L 20 KR 286/19

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 18 KR 556/18
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 KR 286/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Der für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V erforderliche Zusammenhang von Systemversagen (hier: Unaufschiebbarkeit) und durch die Selbstbeschaffung entstandener Kostenlast des Versicherten ist im Vollbeweis nachzuweisen. Ein Anlass für eine Absenkung des Beweismaßstabs auf den der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit besteht nicht. 2. Eine Absenkung des Regelbeweismaßstabs des Vollbeweises auf den Beweismaßstab der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit bei Zusammenhangs-/Kausalitätsfragen kommt nur dann in Betracht, wenn die Beurteilung der Kausalitätsfrage von der Beantwortung naturwissenschaftlich-medizinischer Fragen mit den darin enthaltenen, aufgrund der wesensimmanent begrenzten Erkenntnismöglichkeiten dieser Wissenschaften letztlich nicht endgültig aufklärbaren Unsicherheiten abhängt. 3. Zum Begriff der rechtlich wesentlichen Mitursache. 4. Eine Notfallbehandlung i.S.d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V schließt einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V aus. 5. Allein die Äußerung von Bedenken gegen die Unparteilichkeit eines Richters und das bloße Kokettieren mit Befangenheitsgründen stellt keinen Befangenheitsantrag dar.

 

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.02.2019 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.


T a t b e s t a n d :

Streitig ist, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten einer selbstbeschafften Operation in einer Privatklinik zu erstatten hat.

Die Klägerin ist im Jahr 1997 geboren. Sie ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.

Am 01.03.2017 wurde die Klägerin erstmals wegen einer Pilonidalzyste (andere Bezeichnung: Steißbeinfistel) mit Abszess operiert. Die Operation fand im Krankenhaus L der Krankenhäuser D GmbH nach der Methode Karydakis statt. Am 18.05.2017 erfolgte aufgrund eines Rezidivs eine zweite Operation im selben Krankenhaus.

Wegen erneuter Beschwerden suchte die Klägerin am 13.07.2017 die W Klinik auf. Diese Privatklinik wirbt u.a. damit, dass sie mit mikrochirurgischer Lasertechnik Steißbeinfisteln im Vergleich zu herkömmlichen Behandlungsmethoden schonend entfernt, der Heilungsverlauf beschleunigt sei und die Gefahr von Rezidiven geringer sei (https://www.w klinik.de/service/steisbeinfisteln-behandlung/). Unter dem Datum des Untersuchungstags (13.07.2017) wurde der Klägerin ein Arztbrief "zur Vorlage bei der Krankenkasse" mitgegeben, in dem Folgendes ausgeführt wurde:
"Bei der Erstuntersuchung konnte Folgendes festgestellt werden:
Diagnose: Drittes Rezidiv einer Steißbeinerkrankung mit einer Raumdehnung und einem breiten Tunnel und vermuteten schwersten D Vitamin Mangel
Reaktion auf Narkosemittel
Beabsichtigte Therapie:
Wir raten zu einem operativen Eingriff.
Die operative Behandlung erfolgt stationär für 3 Tage.
Wir erbitten die Kostenzusage für die stationäre Behandlung aufgrund der o.g. festgestellten Diagnose nach ICD L05.0, T81.3"

Ein Eingang dieses Arztbriefs bei der Beklagten ist am Folgetag festgehalten.

Mit Bescheid vom 03.08.2017 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Die Laserbehandlung sei eine neue Behandlungsmethode, die bisher noch nicht bewertet worden sei. An den Kosten der stationären Behandlung in der W Klinik könne sich die Beklagte nicht beteiligen, da die Klinik kein Vertragskrankenhaus sei. Weiter wurden der Klägerin drei Kliniken als Vertragseinrichtungen benannt, die für die Behandlung der Erkrankung der Klägerin zur Verfügung stünden.

Am 05.08.2017 legte die Klägerin durch ihren Vater Widerspruch ein. Der Widerspruch wurde damit begründet, dass die Klägerin bereits zweimal im Krankenhaus L im März und Mai 2017 mit der Operationsmethode nach Karydakis operiert worden sei, die Operationen aber erfolglos verlaufen seien. In ihrer Not habe sich die Klägerin nach dem zweiten Rezidiv an eine Spezialklinik gewandt, die Erfahrung mit dieser Erkrankung habe. Dem dem Widerspruch beigefügten Operationsbericht der W Klinik ist zu entnehmen, dass die Klägerin bereits am 17.07.2017 operiert worden war; bei der Operation seien - so der Operationsbericht - "Massen an matschigem Gewebe und riesige Mengen an Eiter" herausgenommen worden; die Klägerin habe an der Schwelle zur Blutvergiftung gestanden. Beigelegt waren zudem Rechnungen der W Klinik zum stationären Aufenthalt der Klägerin vom 17.07.2017 bis zum 21.07.2017 über 4.318,15 €, des Operateurs Dr. D. über 1.286,12 €, des Anästhesisten über 400,- € und für eine histologische Untersuchung in Höhe von 60,01 €. Es werde gebeten, diese Kosten zu übernehmen bzw. sich daran zu beteiligen.

Der anschließend von der Beklagten befragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) wies in seinem Gutachten vom 04.12.2017 darauf hin, dass nach den aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie eine radikale Exzision der Steißbeinfistel empfohlen werde. Die durchgeführte Laserbehandlung finde in den Leitlinien keine Erwähnung, es handele sich um eine neue Behandlungsmethode, zu welcher der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) bislang keine Empfehlung ausgesprochen habe. Eine belastbare Datenlage bezüglich eines Vergleichs der beantragten neuen Behandlungsmethode finde sich in der Literatur nicht, insbesondere bezüglich der Risiken der Therapie, da eine Wirksamkeit dieser Behandlung nicht im Rahmen von Studien belegt sei. Da bei dem in Rede stehenden Krankheitsbild keine unmittelbare Bedrohung des Lebens oder der Mobilität bestehe und zudem eine vertragsärztlich erbringbare Alternative vorhanden sei, liege eine notstandsähnliche Krankheitssituation als Voraussetzung dafür, dass eine nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörende Leistung ausnahmsweise zulasten der Krankenversicherung durchgeführt werden könne, nicht vor. Eine Kostenübernahme könne nicht empfohlen werden.

Am Widerspruch hielt die Klägerin auch nach der Übermittlung des Gutachtens des MDK fest und teilte mit Schreiben ihres Vaters vom 05.02.2018 mit, dass die Ablehnung wenig nachvollziehbar erscheine, da andere Krankenkassen die Behandlung in der W Klinik durchaus übernähmen. Dem Vorwurf, dass vor der Operation kein Antrag gestellt worden sei, sei zu widersprechen. Die Festlegung zur Operation in der W Klinik sei aufgrund der Dringlichkeit und des Fortschritts der Krankheit am 13.07.2017 für den 17.07.2017 erfolgt. Nachdem das Büro der Beklagten am 13.07.2017 geschlossen gewesen sei, sei die Mutter der Klägerin am 14.07.2017 erneut dorthin gefahren und habe persönlich vorgesprochen. Ein Aufschub der Operation sei aufgrund des Fortschritts der Krankheit nicht möglich gewesen. Als Anlage wurden wiederum die Rechnungen zur Behandlung in der W Klinik beigefügt, diesmal samt Quittungen über die erfolgten Zahlungen für die Operation. Die Quittungen datieren vom 17.07.2021.

Im Laufe des Widerspruchsverfahrens bestellte sich der jetzige Bevollmächtigte der Klägerin und trug mit Schriftsatz vom 27.05.2018 zur Begründung des Widerspruchs u.a. Folgendes vor: Bei der Untersuchung am 13.07.2017 sei ein gefährliches Ausmaß der Entzündung mit der Gefahr einer schweren Blutvergiftung festgestellt und daher ein kurzfristiger Operationstermin für den 17.07.2017 vorgemerkt worden. Nachdem das Büro der Beklagten am 13.07.2017 geschlossen gewesen sei, habe sich die Mutter der Klägerin am Folgetag erneut dorthin begeben und die Situation samt der Dringlichkeit geschildert. Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Erstattung der einschlägigen Rechnungen über insgesamt 6.064,64 € aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und auch nach § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V zu. Es könne keinem Zweifel unterliegen, dass die in der W Klinik durchgeführte Behandlung und die dadurch entstandenen Kosten grundsätzlich erstattungsfähig seien. Denn die Operation habe zur Heilung der Klägerin geführt und sei angesichts der Vorgeschichte absolut notwendig gewesen. Die am 17.07.2017 durchgeführte Operation sei unaufschiebbar gewesen, insbesondere wegen der akuten Gefahr einer Blutvergiftung. Eine Alternative zur Operation in der W Klinik habe nicht bestanden und sei der Mutter der Klägerin bei der Vorsprache am 14.07.2017 im Büro der Beklagten in D auch nicht genannt worden. Die W Klinik sei auf die Behandlung von Steißbeinfisteln spezialisiert und verfüge über langjährige Erfahrung. Nachdem die herkömmliche chirurgische Methode bereits zweimal versagt habe, sei es medizinisch unvertretbar und der Familie der Klägerin nicht zuzumuten gewesen, sich ein drittes Mal auf einen solchen Eingriff in einer anderen Klinik einzulassen, dies nicht nur wegen der unzumutbaren physischen Konsequenzen, sondern auch wegen der zwangsläufigen psychischen Folgen. Die im Vertragskrankenhaus vorangegangenen beiden Operationen seien fehlerhaft durchgeführt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Voraussetzungen für eine Leistungsmöglichkeit in einer Nichtvertragseinrichtung lägen nicht vor. Selbst wenn es sich um eine Notfallaufnahme gehandelt hätte, wovon nicht auszugehen sei, wäre die Klinik nicht berechtigt gewesen, die Kosten der Behandlung der Klägerin in Rechnung zu stellen, sodass für diese auch keine Regressmöglichkeit gegenüber der Beklagten bestehe. Denn im Fall einer Notfallbehandlung durch eine Privatklinik richte sich der Vergütungsanspruch der Klinik allein gegen die Krankenkasse und nicht gegen den Versicherten. Auch hätten vertragliche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden.

Am 28.08.2018 hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben. Zur Begründung hat dieser im Wesentlichen den Vortrag aus dem Schriftsatz vom 27.05.2018 wiederholt. Zudem hat er unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid u.a. Folgendes ausgeführt: Der Widerspruchsbescheid setze sich mit keiner Silbe mit der gesundheitlichen Situation der Klägerin auseinander. Sofern die Beklagte argumentiert habe, dass die Erstellung einer Privatrechnung gegen das Vorliegen einer Notfallbehandlung spreche, sei genau das Gegenteil der Fall, da die Klinik am 13.07.2017 einen Kostenübernahmeantrag bei der Beklagten gestellt habe und erst, als die Beklagte hierauf nicht reagiert habe, unter dem Datum vom 14.09.2017 der Klägerin ihre Liquidation übermittelt habe. Der Beklagten sei es verwehrt, sich darauf zu berufen, dass ihre vorherige Zustimmung zur Operation nicht vorgelegen habe. Sie sei rechtzeitig durch die Mutter der Klägerin über die akute gesundheitliche Situation der Klägerin und den bevorstehenden Operationstermin in der W Klinik informiert worden. Außerdem habe der Beklagten vor dem Operationstermin der "Kostenerstattungsantrag" der W Klinik vorgelegen. Aufgrund der Dringlichkeit habe für die Beklagte Veranlassung bestanden, die Frage der Erstattungsfähigkeit jedenfalls am 14.07.2017 zu klären oder der Klägerin eine zumutbare Alternative anzubieten, die es aber in Wirklichkeit gar nicht gegeben habe. Das jetzige Verhalten der Beklagten verletze die Anstandspflicht aus dem Vertragsverhältnis mit der Klägerin und die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Verpflichtung einer öffentlichen Körperschaft zu fairem Verhalten. Das Gutachten des MDK vom 04.12.2017 sei eine interessengesteuerte Gefälligkeitsarbeit, die in keiner Hinsicht den Anforderungen an ein objektives Gutachten genüge. Es leide an eklatanten Mängeln und sei völlig unbrauchbar.

Mit Schreiben vom 30.10.2018 hat das SG zu einem zwischenzeitlich gestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe darauf hingewiesen, dass nicht nur die wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien, sondern auch keine Erfolgsaussicht der Hauptsache bestehe. Die Klägerin habe bereits den Beschaffungsweg nicht eingehalten, weil sie die Behandlung habe durchführen lassen, bevor die Beklagte über ihren Antrag entschieden habe. Sofern geltend gemacht werde, dass die Maßnahme unaufschiebbar gewesen sei, weil sich die Klägerin ausweislich des Operationsberichts an der Schwelle zu einer Blutvergiftung befunden habe, sei dem entgegenzuhalten, dass die Klägerin dennoch auch in einem zugelassenen Vertragskrankenhaus zeitnah hätte behandelt werden können. Die Klägerin habe erst unmittelbar vor Behandlungsbeginn in der Privatklinik einen Antrag bei der Beklagten gestellt und dann sofort mit der Behandlung begonnen, ohne die Entscheidung der Beklagten abzuwarten. Die Beklagte habe zudem zu Recht darauf hingewiesen, dass, sollte es sich um einen Notfall gehandelt haben, die Klägerin keinen Anspruch auf Kostenerstattung habe, weil die Klinik in diesem Fall die Vergütung nicht vom Versicherten, sondern von der kassenärztlichen Vereinigung oder - bei stationärer Notfallbehandlung - allein von der Krankenkasse verlangen könne.

