Zum Begriff der Hauptberuflichkeit i.S. von § 2 Abs. 4a KVLG 1989 – wirtschaftliche Bedeutung und zeitlicher Aufwand
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 09.07.2019 insoweit aufgehoben, als es den Bescheid der Beklagten vom 02.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2018 ab 09.08.2018 aufhebt; insoweit wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der Kranken- und Pflegeversicherung.
Der 1955 geborene Kläger war im Zeitraum vom 01.01.1986 bis 30.06.2015 bei der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekasse der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) als landwirtschaftlicher Unternehmer pflichtversichert. Diese Pflichtversicherung endete aufgrund der Übergabe des landwirtschaftlichen Unternehmens durch den Kläger an seinen Sohn, den Beigeladenen (vgl. Bescheid vom 25.09.2015). Ab 01.07.2015 war der Kläger aufgrund hauptberuflicher Mitarbeit im landwirtschaftlichen Unternehmen seines Sohnes bei der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekasse als mitarbeitender Familienangehöriger pflichtversichert (vgl. Bescheid vom 10.03.2016).
In einem Fragebogen der Beklagten zur Überprüfung der Versicherungspflicht bei gleichzeitiger außerlandwirtschaftlicher selbstständiger Erwerbstätigkeit machte der Kläger am 19.10.2015 folgende Angaben: selbstständige Erwerbstätigkeit als landwirtschaftlicher Lohnunternehmer und Berater, Arbeitszeit zwei bis zehn Stunden, aktuelle Einkünfte aus Gewerbe/selbstständiger Tätigkeit: 10.000 €. In dem an ihn gerichteten Fragebogen gab der Beigeladene am 15.10.2015 an, die Beschäftigung seines Vaters als mitarbeitender Familienangehöriger umfasse durchschnittlich 30 Arbeitsstunden pro Woche bei einem Bruttoarbeitsentgelt von monatlich 0 €. Neben der Beschäftigung im Unternehmen des Sohnes übe der Vater keine weitere Erwerbstätigkeit aus.
Mit Bescheid vom 10.03.2016 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger als hauptberuflich mitarbeitender Familienangehöriger im landwirtschaftlichen Unternehmen beschäftigt sei, weshalb man für ihn die Versicherung ab 01.07.2015 bei der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekasse durchführe. Änderungen in den persönlichen bzw. Einkommensverhältnissen seien der Beklagten kurzfristig mitzuteilen. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung seien vom Arbeitgeber des Klägers zu tragen.
Der vom Sohn für den Kläger monatlich zu entrichtende Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers als mitarbeitender Familienangehöriger (inkl. Familienversicherung für die Ehefrau des Klägers) betrug ab März 2016 105,33 €.
Laut Auskunft des Finanzamts A vom 06.07.2016 betrugen die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2013 insgesamt 16.288 €, diejenigen aus Gewerbebetrieb 85.777 €.
Gemäß einer Aktennotiz der Beklagten vom 11.07.2016 hätten sich laut Auskunft des Klägers die Einkünfte aus Gewerbe ab Betriebsabgabe an den Sohn verändert. Der Steuerbescheid 2014 sei daher nicht aussagekräftig. Die Beklagte setzte sich deshalb eine Wiedervorlage für 20.07.2017, um den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 anzufordern im Hinblick auf die ab 2015 erzielten Gewerbeeinkünfte.
Für die Tätigkeit als mitarbeitender Familienangehöriger im landwirtschaftlichen Unternehmen erzielte der Kläger laut Jahresmeldungen (DSME) im Jahr 2016 ein Entgelt in Höhe von 7.811 € und im Jahr 2017 in Höhe von 7.803 €.
Am 10.06.2018 übersandte der Kläger der Beklagten seinen Einkommensteuerbescheid 2015 vom 05.06.2018, der am 07.06.2018 seinem Steuerberater zugegangen war. Daraus ergaben sich unter anderem folgende Einkünfte des Klägers:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
als Einzelunternehmer -9.768 €
als Einzelunternehmer (2. Betrieb) 32.499 €
als Einzelunternehmer (weitere Betriebe) 45.791 €
Einkünfte 68.522 €
Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit
Bruttoarbeitslohn 4.164 €
ab Arbeitnehmer-Pauschbetrag 1.000 €
Einkünfte 3.164 €
Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb resultierten aus dem Betrieb einer eigenen Photovoltaikanlage, einer Beteiligung an einer Photovoltaikanlage sowie der Tätigkeit als Lohnunternehmer (Mähdrusch).
Mit Anhörungsschreiben vom 13.06.2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Landwirte zum 01.07.2018 zu beenden, da der Kläger außerhalb der Landwirtschaft hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sei.
Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 20.06.2018, dass er seit der Betriebsübergabe 2015 weiterhin ca. elf Monate im Jahr im landwirtschaftlichen Betrieb seines Sohnes mitarbeite. Lediglich während der Getreide- und Maisernte sei er an den Druschtagen selbstständig mit seinem Mähdrescher tätig.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger mit weiterem Schreiben vom 03.07.2018 mit, seine jährliche Arbeitszeit teile sich wie folgt auf:
- eine Stunde/Woche: Kontrolle und Wartung Photovoltaik
- ein Monat/Jahr: Lohnunternehmen/Lohndrusch
- 30 Stunden/Woche: landwirtschaftliche Mithilfe beim Sohn.
Ebenfalls auf Nachfrage der Beklagten bestätigte der Steuerberater des Klägers unter dem 02.07.2018, dass der Kläger folgende Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Einkommensteuergesetz (EStG) erziele:
- Photovoltaikanlage
- Beteiligung an einer Photovoltaikanlage
- selbstständiger landwirtschaftlicher Lohnunternehmer - nur Mähdrusch.
Die Einkünfte würden sich gegenüber den vergangenen Veranlagungsjahren nicht wesentlich verändern, das heiße, die Einkünfte aus dem Mähdrusch würden weiter 30.000 € bis 45.000 € pro Jahr betragen. Auch die Einkünfte aus den Photovoltaikanlagen würden sich nicht wesentlich verändern.
Weiter gelangte ein aktualisierter Fragebogen zur Prüfung der Familienversicherung zur Beklagtenakte, woraus sich ergab, dass die Ehefrau des Klägers kein eigenes Einkommen erziele.
Mit (streitgegenständlichem) Bescheid vom 02.08.2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seine bisherige Versicherung als mitarbeitender Familienangehöriger nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Zweites Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte vom 20. Dezember 1988 (KVLG 1989) mit Ablauf des 30.06.2018 beendet worden sei, da der Kläger eine hauptberuflich selbstständige Erwerbstätigkeit außerhalb der Land- und Forstwirtschaft ausübe. Im Anschluss an die bisherige Versicherung werde man für den Kläger die freiwillige Krankenversicherung durchführen, sofern der Kläger nicht den Austritt erkläre.
Mit Schreiben vom 08.08.2018 erhob der Kläger dagegen Widerspruch. Die Arbeit im landwirtschaftlichen Betrieb seines Sohnes als mitarbeitender Familienangehöriger stelle den Mittelpunkt seines Erwerbslebens dar. Er arbeite 35 Arbeitsstunden wöchentlich im landwirtschaftlichen Betrieb des Sohnes und im Jahresdurchschnitt vier Wochenarbeitsstunden für seinen gewerblichen Betrieb - ausschließlich in den Erntemonaten Juli bis Oktober als Lohnunternehmer mit Mähdrescher. Es handele sich dabei um ein reines Saisongeschäft. Fremdarbeitskräfte seien nicht beschäftigt. 2013 seien 230.000 € in einen Mähdrescher investiert worden, der durch umsichtiges Fahren mit wenigen Reparaturen bei ausreichender Fläche gutes Geld verdiene. Im Zeitraum von Oktober bis Juni sei er ausschließlich als Arbeitnehmer im landwirtschaftlichen Betrieb des Sohnes tätig. An Tagen, an denen ein Mähdrusch nicht möglich sei, sei er auch in den Erntemonaten im Betrieb des Sohnes tätig. Eine Erhöhung des Arbeitslohnes sei zugesagt [was laut Einkommensteuerbescheid 2018 nicht geschehen ist]. Der Gewinn aus dem Mähdrusch entstehe nicht durch die Arbeitsleistung an sich, sondern durch die hohen Investitionen in einen Mähdrescher mit 9 m Schnittbreite.
