit geprüft. Die Feststellungsanträge sind daher entsprechend ausgelegt worden.
Aus dem Schriftsatz vom 14.03.2020 ergibt sich ein Hilfsantrag in Form der Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 GG, um die Verfassungsmäßigkeit der §§ 15 Abs. 6 S. 5, 290 Abs. 1 S. 2, 291 Abs. 2 Nr. 7, 291 a Abs. 7 und 291 b Abs. 1 SGB V zu prüfen.
Zu Recht hat das Sozialgericht mit dem streitbefangenen Gerichtsbescheid vom 12.11.2019 einen Anspruch auf weitere Ausstellung von Ersatzbescheinigungen für die eGK abgelehnt und die Klage abgewiesen. Es hat sich eingehend mit der Sach- und Rechtslage unter Einbezug der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 18.11.2014, BSGE 117, 224 ff) auseinandergesetzt. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend wird im Hinblick auf das Berufungsverfahren auf Folgendes hingewiesen: Der Kläger beruft sich zur Berufungsbegründung auf seine Grundrechte und sieht vor allem eine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) ableitet, gegeben.
Das BSG hat in den Urteilen vom 20.01.2021 (B 1 KR 7/20 R und B 1 KR 15/20 R, jeweils juris) ausgeführt, dass vor allem datenschutzrechtliche Vorschriften eingehalten sind. Das BSG hat im Einzelnen dargelegt, dass die Regelungen insgesamt belegen, dass der Gesetzgeber beim Auf- und Ausbau der TI den Vorgaben der DSGVO Rechnung trägt und den Belangen des Datenschutzes und der Datensicherheit eine zentrale Bedeutung beimisst (BSG, a.a.O., juris Rn. 88 ff). Er sei sich bewusst gewesen, dass im Rahmen der TI besonders sensible Gesundheitsdaten verarbeitet werden, die im Interesse der Versicherten und der Leistungserbringer (als Berufsgeheimnisträger) eines besonderen Schutzes bedürfen (vgl. BT-Drucks. 19/18793 S. 2).
Im Folgenden hat das BSG auch eingehend ausgeführt, dass die bestehende gesetzliche Obliegenheit zur Nutzung der eGK die Versicherten nicht in ihren Grundrechten verletzt. Der in der Obliegenheit zur Nutzung der eGK und der Verarbeitung der damit im Zusammenhang stehenden personenbezogenen Daten der (dortigen) Klägerin liegende Grundrechtseingriff sei sowohl am Maßstab des nationalen Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG), als auch am Maßstab der durch die Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta - GRCh) garantierten Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz der personenbezogenen Daten gerechtfertigt (BSG, B 1 KR 7/20 R - juris Rn. 90 ff).
Bei einer Prüfung am Maßstab der Grundrechte des GG begründe die Obliegenheit zur Nutzung der eGK gemäß §§ 15 Abs. 2, 291 bis 291 b SGB V zwar einen Eingriff in das Grundrecht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung als eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG). Dieser sei aber gerechtfertigt. Die gesetzliche Konzeption gewährleiste auch die von Verfassungs wegen gebotene (faktische) Datensicherheit. Die dortige Klägerin werde nicht in ihren Grundrechten dadurch verletzt, dass ihr kein anderer Weg eröffnet werde, als der durch Nutzung der eGK, ihre Berechtigung zur Inanspruchnahme von vertragsärztlichen Leistungen nachzuweisen und die Abrechnung der Krankenkassen mit den Leistungserbringern zu ermöglichen (vgl. BSG vom 18.11.2014, BSGE 117, 224 - juris Rn. 23 ff; zustimmend: KassKomm-Schifferdecker, SGB V, § 291 a Rn. 14 ff). Das BSG hat dargelegt, dass insbesondere kein Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gegeben sei (BSG, a.a.O, juris Rn. 93 ff).
§ 15 Abs. 2 und §§ 284, 291, 291 a, 291 b SGB V iVm § 25 Abs. 2 Satz 1 SGB I, § 67 a Abs. 1 und § 67 b Abs. 1 SGB X regelten die angegriffenen Beschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung einfachgesetzlich für die eGK. Hieraus ergäben sich Voraussetzungen und Umfang der Beschränkungen klar erkennbar. Die Regelungen entsprächen damit auch dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit. Es unterliege keinem Zweifel, welche Angaben von wem zu welchem Zweck verarbeitet werden dürften (vgl. zu § 15 Abs. 2, § 291, § 291 a Abs. 2 SGB V alter Fassung: BSG vom 18.11.2014, a.a.O., Rn. 25 - zitiert aus BSG, a.a.O., juris Rn. 95).
Das gelte auch für § 291 a Abs. 3 Nr. 4 SGB V, der die Speicherung weiterer Angaben auf der eGK erlaube, soweit deren Verarbeitung zur Erfüllung von Aufgaben erforderlich sei, die den Krankenkassen gesetzlich zugewiesen seien. Insoweit habe der Gesetzgeber die Regelungsbefugnis unter klarer Begrenzung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung (zur bundesweiten Verwendung der eGK "als Versicherungsnachweis" und soweit die Verarbeitung der Daten zur Erfüllung der den KKn gesetzlich zugewiesenen Aufgaben erforderlich ist) in verfassungsrechtlich zulässiger Weise gemäß § 291 b Abs. 6 SGB V auf die Vertragspartner der gemeinsamen Selbstverwaltung auf Bundesebene gemäß § 87 Abs. 1 SGB V übertragen (vgl. zur Zulässigkeit der Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen auf die zuständigen Spitzenverbände im Rahmen der gemeinsamen Selbstverwaltung auch BVerfG vom 17.12.2002, BVerfGE 106, 275, 305). Diese seien bei der Ausübung ihrer Regelungskompetenz ihrerseits den Geboten der Normenklarheit, der Bestimmtheit und der Verhältnismäßigkeit verpflichtet.