Mit Schriftsatz vom 05.11.2018 hat der Bevollmächtigte der Klägerin eine Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. D. vom 27.08.2018 vorgelegt. Dieser hat darin ausgeführt, dass bei der Klägerin zweimal eine konventionelle Operation erfolglos durchgeführt worden sei. Die Klägerin habe sich mit einer riesigen Geschwulst nach zwei erfolglosen Karydakis-Operationen vorgestellt. Durch diese Operationen sei es zur schwersten Schädigung des Gewebes mit Ausbildung einer riesigen Geschwulst mit 1 l Inhalt an granulomatösem Gewebe gekommen. Da keine weitere Möglichkeit mehr bestanden habe, die Klägerin durch eine nochmalige konventionelle Operation zu heilen, sei die lasergestützte Operation in der W Klinik durchgeführt worden. Es habe eine dermaßen massive Verschlechterung bestanden, dass die Klägerin aller Voraussicht nach eine dritte Operation in konventioneller Art wohl nicht überstanden hätte. Eine erneute großflächige Ausschneidung, wie sie von der bisher behandelnden Klinik empfohlen worden sei, sei aufgrund des Gesundheitszustands der Klägerin nicht mehr durchführbar gewesen. Abgesehen davon hätte eine Rekonstruktionsplastik zu einer dauerhaften Entstellung geführt. Aus höchster Not und Verzweiflung hätten sich die Eltern zusammen mit der Klägerin an die W Klinik gewandt. In der ambulanten Sprechstunde sei erkannt worden, dass eine baldige Operation erfolgen müsse, um das Leben der Patientin zu retten. Aus dieser Geschwulst wäre im weiteren Verlauf eine sichere Blutvergiftung mit Sepsis entstanden. Nach entsprechender Vorbereitung sei die Klägerin "notfallmäßig und aus medizinisch erforderlichen Gründen zur Rettung des Lebens operiert" worden, da der Klägerin weder von einem anderen Arzt noch von der Krankenkasse eine angemessene Behandlungsmethode angeboten worden sei. Ein weiteres Zuwarten aufgrund Kompetenzgerangels hätte die Klägerin garantiert in eine nicht mehr behandelbare Sepsis oder einen bakteriellen Schock geführt. Aus diesen Gründen sei er verpflichtet gewesen, zu handeln und die riesige Geschwulst zu entfernen.
Der Bevollmächtigte der Klägerin hat sich die Ausführungen des Dr. D. zu eigen gemacht und seine Ansicht geäußert, dass der mit der Klage geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nach beiden Alternativen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V begründet sei. Angesichts der bestehenden Lebensgefahr habe eine dritte Operation in allernächster Zeit durchgeführt werden müssen; jeder weitere verstreichende Tag hätte zur lebensbedrohlichen Blutvergiftung führen können. Eine nochmalige Operation nach herkömmlicher chirurgischer Methode sei ausgeschlossen gewesen, weil auch dies eine Gefährdung des Lebens der Klägerin bedeutet hätte. In dem Umstand, dass sich die Beklagte trotz Kenntnis aller Umstände und trotz des Wissens um die lebensbedrohliche Situation der Klägerin während der bis zum vorgemerkten Operationstermin noch zur Verfügung stehenden drei Tage nicht gerührt habe, sei zugleich eine zu Unrecht erfolgte Ablehnung der ihr obliegenden Leistung im Sinne der genannten Vorschrift zu sehen. Zugleich seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V erfüllt, da die herkömmliche Karydakis-Methode für eine Heilung nicht mehr zur Verfügung gestanden habe und die angewandte mikrochirurgisch-lasertechnische Operationsmethode erwiesenermaßen zur Heilung geführt habe.

In Erwiderung zum gerichtlichen Schreiben vom 30.10.2018 hat der Bevollmächtigte der Klägerin der dort dargelegten Rechtsansicht mit weiterem Schreiben vom 05.11.2018 widersprochen. Zum Tatbestandsmerkmal der Unaufschiebbarkeit habe das Bayer. Landessozialgericht (LSG) im Urteil vom 30.11.2006, L 4 KR 73/04, ausgeführt, dass eine Unaufschiebbarkeit dann der Fall sei, wenn eine dringende Behandlungsbedürftigkeit bestehe und ein zu der Versorgung der Versicherten zugelassener Leistungserbringer (z.B. Vertragsarzt oder zugelassenes Krankenhaus) nicht zur Verfügung stehe. Dies sei vor allem dann der Fall, wenn ohne eine sofortige Behandlung Gefahren für Leib und Leben entstünden oder heftige Schmerzen unzumutbar lange andauern würden. Genau diese Situation habe im Fall der Klägerin vorgelegen. Wie das SG daher davon ausgehen könne, dass eine unaufschiebbare Leistung nicht vorgelegen habe, sei unerklärlich. Die Ausführungen des SG würden auf den objektiven Leser so wirken, dass die Richterin des SG, ohne dass die Beklagte bisher überhaupt inhaltlich zur Sache vorgetragen habe, ihre Rolle als unparteiische Richterin verlassen und sich zur Interessenvertretung der Beklagten gemacht habe. Der Umstand, dass es der Klägerin schlicht unzumutbar gewesen sei, nach zweifachem Rezidiv und gravierender Verschlimmerung sich nochmal an ein Vertragskrankenhaus zu wenden, sei völlig ignoriert worden. Die Meinung, dass sich die Gefahr einer lebensbedrohlichen Blutvergiftung erst während der Operation herausgestellt habe, beruhe auf einer falschen und parteiischen Interpretation des Klagevorbringens. In Wirklichkeit habe sich die Gefahr einer lebensgefährlichen Blutvergiftung bereits bei der Untersuchung am 13.07.2017 gezeigt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15.11.2018 hat die Klägerin die Durchführung eines Gütetermins beantragt. Dem Beklagten ist hierfür eine Schriftsatzfrist gewährt worden. Für den Fall, dass es nicht zu einem Güterichterverfahren oder dort zu einem Scheitern komme, sind die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden.

Mit Schriftsatz vom 21.11.2018 hat der Bevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen, dass deren Mutter im Termin erklärt habe, dass der Klägerin am 13.07.2017 eine schwere Sepsis unmittelbar gedroht habe. Der Arzt Dr. D. habe die drohende schwere Sepsis am 13.07.2017 durch eine sorgfältige Ultraschalluntersuchung festgestellt. Deshalb sei die Operation auf den nächstmöglichen Operationstermin, den 17.07.2017, festgesetzt worden. Eine Alternative zu der von Dr. D. praktizierten lasergestützten Operationsmethode habe nicht bestanden. Bei nochmaliger Anwendung der konventionellen Methode wäre nicht nur fraglich gewesen, ob es dieser gelingen werde, den Entzündungsherd und somit die unmittelbare Lebensgefahr zu beseitigen, sondern es wäre auch unvermeidlich gewesen, aus dem Körper der Klägerin gesundes Gewebe herauszuschneiden mit der Folge einer lebenslangen Entstellung. Die Beklagte, der dies alles am 14.07.2017 berichtet worden sei, habe es versäumt, der Klägerin irgendeine Hilfe zu leisten. Es habe ein lebensbedrohlicher Notfall vorgelegen und es habe keine andere Möglichkeit gegeben, das Leben und die Gesundheit der Klägerin zu retten, als am 17.07.2017 die Operation in der W Klinik durchzuführen.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 22.11.2018 mitgeteilt, dass sie auf einer Entscheidung des SG bestehe.

Mit Gerichtsbescheid vom 22.02.2019 ist die Klage abgewiesen worden. Die Klägerin habe - so das SG - keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Behandlung in der W-Klinik gemäß § 13 Abs. 3 SGB V. Eine Erstattung habe die Beklagte zu Recht abgelehnt. Es liege weder eine unaufschiebbare Leistung vor, noch habe die Beklagte die Kostenübernahme zu Unrecht abgelehnt. Die Klägerin könne sich auch nicht auf § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V berufen, denn ein Notfall im Sinn von § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V begründe grundsätzlich keinen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V, sondern schließe ihn aus.

Gegen den am 27.03.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 18.04.2019, eingegangen am 23.04.2019, Berufung zum Bayer. LSG eingelegt. Zur Begründung hat er im vorgenannten Schriftsatz sowie im Schreiben vom 25.04.2019 Folgendes vorgetragen: Das SG habe "in überdeutlicher Voreingenommenheit gegenüber der Klägerin und der W Klinik D sowie in gefälligem Einvernehmen mit dem Sitzungsvertreter der Beklagten verhandelt und in der angefochtenen Entscheidung den Sachverhalt selektiv gewürdigt, entscheidungserhebliches Vorbringen der Klägerin mit den dazugehörigen Anlagen und Beweisangeboten ignoriert, den Amtsermittlungsgrundsatz missachtet, das Leiden und die lebensbedrohliche Situation der Klägerin bagatellisiert" und sei dadurch zu einer falschen Rechtsanwendung gelangt. Insbesondere habe das SG den Begriff der Unaufschiebbarkeit in § 13 Abs. 3 SGB V falsch angewendet. Auf das gesamte erstinstanzliche Vorbringen werde insofern verwiesen. Wegen der Besonderheiten des vorliegenden Falles habe es für die Klägerin konkret keine Alternative gegeben. Bei der in der W Klinik am 17.07.2017 durchgeführten Operation habe es sich selbstverständlich um eine Notoperation gehandelt. Der Termin sei "am 13.07.2017 wegen der lebensbedrohlichen Situation der Klägerin vier Tage später, nämlich auf den 17.07.2017, angesetzt" worden. Ein regulär geplanter Termin hätte erst wesentlich später zur Verfügung gestanden. Daher sei in der Stellungnahme der W Klinik vom 17.08.2018 auch zutreffend von einer "sofortigen notfallmäßigen Operation" die Rede. Völlig unterschlagen habe das SG die Gefahr einer lebensgefährlichen Blutvergiftung und die geradezu unerträglichen Schmerzen der Klägerin. Gänzlich außer Acht gelassen habe das SG auch, dass es für die Klägerin in ihrer Notlage nicht zumutbar gewesen sei, sich nochmals in die Hände von Ärzten zu begeben, die nach herkömmlicher Methode operiert hätten. Die Beklagte hätte (wegen des Gesprächs mit der Mutter am 14.07.2017) die Möglichkeit gehabt, in der bis zum 17.07.2017 zur Verfügung stehenden Zeit eine Alternative vorzuschlagen. Wenn es für das SG nicht ersichtlich gewesen sei, dass die Klägerin im vertragsärztlichen System nicht habe ausreichend behandelt werden können, könne dies "nur in der fehlenden Sehfähigkeit des Gerichts seine Ursache haben." Es habe ohne Zweifel ein Notfall vorgelegen und dies sei von der W Klinik gegenüber der Beklagten geltend gemacht worden. Zur Bezahlung verpflichtet sei die Beklagte. Wenn die Klägerin die Kosten der durchgeführten Operation selbst beglichen habe, weil sich die Beklagte zu Unrecht dazu weigere, stehe der Klägerin allein aufgrund des Vertragsverhältnisses ein entsprechender Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zu. Diesen rechtlichen Zusammenhang habe das SG nicht gesehen und dementsprechend nicht geprüft. In diesem Zusammenhang hätte beispielsweise auch geprüft werden müssen, inwieweit es mit den Pflichten der Beklagten aus dem Krankenversicherungsvertrag mit der Klägerin vereinbar sei, dass sie die lasergestützte mikrochirurgische Behandlung von Steißbeinfisteln, wenn sie in der Fachklinik H durchgeführt würde, als vertragliche Leistung finanziere, während sie sich im Falle der Klägerin und der W Klinik weigere, ihre vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 20.05.2019 darauf hingewiesen, dass es sich bei der von der Klägerin in Anspruch genommenen Einrichtung um eine Privatklinik handele und dementsprechend eine Privatrechnung erstellt worden sei, für welche die Beklagte Kosten nicht tragen dürfe. Zudem handele es sich um Leistungen, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung seien. Da diese Einrichtung nicht über die kassenärztliche Vereinigung abgerechnet habe, sei auch das Vorliegen eine Notfallbehandlung ausgeschlossen. Eine Lebensbedrohlichkeit sei abwegig. Zudem hätten vertragliche Optionen vorgelegen.