Beigefügt war ein "Betriebsdatenblatt Lohnunternehmen Mähdrusch" mit unter anderem folgenden Angaben:
- Anschaffungskosten Mähdrescher: 230.000 €
- Mähdrescher Baujahr: 2013
- Buchwert Mähdrescher 2016: 121.000 €
- Mähdruschsaison: Juli bis Oktober
- geschätzte Arbeitszeit: 25 Tage pro Jahr
- errechnete Arbeitszeit: 9,5 Stunden/Tag
- Verrechnungspreis Mähdrusch: 110 €/Hektar
- Aufteilung Verrechnungspreis: 102,8 €/Maschine und 7,2 €/Mann
- Umsatz: 550 Hektar mal 210 €/Hektar = 60.500 €/Jahr
- durchschnittliche Festkosten für Drusch: AfA, Treibstoff, Sonstiges: 26.000 €/Jahr
- Fremdarbeitskräfte/Aushilfskräfte: Nein
Mit weiterem Schreiben vom 21.08.2018 erklärte der Kläger, er sei seit Beginn seines Arbeitslebens bei der landwirtschaftlichen Sozialversicherung versichert. Nun habe er den Betrieb an seinen Sohn im Jahr 2015 übergeben. Er sei erst 63 Jahre alt und habe das Rentenalter noch nicht erreicht. Um diese vorübergehende Phase finanziell und arbeitsmäßig fließend zu gestalten, habe man sich entschieden, beides mit kleinem zeitlichen Abstand zu übergeben [gemeint ist wohl landwirtschaftlicher Betrieb einerseits und Mähdrusch andererseits]. Landwirtschaft und Mähdrusch gehörten in seinen Augen sowieso unmittelbar zusammen. Es gehe nur um eine kurze Phase zur Verbesserung der Altersversorgung. Dass die Entlohnung jetzt nicht dem Mindestlohn entspreche, sei der Tatsache geschuldet, dass er es seinem Sohn in der Anfangszeit etwas leichter machen wolle. Sollte dies die Entscheidung der Beklagten jedoch beeinflussen, würde man die Entlohnung als mitarbeitender Familienangehöriger erhöhen und anpassen. Der Lebensmittelpunkt des Klägers sei jedenfalls mitten in der landwirtschaftlichen Tätigkeit.
Mit Bescheid vom 11.09.2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass man ab 01.07.2018 für diesen die Versicherung als freiwilliges Mitglied der Krankenkasse durchführe. Ab diesem Zeitpunkt sei er ebenfalls pflegeversichert. Beitragsfrei mitversichert sei die Ehefrau des Klägers. Ab 01.09.2018 betrage der monatliche Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung insgesamt 658,42 €.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2018 den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 02.08.2018 als unbegründet zurück. Mit dem Agrarsozialreformgesetz 1995 sei die Vorschrift des § 2 Abs. 4a KVLG 1989 mit Wirkung ab 01.01.1995 eingeführt worden, welche bestimme, dass nach § 2 Abs. 1 KVLG 1989 nicht versicherungspflichtig sei, wer außerhalb der Land- und Forstwirtschaft hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sei. Unter welchen Voraussetzungen eine selbstständige Erwerbstätigkeit außerhalb der Land- und Forstwirtschaft hauptberuflich ausgeübt werde, regele das KVLG 1989 nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine selbstständige Erwerbstätigkeit dann hauptberuflich, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteige oder den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstelle. Da der Kläger keine Arbeitnehmer beschäftige, komme es maßgeblich auf die Prüfungskriterien des zeitlichen Aufwands und der wirtschaftlichen Bedeutung an. Während der Kläger im landwirtschaftlichen Unternehmen durchschnittlich 35 Stunden pro Woche beschäftigt sei, betrage der zeitliche Aufwand für das gewerbliche Unternehmen im Jahresdurchschnitt vier Wochenarbeitsstunden. Die überwiegende Arbeitszeit werde damit für das land- und forstwirtschaftliche Unternehmen aufgebracht. Für die Tätigkeit als mitarbeitender Familienangehöriger im landwirtschaftlichen Unternehmen habe der Kläger laut Jahresmeldung für das Jahr 2017 ein Arbeitsentgelt in Höhe von 7.803 € erzielt. Das außerlandwirtschaftliche Arbeitseinkommen habe laut Einkommensteuerbescheid 2015 68.522 € betragen. Es stehe somit zweifelsfrei fest, dass, auch wenn der Kläger die überwiegende Arbeitszeit für den landwirtschaftlichen Betrieb aufbringe, hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedeutung der Schwerpunkt in deutlichem Maße bei der außerlandwirtschaftlichen selbstständigen Tätigkeit liege, weshalb Versicherungsfreiheit bestehe. Die vorausschauende Prognose lasse zum jetzigen Zeitpunkt keine Änderung in den Verhältnissen erkennen. Sollten sich die Einkommensverhältnisse in Zukunft ändern, werde man eine erneute Prüfung des Versicherungsverhältnisses vornehmen.
Der Kläger könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da die Feststellung der Versicherungspflicht bzw. -freiheit nach den gesetzlichen Grundlagen vorzunehmen sei. Vorliegend habe man von einer rückwirkenden Beendigung der Pflichtversicherung abgesehen und im Rahmen einer Prognoseentscheidung die Versicherungsfreiheit nach erfolgter Anhörung mit Bescheid vom 02.08.2018 laufend ab dem 01.07.2018 festgestellt. Aufgrund der für den Kläger nachteilig geänderten Einkommensverhältnisse (laut Einkommensteuerbescheid 2015) seien der Bescheid vom 10.03.2016 sowie die auf ihm beruhenden Folgebescheide gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) mit Wirkung ab 01.07.2018 entsprechend aufzuheben.
Dagegen hat der Kläger am 08.11.2018 Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben. Mit Schriftsatz vom 08.02.2019 hat er beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2018 zu verurteilen, ihn rückwirkend ab dem 01.07.2018 weiterhin als versicherungspflichtigen mitarbeitenden Familienangehörigen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 KVLG 1989 in der Krankenversicherung der Landwirte zu versichern. Zur Begründung hat der Kläger Folgendes vorgetragen (Schriftsatz vom 08.02.2019): Entgegen der Ansicht der Beklagten sei bezüglich des Schwerpunkts der Tätigkeit in erster Linie der persönliche Einsatz des Klägers zu betrachten. Der Kläger sei ausschließlich während der Erntezeit, insgesamt ca. 25 Tage im Jahr, im Lohndrusch tätig. Im Jahresdurchschnitt betrage die Arbeitsleistung als Lohnunternehmer damit vier Stunden wöchentlich. Dagegen sei der Kläger in der restlichen Zeit des Jahres 35 Stunden/Woche im land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen seines Sohnes als mitarbeitender Familienangehöriger tätig, im Durchschnitt mithin ca. 31,5 Stunden wöchentlich. Zudem stehe die Tatsache, dass die meiste Zeit des Jahres überhaupt kein Lohndrusch stattfinde, der Auffassung entgegen, dass es sich hierbei um die Haupttätigkeit des Klägers handele.
Zwar seien die zu versteuernden Einkünfte aus dem gewerblichen Unternehmen Lohndrusch deutlich höher als diejenigen, die der Kläger als mitarbeitender Familienangehöriger erziele. Ausgehend vom Einkommensteuerbescheid 2016 betrage das Einkommen in der selbstständigen Tätigkeit ca. 521 % [= 43.418 € (also nur Lohndrusch ohne Photovoltaikanlagen) geteilt durch 8.328 € (Mitarbeit Landwirtschaft), s.u. Einkommensteuerbescheid 2016] des Einkommens als mitarbeitender Familienangehöriger. Da die Mitarbeit im landwirtschaftlichen Betrieb demgegenüber jedoch 787 % der Tätigkeit als Lohnunternehmer ausmache, erscheine es bereits deshalb nicht gerechtfertigt, das Augenmerk ausschließlich auf die wirtschaftliche Bedeutung zu legen.
Das Kriterium der wirtschaftlichen Bedeutung könne nicht isoliert für die Feststellung des Schwerpunkts der Tätigkeiten des Klägers herangezogen werden. Dies wäre allenfalls dann möglich, wenn die zeitliche Komponente bei beiden Tätigkeiten nahezu ähnlich wäre.
Die Kriterien des zeitlichen Aufwandes und der wirtschaftlichen Bedeutung müssten kumulativ eindeutig zugunsten einer selbstständigen Tätigkeit überwiegen, um eine hauptberufliche Selbstständigkeit annahmen zu können. Bei widersprüchlichen Schwerpunkten der beiden Kriterien könne eine Entscheidung allein anhand eines Merkmals nicht getroffen werden. Vielmehr sei dann das Tatbestandsmerkmal des Mittelpunktes der Erwerbstätigkeit für die Entscheidungsfindung maßgeblich. Für den Kläger stelle eindeutig die Mithilfe im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der Familie den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit dar. Er sei den Großteil seines Erwerbslebens Eigentümer dieses Betriebs gewesen und fühle sich als Landwirt und nicht als Gewerbetreibender. Außerdem setze sich der Kläger mit erheblichem Zeitaufwand weiterhin ehrenamtlich für die Landwirtschaft in seiner Region ein.
