L 4 P 180/19

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 P 1461/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 P 180/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Vertragserklärung über den Abschluss eines privaten Pflegepflichtversicherungsvertrags kann zwar nach § 8 Abs. 1 Satz 1 VVG innerhalb von 14 Tagen widerrufen werden. Für die Wirksamkeit des Widerrufs ist es jedoch in entsprechender Anwendung von § 23 Abs. 2 Satz 4 SGB XI bzw. § 205 Abs. 6 VGG zwingend erforderlich, dass eine nahtlose Anschlussversicherung nachgewiesen wird. Dem steht Europarecht nicht entgegen. 

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Dezember 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen zur privaten Pflegepflichtversicherung für die Zeit vom 1. November 2014 bis 31. Januar 2018 in Höhe von 1.839,48 € zzgl. Zinsen und Mahnkosten.

Die 1957 geborene Beklagte beantragte im Februar 2009 bei der Klägerin, einem privatrechtlichen Versicherungsunternehmen, den Abschluss eines Vertrags über eine private Krankenversicherung einschließlich des Tarifs PVN über die private Pflegepflichtversicherung (PV) mit monatlicher Beitragszahlung (Beitragshöhe für die Beklagte 41,31 €) für sich und ihre 1992 geborene Tochter (im Folgenden: LK) als mitversicherte Person mit Versicherungsbeginn am 1. März 2009; der Antrag wurde von beiden unterzeichneten.

Mit Schreiben vom 8. April 2009 forderte die Klägerin den Versicherungsvermittler auf, mitzuteilen, welche Verbraucherinformation ausgehändigt worden sei, dies durch die Beklagte bestätigen sowie die Frage 1 zur Pflegeversicherung (Gesamteinkommen der zu versichernden Person) noch von beiden versicherten Personen und die Frage zum Gesundheitszustand der LK beantworten zu lassen. Angefordert wurden des Weiteren Arztberichte über beide versicherte Personen. Am 11. Mai 2009 erhielt die Klägerin eine mit dem Namenszug der Beklagten unterschriebene Erklärung vom selben Tag über den Erhalt der Verbraucherinformation „Fit Januar 2009“ sowie der Produktinformationsblätter vom 11. Mai 2009 sowie eine mit dem Namenszug der Beklagten und der LK unterzeichnete Erklärung vom selben Tag über das Einverständnis mit den im Schreiben vom 8. April 2009 genannten Vereinbarungen, Ergänzungen und besonderen Bedingungen. Übersandt wurden des Weiteren Arztberichte über die Beklagte und die LK vom 16. April und 7. Mai 2009. In diesem Zusammenhang erhielt die Beklagte die Krankenversicherungs-Tarifinformation „Tarife KVE1 – KVE3“, das ihren Versicherungsinhalt betreffende Produktinformationsblatt (Tarife KVE3 und PVN; u.a. monatlicher Beitrag im Tarif PVN 41,31 €) sowie das den Versicherungsinhalt der LK betreffende Produktinformationsblatt (KVE2 und PVN); auf Bl. 21/23 und 25/31 der Senatsakten wird insoweit Bezug genommen.

Die Klägerin stellte unter dem 22. Mai 2009 den Versicherungsschein (Nr. 113/059 325 879 A 00016) aus, wonach mit Beginn zum 1. März 2009 Versicherungsschutz bestehe für die Beklagte nach den Tarifen KV3 und PVN (monatlicher Beitrag PVN 41,31 €), für die LK KV3 mit Zuschlag und PVN (monatlicher Beitrag PVN 0,00 €). Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes bestimmten sich nach den vereinbarten Tarifen, den Versicherungsbedingungen sowie gegebenenfalls Besonderen Vereinbarungen. Dem Versicherungsschutz lägen u.a. die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zugrunde. Des Weiteren wurde über das Widerrufsrecht belehrt. Auf Bl. 48/51 der SG-Akten wird insoweit Bezug genommen. Die monatlich zu zahlenden Beiträge zur PV betrugen für die Beklagte ab dem 1. April 2014 41,59 € (Nachtrag zum Versicherungsschein vom 17. September 2014), ab 1. Januar 2015 45,01 € (Nachtrag zum Versicherungsschein vom November 2014) und ab dem 1. Januar 2017 53,32 € (Nachtrag zum Versicherungsschein vom November 2016). Beiträge für die PV der LK waren nicht zu zahlen. Die Beiträge zur PV zahlte die Beklagte für November 2014 in Höhe von 24,49 € nicht sowie für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis 31. Januar 2018 gar nicht.