Die detaillierte und normenklare Ausgestaltung der bereichsspezifischen Normen der §§ 291 ff SGB V belege, dass der Gesetzgeber im Falle der eGK und der TI dem Sozialdatenschutz einschließlich der Datensicherheit in ganz besonderem Maße hohe Bedeutung beimesse (vgl. BT-Drucks 19/18793 S. 2; vgl. zur Rechtslage vor dem Patienten-Schutz-Gesetz (PDSG): BSG vom 18.11.2014, a.a.O.).
Das BSG kam zu dem Ergebnis, dass die von der dortigen Klägerin angegriffenen Beschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch die Regelungen über die eGK durch überwiegende Allgemeininteressen gerechtfertigt sind. Denn sie sind zur Verhinderung von Missbrauch und zur Kosteneinsparung zwecks Erhalt der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung geeignet, erforderlich und angemessen (hierzu BSG, a.a.O., juris Rn. 98). Durch die speziellen datenschutzrechtlichen Rechtsbehelfe nach Art. 77 ff DSGVO iVm. §§ 81 ff SGB X (in der Fassung des Art. 24 Nr. 2 Gesetz zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften vom 17.7.2017, BGBl I 2541, mWv 25.5.2018) sei auch eine effektive Kontrolle der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben durch die Gerichte gewährleistet (hierzu BSG, a.a.O., juris Rn. 99 f).
Vor allem auch unter dem Gesichtspunkt der Datensicherheit würden die gesetzlichen Regelungen des SGB V zur eGK und zur TI den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht (vgl. auch BSG vom 18.11.2014, a.a.O., Rn. 34; Kühling/Seidel in: Kingreen/Kühling, Gesundheitsdatenschutzrecht, S. 181). Die mit dem PDSG neu gefassten und inhaltlich überarbeiteten Neuregelungen der §§ 291 ff SGB V enthielten ein hinreichend normdichtes und klares Regelungsgefüge, das durch eine Vielzahl aufeinander und insbesondere auch mit den Vorgaben der DSGVO abgestimmter materiell-rechtlicher, organisatorischer und prozeduraler Maßnahmen der Datensicherheit diene, der der Gesetzgeber beim Auf- und Ausbau der TI eine "herausragende Rolle" beimesse (BSG, a.a.O., juris Rn. 104 ff).
Das BSG hat mit Beschluss vom 19.03.2020 (B 1 KR 89/18 B) auch einen Verstoß gegen die Religionsfreiheit nach Art. 4 GG verneint.
Ferner ist damit auch auf das bereits mehrfach in Bezug genommene Urteil des BSG vom 18.12.2018 (a.a.O. - juris, vor allem Rn. 20) zu verweisen. Darin hat das BSG klargestellt, dass die Beklagte ein Lichtbild einfordern und nutzen darf, um eine eGK auszustellen. Im Hinblick auf Art. 17 Abs. 1 Buchst. a DSGVO endet die Berechtigung, das Lichtbild zu speichern, aber mit der Übermittlung der eGK in den Herrschaftsbereich des Klägers. Die Beklagte hatte im Erörterungstermin vom 19.02.2020 erklärt, dass ihr Verhalten diesen Vorgaben des BSG entsprechen werde. Es ist im weiteren Verfahrensverlauf nicht ersichtlich, dass die Beklagte hiervon abweichen würde.
Die Ausführungen des BSG sind jeweils und in der Gesamtschau umfassend und eindeutig. Weitere Ermittlungen des Senats von Amts, insbesondere durch Einholung einer Stellungnahme eines IT-Experten zu vom Kläger im Schriftsatz vom 14.03.2020 aufgeworfenen Fragen, waren daher nicht angezeigt. Auch war der Senat nicht gehalten, zunächst den Ausgang des ebenfalls beim Bayer. Landessozialgericht anhängigen Verfahrens L 12 KR 318/17 abzuwarten. Es handelt sich bei jenem Verfahren vor allem nicht um ein "Musterverfahren", auf das sich die Beteiligten geeinigt hätten.
Da sich der Senat der Ansicht des BSG anschließt und keinen Verstoß gegen Grundrechte sieht, scheidet auch eine Vorlage des Rechtsstreits an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG gemäß dem Hilfsantrag aus (so auch das BSG in seiner Entscheidung vom 20.01.2021, a.a.O., juris Rn. 116).
Die Berufung ist somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Nach § 192 SGG sind dem Kläger Gerichtskosten in Höhe von 225.- EUR auferlegt worden. Im Hinblick auf die umfassenden Darlegungen des Senats im Erörterungstermin, den Ausführungen in den Beschlüssen des Senats in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, den gerichtlichen Hinweisen und zuletzt auch der Darlegung der Entscheidungen des BSG vom 20.01.2021 war dem Kläger bewusst, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Verhängung von Kosten nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG war dem Kläger mit gerichtlichem Schreiben vom 05.03.2021 angedroht. Sachliche Gründe gegen die Verhängung dieser Kosten ergeben sich auch nicht aus der klägerischen Erwiderung vom 27.04.2021.
Hinsichtlich der Höhe der Kosten wurde gemäß § 192 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 184 Abs. 2 SGG für die zweite Instanz mit 225.- EUR die Pauschale angesetzt.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).