Der Klagebegründung beigefügt war der Einkommensteuerbescheid 2016, der unter anderem folgende Einkünfte des Klägers ausweist:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
als Einzelunternehmer 43.414 €
als Einzelunternehmer (2. Betrieb) 3.966 €
als Einzelunternehmer (weitere Betriebe) 3.142 €
Einkünfte 50.526 €
Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit
Bruttoarbeitslohn 8.328 €
ab Arbeitnehmer-Pauschbetrag 1.000 €
Einkünfte 7.328 €
Demgegenüber hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 04.03.2019 erwidert, der Kläger habe im Kalenderjahr 2018 ein jährliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 7.812 € erzielt, wohingegen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb laut Einkommensteuerbescheiden 2015 und 2016 68.522 € bzw. 50.526 € betragen hätten. Regelungszweck des § 2 Abs. 4 a KVLG 1989 sei unter anderem die Missbrauchsabwehr. Es solle vermieden werden, dass durch Aufnahme einer niedrig vergüteten, aber grundsätzlich versicherungspflichtigen Beschäftigung als mitarbeitender Familienangehöriger der umfassende Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung beansprucht werden könne, obwohl der Versicherte weder zu dem des Solidarschutzes bedürftigen Personenkreis gehöre noch nach seinem Arbeitseinkommen bzw. seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu den Lasten der Solidargemeinschaft beitrage. Vor dem Hintergrund des Aspektes der Missbrauchsabwehr sei deshalb vorliegend von einer außerlandwirtschaftlichen hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit des Klägers auszugeben. Es müssten nicht beide Kriterien der wirtschaftlichen Bedeutung und der Arbeitszeit jeweils für sich in der außerlandwirtschaftlichen Tätigkeit überwiegen. Im Interesse der Finanzierbarkeit und Beitragsgerechtigkeit bedürfe der Kläger nicht des Schutzes in der Pflichtversicherung mit deutlich niedrigeren Beiträgen im Vergleich zur freiwilligen Versicherung.
Der Kläger hat sich mit Schriftsatz vom 08.02.2019, die Beklagte mit Schriftsatz vom 07.05.2019 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Daraufhin hat das SG Würzburg mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 09.07.2019 den Bescheid der Beklagten vom 02.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2018 aufgehoben. Es hat dabei den Antrag der Klägerseite im Tatbestand "sinngemäß" (nur) dahingehend formuliert, den Bescheid vom 02.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2018 aufzuheben.
Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die reine Anfechtungsklage sei zulässig und begründet. Der Bescheid vom 02.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2018 sei rechtswidrig. Der Kläger sei über den 30.06.2018 hinaus versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten gewesen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Versicherungspflicht des Klägers als mitarbeitender Familienangehöriger nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 KVLG 1989 nicht nach § 2 Abs. 4a KVLG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sei nicht versicherungspflichtig, wer außerhalb der Land- und Forstwirtschaft hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sei.
Eine selbstständige Erwerbstätigkeit sei dann als hauptberuflich anzusehen, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Umfang her die übrigen Erwerbstätigkeiten deutlich übersteige. Ein generell vordergründiges Abstellen auf die wirtschaftliche Bedeutung sei zur Überzeugung der Kammer nicht zulässig, wenngleich dieses Kriterium durch Auswertung von Steuerbescheiden trennschärfer erscheine. Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung des Schwerpunkts der beruflichen Tätigkeit und der Versicherungspflicht des landwirtschaftlichen Unternehmers seien also allein der Zeitaufwand für und das erzielte Entgelt aus den verschiedenen Tätigkeiten, die gegeneinander abgewogen werden müssten. Der Entgeltfaktor und der Zeitfaktor müssten zur Überzeugung der Kammer kumulativ vorliegen (so auch Landessozialgericht - LSG - Hamburg, Urteil vom 01.10.2014, L 1 KR 56/11).
Zwar liege der Schwerpunkt hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedeutung bei der außerlandwirtschaftlichen selbstständigen Tätigkeit, da der Kläger für die Tätigkeit als mitarbeitender Familienangehöriger am landwirtschaftlichen Unternehmen laut der Jahresmeldung für das Jahr 2017 Arbeitsentgelt in Höhe von 7.803,- € erzielt habe. Das außerlandwirtschaftliche Arbeitseinkommen habe ausweislich des Einkommensteuerbescheides 2015 dagegen insgesamt 68.522 € betragen, nach dem Einkommensteuerbescheid 2016 insgesamt 50.526,- €. Davon habe der Kläger etwa 30.000,- € bis 45.000,- € aus dem Mähdrusch erzielt.
Allerdings sei der Kläger im landwirtschaftlichen Unternehmen durchschnittlich 30 bis 35 Stunden in der Woche beschäftigt. Die Beschäftigung als mitarbeitender Familienangehöriger werde lediglich für die Dauer der Erntemonate, in dem Zeitraum vom Juli bis Oktober, unterbrochen. In diesem Zeitraum sei der Kläger je nach Bedarf als Lohnunternehmer (Mähdrusch) tätig. Ansonsten erziele er Einkünfte im Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen. Der zeitliche Aufwand für das gewerbliche Unternehmen betrage nach den unstreitigen Angaben des Klägers im Jahresdurchschnitt etwa vier Wochenarbeitsstunden für die Lohnunternehmertätigkeit und eine Stunde/Woche für die Kontrolle/Wartung der Photovoltaikanlage. Hinsichtlich der Beurteilung der aufgebrachten Arbeitszeiten für das land- und forstwirtschaftliche Unternehmen sowie für das gewerbliche Unternehmen sei mithin davon auszugehen, dass die überwiegende Arbeitszeit für die Mitarbeit im land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen aufgebracht werde.
Nach Ansicht der Kammer stelle demnach die Mithilfe im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der Familie den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit dar. Der deutlich überwiegende Zeitfaktor lasse hier keine andere Bewertung zu. Auch der Schutzzweck der Norm stehe einer Fortführung der Pflichtversicherung nicht entgegen.
Gegen das ihr am 16.07.2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 12.08.2019 beim Bayer. LSG eingegangenen Schreiben vom 06.08.2019 Berufung eingelegt und diese über das bereits im Klageverfahren Vorgetragene hinaus wie folgt begründet (Schriftsätze vom 27.08.2019 und 07.12.2020):
Normzweck der Parallelvorschriften des § 2 Abs. 4a KVLG 1989 sowie des § 5 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei unter anderem die Missbrauchsabwehr. Im Bereich der Krankenversicherung der Landwirte sollten hauptberuflich außerhalb der Land- und Forstwirtschaft selbstständige Erwerbstätige aus der vergleichsweise günstigen, mit erheblichen Steuermitteln finanzierten Pflichtversicherung ausgeschlossen werden.
Weder aus dem Wortlaut der maßgeblichen Vorschrift noch aus der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ergebe sich, dass die Voraussetzungen für das Überwiegen von Arbeitszeit und wirtschaftlicher Bedeutung kumulativ vorliegen müssten.
Laut Jahresmeldung im Jahr 2018 habe der Kläger lediglich ein Arbeitsentgelt in Höhe von 7.812 € erzielt. Unter Zugrundelegung des für das Kalenderjahr 2018 maßgeblichen Mindestlohnes in der Landwirtschaft von 8,84 € pro Stunde betrage die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit des Klägers 17 Stunden. Im Jahresdurchschnitt werde die für das gewerbliche Unternehmen aufgebrachte Arbeitszeit zwar insgesamt niedriger sein als diejenige für die Tätigkeit als mitarbeitender Familienangehöriger. Die Beklagte sei allerdings der Ansicht, dass der Unterschied deutlich niedriger sein dürfte als bisher angenommen.
Zudem bestreite der Kläger seinen Lebensunterhalt überwiegend und in deutlichem Maße aus den Einkünften seiner außerlandwirtschaftlichen hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit.
Zu vergleichen seien nur die Einkünfte aus der Tätigkeit als mitarbeitender Familienangehöriger und die Einkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit. Sonstige Einkünfte, etwa das monatliche Taschengeld in Höhe von 1000 € quasi im Gegenzug für die Hofübergabe oder ein lebenslanges Wohnrecht blieben außer Betracht, ebenso wie unentgeltliche und ehrenamtliche Tätigkeiten für die Landwirtschaft.