Dem hat der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 01.07.2019 entgegengehalten, dass eine Notfallsituation zweifellos vorgelegen habe. Wegen der unmittelbar drohenden Gefahr einer lebensgefährlichen Blutvergiftung und der nahezu unerträglichen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen der Klägerin habe eine Operation ohne zeitlichen Aufschub durchgeführt werden müssen. Deswegen sei aufgrund der Untersuchung vom 13.07.2017 der kurzfristige außerordentliche Operationstermin auf den 17.07.2017 festgesetzt worden. Dies sei eine Notfallbehandlung gewesen. Da die Beklagte der Klägerin am folgenden Tag bei der Vorsprache keine anderweitigen Behandlungsmöglichkeiten vorgeschlagen habe, habe es für die Klägerin überhaupt keine andere Möglichkeit gegeben, als den Operationstermin wahrzunehmen. Dabei habe mit der W Klinik Übereinstimmung bestanden, dass dann, wenn die Beklagte die Kostenübernahme ablehnen sollte, die Klägerin in Vorlage treten müsse. Die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung der der Klägerin entstandenen Kosten ergebe sich als vertragliche Pflicht aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsverhältnis. Da es sich um eine Notfallbehandlung gehandelt habe, die erfolgreich gewesen sei, und ein anderer zumutbarer Weg nicht zur Verfügung gestanden habe, außerdem die angefallenen Kosten niedriger seien, als sie bei einem (unzumutbaren) weiteren herkömmlichen Operationsversuch gewesen wären, habe die Beklagte der Klägerin die Kosten zu erstatten.

Am 22.08.2019 hat der Bevollmächtigte der Klägerin einen auf Spiegel Online veröffentlichen Artikel zur Sepsis vorgelegt. Danach sei Sepsis die dritthäufigste Todesursache. Bei der Klägerin habe im Juli 2017 die höchste Gefahr des Eintritts einer Sepsis bestanden, weswegen schnell habe gehandelt werden müssen.

Mit Schreiben vom 18.09.2019 hat das Gericht den behandelnden Arzt Dr. D. unter Erläuterung dazu, was nach der Rechtsprechung unter einer Notfallbehandlung zu verstehen sei, um eine kurze gutachtliche Äußerung zu der Frage gebeten, ob bei der am 17.07.2017 durchgeführten Operation von einer Notfallbehandlung auszugehen sei.

Dr. D. hat diese Anfrage durch Übersendung eines an die Klägerin adressierten Arztbriefs zur Vorlage beim Bayer. LSG vom 25.09.2019 wie folgt beantwortet:

"Bei Frau A. geboren 1997 fand sich am 13.7.2017 ein drittes, bereits zweimal vor operiertes Auftreten einer massiven Entzündung am Kreuz und Steißbein mit Bildung von 10 × 10 × 10 zu Blutvergiftung führen würden und zum Tod.

Bei der Patientin, Frau A. würden ohne eine sofortige Behandlung durch einen nicht zugelassenen Arzt Gefahren für Leib und Leben entstehen oder heftigste Schmerzen unzumutbar lange andauern. Die Komplikationen waren so ernst und massiv, dass die Patientin überhaupt nicht in der Lage war zu begreifen, was sie eigentlich hat und somit überhaupt nicht in der Lage war, speziell nach zugelassenen Therapeuten zu suchen. Die Patientin ist ein medizinischer Laie, hatte stärkste Schmerzen, eine Geschwulst über After mit Austritt von Blut mit anderen Flüssigkeiten.

Die Behandlung war so dringlich, dass die Pat. aus Verzweiflung mit unerträglichen Schmerzen zu uns gekommen ist, mit einer Erkrankung, welche die Patientin nicht definieren konnte und nicht gezielt suchen konnte, ob Therapeuten der Wklinik für Behandlung von solchen akuten komplizierten Krankheiten zugelassen sind. Bei Frau A. handelte es sich nicht um Steißbeinfisteln sondern massive, das Leben akut bedrohende Komplikationen, welche als Folge von zwei misslungenen operativen Eingriffen auswärts entstanden sind.

Durch die maschinelle Untersuchung wurde die bereits dreimal voroperierte Krankheit mit Abszess direkt am Untersuchungstag und Untersuchungszeitpunkt durch Untersuchungsgerät schonend geöffnet, Eiter konnte abfließen, erst danach war die Patientin in der Lage zu begreifen, dass Notfall vorliegt."

Nachdem für den 19.03.2020 und den 07.07.2021 bestimmte Erörterungstermine wegen Verhinderung der Beteiligten aufgehoben worden waren, hat ein solcher Termin am 27.07.2021 stattgefunden. Ausweislich des Protokolls hat der Bevollmächtigte der Klägerin dabei angegeben, "dass der Operationstermin bei Dr. D. beim ersten Vorstellungstermin am 13.07.2017 vereinbart worden sei. Dr. D. habe gesagt, dass die Operation sehr dringlich sei und am nächstmöglichen Tag operiert werden solle; dies sei der 17.07.2017 gewesen."

Unter Bezugnahme auf das Rechtsgespräch im Erörterungstermin hat der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 28.07.2021 darauf hingewiesen, dass sich insbesondere aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98, ergebe, dass bei grundrechtskonformer Auslegung auch Leistungen vergütungspflichtig sein könnten, die der vom GBA erstellte Leistungskatalog nicht enthalte. So habe das BVerfG im genannten Beschluss entschieden, dass es mit den Grundrechten nicht vereinbar sei, einem gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stehe, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten ärztlichen Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Entsprechend habe später auch das BSG mit Urteilen vom 30.06.2009, B 1 KR 5/09 R, und vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R, entschieden. Bei Anlegung dieser Maßstäbe sei die Leistungspflicht der Beklagten im vorliegenden Fall gegeben, auch wenn die am 17.07.2017 angewandte Operationsmethode nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten sei. Der gesundheitliche Zustand der Klägerin am 13./14.07.2017 sei eindeutig einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung mindestens wertungsmäßig vergleichbar. Bei nicht sofortiger Behandlung hätte Gefahr für Leib und Leben bestanden. Ein alsbaldiger Eingriff sei unaufschiebbar gewesen. Unaufschiebbarkeit setze nach der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 08.09.2015 voraus, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich sei, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs mehr bestehe, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Nach der fachärztlichen Stellungnahme des Dr. D. vom 27.08.2018 hätte ein weiteres Zuwarten bei der Klägerin garantiert in eine nicht mehr behandelbare Sepsis oder einen bakteriellen Schock geführt. Eine andere Behandlungsmethode habe, abgesehen davon, dass es der Klägerin absolut unzumutbar gewesen sei, sich ein drittes Mal in die Hände von Ärzte zu begeben, deren Operationsmethode nicht nur die Ursache ihrer späteren Leiden nicht habe beseitigen können, sondern sogar zu einer erheblichen Verschlechterung geführt habe, nicht zur Verfügung gestanden. Wie Dr. D. in seiner Stellungnahme vom 27.08.2018 ausgeführt habe, hätte die Klägerin eine dritte Operation in konventioneller Art wohl nicht überstanden. Schließlich habe nicht nur eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestanden, sondern mit der in der W Klinik angewandten Operationsmethode, bei der die Klinik über eine mehrjährige Erfahrung und eine beeindruckend hohe Erfolgsquote verfüge, habe auch ein weniger belastendes Verfahren zur Verfügung gestanden. In diesem Zusammenhang dürfe sich das Gericht auch nicht der Tatsache verschließen, dass es an einen Skandal grenze, wenn der GBA Operationen der vorliegenden Art nicht längst in seinen Leistungskatalog aufgenommen habe. Minimalinvasive lasergestützte Operationsmethoden würden seit Jahrzehnten auf vielen medizinischen Gebieten mit großem Erfolg sowie kostensparend und unter Schonung der Patienten angewandt. Es stelle sich die Frage, welche interessengesteuerten Überlegungen beim GBA dazu geführt hätten, dass diese Operationsmethode nicht schon seit Jahren im Leistungskatalog enthalten sei. Nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG sei der mit der vorliegenden Klage geltend gemachte Anspruch eindeutig begründet, sodass es nicht nachvollziehbar sei, dass der Vorsitzende Richter im Erörterungstermin angekündigt habe, im Falle der Zurückweisung der Berufung die Revision nicht zulassen zu wollen. Zudem hat der Bevollmächtigte beantragt, die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) beizuladen. Diese dürfte vergütungspflichtig sein, wenn ein Notfall im Sinne des § 76 SGB V vorgelegen habe. Somit richte sich die Vergütungspflicht entweder bei Anwendung des § 13 Abs. 3 SGB V gegen die Beklagte oder bei Anwendung des § 76 SGB V gegen die KVB, sodass deren Interessen berührt seien.

Mit Schriftsatz vom 02.08.2021 hat der Bevollmächtigte sein Schreiben an die KVB vorgelegt und zudem in Ergänzung zum Protokoll ausgeführt, dass beim Vorstellungstermin vom 13.07.2017 u.a. eine Ultraschalluntersuchung vorgenommen worden sei, bei der ein gefährliches Ausmaß der Entzündung festgestellt worden sei. Wegen der akuten Gefahr des Ausbruchs der Entzündung mit der Folge einer schweren Blutvergiftung sei der kurzfristige Operationstermin für den 17.07.2017 vorgemerkt worden. Die Mutter der Klägerin habe dem Sachbearbeiter der Beklagten am 14.07.2017 dies alles geschildert. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat angeregt, im Rahmen eines Sachverständigengutachtens abzuklären, ob bei der Klägerin eine lebensbedrohliche oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorgelegen habe, die einen operativen Eingriff unaufschiebbar gemacht habe und für die keine anderen erfolgversprechenden Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten.

Der Vorsitzende des erkennenden Senats hat dazu mit Schreiben vom 09.08.2021 darauf hingewiesen, dass dem Schreiben vom 02.08.2021 weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht ein neuer Sachvortrag mit Entscheidungsrelevanz zu entnehmen sei. Es sei zudem nicht ersichtlich, unter welchen Gesichtspunkten die KVB beizuladen wäre. Die Einholung eines Gutachtens gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei nicht beabsichtigt.

Am 10.08.2021 hat sich der Bevollmächtigte der Klägerin zum gerichtlichen Schreiben vom 09.08.2021 wie folgt geäußert. "Würde man dessen Autor nicht kennen, würde man es seinem Inhalt nach einem Bevollmächtigten der Beklagten zuordnen." In seinem Schriftsatz vom 28.07.2021 habe er, der Bitte des Vorsitzenden im Erörterungstermin folgend, auf den Beschluss des BVerfG vom 06.12.2005 und das Urteil des BSG vom 30.06.2006 hingewiesen, die dem Gericht bis dahin nicht bekannt gewesen seien, wie er aus dem Erörterungstermin schließe. Er nehme zur Kenntnis, dass das Gericht diesen höchstrichterlichen Entscheidungen keine Entscheidungsrelevanz für das vorliegende Verfahren beimesse. Seinen Antrag auf Beiladung der KVB stütze er auf § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG, weil nach den gerichtlichen Hinweisen die KVB für die Kosten einer Notfallbehandlung im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V erstattungspflichtig sei. Werte der Senat die streitgegenständliche Behandlung nicht als unaufschiebbare Maßnahme im Sinne des § 13 Abs. 3 SGB V, sondern als Notfallmaßnahme im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V, heiße dies, dass der Senat der Meinung sei, dass die Kosten von der KVB zu tragen seien. Damit seien deren Interessen berührt. Die Beiladung sei das Gegenstück zur Streitverkündung im Zivilprozess. Die Vorschrift solle in entweder-oder-Fällen neue Rechtsstreite vermeiden und diene damit der Prozessökonomie. Im vorliegenden Fall würde ein Rechtsstreit zwischen der Klägerin und der KVB darüber, ob ein Notfall im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vorgelegen habe, vermieden. Weiter nehme er zur Kenntnis, dass das Gericht die Frage, ob bei der Klägerin eine lebensbedrohliche oder zumindest wertmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorgelegen habe, als nicht entscheidungserheblich ansehe. Der Hinweis des Gerichts darauf, die Klägerin solle das an Dr. D. gezahlte Honorar von diesem zurückfordern, sei "schlicht unanständig". Die Klägerin sei Dr. D. zutiefst dankbar. Und nun solle sie zu diesem qualifizierten und erfolgreichen Arzt gehen und von ihm das gezahlte Honorar zurückfordern, "weil offensichtlich bei der Techniker Krankenkasse und bei den bisher angerufenen bayerischen Sozialgerichten mit aus diesseits unbekannten und nicht nachvollziehbaren Gründen Vorbehalte gegen ihn bestehen? Kein anständig denkender Mensch würde dies tun."