Unter dem 29. September 2011 wandte sich die Beklagte an die Klägerin mit dem Begehren, die LK bis zu deren 23. Lebensjahr mitzuversichern. Des Weiteren seien Arztrechnungen noch nicht von der Klägerin übernommen worden. In einem Schreiben vom 10. Dezember 2014 führte sie aus, mit einer Abänderung der Vertragsbedingungen des „im Februar 2009 abgeschlossenen Krankenversicherungsvertrages“ für sie und LK sei sie nicht einverstanden und bat um Zusendung eines korrekten Versicherungsscheines. Eine Kündigung des Versicherungsvertrages durch die Beklagte erfolgte in der Folge nicht. Unter dem 16. Januar 2015 mahnte sie die Kostenübernahme für notfallmäßige Behandlungen an. Mit Schreiben vom 6. September 2018 („Widerruf Krankenversicherung von 02.2009“) widerrief die Beklagte unter Angabe der Versicherungsscheinnummer und beider versicherter Personen die „o.g. Krankenversicherung“ und machte Schadenersatz „bezüglich entstandener Krankheitskosten in Höhe von 11.353,16 Euro zzgl. Zinsen, fehlende Rückerstattungen für nicht Inanspruchnahme und fehlender Rückstellungen, Anwalts- und Gerichtskosten“ geltend. Zur Begründung gab sie an, das Vertragsdatum sei nicht korrekt. Verbraucherinformationen, Beratungsprotokoll, AGB und eine Widerrufsbelehrung seien nicht übergeben worden. Auf dem nachträglich zugesandten Beratungsprotokoll „– angeblich vom 27. Februar 2009 –“ finde sich eine gefälschte Unterschrift.

Auf Antrag der Klägerin vom 25. Juli 2017 erließ das Amtsgericht Hamburg-Altona (AG) am 25. Juli 2017 den der Beklagten am 1. August 2017 zugestellten Mahnbescheid über eine Gesamtforderung von 1.871,56 € (Beiträge zur PV für November 2014 bis Juni 2017 von 1.466,24 € zzgl. Zinsen nach näher bestimmter Zinstafel, Gerichtskosten 35,50 €, Rechtsanwaltskosten 107,20 €, Mahnkosten 12,50 €; Anwaltsvergütung für vorgerichtliche Tätigkeit 201,71 €) zzgl. weiterer laufender Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz nach weiterer Zinstafel ab dem 26. Juli 2017. Auf den am 14. August 2017 ohne Begründung eingegangenen Widerspruch der Beklagten und den Antrag der Klägerin auf Durchführung des streitigen Verfahrens gab das AG das Verfahren zur Durchführung eines Klageverfahrens an das Sozialgericht Heilbronn (SG; Eingang 4. Mai 2018) ab.