Die Einkünfte aus der selbstständigen Erwerbstätigkeit überstiegen in überwältigendem Maße die Einkünfte aus der Tätigkeit als mitarbeitender Familienangehöriger. Der wirtschaftliche Schwerpunkt liege damit eindeutig bei der außerlandwirtschaftlichen selbstständigen Erwerbstätigkeit.
Mit Schriftsatz vom 05.12.20219 hat die Beklagte die Jahresmeldungen 2015 bis 2018 im DEÜV-Meldeverfahren (rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers, Bruttolöhne) vorgelegt.
Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schriftsätzen vom 25.10.2019, 27.01.2020 und 23.12.2020 erwidert, der Kläger habe niemals die Absicht gehabt, durch ein Mindestmaß an abhängiger Nebenbeschäftigung den Schutz der allgemeinen Krankenversicherung zu erlangen. Der Schwerpunkt liege nach wie vor bei seiner Tätigkeit als mitarbeitender Familienangehöriger im land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen, welches bis zur Hofübergabe 2015 ihm gehört habe. Unter Zugrundelegung des Bruttoarbeitslohns von 8.328 € laut Einkommensteuerbescheid 2016 und des maßgeblichen Bruttomindestlohns 2016 von 8 € je Stunde ergebe sich bei tatsächlich 48 abgeleisteten Wochen im Jahr eine durchschnittliche vergütete Arbeitszeit von ca. 21,7 Stunden, bei Bildung des Durchschnittswertes für ein volles Kalenderjahr von 52 Wochen eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 20 Stunden. Darüber hinaus arbeite der Kläger unentgeltlich deutlich mehr im Betrieb seines Sohnes mit. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiere nicht. Die monatliche Vergütung sei lediglich mündlich vereinbart und auch abgerechnet worden, eine feste Stundenzahl sei nicht festgelegt.
Bei den Lohndruscharbeiten handele es sich um den Drusch von Getreide, Bohnen, Raps und Mais. Beim Drusch von Getreide, Bohnen und Raps könnten innerhalb einer Stunde durchschnittlich drei Hektar abgeleistet werden, beim Dreschen von Mais zwei Hektar pro Stunde. Ausweislich der - in der Anlage beigefügten Abrechnungen - werde die Tätigkeit des Klägers im Lohndrusch nach Fläche bezahlt. Somit ließen sich folgende Arbeitszeiten im Lohndrusch ermitteln:
- durchschnittliche Wochenarbeitszeit im Jahr 2015: 216,90 Stunden, umgelegt auf 52 Wochen = 4,17 Stunden/Woche
- durchschnittliche Wochenarbeitszeit im Jahr 2015: 204,8 Stunden, umgelegt auf 52 Wochen = 3,94 Stunden/Woche
- durchschnittliche Wochenarbeitszeit im Jahr 2017: 206,10 Stunden, umgelegt auf 52 Wochen = 3,96 Stunden/Woche.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Berechnungen des Klägers im Schriftsatz vom 25.10.2019 mitsamt Anlagen verwiesen.
Der Kläger hat weiter ausgeführt, der im angefochtenen Urteil geäußerten Ansicht des SG Würzburg, dass der Entgeltfaktor und der Zeitfaktor kumulativ vorliegen müssten, sei beizupflichten. Eine Entscheidung darüber, ob eine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit vorliege oder aber der Schwerpunkt der Erwerbstätigkeit nach wie vor im landwirtschaftlichen Unternehmen der Familie liege, müsse anhand des Gesamtbildes aller relevanten Umstände getroffen werden. Auf der einen Seite sei der Kläger im landwirtschaftlichen Unternehmen seines Sohnes im Jahresdurchschnitt mit 31,5 Stunden/Woche tätig, also deutlich mehr als halbtags, wenngleich auch nicht jede abgeleistete Stunde vergütet werde. Auf der anderen Seite betrage die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im Lohndrusch mittlerweile nur noch etwa drei Stunden (Tendenz rückläufig), zzgl. einer Stunde/Woche für die Kontrolle und Wartung der Photovoltaikanlage. Wenngleich in der selbstständigen Tätigkeit deutlich höhere Einkünfte erzielt würden, könne diese nicht als hauptberuflich angesehen werden angesichts des deutlich höheren Zeitaufwands für die Tätigkeit in der Landwirtschaft, zu der noch eine umfangreiche ehrenamtliche Tätigkeit hinzukomme, die bislang nicht berücksichtigt worden sei. Insgesamt könne vom Grundsatz der Versicherungspflicht als mitarbeitender Familienangehöriger nicht abgewichen werden, da eine hauptberuflich ausgeübte selbstständige Tätigkeit nicht festgestellt werden könne. Bei einem derart niedrigen zeitlichen Aufwand könne schwerlich von einer Hauptberuflichkeit die Rede sein, selbst wenn die Tätigkeit äußerst lukrativ vergütet werde.
Auch der Sinn und Zweck des § 2 Abs. 4a KVLG 1989 gebiete keine vorrangige Heranziehung des Merkmals der wirtschaftlichen Bedeutung. Die wirtschaftliche Bedeutung der Lohndruscharbeiten werde zudem dadurch relativiert, dass der Kläger neben seinem Lohn als mitarbeitender Familienangehöriger aufgrund des Übernahmevertrages mit seinem Sohn ein lebenslanges Wohnrecht und bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres eine monatliche Taschengeldzahlung in Höhe von 1.000 € gewährt bekomme. Demgegenüber übersteige der zeitliche Aufwand des Klägers als mitarbeitender Familienangehöriger denjenigen als Lohnunternehmer deutlich.
Auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Kapitalvermögen, die bei der Beurteilung der Hauptberuflichkeit außer Betracht blieben, könnten mitunter sehr hoch sein, zögen aber in der Regel keinen allzu hohen Aufwand mit sich. Die drohende Ungleichbehandlung einer solchen Sachlage lasse sich nur dadurch korrigieren, dass in jedem Fall ein entsprechender zeitlicher Tätigkeitsaufwand festgestellt werden müsse, auf welchem die Einkünfte beruhten. Nur so sei es gerechtfertigt, eine Einnahmeerzielung als hauptberuflich anzusehen.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 29.09.2020 zur Stützung ihrer Rechtsauffassung verschiedene (landes)sozialgerichtliche Entscheidungen (SG München vom 26.01.2012, S 17 KR 33/09; SG Regensburg vom 11.10.2018, S 2 KR 563/17; Bayer. LSG vom 31.07.2013, L 4 KR 106/11, und vom 09.11.2016, L 4 KR 115/15) vorgelegt, die nach Auffassung der Klägerseite jedoch entweder nicht einschlägig oder nicht zutreffend seien (Schriftsatz vom 27.10.2020).
Herr A., der Sohn des Klägers, ist mit Beschluss vom 15.01.2021 zum Verfahren beigeladen und anschließend zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 22.01.2021 geladen worden. Mit Schreiben vom 18.01.2021 hat er mitgeteilt, dass er keine Einwände gegen den Termin zur mündlichen Verhandlung am 22.01.2021 habe, auch wenn die Ladungsfrist des § 110 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ihm gegenüber nicht eingehalten worden sei.
Mit Schriftsatz vom 10.01.2021 hat der Klägerbevollmächtigte die Einkommensteuerbescheide des Klägers für die Jahre 2017 und 2018 vorgelegt und darauf hingewiesen, dass der zeitliche Aufwand im Lohnunternehmen leicht rückgängig sei, er werde aber in Zukunft in etwa gleichbleiben, da der Kläger ein gewisses Vergnügen an der Tätigkeit empfinde und die Maschinen in geringem Umfang nutzen wolle, solange sie funktionierten. Der Umfang der Hofmitarbeit sei unverändert und damit der Schwerpunkt des zeitlichen Aufwands des Klägers. Seit Mai 2020 erhalte er (wie vereinbart) die Taschengeldzahlung von 1.000 € monatlich nicht mehr.