Am 11.08.2021 hat der Bevollmächtigte der Klägerin ein Schreiben der KVB vom 10.08.2021 vorgelegt, wonach es sich bei der W Klinik um eine Privatklinik handele und die Kostenübernahme für die damalige Behandlung der Klägerin ausschließlich im Rechtsverhältnis mit der zuständigen Krankenkasse zu klären sei.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 18.08.2021 sind dem Bevollmächtigten der Klägerin weitergehende Erläuterungen, insbesondere zu seinem Schreiben vom 10.08.2021 gegeben worden. U.a. ist unter Anführung einschlägiger Kommentarliteratur darauf hingewiesen worden, dass ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V an der mangelnden Kausalität zwischen nicht rechtzeitiger Leistungserbringung der Beklagten und den entstandenen Kosten scheitere, da sich die Klägerin bereits vor Antragstellung bei der Beklagten auf die Behandlung in der W Klinik festgelegt habe, wie dies von Klägerseite wiederholt, auch im Erörterungstermin, zum Ausdruck gebracht worden sei.

Mit Schriftsatz vom 27.08.2021 hat der Bevollmächtigte der Klägerin (nochmals) darauf hingewiesen, dass seiner Meinung nach die einzige zur Verfügung stehende Behandlungsmethode des bei der Klägerin vorliegenden lebensbedrohlichen Gesundheitszustands die von Dr. D. angewandte Methode gewesen. Was die Gefährlichkeit einer Sepsis angehe, hat er seine früheren Hinweise wiederholt. Sowohl die W Klinik als auch die Klägerin bzw. deren Eltern seien zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte verpflichtet sei, die Kosten der Operation zu übernehmen. Sie seien dem Operateur für sein schnelles und erfolgreiches Handeln dankbar gewesen und hätten vermeiden wollen, dass er seinem Geld ewig hinterher laufen müsse. Der Erstattungsanspruch der Klägerin ergebe sich unmittelbar aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V, zudem als vertraglicher Anspruch aus dem Krankenversicherungsvertrag. Der etwaige Erstattungsanspruch gegen die KVB - falls ein Notfall im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vorliege - sei gesetzlicher Natur und ergebe sich aus dem anerkannten Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Bereicherungs- bzw. Erstattungsanspruchs. Die Beiladung der KVB würde zur Vermeidung eines Rechtsstreits zwischen der Klägerin und der KVB führen. Die Behauptung (des Vorsitzenden), die Klägerin habe sich bereits vor Antragstellung bei der Beklagten auf die Behandlung in der W Klinik festgelegt, sei eine nur durch die offensichtliche Voreingenommenheit des Vorsitzenden erklärbare falsche Unterstellung. Die Klägerin habe sich zwar aufgrund ihrer lebensbedrohlichen Situation am 13.07.2017 einen Operationstermin in der W Klinik gesichert, sich aber noch am gleichen bzw. folgenden Tag zur Beklagten begeben. Dem Vorsitzenden sollte einleuchten, dass, wenn wirklich ein Notfall im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vorgelegen habe, die KVB nicht dadurch von ihrer Leistungspflicht frei werden könne, dass die Klägerin, weil sie sich dem Arzt, der vermutlich ihr Leben gerettet habe, verpflichtet fühle, und in der berechtigten Annahme, dass ihre Krankenkasse leistungsverpflichtet sei, in Vorlage getreten sei, weil die Krankenkasse die Bearbeitung in die Länge ziehe.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 31.08.2021 ist dem Bevollmächtigten die von ihm zuvor erbetene Verwaltungsakte übersandt worden. Zudem ist er darauf hingewiesen worden, dass, wenn er einen Befangenheitsantrag stellen möchte, dies klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht werden müsste, was bislang nicht der Fall sei.

Mit Schriftsatz vom 01.09.2021 hat sich der Bevollmächtigte für das gerichtliche Schreiben vom 31.08.2021 mit den darin enthaltenen Hinweisen zur Stellung eines Befangenheitsantrags bedankt, da er "dies alles ... bisher ja gar nicht gewusst" habe. Einen Befangenheitsantrag hat er nicht gestellt.

Die Klägerin beantragt (Schriftsatz vom 18.04.2019),
in Abänderung des angefochtenen Gerichtsbescheides die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.08.2017 und des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2018 zu verurteilen, an die Klägerin 6.064,64 € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.08.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen worden sind die Akte des SG sowie die Verwaltungsakte der Beklagten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Zu Verfahrensfragen

1.1. Der Senat hat in Abwesenheit der Beteiligten verhandeln und entscheiden können, da diese mit gerichtlichem Schreiben vom 10.08.2021, zugestellt am 11.08.2021 und am 12.08.2021, über den Termin zur mündlichen Verhandlung informiert und dabei auch auf die Folgen ihres Ausbleibens hingewiesen worden sind (§ 110 Abs. 1 Satz 2, § 153 Abs. 1 SGG). Die Beklagte und die Klägerin sind jeweils auf eigenen Wunsch von der Verpflichtung zum Erscheinen entbunden worden, wobei der Bevollmächtigte der Klägerin bei der Beantragung der Aufhebung der Anordnung des persönlichen Erscheinens mit Schreiben vom 05.09.2021 darauf hingewiesen hat, dass aus Sicht der Klägerin alles Erforderliche schriftlich und mündlich im Erörterungstermin vom 27.07.2021 vorgetragen worden sei und die Klägerin daher auf die Möglichkeit verzichte, sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung nochmals zu äußern.

1.2. Der Senat hat in Besetzung mit dem Vorsitzenden des Senats, der der Berichterstatter des Verfahrens ist, entschieden. Einen Befangenheitsantrag, der einer Mitwirkung des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung und Entscheidung am 07.09.2021 entgegenstehen würde, hat der Bevollmächtigte der Klägerin nicht gestellt.

Als Prozesshandlung ist ein Befangenheitsantrag klar und eindeutig zu stellen. Diesen Anforderungen genügt es nicht, wenn ein Beteiligter zwar Bedenken gegen die Unabhängigkeit und Unbefangenheit eines Richters geltend macht, jedoch keinen eindeutig auf eine Ablehnung zielenden Antrag stellt und auch sonst nicht zu erkennen gibt, dass der betreffende Richter in dem laufenden Verfahren nicht mehr mitwirken solle (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Beschlüsse vom 11.10.1985, III R 201/82, vom 12.04.1994, VII B 39/93, und vom 12.08.1998, III B 23/98).

Vorliegend hat der Bevollmächtigte der Klägerin nur Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Vorsitzenden geäußert und mit Befangenheitsgründen kokettiert, aber keinen Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden gestellt - auch nicht, nachdem er mit gerichtlichem Schreiben vom 31.08.2021 auf die Erforderlichkeit einer eindeutigen Antragstellung bezüglich eines etwaigen Befangenheitsantrags hingewiesen worden war. Auch seine Schreiben vom 01.09.2021, in dem er den Vorsitzenden anspricht und von ihm Antworten erwartet, und vom 05.09.2021, dem nichts zu entnehmen ist, was darauf hindeuten würde, dass der Bevollmächtigte Einwände gegen eine mündliche Verhandlung am 07.09.2021 unter Leitung des Vorsitzenden des erkennenden Senats hätte, somit beides Schreiben, die nach den Überlegungen zu etwaigen Befangenheitsgründen verfasst worden sind, belegen, dass ein Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden nicht gestellt werden sollte und nicht gestellt worden ist.

2. Zur Frage der Begründetheit der Berufung

Die Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr aufgewendeten Kosten für die operative Behandlung der Steißbeinfistel im Rahmen des stationären Aufenthalts in der W Klinik vom 17.07.2017 bis zum 21.07.2017.

Offenbleiben kann, ob es sich bei der Operation am 17.07.2017 um eine Notfallbehandlung im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V (dazu unten Ziff. 2.2.) gehandelt hat oder nicht (dazu unten Ziff. 2.1.). Denn ein Erstattungsanspruch ist in keinem Fall gegeben.

2.1. Alternative: Keine Notfallbehandlung

In diesem Fall steht einem - hier in Betracht zu ziehenden, da auch der Senat der Ansicht ist, dass es sich bei der Operation am 17.07.2021 um eine eher dringliche Behandlung gehandelt haben dürfte - Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V entgegen, dass eine Kausalität zwischen der - unterstellten - Unaufschiebbarkeit der operativen Behandlung der Steißbeinfistel am 17.07.2017 und der Selbstbeschaffung dieser Operation mit der damit verbundene Kostenlast nicht nachgewiesen ist. Denn es spricht sehr viel dafür, dass sich die Klägerin bereits vor Beantragung der Leistung bei der Beklagten darauf festgelegt hatte, die Operation in der W Klinik am 17.07.2017 durchführen zu lassen.

Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V scheitert ebenfalls - offensichtlich - an der Kausalität zwischen Systemversagen (rechtswidrige Leistungsablehnung) und der Selbstbeschaffung samt daraus entstandener Kostenlast der Klägerin.

2.1.1. Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs - allgemein

Zwingende Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V ist für beide Alternativen des vom Gesetzgeber aufgezeigten Systemversagens (Alternative 1: nicht rechtzeitige Leistungserbringung; Alternative 2: rechtswidrige Ablehnung des Antrags) eine Kausalität zwischen dem Systemversagen und der Kostenlast des Versicherten (vgl. z.B. Helbig, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. Stand: 30.06.2021, § 13, Rdnr. 74; Bayer. LSG, Urteil vom 16.05.2019, L 20 KR 502/17; nachfolgend bestätigt vom BSG, Beschluss vom 24.11.2020, B 1 KR 48/19 B). Das Erfordernis des Kausalzusammenhangs ergibt sich zwingend aus dem Wortlaut des Gesetzes. So lautet § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V wie folgt: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war." Durch das Wort "dadurch" kommt das Tatbestandsmerkmal des Kausalzusammenhangs zum Ausdruck. Es bezieht sich offenkundig auf beide Alternativen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V, somit nicht nur auf den Fall der rechtswidrigen Ablehnung, sondern auch auf den Fall der Unaufschiebbarkeit. Dies ergibt sich nicht nur aus Sinn und Zweck der Regelung, sondern auch aus dem klaren Wortlaut. Denn würde das Wort "dadurch" nur auf die Alternative 2, den Fall einer rechtswidrigen Ablehnung, bezogen, könnte aus der Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V kein Kostenerstattungsanspruch für Fälle der Unaufschiebbarkeit abgeleitet werden, da dann nicht ersichtlich wäre, welche Kosten zu erstatten wären; die Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V wäre dann völlig sinnentleert. Zwar mag in Fällen der Unaufschiebbarkeit die Kausalität in der Regel eher unproblematisch sein (so wohl BSG, Urteil vom 24.09,1996, 1 RK 33/95), gleichwohl ist sie zwingende Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch, was schon daraus deutlich wird, dass das BSG auch in den Fällen der Unaufschiebbarkeit eine Information der Krankenkasse vor Behandlungsbeginn verlangt. Denn wenn die Krankenkasse überhaupt keine Kenntnis vom Behandlungsbedarf hat, kann ihr regelmäßig auch kein Systemversagen vorgeworfen werden, weil sie dann dem Versicherten auch keine Leistung anbieten kann (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.2000, B 1 KR 5/99 R: "Die medizinische Dringlichkeit ist indessen nicht allein ausschlaggebend. Denn für die erste Fallgruppe wird neben der Unaufschiebbarkeit vorausgesetzt, daß die Krankenkasse die in Rede stehenden Leistungen nicht rechtzeitig erbringen konnte. Davon kann im Regelfall nur ausgegangen werden, wenn sie mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen herausgestellt hat. Nur da, wo eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse vom Versicherten nach den Umständen des Falles nicht verlangt werden konnte, darf die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden."). Genauso kann ein Systemversagen nicht vorliegen, wenn der Versicherte bereits vor der Information der Krankenkasse und somit "von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer festgelegt" (BSG, Urteil vom 11.09.2012, B 1 KR 3/12 R) war, also unabhängig davon, ob die Krankenkasse diesem Ansinnen des Versicherten (rechtzeitig vor Behandlungsbeginn) zustimmt oder nicht. Denn in beiden Konstellationen ist die der Krankenkasse gegebene Information (und die daraus ggf. resultierende Entscheidung) nicht geeignet, noch Einfluss auf das weitere Geschehen und die gewünschte Behandlung zu nehmen (vgl. auch die entsprechende Argumentation des BSG zu dem weiteren gesetzlich geregelten Fall eines Systemversagens, wie er in § 13 Abs. 3a SGB V kodifiziert ist: BSG, Urteile vom 27.10.2020, B 1 KR 3/20 R, und vom 25.03.2021, B 1 KR 22/20 R).