Mit dem Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens erhöhte die Klägerin die Klageforderung (1.466,24 € bezüglich Prämienforderungen bis 30. Juni 2017) um einen Betrag in Höhe von 373,24 € (Prämienzeitraum 1. Juli 2017 bis 31. Januar 2018; insgesamt 1.839,48 €) nebst Zinsen nach näher bestimmter Zinstafel (Bl. 11/12 der SG-Akte). Die Beklagte habe die in oben genannter Höhe angefallenen Prämien für November 2014 in Höhe von 24,49 € sowie für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis 31. Januar 2018 gar nicht gezahlt. Die Prämien seien am jeweils Ersten eines Monats fällig gewesen. Die Beklagte habe nicht bestritten, den vorgelegten Versicherungsantrag unterschrieben zu haben, sondern nur das Beratungsprotokoll. Auf dieses komme es im Rahmen der Pflegeversicherung aber nicht an. Die ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung sei im Versicherungsschein vom 22. Mai 2009 enthalten. Ein fristgerechter Widerruf sei nicht erfolgt. Nach den im vorgelegten Versicherungsantrag gesetzten Kreuzen habe die Beklagte die Verbraucher- und Produktinformationen erhalten. Zur Frage des Selbstbehalts in der Krankenversicherung seien bereits mehrere Verfahren zwischen den Beteiligten geführt worden. Diese betreffe aber nicht die Rückstände zur PV. Für die nach Verzugseintritt versandten kaufmännischen Mahnschreiben habe die Beklagte ihr, der Klägerin, die hierdurch entstandenen Kosten für Porto, Telefon und Schreibauslagen in Höhe von 12,50 € zu ersetzen. Ergänzend legte die Klägerin insbesondere einen auf den 27. Februar 2009 datierten Versicherungsantrag, ärztliche Zeugnisse über die Beklagte und LK, den Versicherungsschein vom 22. Mai 2009, die Nachträge zum Versicherungsschein vom 17. September 2014, November 2014 und November 2016 (Bl. 38/53 der SG-Akten) sowie die Allgemeinen Versicherungsbedingungen vor.

Die Beklagte trat der Klage aus den im Schreiben vom 6. September 2018 genannten Gründen entgegen. Es liege ein falscher Versicherungsvertrag vor; der abgerechnete Tarif sei von ihr nicht abgeschlossen worden. Den Vertrag habe sie mit dem genannten Schreiben widerrufen. Die Unterschrift auf dem Versicherungsantrag vom 27. Februar 2009 stamme nicht von ihr; diese sei gefälscht. Des Weiteren ergebe sich aus dem Schreiben der Klägerin an den Versicherungsvermittler vom 27. Februar 2009, dass keine unterschriebene Widerrufsbelehrung und Verbraucherinformation vorgelegen habe. Richtig sei, dass sie eine Versicherung habe abschließen wollen mit einer 100%igen Kostenübernahme für ihre Tochter. Der von der Klägerin vorgelegte Krankenversicherungsvertrag inklusive Pflegeversicherung sei von ihr weder gewünscht gewesen noch abgeschlossen worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 12. Dezember 2018 verurteilte das SG die Beklagte, an die Klägerin 1.839,48 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Teilbetrag von 24,49 € seit dem 2. November 2014, auf 41,59 € seit dem 2. Dezember 2014, auf jeweils 45,01 € seit dem jeweils Monatszweiten von Januar 2015 bis Januar 2017, auf 53,32 € seit dem jeweils Monatszweiten von Februar 2017 bis Januar 2018 sowie kaufmännische Mahnkosten in Höhe von 12,50 € und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 € zu zahlen. Die Beklagte trage die Gerichtskosten des Mahnverfahrens. Im Übrigen seien außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. Die Klägerin habe aus dem Pflegepflichtversicherungsvertrag Ansprüche auf Prämienzahlung in geltend gemachter Höhe. Der Vortrag der Beklagten hinsichtlich einer gefälschten Unterschrift erscheine abwegig, zumal sie ihre Beiträge zum Vertrag bis Oktober 2014 entrichtet habe. Zudem entspreche die Unterschrift auf dem Vertrag der der Beklagten in deren Schriftsätzen. Eine wirksame Kündigung liege nicht vor. Zinsen, Mahn- und Rechtsanwaltskosten seien als Verzugsschaden geschuldet.