Der vorgelegte Einkommensteuerbescheid 2017 weist unter anderem folgende Einkünfte aus:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
als Einzelunternehmer 30.413 €
als Einzelunternehmer (2. Betrieb) 4.475 €
als Einzelunternehmer (weitere Betriebe) 4.079 €
Einkünfte 38.967 €
Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit
Bruttoarbeitslohn 8.328 €
ab Arbeitnehmer-Pauschbetrag 1.000 €
Einkünfte 7.328 €
Der ebenfalls vorgelegte Einkommensteuerbescheid 2018 weist unter anderem folgende Einkünfte aus:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
als Einzelunternehmer 35.360 €
als Einzelunternehmer (2. Betrieb) 8.951 €
als Einzelunternehmer (weitere Betriebe) 3.482 €
Einkünfte 47.793 €
Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit
Bruttoarbeitslohn 8.328 €
ab Arbeitnehmer-Pauschbetrag 1.000 €
Einkünfte 7.328 €
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 09.07.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Berufung ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet. Der Kläger ist angesichts seiner hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit ab 09.08.2018 nicht als mitarbeitender Familienangehöriger bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 02.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2018, mit dem die Beklagte die Beendigung der bisherigen Pflichtversicherung des Klägers als mitarbeitender Familienangehöriger nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 KVLG 1989 mit Ablauf des 30.06.2018 feststellte, weil der Kläger als hauptberuflich außerhalb der Landwirtschaft selbstständiger Erwerbstätiger nach § 2 Abs. 4a KVLG 1989 nicht versicherungspflichtig sei. Betroffen ist sowohl die Versicherungspflicht des Klägers in der Krankenversicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 KVLG 1989 als auch die sich daraus ergebende Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Zwar ist im Bescheid vom 02.08.2018 nur generell von der Beendigung des klägerischen Versicherungsverhältnisses als mitarbeitender Familienangehöriger die Rede. In der diesem vorausgehenden Anhörung vom 13.06.2018 wird jedoch ausdrücklich auf die Versicherungspflicht des Klägers in der Kranken- und Pflegeversicherung Bezug genommen. Gleichermaßen weist der Widerspruchsbescheid vom 09.10.2018 darauf hin, dass der Bescheid der landwirtschaftlichen Kranken-/Pflegekasse vom 02.08.2018 (vgl. Seite 1) bezüglich etwaiger Beiträge zur Pflegeversicherung auch im Namen der SVLFG als Pflegekasse ergehe (vgl. Seite 4). Zwar geht es in den streitgegenständlichen Bescheiden nicht um die Beitragsfestsetzung (vgl. § 46 Abs. 2 Satz 4 SGB XI), sondern um die Versicherungspflicht an sich, dennoch bringt die Beklagte durch die Nennung des § 46 Abs. 2 Satz 5 SGB XI hinreichend zum Ausdruck, dass die im streitgegenständlichen Bescheid geregelte Beendigung der Versicherungspflicht gleichermaßen die Krankenversicherung wie die ihr folgende Pflegeversicherung betrifft. Der Kläger hat im Klageantrag im Schriftsatz vom 08.02.2019 explizit nur die Krankenversicherung der Landwirte erwähnt, den Bescheid vom 02.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.10.2018 aber in vollem Umfang angefochten. Vor diesem Hintergrund und im Sinne des Meistbegünstigungsprinzips (vgl. dazu Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 123 Rn. 3 m.w.N), wonach ein Kläger im Zweifel den Antrag stellen will, der ihm am besten zum Ziel verhilft, geht der Senat mit dem SG davon aus, dass sich der Kläger auch gegen die Beendigung der Versicherungspflicht als mitarbeitender Familienangehöriger in der Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI) wendet und das SG auch hierüber entschieden hat, was sich insbesondere auch aus dem vorletzten Satz der Entscheidungsgründe ergibt.
Nicht Streitgegenstand ist der Bescheid vom 11.09.2018, mit dem die Beklagte dem Kläger mitteilte, dass sie ab 01.07.2018 für ihn die Versicherung als freiwilliges Mitglied der Krankenversicherung und als Mitglied der Pflegeversicherung durchführe, und die entsprechenden Beiträge ab 01.07.2018 festsetzte. Dieser Bescheid wurde nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens nach § 86 SGG, weil er den Bescheid vom 02.08.2018 über die Beendigung der Versicherungspflicht als mitarbeitender Familienangehöriger nicht ändert, sondern ein neues Versicherungsverhältnis begründet, dass der Kläger auch bei einer anderen Krankenkasse hätte durchführen können.
Die Beklagte hatte mit dem Bescheid vom 10.03.2016 durch Verwaltungsakt mit Dauerwirkung die Versicherungspflicht des Klägers in der Kranken- und Pflegeversicherung als mitarbeitender Familienangehöriger im landwirtschaftlichen Unternehmen festgestellt. Zur Beendigung dieser Versicherungspflicht musste sie deshalb die damit geschaffene Rechtsposition durch einen Verwaltungsakt (Bescheid vom 02.08.2018) - gestützt auf § 48 SGB X - zurücknehmen (vgl. BSG, Urteil vom 27.08.1998, B 10 KR 5/97 R). Der Bescheid vom 02.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2018 ist rechtmäßig, soweit er den Bescheid vom 10.03.2016 für die Zukunft aufhebt (a); er ist dagegen rechtswidrig, soweit er den Bescheid vom 10.03.2016 auch für die Vergangenheit aufhebt (b). Der Bescheid vom 02.08.2018 ist selbst ein Dauerverwaltungsakt, der auch über den 02.08.2018 rechtmäßig blieb (c).
(a) Die Beklagte hat - wenn auch erst im Widerspruchsbescheid vom 09.10.2018 - hinreichend bestimmt zum Ausdruck gebracht, dass der Bescheid vom 10.03.2016 wegen Änderung der Einkommensverhältnisse (laut Einkommensteuerbescheid 2015) gemäß § 48 SGB X aufzuheben war. Diese Aufhebungsentscheidung ist für die Zukunft rechtmäßig unabhängig davon, auf welche Variante bzw. welchen Satz des § 48 Abs. 1 SGB X sich die Beklagte stützte, weil es sich hierbei um eine gebundene Entscheidung handelt, bei der eine fehlerhafte Begründung keine Folgen zeitigt, wenn die Entscheidung - wie vorliegend - mit anderer Begründung materiell richtig ist (vgl. Littmann in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand 04/2013, § 35 Rn. 55).
§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X bestimmt: Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Bei dem Bescheid vom 10.03.2016 über die Versicherungspflicht des Klägers in der Kranken- und Pflegeversicherung handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (siehe oben).
Eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen trat ein, als der Einkommenssteuerbescheid des Klägers für das Jahr 2015 am 05.06.2018 erlassen und der Beklagten am 10.06.2018 zur Kenntnis gebracht wurde und damit der Beklagten eine Prognoseentscheidung bezüglich der Versicherungspflicht bzw. -freiheit des Klägers ermöglichte. Allein hierauf und nicht auf die Frage, ob rückblickend bereits bei Erlass des Bescheides vom 10.03.2016 die Voraussetzung für eine Versicherungspflicht des Klägers als mitarbeitender Familienangehöriger wegen gleichzeitiger hauptberuflich selbstständiger Erwerbstätigkeit nach § 2 Abs. 4a KVLG 1989 nicht gegeben waren, kommt es vorliegend an (weshalb die Aufhebung des Bescheides vom 10.03.2016 auf § 48 SGB X und nicht auf § 45 SGB X zu stützen war). Denn die Beurteilung, ob eine hauptberuflich selbstständige Erwerbstätigkeit (nach § 2 Abs. 4a KVLG 1989 oder auch nach § 5 Abs. 5 SGB V) eine Versicherungspflicht ausschließt, hat in einer vorausschauenden Betrachtungsweise zu erfolgen, da Entscheidungen über die Versicherungspflicht zugleich gegenwartsorientiert und durch ihre Dauerwirkung zukunftsbezogen sind (vgl. Moritz-Ritter in: LPK, SGB V, 5. Aufl. 2016, § 5 Rn. 82).
Die Änderungen aufgrund der Erkenntnisse aus dem Einkommensteuerbescheid 2015 waren auch wesentlich, weil der Bescheid vom 10.03.2016 nach den dadurch neu vorliegenden Verhältnissen bzw. Erkenntnissen von der Beklagten so nicht mehr hätte erlassen werden dürfen. Aufgrund der Angaben im Einkommensteuerbescheid 2015 ist die Beklagte im Bescheid vom 02.08.2018 richtigerweise zu der Einschätzung gelangt, dass eine Versicherungspflicht des Klägers als mitarbeitender Familienangehöriger nach § 2 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 KVLG 1989 (wie im Bescheid vom 10.03.2016 festgestellt) wegen daneben ausgeübter hauptberuflich selbstständiger Erwerbstätigkeit nach § 2 Abs. 4a KVLG 1989 nicht (mehr) bestand.
Gemäß § 2 Abs. 4a KVLG 1989 ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 KVLG 1989 nicht versicherungspflichtig, wer außerhalb der Land- und Forstwirtschaft hauptberuflich selbstständig erwerbstätig ist (Satz 1). Bei Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit außerhalb der Land- und Forstwirtschaft regelmäßig mindestens einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigen, wird vermutet, dass sie außerhalb der Land- und Forstwirtschaft hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind; als Arbeitnehmer gelten für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft (Satz 2).