Ob das Systemversagen die rechtlich wesentliche Ursache für die Selbstbeschaffung und die dadurch entstandene Kostenlast des Versicherten ist, beurteilt sich nach der Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG, Urteile vom 24.09.1996, 1 RK 33/95, und vom 03.07.2012, B 1 KR 22/11 R). Dabei ist auf einer ersten Prüfungsstufe zu fragen, ob das Systemversagen eine naturwissenschaftlich-philosophische Bedingung im Sinne einer conditio sine qua non für den Eintritt der Kostenlast ist, also nach den einschlägigen Erfahrungssätzen nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die Kostenlast entfiele. Stehen weitere Bedingungen im Sinne der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie im Raum, ist auf einer zweiten Prüfungsstufe rechtlich wertend mit Blick auf den Schutzbereich der Norm zu entscheiden, welche der (positiv festzustellenden) Ursachen für den Eintritt der Kostenlast die rechtlich wesentliche ist (so die ständige unfallversicherungsrechtliche Rspr. zur Kausalität, vgl. z.B. BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 31/11 R, vom 30.03.2017, B 2 U 6/15 R, und vom 06.05.2021, B 2 U 15/19 R).

Im Urteil vom 03.07.2012, B 1 KR 22/11 R, hat das BSG zur Erläuterung des Begriffs der wesentlichen Ursache auf die Rechtsprechung der unfallversicherungsrechtlichen und versorgungsrechtlichen Senate des BSG Bezug genommen: "Der Senat folgt insoweit der Theorie der wesentlichen Bedingung, wie sie insbesondere der 2. und 9. BSG-Senat bei der Feststellung der Kausalität im Unfallversicherungs- und sozialen Entschädigungsrecht zugrunde legen ...". Jedenfalls seit dem Urteil des 9. Senats vom 16.12.2014, B 9 V 6/13 R, der seither unter dem Gesichtspunkt der rechtlich wesentlichen Ursache eine annähernde Gleichwertigkeit der versorgungsrechtlich relevanten (Mit-)Ursache bei mehreren Mitursachen erst dann bejaht, wenn diese - so das BSG in seiner Entscheidung vom 16.12.2014 - "in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges - verglichen mit den mehreren übrigen Umständen - annähernd gleichwertig ist", was dann der Fall ist, wenn die versorgungsrechtlich relevante (Mit-)Ursache "in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein mindestens so viel Gewicht hat wie die übrigen Umstände zusammen", also die wesentliche Ursache zumindest ein Gewicht von 50 v.H. des Gewichts aller Ursachen zusammen haben muss, kann von einer gleichgelagerten Beurteilung der Mitursächlichkeit durch den 2. und den 9. Senat des BSG nicht mehr ausgegangen werden. Denn der unfallversicherungsrechtliche Senat des BSG stellt an das Gewicht einer rechtlich wesentlichen Ursache bei Vorliegen von mindestens zwei Mitursachen in ständiger Rspr. erheblich geringere Anforderungen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 26/04 R: ""Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (...)." BSG, Urteil vom 30.03.2017, B 2 U 6/15 R: "Das BSG hat dabei schon immer betont, dass bei dieser Prüfung "wesentlich" nicht gleichzusetzen ist mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat (...)." BSG, Urteil vom 06.10.2020, B 2 U 10/19 R: "Dabei kann auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat (...).") Aus unfallversicherungsrechtlicher Sicht kann daher eine Mitursache auch schon dann wesentlich sein, wenn sie - so jedenfalls die immer wieder angeführte sogenannte Krasneysche Faustregel - ein Gewicht von 30 v.H. hat (vgl. z.B. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.01.2005, L 17 U 287/00 - m.w.N.; LSG Hessen, Urteil vom 30.08.2010, L 3 U 162/05: "Krasneysches Drittel"). Zu berücksichtigten ist bei der Bewertung der Wesentlichkeit auch der Schutzzweck der Norm (ständige Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteile vom 09.05.2006, B 2 U 26/04 R, vom 15.05.2012, B 2 U 16/11 R, und vom 06.10.2020, B 2 U 10/19 R).

Welchem Wesentlichkeitsbegriff bei Vorliegen von mehreren Mitursachen im Bereich des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung zu folgen ist, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn auch unter Zugrundelegung des weniger strengen Wesentlichkeitsbegriffs des unfallversicherungsrechtlichen Senats des BSG kommt der Senat im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass erhebliche Zweifel daran bestehen, dass die Unaufschiebbarkeit die rechtlich wesentliche Ursache für die entstandenen Kosten ist (dazu siehe unten).

Den allgemeinen Beweisgrundsätzen folgend müssen alle anspruchsbegründenden Tatsachen im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein (ständige Rspr., vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 10.06.1992, 4 BA 22/92, Urteile vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, vom 15.12.2016, B 5 RS 9/16 R, und vom 06.10.2020, B 2 U 9/19 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, B 9 VG 3/99 R), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, 9/9a RV 1/92).

Der Beweismaßstab des Vollbeweises gilt somit - dies steht außer Frage - für die beiden Glieder der Kausalkette, das Systemversagen einerseits und die Selbstbeschaffung sowie die daraus resultierende Kostenlast des Versicherten andererseits.

Der gleiche Beweismaßstab, also der des Vollbeweises, gilt auch für die Frage des rechtlich wesentlichen Zusammenhangs von Systemversagen und durch die Selbstbeschaffung entstandener Kostenlast des Versicherten; ein Anlass für eine Absenkung des Beweismaßstabs auf den der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit besteht nicht.

Grundsätzlich gilt im Sozialrecht der Beweismaßstab des Vollbeweises (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 5 RS 4/16 R: "Der Tatbestand öffentlich-rechtlicher Normen ist regelmäßig nur dann erfüllt, wenn ein einschlägiger Sachverhalt nach Ausschöpfung grundsätzlich aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisgrundlagen bis zur Grenze der Zumutbarkeit (Senatsbeschluss vom 2.3.2010 - B 5 R 208/09 B - Juris RdNr 9; BVerwG Urteil vom 26.8.1983 - 8 C 76/80 - Buchholz 310 § 86 Abs 1 VwGO Nr 147 S 9 und Beschluss vom 18.2.2015 - 1 B 2/15 - Juris RdNr 4; vgl auch BVerfG Beschluss vom 27.10.1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106 - Juris RdNr 67) mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl zB BSG Urteil vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7) im Vollbeweis, dh zur vollen Überzeugung des hierzu berufenen Anwenders iS einer subjektiven Gewissheit feststeht. Für das sozialgerichtliche Verfahren ergibt sich dies aus § 103 S 1 Halbs 1, § 128 Abs 1 S 1 SGG." BSG, Urteil vom 19.03.1986, 9a RVi 2/84: "Alle anderen Anspruchsvoraussetzungen müssen nach einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, der das Sozialrecht beherrscht, erwiesen sein. Dafür kann eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit genügen, die ernste, vernünftige Zweifel ausschließt (BSGE 32, 207; 35, 9; 45, 285 f; 40, 23, 27 = SozR 4100 § 79 Nr 2)."

Gleichwohl gilt dieser Grundsatz nicht einschränkungslos. Das SGG enthält dazu, bestimmte verfahrensbezogene Tatsachen ausgenommen, keine allgemeinen Festlegungen (vgl. Giesbert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., Stand: 15.07.2017, § 128, Rdnrn. 25, 38). Der anzuwendende Beweismaßstab ist daher dem materiellen Recht zu entnehmen.

Materielle Regelungen können somit eine Absenkung des Beweismaßstabs enthalten, wie dies beispielsweise im Versorgungsrecht ausdrücklich der Fall ist (vgl. z.B. § 1 Abs. 3 Satz 1 Bundesversorgungsgesetz: "Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs."; § 81 Abs. 6 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz: "Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs.").

Sofern vereinzelte Formulierungen des BSG dahingehend gedeutet werden könnten, dass eine Absenkung des Beweismaßstabs eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage voraussetze (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977, 10 RV 15/77: "In der KOV wie auch in den anderen zur Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit gehörenden Angelegenheiten bedürfen die anspruchsbegründenden Tatsachen im allgemeinen des vollen Beweises, sofern nicht aufgrund ausdrücklicher Ausnahmevorschriften geringere Beweisanforderungen wie etwa die Wahrscheinlichkeit (vgl ua § 1 Abs 3 Satz 1, § 30 Abs 4 Satz 2 Bundesversorgungsgesetz - BVG -, letztere Vorschrift jetzt gültig in der Fassung des 9. AnpG-KOV vom 27. Juni 1977, BGBl I S. 1037), die Glaubhaftmachung (§ 45 Abs 2 Nr 6 BVG) oder die Vermutung (zB § 38 Abs 1 Satz 2 BVG) genügen." BSG, Urteil vom 14.12.2006, B 4 R 29/06 R: "Beweisbedürftige Tatsachen bedürfen des Vollbeweises, dh der an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, soweit Abweichendes (Gewissheit, hinreichende Wahrscheinlichkeit oder Glaubhaftmachung) nicht bestimmt ist." BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 5 RS 4/16 R: "Abweichungen (Gewissheit, hinreichende Wahrscheinlichkeit oder Glaubhaftmachung) von diesem Regelbeweismaß bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (BSG SozR 3-3900 § 15 Nr 4 - Juris RdNr 4; vgl auch BSG Urteil vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R - BSGE 98, 48 = SozR 4-5075 § 1 Nr 3; BVerwG Beschluss vom 3.8.1988 - 9 B 257/88 - NVwZ-RR 1990, 165; Bolay in Lüdtke, SGG, 4. Aufl 2012, § 128 RdNr 13 ff; Höfling/Rixen in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl 2014, § 108 RdNr 87; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl 2016, § 108 RdNr 5; Kühl in Breitkreuz/Fichte, 2. Aufl 2014, § 118 RdNr 3 ff). Nur dann ist gewährleistet, dass normativ angeordnete Rechtsfolgen allein Fällen der gesetzlich vorgesehenen Art zugeordnet werden und im Streitfall effektiver Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 GG) gewährleistet ist." BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B: "Gegenüber dem Vollbeweis räumen bestimmte gesetzliche Vorschriften dem Anspruchsberechtigten ausdrücklich Milderungen der Beweisanforderungen ein.") würde dies aber eine Fehlinterpretation darstellen. Denn wenn es schon keine ausdrückliche gesetzliche Regelung gibt, die den Vollbeweis vorschreibt, kann - auch unter dem Gesichtspunkt des Vorbehaltes des Gesetzes - keine ausdrückliche gesetzliche Regelung für eine Abweichung vom ungeschriebenen Regelbeweismaßstab erforderlich sein. Vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung des § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG, die von der Freiheit starrer Beweisregeln geprägt ist, die Überzeugung vom Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsachen zu verschaffen. Eine Absenkung des Beweismaßstabs setzt daher eine ausdrückliche Regelung im Gesetz nicht zwingend voraus (vgl. auch Giesbert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., Stand: 15.07.2017, § 128, Rdnr. 25; Keller in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 128, Rdnrn. 3c und 3d).

Dies hat auch das BSG im Urteil vom 16.02.1971, 1 RA 113/70, mit folgenden Worten explizit zum Ausdruck gebracht: "Es trifft jedoch nicht zu, wie das LSG annimmt, daß immer dort, wo das Gesetz über die Anforderungen an den Beweis der rechtserheblichen Tatsachen schweigt, der Tatrichter eine Tatsache nur dann für bewiesen halten darf, wenn nach seiner Überzeugung für ihr Vorliegen eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit spricht. Ordnet das materielle Recht im gesetzlichen Tatbestand weder höhere noch geringere Anforderungen an den Beweis der Tatsachen an, so haben die allgemeinen Grundsätze über den Beweis zu gelten. Hiernach hat sich zu richten, welcher Grad der Wahrscheinlichkeit zu fordern ist, damit sich die richterliche Überzeugung von dem Vorliegen der rechtserheblichen Tatsachen darauf gründen kann."

Eine Absenkung des Beweismaßstabs auf den der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit findet sich bei Zusammenhangs-/Kausalitätsfragen. Ausdrücklich geregelt ist dies im Versorgungsrecht (vgl. oben). Ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage wird eine Absenkung des Beweismaßstabs aber auch in anderen Rechtsbereichen, so im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung (ständige Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteil vom 06.05.2021, B 2 U 15/19 R: "Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, aber nicht die bloße Möglichkeit (stRspr; zuletzt BSG Urteil vom 6.9.2018 - B 2 U 10/17 R - BSGE 126, 244 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 9, RdNr 13 mwN)."), der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 16.02.1971, 1 RA 113/70: "In der Kriegsopferversorgung ist in § 1 Abs. 3 S. 1 BVG ausdrücklich vorgeschrieben, zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genüge die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Die gleichen Grundsätze gelten für die Rentenversicherung. Sind dort Feststellungen darüber zu treffen, ob eine gesundheitliche Schädigung - Krankheit oder sonstige Gesundheitsstörung - mit einem schädigenden Ereignis im Ursachenzusammenhang steht, so ist kein durchgreifender Grund dafür ersichtlich, an den Beweis dieses ursächlichen Zusammenhangs andere und höhere Anforderungen zu stellen, als sie in anderen Rechtsgebieten, insbesondere in der Unfallversicherung, in der Kriegsopferversorgung und in den Verfahren vor den Zivilgerichten gestellt werden. Denn die allgemeinen Erwägungen, die dort die Beweiserleichterungen und somit einen geringeren Grad der Wahrscheinlichkeit rechtfertigen, haben in gleicher Weise im Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung für die im AVG und in der RVO geregelten gesetzlichen Tatbestände zu gelten, soweit zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer gesundheitlichen Schädigung der ursächliche Zusammenhang in Frage steht.") und der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 03.07.2012, B 1 KR 22/11 R: "Die Beurteilung der Verursachung richtet sich nach der im Sozialrecht maßgeblichen Theorie der wesentlichen Bedingung. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen muss in Gerichtsverfahren grundsätzlich zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen. Lediglich für die zu prüfenden Kausalzusammenhänge genügt die überwiegende Wahrscheinlichkeit.") vorgenommen.