Gegen diesen ihr am 17. Dezember 2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 14. Januar 2019 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Der Versicherungsvertrag sei am 1. Februar 2009 geschlossen worden. Aus dem (von ihr vorgelegten) Versicherungsantrag, der kein Tagesdatum trage, sei ersichtlich, dass die Kreuze für den Erhalt der Verbraucher- und Produktinformation nicht gesetzt seien. Die Unterschriften auf diesem „Originalvertrag“ stammten von ihr und LK. Der Versicherungsvertreter habe diesen aber nach dem Anschreiben der Klägerin vom 27. Februar 2009 selbständig abgeändert und die beiden Kreuze für den Erhalt der Verbraucher- und Produktinformationen gesetzt. Dies sei erkennbar an der ausgebesserten 0 vor der 9 im Datum, die sich auch auf dem „Originalvertrag“ genauso wiederfinde. Letzterer sei datiert auf den 1. Februar 2009, der „manipulierte“ auf den 27. Februar 2009. Neben den genannten Kreuzen fänden sich in diesem des Weiteren auf Seite 2 schriftliche Einträge. Die Unterschriften auf den von der Klägerin nachgeforderten Unterlagen stammten nicht von ihr und LK; ein graphologisches Gutachten werde dies bestätigen. Der von der Klägerin geltend gemachte Tarif sei nie vereinbart worden. Nach dem Anschreiben der Klägerin an den Versicherungsvermittler vom 8. April 2009 habe sie, die Beklagte, von dieser die Krankenversicherungs-Tarifinformation „Tarife KVE1 – KVE3“ und die Produktinformationsblätter für sich (KVE3) und LK (KVE2) erhalten. Erst hierdurch sei für sie der tatsächliche Tarif ersichtlich gewesen. 2014 habe sie eine Beitragserhöhung vom sechsfachen des abgeschlossenen Versicherungsvertrags bekommen, der sie widersprochen habe. Die Klägerin habe Kosten für die Krankenbehandlung für LK in Höhe von 11.353,16 € und sogar für notfallmäßige Krankenhausbehandlungen nicht gezahlt. Ergänzend hat die Beklagte, nunmehr rechtskundig vertreten, ausgeführt, der Pflegepflichtversicherungsvertrag sei nicht zustande gekommen. Sie bestreite, den Versicherungsschein vom 22. Mai 2009 erhalten zu haben. Jedenfalls stelle dieser nach einem Zeitraum von fast drei Monaten als verspätete Annahme lediglich ein neues Angebot dar, das sie, die Beklagte, aber nicht angenommen habe. Offenbar existierten drei Versionen des Antrags vom 27. Februar 2009, zwei von der Klägerin vorgelegte sowie die ihr selbst vorliegende. Der Versicherungsantrag vom 27. Februar 2009 trage die wirklichen Unterschriften von ihr und LK, während die Unterschriften auf dem Beratungsprotokoll gefälscht seien. Auch die Zugänge der Nachträge zum Versicherungsschein bestreite sie. Im Nachtrag zum Versicherungsschein vom November 2016 berufe sich die Klägerin auf einen Tarif „NLT/100 und PVN“, also einen offenbar vollkommen anderen Tarif. Die Klägerin habe entgegen ihrer Verpflichtung aus §§ 7 und 8 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) noch nicht substantiiert vorgetragen, welche konkreten Produktinformationen sie, die Beklagte, erhalten habe. Die Klägerin mache angebliche Beitragsansprüche ab 1. November 2014 geltend, habe sie seither aber weder gemahnt noch Leistungen erbracht. Sie, die Beklagte, erhebe den Einwand der Verwirkung vor dem Hintergrund, dass selbst bei unterstelltem Vertragsabschluss mit dem Tarif PVN ab dem 1. Januar 2017 eine Vertragsänderung vereinbart worden sei, was bestritten werde. Da sie bisher weder vollständige Vertragsinformationen noch das Beratungsprotokoll erhalten habe, habe die Widerrufsfrist noch nicht begonnen, so dass sie nochmals ausdrücklich den Widerruf aller eventueller Vertragserklärungen erkläre. Der Widerruf bedürfe zu seiner Wirksamkeit nicht des Nachweises einer Anschlussversicherung (Verweis auf Landgericht [LG] Dortmund, Urteil vom 8. August 2013 – 2 O 129/13 – juris). Die Beklagte hat u.a. Kopien des von ihr als „Originalvertrag“ bezeichneten Versicherungsantrags (Bl. 20, 145/146 der Senatsakten), der Produktinformationsblätter, des von ihr als „manipuliert“ bezeichneten Versicherungsantrags, der Eintragungen zur Vorversicherung und zum Gesundheitszustand enthält, (Bl. 32/33, 138/139 der Senatsakten), Seite 2 eines weiteren dem entsprechenden Versicherungsantrags mit ergänzendem Namenszug der Beklagten und der LK und Datum vom 11. Mai 2009 über den Angaben zum Gesundheitszustand (Bl. 142 der Senatsakten), auf den 27. Februar 2009 datierter, mit dem von ihr als falsch bezeichneten Namenszug der Klägerin unterschriebener Unterlagen (Beratungsprotokoll, Prüfung der Versicherungspflicht nach § 193 VVG) (LSG 34/36) sowie diverser Anschreiben vorgelegt.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Dezember 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 € hat sie die Klage zurückgenommen (Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 17. April 2019, Bl. 13 der Senatsakten). Bezüglich des noch aufrechterhaltenen Klageanspruches sei der angefochtene Gerichtsbescheid zutreffend. Bei der von ihr, der Klägerin, vorgelegten Antragsausfertigung handle es sich um ein Originaldokument, auf dem das Kreuz für den Erhalt der Verbraucherinformation „Krankenversicherung Juli 2009“ gesetzt sei. Lediglich der Vollständigkeit halber habe sie den Versicherungsvermittler zur Konkretisierung aufgefordert, welche Unterlagen der Beklagten ausgehändigt worden seien. In dem – in Kopie vorgelegten (Bl. 55/57 der Senatsakten) – von der Beklagten unter dem 11. Mai 2009 unterzeichneten Antwortformular sei die Übergabe der Verbraucherinformation „Fit Januar 2009“ und des Produktinformationsblattes am 11. Mai 2009 bestätigt worden, das gemeinsam mit weiteren Auskünften zum Gesundheitszustand an sie, die Klägerin, übersandt worden sei. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten der Beklagten sämtliche Informationen zur Verfügung gestanden. Die Antragstellung selbst sei aber nicht korrigiert worden. Durch die Übersendung des Versicherungsscheins vom 22. Mai 2009 habe sie, die Klägerin, den Antrag auf Abschluss des Pflegepflichtversicherungsvertrages angenommen. PV-Beiträge für LK seien für keinen Zeitraum erhoben worden. Die weiteren Einwendungen der Beklagten bezögen sich allein auf den Krankenversicherungsvertrag. Soweit die Beklagte nunmehr den Erhalt des Versicherungsscheins vom 22. Mai 2009 bestreite, sei darauf hinzuweisen, dass die Beklagte in einem amtsgerichtlichen Rechtsstreit selbst vorgetragen habe, dass zwischen den Beteiligten ein Vertrag zur privaten Krankenversicherung zu Stande gekommen sei. Für die Krankenvoll- und die Pflegepflichtversicherung sei aber ein Versicherungsschein versandt worden. Bei der Änderung der ersten drei Ziffern der Versicherungsscheinnummer im November 2016 handle es sich um die Änderung einer internen Zuordnungskennziffer, die keine Auswirkungen auf die Frage der Berechtigung der Forderung habe. So sei dem Nachtrag aus November 2016 bereits zu entnehmen, dass auch Überweisungen der Prämien nur zu der sog. Stamm-Nummer zu erfolgen hätten, mithin die ersten drei Ziffern keine externe Aussagekraft über das Bestehen des Vertragsverhältnisses hätten. Ein rechtzeitiger Widerruf liege nicht vor. Die Widerrufsfrist beginne mit dem Zeitpunkt des Zugangs der in § 8 Abs. 2 VVG benannten Unterlagen in Textform. Es sei nicht relevant, ob diese bereits bei Antragstellung vorlagen. Die Übersendung der Unterlagen über den Versicherungsvermittler sei bereits vor Versand des Versicherungsscheins erfolgt. Das Urteil des LG Dortmund vom 8. August 2013 (2 O 129/13) sei auf den hiesigen Sachverhalt und den Widerruf nach § 8 VVG nicht übertragbar.