Der Kläger beschäftigte und beschäftigt im Rahmen seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit keine Arbeitnehmer.
Die Versicherungspflicht hat sich damit nach dem Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit zu richten, ebenso wie beim im Wesentlichen gleichlautenden § 5 Abs. 5 SGB V bzgl. des Zusammentreffens von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit (BT-Drucks. 12/5700, Seite 95), sodass zur Auslegung des Begriffs der Hauptberuflichkeit im Sinne des § 2 Abs. 4a KVLG 1989 auch auf die zu § 5 Abs. 5 SGB V ergangene BSG-Rechtsprechung zurückzugreifen ist.
Beide Normen (§ 2 Abs. 4a KVLG 1989 und § 5 Abs. 5 SGB V) dienen der Missbrauchsabwehr. Sie sollen unter anderem verhindern, dass ein nicht versicherungspflichtiger Selbstständiger durch ein Mindestmaß an abhängiger Beschäftigung den Schutz der allgemeinen Krankenversicherung erlangt, obwohl er seinen Lebensunterhalt ganz überwiegend aus der selbstständigen Tätigkeit bestreitet und weder zu dem des Solidarschutzes der gesetzlichen Krankenversicherung bedürftigen Personenkreis gehört noch zu den Lasten der Solidargemeinschaft nach seinem Arbeitseinkommen bzw. seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beiträgt (BSG, Urteil vom 30.03.2006, B 10 KR 2/04 R, vgl. auch BT-Drucks. 11/2237, Seite 159).
Nach der Rechtsprechung des BSG ist untere Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien (siehe oben) eine selbstständige Erwerbstätigkeit dann als hauptberuflich anzusehen, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird die selbstständige Tätigkeit nicht hauptberuflich ausgeübt. Dabei kommt dem Kriterium "Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit" keine eigenständige Bedeutung zu; es stellt insbesondere kein eigenständiges "Tatbestandsmerkmal" dar. Der in den Gesetzesmaterialien neben der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand genannte Begriff "Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit" dient lediglich der Verdeutlichung des Begriffs "hauptberuflich" (vgl. BT-Drucks 11/2237, Seite 159). Zugleich weist er auf eine notwendige Gesamtschau hin, die Zufallsergebnisse vermeiden soll, wenn ein geringes Zurückbleiben bei einem Kriterium mit einem deutlichen Übersteigen beim anderen Kriterium zusammentrifft. Dieser Lösungsansatz erlaubt es zudem, Besonderheiten wie z.B. im Falle eines Ausbildungsverhältnisses mit entsprechend geringer Vergütung Rechnung zu tragen, indem bei der gebotenen Gesamtschau eine höhere Bewertung der wirtschaftlichen Bedeutung dieses Entgelts im Hinblick auf die angestrebte abhängige Beschäftigung im späteren Beruf vorgenommen wird (vgl. insg. BSG, Urteil vom 29.09.1997, 10 RK 2/97).
Werden mehrere selbstständige Tätigkeiten wie vorliegend durch den Kläger ausgeübt, sind sie hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und des zeitlichen Umfangs zusammenzurechnen (Schönfeld/Plenker, Lexikon für das Lohnbüro, 62. Aufl. 2020, 3.1 Selbstständige Tätigkeit neben anderer Erwerbstätigkeit).
Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau sind die tatsächlichen Verhältnisse in einer vorausschauenden Betrachtungsweise zu beurteilen. Entscheidungen über die Versicherungspflicht sind ihrer Natur nach gegenwartsorientiert und zugleich - durch ihre Dauerwirkung - zukunftsbezogen. Da von diesen Entscheidungen im Interesse der Versicherten Entwicklungen über längere Zeiträume nicht abgewartet werden können, müssen sich die Entscheidungen regelmäßig nach den Umständen richten, die dem streitigen Zeitraum des Zusammentreffens von Versicherungspflichttatbestand und der selbstständigen Erwerbstätigkeit möglichst unmittelbar vorhergehen und eine Vorausschau auf die Zukunft zulassen. In der Folgezeit eingetretene tatsächliche Entwicklungen eignen sich zwar nicht als Beurteilungsgrundlage einer Prognose; allerdings ist es auch nicht mit dem Gebot einer vorausschauenden Betrachtungsweise unvereinbar, später eingetretene Entwicklungen als Bestätigung für jene Anhaltspunkte zu berücksichtigen, auf die die Prognose gestützt wird (BSG, Urteil vom 29.09.1997, 10 RK 2/97).
Für die Prüfung der wirtschaftlichen Bedeutung einerseits der selbstständigen außerlandwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (Lohndrusch, Photovoltaik) und andererseits der Mitarbeit im land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen des Beigeladenen sind Arbeitseinkommen und Arbeitsentgelt miteinander zu vergleichen.
Als Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus der Beschäftigung zu werten (§ 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)). Nach § 15 Abs. 1 SGB IV ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist.
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben ergibt sich im Falle des Klägers Folgendes:
Zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides vom 02.08.2018 hatte die Prüfung einer hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit des Klägers bezüglich des Kriteriums der wirtschaftlichen Bedeutung anhand des (damals aktuellsten) Einkommensteuerbescheides 2015 (wobei die Einkünfte aus Gewerbebetrieb laut Schreiben des klägerischen Steuerberaters vom 02.07.2018 in den Folgejahren sich nicht wesentlich ändern sollten) bzw. der aktuelleren Jahresmeldungen für die Tätigkeit als mitarbeitender Familienangehöriger (2017) zu erfolgen.
Demnach ergaben sich Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit (Gewerbebetrieb) in Höhe von 68.522 € im Jahr 2015, während der Kläger aus der Beschäftigung im land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen des Beigeladenen 2015 nur Einkünfte in Höhe von 4.164 € brutto bzw. 3.164 € netto erzielte, die sich laut Jahresmeldungen im Jahr 2016 auf 7.811 € und im Jahr 2017 auf 7.803 € erhöhten.
Laut Angaben des Klägers im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren betrug der durchschnittliche Zeitaufwand für den Lohndrusch vier Wochenarbeitsstunden, für die Photovoltaikanlage zusätzlich eine Stunde pro Woche. Dies wurde im Wesentlichen durch die im Berufungsverfahren vom Klägerbevollmächtigten vorgelegte Berechnung bestätigt (Schriftsatz vom 25.10.2019 mit Anlagen). Dem hinzuzurechnen ist noch die Zeit, die der Kläger zur Vor- bzw. Nachbereitung der Lohndruscharbeiten benötigt (Organisation, Rechnungsstellung, Maschinen vorbereiten und warten, ggf. Anfahrt; vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 29.09.1997, 10 RK 2/97).
Demgegenüber gab der Kläger an, 30 bis 35 Wochenstunden im Betrieb seines Sohnes mitzuarbeiten. Eine "Erwerbs"-Tätigkeit - und nur hierauf kann es bei der Beurteilung des Mittelpunktes der Erwerbstätigkeit im Rahmen des § 2 Abs. 4a KVLG 1989 ankommen - liegt jedoch nur insoweit vor, als hierfür auch eine Entlohnung erfolgte. Unter Zugrundelegung des tariflichen Mindestlohns in der Landwirtschaft 2017 in Höhe von 8,60 € - weil kein Arbeitsvertrag mit einem konkreten Stundensatz existiert - und tatsächlich 48 abgeleisteten Wochen im Jahr folgt aus dem für das Jahr 2017 gemeldeten Arbeitsentgelt in Höhe von 7.803 € eine durchschnittliche wöchentliche bezahlte Arbeitszeit im Rahmen der landwirtschaftlichen Mitarbeit von 18,9 Stunden (= 7.803 geteilt durch 8,6, geteilt durch 48).
Damit ist festzuhalten, dass zum Zeitpunkt der Prognoseentscheidung der Beklagten im Jahr 2018 einerseits die wirtschaftliche Bedeutung der selbstständigen Erwerbstätigkeit des Klägers diejenige der Beschäftigung im land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen des Beigeladenen deutlich überstieg, während andererseits der zeitliche Aufwand für letztere denjenigen für die selbstständige Erwerbstätigkeit eindeutig überstieg.
Zur Überzeugung des Senats müssen aber das wirtschaftliche und das zeitliche Kriterium im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung nicht zwingend kumulativ, also jedes für sich betrachtet, überwiegen (anders wohl LSG Hamburg, Urteil vom 01.10.2014, L 1 KR 56/11).