Begründet wird die Absenkung des Beweismaßstabs mit (praktischen) Erwägungen zu Beweisschwierigkeiten. So hat das BSG im Urteil vom 02.02.1978, 8 RU 66/77, Folgendes ausgeführt: "Geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts (als die an den vollen Beweis zu stellenden) sind ausnahmsweise beim ursächlichen Zusammenhang deshalb zugelassen, weil letzterer zu den Tatsachen gehört, für die ein strenger Beweis kaum zu führen sein wird. Es werden deshalb Beweiserleichterungen dahin eingeräumt, daß lediglich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Kausalität bestehen muß; das Gericht ist somit in der Zusammenhangsfrage bei seiner Würdigung und Überzeugungsbildung freier gestellt (BSGE 32, 203, 208)." Rechtstheoretisch findet diese Argumentation ihre Stütze in dem allgemeinen Grundsatz der Methodenlehre, wonach ein Gesetz nicht in einer Weise ausgelegt werden darf, dass es keinen relevanten Regelungsbereich mehr hätte (vgl. BFH, Beschluss vom 01.02.2006, X B 166/05; BVerfG, Beschluss vom 01.03.1997, 2 BvR 1599/89, 2 BvR 1714/92, 2 BvR 1508/95), also eine Zugrundelegung des Vollbeweises regelmäßig zu einer Ablehnung des sozialen Schutzes und zur Rechtsverweigerung führen würde (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 57).

Allen Konstellationen, in denen entweder ausdrücklich von Gesetzes wegen oder ohne explizite gesetzliche Grundlage eine Absenkung des Beweismaßstabs auf den der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit vorgenommen wird (vgl. dazu die oben angeführte Rechtsprechung aus dem Versorgungs-, Unfall-, Krankenversicherungs- und Rentenrecht), ist es zu eigen, dass es dabei um die Beurteilung medizinischer oder allgemein naturwissenschaftlicher Ursachenzusammenhänge geht, für deren Beurteilung auf sachverständiges Wissen zurückgegriffen werden muss und bei denen Beweisschwierigkeiten aufgrund der naturgemäß begrenzten Erkenntnismöglichkeiten der Naturwissenschaften und der Medizin regelmäßig so stark ausgeprägt sind, dass sich der Vollbeweis als strengste Form des Beweismaßstabs typischerweise nicht führen lassen wird (vgl. BSG, Urteile vom 02.02.1978, 8 RU 66/77, und vom 20.03.2007, B 2 U 27/06 R; Becker, Der Arbeitsunfall, SGb 2007, 721, 729; Keller, a.a.O., § 128, Rdnr. 3c; Giesbert, a.a.O., § 128, Rdnr. 31). Stehen Beweisschwierigkeiten aus anderen Gründen, z.B. weil es auf innere Tatsachen ankommt, im Raum, ist für eine Absenkung des Beweismaßstabs ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage hingegen kein Raum (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 06.10.2020, B 2 U 9/19 R: "Die Handlungstendenz als eine von den Tatsachengerichten festzustellende innere Tatsache ist aufgrund der objektiven Umstände des Einzelfalls zur Überzeugung des Tatrichters im Vollbeweis festzustellen.").

Somit steht für den Senat fest, dass die Frage, welcher Beweismaßstab bei der Beurteilung eines vom Gesetzgeber als Tatbestandsmerkmal vorgegebenen Ursachenzusammenhangs anzuwenden ist, danach zu entscheiden ist, ob die Kausalitätsfrage von der Beantwortung naturwissenschaftlich-medizinischer Fragen mit den dabei enthaltenen, aufgrund der wesensimmanent begrenzten Erkenntnismöglichkeiten dieser Wissenschaften letztlich nicht endgültig aufklärbaren Unsicherheiten abhängt - dann hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend - oder nicht - dann Vollbeweis nötig.

Vorstehendes zugrunde gelegt, ist die Frage der Kausalität zwischen dem Systemversagen im Sinne des § 13 Abs. 3 SGB V (nicht rechtzeitige Leistungserbringung durch den Träger der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. rechtswidrige Leistungsablehnung) und der durch die Selbstbeschaffung des Versicherten entstandenen Kostenlast daher nach dem Beweismaßstab des Vollbeweises zu beurteilen. Die Antwort auf die Frage, warum sich ein Versicherter eine Leistung selbst beschafft hat, hängt nicht von der Beantwortung naturwissenschaftlich-medizinischer Fragen ab, bei denen eine zweifelsfreie Antwort aufgrund der eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten der Wissenschaft und tatsächlicher Unklarheiten typischerweise nicht möglich ist. Es ist somit im Sinne der Grundsätze der Methodenlehre weder ein Bedürfnis noch ein Ansatzpunkt für eine Auslegung dahingehend erkennbar, dass die Kausalität von Systemversagen und durch die Selbstbeschaffung entstandener Kostenlast nur im Sinne der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit zu beurteilen wäre. Denn es besteht weder eine Ähnlichkeit mit der Frage der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität im Versorgungs- bzw. Unfallversicherungsrecht noch sind sonstige Gesichtspunkte von nicht oder kaum beseitigbaren Aufklärungsschwierigkeiten ersichtlich. Sollte der Gesetzgeber im Rahmen seines gesetzgeberischen Ermessens entgegen den aufgezeigten Überlegungen auch für die Frage der Kausalität von Systemversagen (nicht rechtzeitige Leistungserbringung oder rechtswidrige Leistungsablehnung) und Kostenlast (, die durch die Selbstbeschaffung entstanden ist,) eine Absenkung des Beweismaßstabs für angezeigt erachten, bedürfte dies einer ausdrücklichen gesetzgeberischen Entscheidung; eine solche existiert aber nicht.

Nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast geht eine nach Ausschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten verbleibende Unerweislichkeit einer Tatsache (sogenannte non-liquet-Situation) zu Lasten des Beteiligten, der aus ihr eine für ihn günstige Rechtsfolge ableiten will (vgl. BSG, Urteil vom 24.11.2010, B 11 AL 35/09 R; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ders., SGG, 13. Aufl. 2020, § 103, Rdnr. 19a). Den, der sich auf einen Anspruch beruft, trifft damit die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen; der, der das geltend gemachte Recht bestreitet, ist für die rechtsvernichtenden, rechtshindernden oder rechtshemmenden Tatsachen beweispflichtig. Die Verteilung der Beweislast bestimmt sich somit nach der für den Rechtsstreit maßgeblichen materiell-rechtlichen Norm (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2010, B 11 AL 4/09 R).

2.1.2. Kein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin für die operative Behandlung am 17.07.2017 und den damit in Zusammenhang stehenden Krankenhausaufenthalt in der W Klinik

Es besteht weder ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V noch nach Alternative 2.

2.1.2.1. Kein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V

Unter Zugrundelegung der vorstehend aufgezeigten Maßgaben ist eine Kausalität zwischen der Unaufschiebbarkeit der Behandlung wegen der Steißbeinfistel der Klägerin und der durch die Operation am 17.07.2017 entstandenen Kostenlast der Klägerin nicht nur nicht im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen, wie dies für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V erforderlich wäre, sondern es lässt sich aufgrund der vorliegenden Umstände eine solche Kausalität sogar ausschließen.

Selbst wenn zu Gunsten der Klägerin davon ausgegangen wird, dass die Angaben des Dr. D., dessen Ausführungen den Eindruck entstehen lassen könnten, dass er durch eine entsprechende Ausgestaltung seiner Angaben der Klägerin eine Hilfestellung bei der Durchsetzung vermeintlicher Ansprüche geben wollte, wahrheitsgemäß erfolgt sind und dass die Operation am 17.07.2017 tatsächlich so dringlich war, dass es der Klägerin aus medizinischen Gründen nicht mehr möglich war, die Entscheidung der Beklagten am 03.08.2017 abzuwarten, ist nicht nachgewiesen, dass die Unaufschiebbarkeit eine rechtlich wesentliche Ursache für die Selbstbeschaffung und die dadurch entstandene Kostenlast der Klägerin ist.

Denn die Klägerin hatte sich bereits vor Antragstellung, nämlich am 13.07.2017, darauf festgelegt, die Operation bei Dr. D. in der W Klinik, einer für die Behandlung von gesetzlich krankenversicherten Patienten nicht zugelassenen Privatklinik, vornehmen zu lassen, und zwar unabhängig davon, wie die Entscheidung der Beklagten ausfallen werde. Dies ergibt sich aus zahlreichen Äußerungen der Klägerseite im Verfahren, die weitgehend inhaltsgleich und für den Senat glaubwürdig sind. Folgende Äußerungen seien genannt:
*  Widerspruch der Klägerin mit Schreiben ihres von ihr bevollmächtigten Vaters vom 05.02.2018: "Die Festlegung zur OP in der W Klinik wurde aufgrund der Dringlichkeit und dem Fortschritt der Krankheit am 13.7.17 für den 17.7.17 festgelegt." [sic!]
*  Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 27.05.2018: "Dort" - in der W Klinik - "wurde Frau A. am 13.07.2017 untersucht. Es wurde ... ein kurzfristiger Operationstermin für den 17.07.2017 vorgemerkt. ... Eine Alternative zur Operation in der W Klinik bestand nicht. ... Nachdem die herkömmliche chirurgische Methode bereits zweimal versagt hatte, war es medizinisch unvertretbar und der Familie A. nicht zuzumuten, sich ein drittes Mal auf einen solchen Eingriff in einer anderen Klinik einzulassen. ... Vollends unzumutbar war dies im Hinblick auf die zwangsläufigen psychischen Folgen eines solchen Eingriffs ... . Die Familie A. hatte die W Klinik nicht etwa deswegen ausgewählt, weil es sich um eine "Privatklinik" handelt, sondern weil sie aufgrund der gemachten Erfahrungen allein von dort eine endgültige medizinische Hilfe erwarten konnte, die dann ja auch eingetreten ist."
*  Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 26.08.2018: "Eine Alternative zu der Operation in der W Klinik bestand nicht."
*  Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 21.11.2018: "Der Arzt Dr. D. stellte die drohende schwere Sepsis an diesem Tag, dem 13.07.2017, ... fest. ... Deshalb wurde die Operation auf den nächstmöglichen Operationstermin, den 17. Juli 2017, festgesetzt. Eine Alternative zu der von Dr. D. praktizierten lasergestützten Operationsmethode bestand nicht ... und es gab keine andere Möglichkeit, Leben und Gesundheit der Klägerin zu retten, als am 17. Juli 2017 die Operation in der Wklinik durchzuführen."
*  Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 25.04.2019: "Der Termin" - zur Operation am 17.06.2017 in der W Klinik - "wurde am 13.07.2017 wegen der lebensbedrohlichen Situation der Klägerin vier Tage später, nämlich auf den 17.07.2017, angesetzt. ... Gänzlich außer Acht gelassen hat das Sozialgericht ferner den Umstand, dass es für die Klägerin in ihrer Notlage nicht zumutbar war, sich nochmals in die Hände von Ärzten zu begeben, die nach herkömmlicher Methode operiert hätten."
*  Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 01.07.2019: "Deswegen wurde aufgrund der Untersuchung vom 13.07.2017 der kurzfristige, außerordentliche Operationstermin auf den 17.07.2017 festgesetzt."
*  Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 07.08.2019: "Der Klägerin war es absolut unzumutbar, sich ein drittes Mal in die Hände mit herkömmlicher Methode arbeitender Mediziner zu begeben".
*  Entsprechendes hat der Bevollmächtigte der Klägerin in deren Anwesenheit - ohne dass die Klägerin dem widersprochen hätte - auch im Erörterungstermin vom 27.07.2021 ausgeführt und angegeben, dass der Operationstermin bei Dr. D. beim ersten Vorstellungstermin am 13.07.2017 vereinbart worden sei.
*  Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 28.07.2021: "Eine andere Behandlungsmethode stand - abgesehen davon, dass es der Klägerin absolut unzumutbar war, sich ein drittes Mal in die Hände von Ärzten zu begeben, deren Operationsmethode nicht nur die Ursache ihrer Leiden nicht beseitigen konnte, sondern zu einer erheblichen Verschlimmerung geführt hatte - nicht zur Verfügung."
*  Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 02.08.2021: "In Ergänzung der protokollierten Ausführungen der Klägerin in dem Erörterungstermin vom 27.07.2021 halte ich fest, dass ... in dem "Vorstellungstermin" vom 13.07.2017 ... der kurzfristige Operationstermin für den 17.07.2017 (Montag, nächstmöglicher Operationstermin) vorgemerkt wurde."