Der Berichterstatter hat am 17. September 2021 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt und in diesem u.a. auf das Urteil des LG Berlin vom 26. Juni 2013 (– 23 S 47/12 – juris) hingewiesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats und des SG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Denn das SG hat die Beklagte mit dem uneingeschränkt angefochtenen Gerichtsbescheid zur Zahlung in Höhe von insgesamt 1.839,48 € und damit mehr als 750,00 € verurteilt.

2. Gegenstand des Verfahrens ist nur noch die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung rückständiger Beiträge zur PV für den Zeitraum vom 1. November 2014 bis 31. Januar 2018 in Höhe von 1.839,48 € zzgl. Zinsen und Mahnkosten. Nicht mehr Gegenstand sind die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 €. Insoweit hat die Klägerin die Klage am 23. April 2019 zurückgenommen (Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 17. April 2019, Bl. 13 der Senatsakten), was bis zur – hier noch nicht eingetretenen – Rechtskraft möglich ist (§ 102 Abs. 1 Satz 1 SGG). Im Umfang der Klagerücknahme ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (§ 102 Abs. 1 Satz 2 SGG). Insoweit, also in Höhe von 201,71 €, ist der ergangene, noch nicht rechtskräftige Gerichtsbescheid wirkungslos geworden (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 102 Rn. 9 m.w.N.). Einer Teilaufhebung durch den Senat bedarf es daher nicht (vgl. § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Nicht Gegenstand des Verfahrens sind die von der Beklagten behaupteten Kostenerstattungsansprüche gegen die Klägerin aus dem Krankenversicherungsvertrag. Diese hat die Beklagte im vorliegenden Verfahren nicht – z.B. im Wege einer Widerklage – geltend gemacht. Dies wird bestätigt durch den im Schriftsatz ihres rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vom 10. September 2021 formulierten Antrag, der sich allein auf die Aufhebung des Gerichtsbescheids und die Abweisung der Klage beschränkt.

3. Die Berufung der Beklagten ist im noch streitgegenständlichen Umfang nicht begründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von Beitragen in Höhe von 1.839,48 € zzgl. Zinsen in genannter Höhe sowie Mahnkosten in Höhe von 12,50 € verurteilt.

a) Zutreffend ist das SG von einer zulässigen Leistungsklage ausgegangen. Dies gilt auch, soweit die Klägerin ihr Begehren nach Erlass des Mahnbescheids im streitigen Verfahren um einen Betrag in Höhe von 373,24 € (Prämienzeitraum 1. Juli 2017 bis 31. Januar 2018) nebst Zinsen erweitert hat. Dabei handelt es sich um eine zulässige, nicht an den Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 SGG zu messende Klageerweiterung i.S. des § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG. Denn die Klägerin nimmt die Beklagte ohne Änderung des Klagegrundes auch insoweit wegen Nichtzahlung monatlicher Versicherungsprämien aus demselben Pflegeversicherungsvertrag in Anspruch (vgl. Senatsurteil vom 26. Februar 2021 – L 4 P 472/20 – nicht veröffentlicht).

b) Die Verpflichtung der Beklagten zur Beitragszahlung ergibt sich aus dem zwischen den Beteiligten bestehenden Vertrag über die PV i.V.m. § 1 Satz 2 VVG. Ein solcher Vertrag ist wirksam zustande gekommen (dazu aa) und von der Beklagten bis zum Ende des streitbefangenen Zeitraums nicht wirksam beendet worden (dazu bb). Die danach geschuldeten Beiträge hat die Beklagte nicht an die Klägerin gezahlt (dazu cc).

aa) Die Beteiligten haben einen privaten Pflegepflichtversicherungsvertrag nach dem Tarif PVN geschlossen, dessen Bestandteil auch die jeweils geltenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die PV (MB/PPV) geworden sind.

(1) Die Beteiligten haben auf den Versicherungsantrag der Beklagten durch korrespondierende Willenserklärungen einen Pflegepflichtversicherungsvertrag nach dem Tarif PVN der Klägerin mit Versicherungsbeginn am 1. März 2009 geschlossen.