Zwar hat das BSG (Urteil vom 29.09.1997, 10 RK 2/97) ausgeführt, die notwendige Gesamtschau zur Ermittlung des Mittelpunktes der Erwerbstätigkeit solle Zufallsergebnisse vermeiden, wenn ein "geringes" Zurückbleiben bei einem Kriterium mit einem deutlichen Übersteigen beim anderen Kriterium zusammentrifft. Demgegenüber trifft vorliegend ein deutliches Übersteigen beim wirtschaftlichen Kriterium nicht mit einem geringen Zurückbleiben der selbstständigen Erwerbstätigkeit beim zeitlichen Kriterium, sondern mit einem (wenn auch weniger ausgeprägten) deutlichen Zurückbleiben beim zeitlichen Kriterium zusammen. Das BSG hat jedoch auch ausgeführt, dass es nicht auf eine genaue Gewichtung im Detail ankommt (BSG, Urteil vom 29.04.1997, 10/4 RK 3/96), also auch nicht auf die exakten prozentualen Werte des jeweiligen Übersteigens. Denn im Rahmen der Beurteilung der Hauptberuflichkeit ist nicht eine schematische Gesamtberechnung, sondern eine wertende Gesamtschau von Zeitaufwand und erzielten Einkünften aus den verschiedenen Tätigkeiten vorzunehmen.
Wenngleich sich ein generell vordergründiges Abstellen auf die wirtschaftliche Bedeutung einer Erwerbstätigkeit verbietet, so führen zur Überzeugung des Senats die Besonderheiten des vorliegenden Falles dennoch dazu, aufgrund des sowohl relativ im Verhältnis zum Entgelt aus der landwirtschaftlichen Mitarbeit als auch absolut beachtlichen Umfangs der Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit letztere als den Schwerpunkt der klägerischen Erwerbstätigkeit zu erachten. Immerhin waren die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb um ein Vielfaches höher als das vom Kläger erzielte Arbeitsentgelt aufgrund der Hofmitarbeit (das zunächst 0 € betrug und erst im Folgenden auf rund 8.000 € anstieg). Außerdem überstiegen die Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit laut Einkommensteuerbescheid 2015 allein für sich gesehen bereits die Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung. Den Kläger dennoch dem Solidarschutz der vergleichsweise sehr günstigen Pflichtversicherung als mitarbeitender Familienangehöriger nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 KVLG 1989 zu unterstellen, wäre mit Sinn und Zweck des § 2 Abs. 4a KVLG 1989 angesichts seines Erwerbseinkommens nur schwer zu vereinbaren.
Zwar wird in der Literatur teilweise dem Kriterium des Zeitaufwands bei der Frage der Hauptberuflichkeit die grundsätzlich höhere Bedeutung zugemessen. Dabei wird aber gleichzeitig darauf hingewiesen, dass auch bei überhalbschichtiger Beschäftigung eine daneben ausgeübte selbstständige Erwerbstätigkeit als hauptberuflich zu erachten ist, wenn die daraus erzielten Einkünfte deutlich überwiegen bzw. die Haupteinnahmequelle darstellen (Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK, SGB V, Stand: 16.09.2020, § 5 Rn. 147; Peters in: Kasseler Kommentar, SGB V, 101. EL 09/2018, § 5 Rn. 193).
Hinzu kommt, dass das Kriterium der finanziellen bzw. wirtschaftlichen Bedeutung - zumindest in der vorliegenden Konstellation - deutlich trennschärfer bzw. aussagekräftiger ist als das Zeitkriterium. Arbeitseinkommen bzw. Arbeitsentgelt ergeben sich klar aus dem Einkommensteuerbescheid bzw. der Jahresentgeltmeldung. Dagegen kann der Zeitaufwand für den Lohndrusch nur anhand der abgerechneten Hektar und der nicht näher nachprüfbaren Angabe des Klägers, wie viele Hektar pro Stunde er dreschen könne, ungefähr ermittelt werden, derjenige für die Photovoltaikanlage kann ebenfalls nur geschätzt werden. So gab der Kläger gegenüber der Beklagten am 19.10.2015 noch an, aus selbstständiger Erwerbstätigkeit als landwirtschaftlicher Lohnunternehmer und Berater 10.000 € zu erzielen - bei einer Arbeitszeit von zwei bis zehn Stunden. Tatsächlich erzielte er 2015 Einkünfte aus Gewerbe in Höhe von 68.522 € und wandte dafür laut Schriftsatz vom 25.10.2019 durchschnittlich (nur) 5,17 Stunden/Woche auf (4,17 Stunden/Woche für Lohndrusch und eine Stunde/Woche für Photovoltaikanlage). Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Einkünfte aus Gewerbebetrieb tatsächlich um ein Vielfaches höher waren als prognostiziert, ohne dass der Zeitaufwand dafür angestiegen wäre. Auch der Zeitaufwand für die Beschäftigung im landwirtschaftlichen Unternehmen des Beigeladenen lässt sich nur mittelbar unter Zugrundelegung des tariflichen Mindestlohns in der Landwirtschaft ermitteln, weil der Kläger faktisch in weitaus größerem Umfang, aber eben ohne Entlohnung, in der Landwirtschaft mitarbeitet.
Diese Unsicherheiten bei der Ermittlung des jeweiligen Zeitaufwandes eröffnen Missbrauchs- bzw. unerwünschte Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf Versicherungsschutz und -beiträge, denen nur dadurch entgegengewirkt werden kann, dass im Zweifel dem deutlich weniger missbrauchsanfälligen wirtschaftlichen Abgrenzungskriterium aufgrund der Feststellungen im Einkommensteuerbescheid höheres Gewicht zugemessen wird. Der Kläger hat nach der Hofübergabe zunächst offensichtlich gänzlich unentgeltlich im land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen weitergearbeitet (vgl. Angabe des Beigeladenen im Fragebogen vom 15.10.2015), sodann wurde mündlich eine Vergütung vereinbart, wobei der Kläger unentgeltlich deutlich mehr im Betrieb des Beigeladenen mitarbeitete, als demnach geschuldet war (vgl. Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 25.10.2019). Im Schreiben vom 21.08.2018 hat der Kläger der Beklagten gegenüber angeboten, dass seine Entlohnung als mitarbeitender Familienangehöriger so erhöht bzw. angepasst werden könnte, dass die Beklagte eine diesbezügliche Hauptberuflichkeit annehmen könne. Dies zeigt, dass bei der Tätigkeit als mitarbeitender Familienangehöriger für den Kläger nicht das erzielte Entgelt und damit die "Erwerbs"-Tätigkeit, sondern die Unterstützung seines Sohnes und ein günstiger Kranken- und Pflegeversicherungsschutz im Vordergrund standen bzw. stehen.
Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass es für landwirtschaftliche Lohnunternehmen wie das des Klägers (Mähdrusch) typisch ist, dass wegen des hohen Kapitaleinsatzes und der beschränkten Erntezeiten Einkünfte aus Gewerbebetrieb innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit erzielt werden und damit der Lebensunterhalt des Unternehmers auch für die außerhalb der Erntezeiten liegenden Monate gesichert wird.
Ohne Bedeutung für die anzustellende Gesamtbetrachtung ist, dass sich der Kläger auch nach der Betriebsübergabe als Landwirt empfindet und die Mitarbeit im landwirtschaftlichen Betrieb des Sohnes als Mittelpunkt seines Lebens sieht. Denn derartige subjektive Gefühle sind - auch wegen der mangelnden Objektivierbarkeit - kein geeignetes Abgrenzungskriterium. Vielmehr ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die Mithilfe im landwirtschaftlichen Unternehmen des Beigeladenen für den Kläger unter erwerbsgeschäftlichen Aspekten - gegenüber dem Lohnunternehmen - nur von nachrangiger Bedeutung zu sein scheint. Denn der Stundenlohn in dieser Tätigkeit ist für den Kläger vergleichsweise unwichtig. So hat er zunächst unentgeltlich und später in einem größeren zeitlichen Umfang mitgearbeitet, als es sich bei Zugrundelegung des Mindeststundenlohns in der Landwirtschaft ergibt, was die ganz nachrangige Bedeutung der Einkommenserzielung durch die Mitarbeit im landwirtschaftlichen Betrieb belegt.
Angesichts dieser Gesamtumstände war die - voll gerichtlich überprüfbare (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2014, B 3 KS 4/13 R) - Feststellung bzw. Prognose der Beklagten im Jahr 2018 zutreffend, wonach beim Kläger im Rahmen der Gesamtschau die selbstständige Erwerbstätigkeit als Schwerpunkt seiner Erwerbstätigkeit zu erachten ist, sodass die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung als mitarbeitender Familienangehöriger wegen des § 2 Abs. 4a KVLG 1989 nicht (mehr) vorlagen.