Aufgrund dieser wiederholten, in sich stimmigen und stringenten Ausführungen der Klägerseite ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin bereits am 13.07.2017 den festen und unabänderlichen Entschluss gefasst hatte, sich am 17.07.2017 in der W Klinik von Dr. D. mittels Lasermethode operieren zu lassen; sie hat daher am 13.07.2017 auch fest den Operationstermin für den 17.07.2017 vereinbart. Eine Alternative zu dieser Behandlung hat für die Klägerin nach ihrer wiederholten eigenen Einlassung nicht bestanden. Sie hat sich damit am 13.07.2017 und somit bereits vor Antragstellung sowohl auf einen bestimmten Leistungserbringer (Dr. D. in der W Klinik) als auch auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung (Laserbehandlung) festgelegt.

Das BSG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine derartige Vorfestlegung eine Kausalität zwischen Systemversagen und Selbstbeschaffung mit dem daraus resultierenden Entstehen der Kostenlast des Versicherten ausschließt, ohne dabei noch auf potentielle weitere Mitursachen einzugehen (vgl. beispielhaft BSG, Urteile vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R, und vom 27.10.2020, B 1 KR 3/20 R - jeweils m.w.N.). Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung des BSG ist daher vorliegend - ohne weitere Prüfung etwaiger Mitursachen - eine Kausalität zu verneinen mit der Folge, dass ein Kostenerstattungsanspruch nicht besteht.

Aber selbst dann, wenn über die Rechtsprechung des BSG hinaus auch in Fällen der zweifelsfreien Vorfestlegung weitere potentielle Mitursachen für die Selbstbeschaffung in die gerichtliche Prüfung der Kausalität einbezogen würden, würde sich am Ergebnis im vorliegenden Fall nichts ändern. Der Klägerin ist in diesem Fall zwar zuzugestehen, dass der von ihr subjektiv als Systemversagen empfundene Umstand, dass ihr die Beklagte nicht bis zum 17.07.2017 die von ihr gewünschte Operation als Sachleistung zur Verfügung gestellt hat, also die Unaufschiebbarkeit, eine Bedingung im Sinne der conditio sine qua non und damit eine Mitursache dafür ist, dass sich die Klägerin die Leistung selbst beschafft hat und ihr dadurch eine Kostenlast entstanden ist; denn wenn die Beklagte der Klägerin die gewünschte Operation rechtzeitig als Sachleistung zur Verfügung gestellt hätte, wäre diese Kostenlast nicht entstanden. Rechtlich wesentlich ist diese Mitursache aber nicht. Dem steht zweierlei entgegen. Zum einen ist die Selbstbeschaffung in der W Klinik, die als reine Privatklinik kein zugelassener Leistungserbringer im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist, nicht vom Schutzbereich der Norm, hier des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V, umfasst. Denn die Regelung zum Kostenerstattungsanspruch des § 13 Abs. 3 SGB V soll nicht dazu führen, dass für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung geltende Regelungen umgangen und in diesem System nicht vorgesehene Leistungsarten und Leistungserbringer einbezogen werden (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R: "Andere Kosten, etwa die Verpflichtung gegenüber einem anderen als dem krankenversicherungsrechtlich zulässigen Leistungserbringer ... lösen keinen Kostenerstattungsanspruch aus, weil sonst die krankenversicherungsrechtliche Bindung an die zulässigen Formen der Leistungserbringung durch den Anspruch auf Kostenerstattung ohne Weiteres durchbrochen werden könnte (vgl BSGE 79, 125, 127 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 52; BSGE 86, 66, 69 = SozR 3-2500 § 13 Nr 21 S 90; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, jeweils RdNr 20 mwN)." Zum anderen kann die Unaufschiebbarkeit auch deshalb nicht als rechtlich wesentliche Mitursache für die der Klägerin infolge der Selbstbeschaffung entstandene Kostenlast gesehen werden, weil die Klägerin, ohne den Versuch zu unternehmen, eine Behandlung des zweiten Rezidivs der Steißbeinfistel bei einem zugelassenen Leistungserbringer zu erhalten, bewusst das System der gesetzlichen Krankenversicherung verlassen und sich die Leistung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer verschafft hat. Hätte die Klägerin ein zugelassenes Krankenhaus aufgesucht, hätte ihre Erkrankung dort unverzüglich mit einer anerkannten Behandlungsmethode, wenn auch nicht mit der von der Klägerin erwünschten Methode, für die zum damaligen Zeitpunkt - wie im Übrigen auch heute noch (vgl. S3-Leitlinie Sinus pilonidalis, 2. revidierte Fassung 2020: "Die Anwendung von Laser hat in der Medizin einen nahezu mythischen Charakter, der mit optimalem Heilungserfolg und geringer Invasivität assoziiert ist. Die Popularität in der Bevölkerung ist dementsprechend hoch. ... Für den deutschen Bereich kann trotz optimistischer Ergebnisse bei noch niedriger Evidenz auch vor dem Hintergrund höherer Kosten aus Sicht der Autoren derzeit keine grundsätzliche Empfehlung für dieses Verfahren gegeben werden.") - keine ausreichenden Erkenntnisse zu Nutzen und Risiken vorlagen (vgl. S3-Leitlinie Sinus pilonidalis, Stand: 04/2014, zur "Laser-Anwendung": "Hierzu existieren nur wenige Publikationen, bei denen verschiedene Lasertypen zur Anwendung kamen. Überwiegend handelt es sich um Erfahrungsberichte mit relativ kleinen Fallzahlen. Eine positive Beeinflussung durch die Industrie, die die Laser vertreibt, und durch pekuniäre Anreize kann nicht ausgeschlossen werden. Definitive Aussagen können daraus nicht gefolgert werden."), therapiert werden können. Denn daran, dass zugelassene Krankenhäuser die Steißbeinfistel auch in Form eines zweiten Rezidivs umgehend hätten operieren können, bestehen keine Zweifel. Hätte sich die Klägerin also in ein zur Versorgung gesetzlich Versicherter zugelassenes Krankenhaus begeben, wäre ihr rechtzeitig eine Behandlung zuteil geworden, ohne dass sie dafür eigene Mittel hätte aufwenden müssen. Damit sind die in der W Klinik angefallenen Kosten nicht "dadurch" im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V rechtlich wesentlich mitverursacht, dass die Klägerin sich eine Leistung (wegen Unaufschiebbarkeit) selbst verschaffen musste, sondern dadurch, dass die Klägerin als Leistungserbringer ein nicht zugelassenes Krankenhaus anstelle einer zugelassenen Einrichtung aufgesucht hat. Es verbleibt daher dabei, dass der rechtlich allein wesentliche Grund für die Behandlung in der W Klink der bereits am 13.07.2017 im Sinne einer Vorfestlegung gefasste Entschluss der Klägerin war, sich in dieser Privatklinik von Dr. D. mittels Laserbehandlung operieren zu lassen, unabhängig davon, ob die Beklagte die Kosten dafür übernehmen werde. Die Mitursache, dass die Beklagte der Klägerin trotz der Dringlichkeit der Behandlung die Leistung nicht bis zum 17.07.2017 als Sachleistung gewährt hat, tritt demgegenüber völlig in den Hintergrund. Es bedarf daher auch keiner weitergehenden Prüfung, ob der Beklagten die Dringlichkeit der Operation überhaupt bewusst war bzw. sein musste. Denn das wäre Voraussetzung dafür, dass überhaupt von einem Systemversagen in Form der nicht rechtzeitigen Leistungserbringung ausgegangen werden könnte. An einem solchen, objektiv zu beurteilenden Bewusstsein könnte aber deshalb gezweifelt werden, weil im Arztbrief der W Klinik vom 13.07.2017 "zur Vorlage bei der Krankenkasse" nichts enthalten war, was auf eine besondere Dringlichkeit hindeuten würde. Ob die von der Klägerin behaupteten Schilderungen einer Dringlichkeit durch ihre Mutter bei der Beklagten am 14.07.2017, wenn sie denn tatsächlich so stattgefunden haben, daran etwas ändern könnten, erscheint in Anbetracht der fehlenden Ausführungen im Arztbrief mehr als fraglich.

Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V kommt daher nicht in Betracht.

2.1.2.2. Kein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V

Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V (rechtswidrige Leistungsablehnung) scheitert offensichtlich schon daran, dass die Klägerin vor der Selbstbeschaffung der Leistung die Entscheidung der Beklagten über das Leistungsbegehren nicht abgewartet und somit den Beschaffungsweg nicht eingehalten hat.

Dem Bevollmächtigten der Klägerin ist nicht zu folgen, wenn er "in dem Umstand, dass die Beklagte trotz Kenntnis aller Umstände und trotz des Wissens um die lebensbedrohliche Situation, in der die Klägerin sich befand, während der bis zum vorgemerkten Operationstermin noch zur Verfügung stehenden drei Tage sich nicht rührte, ... zugleich eine zu Unrecht erfolgte Ablehnung der ihr obliegenden Leistung im Sinne der genannten Vorschrift" (Schriftsatz vom 05.11.2018) sieht. Der Bevollmächtigte verkennt dabei, dass eine Ablehnung einer Leistung im Sozialrecht nur durch Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch möglich ist, nicht aber durch Schweigen. Grundsätzlich kann einem Schweigen oder einem Nichtentscheiden im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung kein Erklärungsinhalt zugemessen werden; Ausnahme ist die in § 13 Abs. 3a SGB V geregelte Genehmigungsfiktion, die bei einer Nichtverbescheidung das Recht zur Selbstbeschaffung eröffnet. Von einer Ablehnung der beantragten Leistung durch Schweigen oder Nichtentscheidung der Beklagten kann daher vorliegend keine Rede sein.

2.1.2.3. Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V

Die Voraussetzungen eines Selbstbeschaffungsrechts infolge der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V, der einzigen Regelung im SGB V, bei der ein einem Schweigen ähnelndes Nichtentscheiden der Krankenkasse zu rechtlichen Konsequenzen führt, sind vorliegend nicht erfüllt, da die Beklagte innerhalb der 3-Wochen-Frist entschieden hat und zudem einem Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V auch die Selbstbeschaffung innerhalb der 3-Wochen-Frist entgegenstehen würde (vgl. BSG, Urteile vom 27.10.2020, B 1 KR 3/20 R, und vom 25.03.2021, B 1 KR 22/20 R).

2.2. Alternative: Notfallbehandlung

Sofern es sich bei der Behandlung vom 17.07.2017 um eine Notfallbehandlung im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V gehandelt haben sollte, weil an diesem Tag ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden musste (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R), steht auch dies einem Erstattungsanspruch entgegen. Denn in einem solchen Fall wäre die Klägerin, weil die Leistung auch von nicht zugelassenen Leistungserbringern als Sachleistung zu erbringen ist, keinem durchsetzbaren Liquidationsanspruch des Krankenhauses bzw. der Krankenhausärzte ausgesetzt gewesen, was aber Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist. Denn die W Klinik und die mit der Behandlung der Klägerin befassten Ärzte hätten ihre Vergütung nicht von der Klägerin verlangen dürfen.

Das BSG hat dazu im Urteil vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R, Folgendes ausgeführt:
"Ein Notfall im Sinn von § 76 Abs 1 S 2 SGB V vermag grundsätzlich keinen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 1 SGB V zu begründen (vgl BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 23 mwN), sondern schließt ihn aus. Ist die Behandlung aus medizinischen Gründen so dringlich, dass es bereits an der Zeit für die Auswahl eines zugelassenen Therapeuten und dessen Behandlung - sei es durch dessen Aufsuchen oder Herbeirufen - fehlt, also ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden muss, liegt ein Notfall vor (vgl BSG SozR 3-2500 § 76 Nr 2 S 4; BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 30 mwN; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 23; s ferner zu § 368d RVO: BSGE 19, 270, 272 = SozR Nr 2 zu § 368d RVO; BSGE 34, 172, 174 = SozR Nr 6 zu § 368d RVO). In diesem Fall dürfen auch andere, nicht zugelassene Therapeuten in Anspruch genommen werden und erbringen ihre Leistung als Naturalleistung (§ 76 Abs 1 S 2 SGB V). Der Leistungserbringer kann seine Vergütung nicht vom Versicherten, sondern nur von der Kassenärztlichen Vereinigung verlangen. Das entspricht bei ärztlichen Leistungen einem allgemeinen Prinzip. So werden in Notfällen von Nichtvertragsärzten erbrachte Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt und aus der Gesamtvergütung vergütet (vgl BSGE 15, 169 = SozR Nr 1 zu § 368d RVO; BSGE 71, 117, 118 f = SozR 3-2500 § 120 Nr 2 S 12 f mwN; BSG SozR 3-2500 § 76 Nr 2 S 4; vgl auch BGHZ 23, 227 ff). Auch die stationäre Notfallbehandlung eines Versicherten in einem nicht zugelassenen Krankenhaus ist eine Naturalleistung der GKV. Der Vergütungsanspruch richtet sich nicht gegen den Versicherten, sondern allein gegen die KK (vgl BSGE 89, 39, 41 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 25 S 118 f).!