(a) Dies entnimmt der Senat zunächst dem Versicherungsantrag der Beklagten vom Februar 2009. In jeder der vorliegenden Versionen dieses Antrags ist der Tarif PVN mit einem monatlichen Beitrag für die Beklagte in Höhe von 41,31 € bei monatlicher Zahlweise und Vertragsbeginn zum 1. März 2009 eingetragen; die ergänzenden Fragen zur PV sind jeweils pauschal durchgestrichen (Bl. 38/39 der SG-Akte, Bl. 138/139, 142 und 145/146 der Senatsakte). Dies gilt auch für den von der Beklagten als „Originalvertrag“ bezeichneten Versicherungsantrag (Bl. 145/146 der Senatsakte). Ein Unterschied hinsichtlich des Inhalts und Umfangs des Pflegepflichtversicherungsvertrages bestand mithin nicht. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten erhielt sie spätestens im Zusammenhang mit der Nachfrage der Klägerin an den Versicherungsvermittler mit Schreiben vom 8. April 2009 und damit vor Ausstellung des Versicherungsscheins vom 22. Mai 2009 jedenfalls die Krankenversicherungs-Tarifinformation „Tarife KVE1 – KVE3“, das ihren Versicherungsinhalt betreffende Produktinformationsblatt (Tarife KVE3 und PVN) sowie das den Versicherungsinhalt der LK betreffende Produktinformationsblatt (KVE2 und PVN). Diese jeweils mit persönlicher Anrede und Namensnennung versehenen Produktinformationsblätter enthalten in der Fußzeile jeweils die Kennzeichnung „PIB-Version 8.6 – erstellt am 27. Januar 2009“. Der Senat kann offenlassen, ob der Beklagten das Produktinformationsblatt daher nicht bereits bei Unterzeichnung des Versicherungsantrags vorlag. Jedenfalls veranlasste die Beklagte auch nach Erhalt des Produktinformationsblatts keine Änderungen am beantragten Versicherungsumfang und -inhalt. In diesem Produktinformationsblatt der Klägerin für die Beklagte (Bl. 25/29 der Senatsakte) wurde wegen des vollständigen Vertragsinhalts u.a. auf die Versicherungsbedingungen Bezug genommen. Des Weiteren enthielt es unter der Bezeichnung „Pflegepflichtversicherung nach Tarif PVN“ u.a. eine detaillierte Darstellung der Versicherungsleistungen und des Beitrags (PVN 41,31 € monatlich). Die Beiträge seien jeweils zum ersten der gewählten Beitragsperiode zu zahlen. Ergänzend wurde ausgeführt: „Bitte beachten Sie hierzu auch den § 8 ´Beitragszahlung` der Allgemeinen Versicherungsbedingungen“. Mit dem Versicherungsschein vom 22. Mai 2009 bestätigte die Klägerin diesen Vertragsinhalt. Eine Abweichung liegt nicht vor. Dies entnimmt der Senat dem vorgelegten Versicherungsschein (Bl. 48 der SG-Akten).

Der Einwand der Beklagten, sie habe einen anderen Tarif beantragt als von der Klägerin zugrunde gelegt, trifft mithin jedenfalls für den Pflegepflichtversicherungsvertrag nicht zu. Diese gegen den Krankenversicherungsvertrag gerichteten Einwendungen betreffen demnach nicht den Pflegepflichtversicherungsvertrag und schlagen auch nicht gleichsam automatisch auf diesen durch. Zwar geht § 23 Abs. 1 Satz1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), der die Pflicht zum Abschluss eines privaten Pflegeversicherungsvertrages regelt, von der Grundannahme aus, zwischen dem Kranken- und Pflegeversicherungsschutz bestehe hinsichtlich des Versicherungsunternehmens Identität. Allerdings steht diese Grundannahme unter dem gesetzlichen Vorbehalt des in § 23 Abs. 2 SGB XI normierten Wahlrechts des Versicherten (vgl. Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XI: „sind vorbehaltlich des Absatzes 2 verpflichtet“). Nach der gesetzlichen Grundkonzeption ist also eine Spaltung der Versicherungsverhältnisse möglich (Senatsurteil vom13. Dezember 2019 – L 4 P 2146/18 – juris, Rn. 27), der Pflegepflichtversicherungsvertrag gegenüber dem Krankenversicherungsvertrag also eigenständig.

(b) Das im Versicherungsantrag liegende Angebot auf Abschluss dieses privaten Pflegepflichtversicherungsvertrages hat die Klägerin durch Ausstellung und Übersendung des Versicherungsscheins vom 22. Mai 2009 angenommen (§ 147 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB], vgl. auch §§ 3, 5 VVG). Dieser bestätigte den dem Versicherungsantrag entsprechenden Vertragsbeginn, den Tarif PVN, die gewählte monatliche Zahlweise und die nicht nur im Versicherungsantrag, sondern auch in dem für die Beklagte erstellten Produktinformationsblatt festgehaltene Höhe des monatlichen Beitrags. Dies entnimmt der Senat dem von der Klägerin vorgelegten Versicherungsschein (Bl. 48/51 der SG-Akte).