Damit waren die Voraussetzung des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfüllt. Der Bescheid vom 02.08.2018 ist somit insofern rechtmäßig, als er wegen § 2 Abs. 4a KVLG 1989 den Bescheid vom 10.03.2016 und damit die Versicherungspflicht des Klägers nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 KVLG 1989 mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben hat.
(b) Dagegen ist der Bescheid vom 02.08.2018 rechtswidrig und daher aufzuheben, soweit er den Bescheid vom 10.03.2016 auch für die Vergangenheit - ab 01.07.2018 bis 08.08.2018 - aufgehoben hat.
Die Grenze zwischen Vergangenheit und Zukunft im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X bestimmt der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Aufhebungsbescheids (Zukunft = ab dem Tag nach Bekanntgabe des Bescheides gemäß § 48 SGB X, vgl. z.B. BSG, Urteil 30.01.1996, 4 RA 16/95; a.A.: Zukunft = ab dem Tag der Bekanntgabe des Bescheides; vgl. insg. Steinwedel in: Kasseler Kommentar, SGB X, 101. EL September 2018, § 48 Rn. 34 m.w.N.).
Da sich der genaue Tag der Bekanntgabe des Bescheides vom 02.08.2018 nicht - mangels Postaufgabevermerk auch nicht über die Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 SGB X (vgl. hierzu Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 37 Rn. 29) - nachweisen lässt, kann nur festgestellt werden, dass die Bekanntgabe spätestens am Tag des Widerspruchsschreibens vom 08.08.2018 erfolgte. Die Nichterweislichkeit einer früheren Bekanntgabe geht zu Lasten der insofern beweisbelasteten Beklagten. Die Vergangenheit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X reichte damit vorliegend bis einschließlich 08.08.2018.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Vorliegend ist keine der in Nr. 1 bis 4 des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung des die Versicherungspflicht feststellenden Bescheides vom 10.03.2016 durch den Bescheid vom 02.08.2018 gegeben. Weder ging es um eine Änderung zugunsten des Klägers (vgl. Nr. 1) noch um Ansprüche des Klägers (vgl. Nr. 3 und 4), sondern vielmehr um dessen Versicherungsstatus an sich. Anders als die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 09.10.2018 meint, hat der Kläger insbesondere auch nicht gegen eine Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig verstoßen (vgl. Nr. 2). Laut Aktennotiz der Beklagten vom 11.07.2016 wollte die Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2015 vor einer (erneuten) Prüfung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 4a KVLG 1989 abwarten. Nachdem der Einkommensteuerbescheid 2015 am 05.06.2018 erlassen und am 07.06.2018 dem klägerischen Steuerberater bekannt gegeben worden war, hat der Kläger diesen der Beklagten unverzüglich am 10.06.2018 übersandte. Die Verletzung einer Mitteilungspflicht lag damit nicht vor.
(c) Bei dem Bescheid vom 02.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2018 handelt es sich nicht nur um eine Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X in Bezug auf den Bescheid vom 10.03.2016, sondern zudem um einen Dauerverwaltungsakt, mit dem für die Zukunft festgestellt wird, dass der Kläger wegen § 2 Abs. 4a KVLG 1989 nicht als mitarbeitender Familienangehöriger im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 KVLG 1989 versicherungspflichtig ist.
Die Feststellung, dass eine Versicherungspflicht nicht besteht, ist ebenso auf die Zukunft bezogen wie die Feststellung, dass eine Versicherungspflicht besteht. Wird festgestellt, dass eine Versicherungspflicht besteht, muss der Versicherte in Zukunft mit der Erhebung von Beiträgen rechnen, solange diese Feststellung nicht rückgängig gemacht wird. Wird festgestellt, dass die betroffene Person nicht versicherungspflichtig ist, muss sie in Zukunft nicht mit der Erhebung von Beiträgen rechnen (zumindest nicht aufgrund der verneinten Pflichtversicherung), solange diese Feststellung nicht rückgängig gemacht wird (sie ist vielmehr auf einen anderweitigen Versicherungsschutz angewiesen). Beide Entscheidungen wirken also nicht nur punktuell, sondern dauerhaft für die gesamte Zeit des unveränderten Fortbestehens des zu beurteilenden Lebenssachverhalts und haben daher in gleicher Weise Dauerwirkung (Schneider-Danwitz, SGb 2016, Seite 407ff., unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 23.04.2015; B 5 RE 19/14 R; a.A. BSG, Urteil vom 02.04.2014, B 3 KS 4/13 R, bzgl. der Feststellung der Versicherungsfreiheit in der Künstlersozialversicherung).
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Dauerverwaltungsaktes ist nicht nur der Zeitpunkt seines Erlasses maßgeblich, sondern auch der nachfolgende Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Denn es kann nicht sinnvoll sein, Bescheide aufzuheben, die mit gleichem Inhalt sofort wieder erlassen werden müssten, oder solche durch Klageabweisung zu bestätigen, die sodann aufgehoben werden dürften (vgl. Söhngen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK, SGG, Stand: 30.06.2020, § 54 Rn. 49).
Seit Erlass des Bescheides vom 02.08.2018 wurden keine Tatsachen vorgetragen oder Unterlagen vorgelegt, die eine andere (Prognose)entscheidung bezüglich der Versicherungspflicht bzw. -freiheit des Klägers rechtfertigen könnten. Dies gilt namentlich für die zuletzt vorgelegten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2017 und 2018. Während 2016 die klägerischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb 50.526 € betrugen, gingen sie 2017 auf 38.967 € zurück, um 2018 wieder auf 47.793 € anzusteigen. Eine insgesamt tendenziell rückläufige Bedeutung der selbstständigen Erwerbstätigkeit des Klägers ist hieraus nicht ableitbar. Laut Schriftsatz vom 19.01.2019 sei, solange es der Zustand der verwendeten Maschinen erlaube, eine wesentliche Änderung des zeitlichen Aufwands für das Lohnunternehmen nicht zu erwarten - ebenso wie der zeitliche Aufwand für die Hofmitarbeit unverändert sei. Hinzu kommt, dass inzwischen das monatliche Taschengeld von 1.000 € weggefallen ist, der Kläger aber noch keine Rente bezieht, sodass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb umso mehr wirtschaftliche Bedeutung für den Kläger im Hinblick auf das Bestreiten seines Lebensunterhalts besitzen.
Für eine Änderung der Prognoseentscheidung über die Versicherungspflicht bzw. -freiheit des Klägers fehlt es damit an tatsächlichen Grundlagen. Es verbleibt deshalb zumindest derzeit dabei, dass der Kläger wegen § 2 Abs. 4a KVLG 1989 nicht als mitarbeitender Familienangehöriger nach § 2 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 KVLG 1989 pflichtversichert ist.
Nach alledem ist der Bescheid vom 02.08.2018 Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2018 - abgesehen von der Aufhebung des Bescheides vom 10.03.2016 für den Zeitraum vom 01.07.2018 bis 08.08.2018 - rechtmäßig ergangen und ist als Dauerverwaltungsakt auch weiterhin rechtmäßig. Auf die Berufung der Beklagten ist daher das Urteil des SG Würzburg vom 09.07.2019 aufzuheben und die Anfechtungsklage des Klägers als unbegründet abzuweisen, soweit es dieser Beurteilung entgegensteht.
Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Kläger neben der Anfechtungsklage zunächst auch eine Verpflichtungsklage dahingehend erhoben, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger rückwirkend ab 01.07.2018 weiterhin als versicherungspflichtigen mitarbeitenden Familienangehörigen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 KVLG 1989 in der Krankenversicherung der Landwirte zu versichern (vgl. Schriftsatz vom 08.02.2019). Das SG hat den Antrag jedoch "sinngemäß" nur als "reine" Anfechtungsklage ausgelegt (und dabei den Bescheid vom 02.08.2018 aber offensichtlich ebenfalls als Dauerverwaltungsakt betrachtet und die Beendigung der Pflichtversicherung nicht nur zum 30.06.2018, sondern auch in der Folgezeit bis zur mündlichen Verhandlung geprüft). Die Verpflichtungsklage hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht weiter verfolgt. Anderenfalls hätte der Klägerbevollmächtigte insoweit (Anschluss)berufung eingelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Aufgrund des nur unwesentlichen Unterliegens der Beklagten entspricht es der Billigkeit, der Beklagten keine Kosten des Klägers aufzuerlegen. Auch dem Beigeladenen sind keine Kosten zu erstatten.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.