Es entsteht somit bei einer Notfallbehandlung weder ein dienstvertraglicher Vergütungsanspruch noch ein Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag oder ein sonstiger Erstattungsanspruch gegenüber dem behandelten Versicherten (vgl. Hesral, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. Stand: 15.06.2020, § 76, Rdnr. 29), den dieser im Wege eines Erstattungsanspruchs gegen seine Krankenkasse geltend machen könnte.

Sofern das BSG früher noch davon ausgegangen ist, dass, wenn in einem Notfall ein nicht zur kassenärztlichen Tätigkeit zugelassener Leistungserbringer in Anspruch genommen worden ist und dem Versicherten dadurch Kosten entstanden sind, der Versicherte von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten beanspruchen könne (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.1972, 3 RK 25/69), ist diese Rechtsprechung überholt (vgl. z.B. BSG, Urteile vom 09.10.2001, B 1 KR 6/01 R, vom 18.07.2006, B 1 KR 9/05 R, und vom 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R).

Aber selbst dann, wenn das BSG wieder zu seiner früheren Rechtsprechung zurückkehren und einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V wieder als einschlägig betrachten würde, wäre im vorliegenden Fall kein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin gegeben. Denn dann würde im vorliegenden Fall ein solcher Anspruch an der Vorfestlegung der Klägerin und damit an der fehlenden Kausalität zwischen Notfallbehandlung und Selbstbeschaffung samt daraus resultierender Kostenlast scheitern (vgl. dazu oben Ziff. 2.1.2.1.).

Ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin kann daher unter keinem Gesichtspunkt bestehen.

Lediglich der Vollständigkeit halber und ohne, dass dies von Entscheidungsrelevanz wäre, weist der Senat zum Vorbringen des Bevollmächtigten der Klägerin auf Folgendes hin:

*  Wenn der Bevollmächtigte mit einer "Anstandspflicht" der Beklagten "aus dem Vertragsverhältnis mit der Klägerin" argumentiert (Schriftsatz vom 26.08.2018) und auch an anderer Stelle wiederholt auf einen Krankenversicherungsvertrag zwischen Klägerin und Beklagten hinweist, verkennt er, dass der vorliegende Rechtsstreit nicht nach zivilrechtlich-vertragsrechtlichen Vorgaben zu beurteilen ist, sondern nach den für das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis zwischen Klägerin und Beklagter geltenden sozialrechtlichen Regelungen, da ein Vertragsverhältnis zwischen Klägerin und Beklagten nicht existiert. Die an das SG gerichtete Vorhaltung des Bevollmächtigten der Klägerin im Schriftsatz vom 25.04.2019, dass dieses nicht erkannt und daher auch nicht geprüft habe, dass der Klägerin "allein aufgrund des Vertragsverhältnisses" mit der Beklagten ein entsprechender Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zustehe, trifft daher zwar insofern zu, als dass das SG einen vertraglichen Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte tatsächlich nicht geprüft hat. Der Bevollmächtigte übersieht aber, dass ein - wie er möglicherweise meint - (zivilrechtliches) Vertragsverhältnis zwischen Klägerin und Beklagter überhaupt nicht bestanden hat, daher vertragliche Erstattungsansprüche nicht in Betracht kommen und deshalb vom SG zu Recht auch nicht geprüft worden sind.

*  Darauf, ob andere gesetzliche Krankenversicherungen Kosten einer Behandlung in der W Klinik ersetzt haben, wie dies der Bevollmächtigte der Klägerin unsubstantiiert behauptet, kann es für den vorliegenden Fall nicht ankommen; ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht ist der deutschen Rechtsordnung fremd (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.09.2007, 2 BvR 1413/06; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.12.1988, NotZ 10/88; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.04.1995, 4 B 55/95; Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.01.2013, X R 43/09; BSG, Urteil vom 19.09.2019, B 12 KR 21/19 R).

*  Wenn Dr. D. für die W Klinik in der vom Bevollmächtigten der Klägerin - unter dem Gesichtspunkt der Unaufschiebbarkeit - mit Schriftsatz vom 05.11.2018 vorgelegten "fachärztlichen Stellungnahme zur Vorlage bei Krankenkasse" ausführt, dass er "die Krankenkasse um die Bewilligung einer sofortigen notfallmäßigen Operation" gebeten habe - es kann sich bei dieser Bezugnahme nur um das Schreiben an die Klägerin vom 13.07.2017 "zur Vorlage bei der Krankenkasse" handeln -, ist diese Behauptung falsch. Dem Schreiben der W Klinik vom 13.07.2017 ist rein gar nichts zu entnehmen, was auf eine besondere Dringlichkeit der für den 17.07.2017 festgelegten Operation hindeuten würde; auch ist die Beklagte in diesem Schreiben nicht über den Operationstermin informiert worden, sodass ein Anlass für ein beschleunigtes Handeln der Beklagten aufgrund des Schreibens vom 13.07.2017 nicht gegeben war. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass Dr. D. mit dem Schreiben vom 13.07.2017 nicht das Ziel verfolgt hat, dass sich die Krankenkasse noch vor dem vereinbarten Operationstermin zu diesem Schreiben äußere, sondern dass er eher die Absicht gehabt hat, eine Entscheidung der Krankenkasse noch vor dem Operationstermin zu verhindern. Entscheidungserheblich ist dies alles aber nicht.

*  Ob bei der Klägerin eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder eine damit zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V vorgelegen hat, bedurfte keiner weiteren Ermittlungen. Denn § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V stellt, anders als dies der Bevollmächtigte der Klägerin meint, keine Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch dar, sondern eröffnet einen Sachleistungsanspruch, der sich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 SGB V in einen Kostenerstattungsanspruch wandelt. Zudem wäre auch die weitere Voraussetzung des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V, nämlich dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode nicht zur Verfügung steht, nicht erfüllt. Für die Behandlung von Steißbeinfisteln standen, wie sich der S3-Leitlinie Sinus pilonidalis (Stand: 04/2014) entnehmen lässt, verschiedene Behandlungsmethoden zur Verfügung, z.B. auch die bei der Klägerin angewandte Methode, ohne dass eine Rezidivsituation ein Ausschlussgrund für die dort aufgezeigten Methoden wäre. Derartige Methoden hätten also auch bei der Klägerin (nochmals) zur Anwendung kommen können. Die anderslautende Behauptung des Dr. D. ist insofern nicht nachvollziehbar.

*  Sofern die Argumentation des Bevollmächtigten der Klägerin dahingeht, dass ein Fall des auf dem GBA beruhenden Systemversagens vorliege, weil die von Dr. D. angewandte Behandlungsmethode der Laseroperation nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten sei, ist diese Argumentation und deren Bedeutung für den hier zu entscheidenden Fall nicht nachvollziehbar. Für die Anwendung einer Methode im stationären Bereich zu Lasten der gesetzlichen Krankversicherung bedarf es nämlich, anders als für den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung (vgl. § 135 SGB V), keiner Zulassung der Methode durch den GBA.

Sofern der Bevollmächtigte der Klägerin die Beiladung der KVB beantragt und dies damit begründet hat, dass damit "ein Rechtsstreit zwischen der Klägerin und der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns darüber, ob ein Notfall im Sinne des § 76 Abs. 1 S. 2 SGB V vorlag, vermieden" (Schriftsatz vom 10.08.2021) werden könne, war diesem Antrag nicht nachzukommen. Ein Fall der notwendigen Beiladung im Sinne des § 75 Abs. 2 SGG hat nicht vorgelegen. Unter welchem Gesichtspunkt eine einfache Beiladung im Sine des § 75 Abs. 1 SGG angezeigt sein könnte, erschließt sich nicht. Der Bevollmächtigte verkennt, obwohl ihm die Rechtslage bereits vorher vom Gericht erläutert worden ist, weiterhin, dass, wenn es sich um eine Notfallbehandlung gehandelt hätte, nicht die Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch gegen die KVB (bzw. gegen die Krankenkasse, was die Kosten der stationären Behandlung betrifft) hätte, sondern die Klägerin nur einen (vor den Zivilgerichten durchzusetzenden) Rückforderungsanspruch gegen die Leistungserbringer, also die Wklinik, Dr. D., den Anästhesisten und das Labor, die ihr alle Privatrechnungen gestellt haben, hätte und die Leistungserbringer die Kosten der Notfallbehandlung bei der KVB bzw. der Beklagten geltend machen müssten (s. oben Ziff. 2.2.). Wenn der Bevollmächtigte der Klägerin dies anzweifelt und meint, ein Erstattungsanspruch gegen die KVB, falls ein Notfall im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vorliege, ergebe sich aus dem anerkannten Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Bereicherungs- bzw. Erstattungsanspruchs, und sich insofern auf das Urteil des BSG vom 09.10.2001, B 1 KR 6/01 R, bezieht, irrt er. Die von ihm angeführte Entscheidung trägt einen Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die KVB (oder auch die Beklagte) nicht. Vielmehr hat das BSG in dieser Entscheidung auf Folgendes hingewiesen: "Auch ein etwaiger Bereicherungsausgleich müßte sich deshalb nicht zwischen Krankenhaus und Kläger, sondern zwischen Krankenhaus und Beklagter vollziehen (vgl zu alledem: OLG Köln VersR 1991, 339; OLG Köln VersR 1995, 1102; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 1346)." Im Übrigen besteht für einen Bereicherungsanspruch auch gar kein Raum, weil der Gesetzgeber mit § 13 Abs. 3 SGB V insofern eine abschließende Regelung getroffen hat (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R: "a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ( BSGE 79, 125, 126 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, jeweils RdNr 19; vgl auch BSG, Urteil vom 27.3.2007 - B 1 KR 25/06 R - RdNr 9, zur Veröffentlichung vorgesehen) stellt sich der im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aus der Zeit vor dem SGB V ( vgl BSG SozR 2200 § 182 Nr 57 S 107 f mwN; BSGE 53, 273, 276 f = SozR 2200 § 182 Nr 82 S 163; BSG SozR 2200 § 182 Nr 86 S 179; BSG, Urteil vom 9.9.1981 - 3 RK 20/80 - USK 81179 ) in § 13 Abs 3 SGB V geregelte Anspruch auf Kostenerstattung als abschließende gesetzliche Regelung der auf dem Herstellungsgedanken beruhenden Kostenerstattungsansprüche im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dar ( in diesem Sinne auch BSG SozR 3-2600 § 58 Nr 2 S 4 unter Hinweis auf BSGE 73, 271, 273 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4 S 12 ). Seit Inkrafttreten des SGB IX teilt sich § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V diese Aufgabe zusammen mit dem hier nicht einschlägigen Kostenerstattungsanspruch aus § 15 SGB IX. Das entspricht Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik und dem Zweck des Gesetzes (vgl zusammenfassend BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, jeweils RdNr 20 mwN). Die Rechtsnorm hat, wie der Senat entschieden hat, nur den Zweck, den Versicherten so zu stellen, wie er bei Gewährung einer Sachleistung stehen würde ( stRspr, vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 1 KR 24/06 R - RdNr 11 mwN - LITT, zur Veröffentlichung vorgesehen; zuletzt zB BSG, Urteil vom 27.3.2007 - B 1 KR 25/06 R - RdNr 10) . Die Bestimmung kann folglich nur Kosten erfassen, die dem Versicherten bei regulärer Leistungserbringung nicht entstanden wären." BSG, Urteil vom 11.09.2018, B 1 KR 7/18 R: "a) Die unmittelbare oder auch nur entsprechende Anwendung des Bereicherungsrechts, der Geschäftsführung ohne Auftrag oder des Schadensersatzrechts scheidet aus, wenn Vorschriften des öffentlichen Rechts eine erschöpfende Regelung enthalten, die einen Rückgriff auf solche Ansprüche nicht erlaubt (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 6 RdNr 24; BSGE 85, 110, 114 f = SozR 3-2500 § 60 Nr 4 S 24 f; BSG Urteil vom 26.1.2000 - B 6 KA 59/98 R - Juris RdNr 25; BGHZ 140, 102, 109 = NJW 1999, 858, 860; BGHZ 30, 162, 169 ff).").

Eine Beiladung der KVB wäre daher in keinem Fall dazu geeignet, einen weiteren und für die Klägerin zielführenden Rechtsstreit zwischen der Klägerin und der KVB verhindern.

Die Berufung hat daher keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, bestehen nicht. Sämtliche im Raum stehenden und entscheidungsrelevanten rechtlichen Gesichtspunkte sind eindeutig gesetzlich geregelt bzw. höchstrichterlich geklärt.

Rechtskraft
Aus
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