(aa) Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist der Senat davon überzeugt, dass die Beklagte den Versicherungsschein tatsächlich erhalten hat.

Die Klägerin hat den von ihr ausgestellten Versicherungsschein vom 22. Mai 2009 mit dem genannten Inhalt im Verfahren vorgelegt. Zwar hat die Beklagte dessen Erhalt zuletzt pauschal bestritten. Dieses Bestreiten erachtet der Senat jedoch als nicht glaubhaft. Die Beklagte hat seit Mai 2009 bis zum Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 10. September 2021 zu keinem Zeitpunkt den Zugang des Versicherungsscheines bestritten oder anderweitig geltend gemacht, ihn nicht bekommen zu haben. Vielmehr hat sie im „Widerruf“ vom 6. September 2018 genau aufgezählt, welche Dokumente sie von der Klägerin nicht erhalten habe; den Versicherungsschein vom 22. Mai 2009 nannte sie hierbei gerade nicht. Gleiches gilt für ihr Vorbringen im Klage- und auch noch im Berufungsverfahren in der von ihr selbst verfassten Berufungsbegründung vom 26. Juli 2019. Selbst unter Berücksichtigung der Laiensicht der Beklagten wäre zu erwarten gewesen, dass sie im Rahmen des Streits über den Inhalt des Versicherungsvertrags angibt, den Versicherungsschein nicht erhalten zu haben, wie sie es mit den anderen im Schreiben vom 6. September 2018 genannten Unterlagen getan hat. Selbst nach Vorlage des Versicherungsscheins durch die Klägerin im Klageverfahren hat sie nicht behauptet, diesen nicht erhalten zu haben. Ihr Verhalten im weiteren Verlauf zeigt ebenfalls, dass auch sie selbst von einem Vertragsschluss über den genannten Tarif und die entsprechende Beitragsverpflichtung ausging. Andernfalls wäre nicht erklärlich, weshalb sie die Abbuchung der Prämien zugunsten der Klägerin in der Folge des Mai 2009 zuließ und noch mit Schreiben an die Klägerin vom 29. September 2011 erklärte, dass sie von ihrem vertraglichen Recht Gebrauch mache, ihre Tochter bis zu deren 23. Lebensjahr mitzuversichern (Bl. 37 der Senatsakte). Auch die weiteren von ihr vorgelegten Schreiben aus den Folgejahren (Bl. 38/39 der Senatsakte) zeigen, dass auch die Beklagte davon ausging, dass ein Versicherungsvertrag geschlossen worden war. Angesichts dieser Umstände ist das ohnehin erst spät im Berufungsverfahren erstmals erfolgte Bestreiten des Erhalts des Versicherungsscheins schon aufgrund seiner Pauschalität nicht glaubhaft. Die Beklagte hat keinerlei Gründe dargelegt, die das beschriebene Verhalten nach Mai 2009 erklären könnten, wenn sie den Versicherungsschein als Annahmeerklärung der Klägerin gar nicht erhalten habe. Des Weiteren bietet das pauschale Bestreiten der Beklagten im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 10. September 2021 auch im Übrigen keine ausreichende Zuverlässigkeit, um Zweifel an der schlüssigen und stringenten Darstellung der Klägerin zu wecken. So machte die Beklagte im Schreiben vom 26. Juli 2019 selbst geltend, 2014 eine Beitragserhöhung für ihre Tochter bekommen zu haben. Trotzdem wurden im späteren Schriftsatz vom 10. September 2021 (auch) die Zugänge der Nachträge zum Versicherungsschein, die die Beitragsänderungen enthielten, ausdrücklich bestritten. Dies zeigt, dass das pauschale Bestreiten der Beklagten insgesamt nicht glaubhaft ist.

(bb) Die Annahme durch den Versicherungsschein vom 22. Mai 2009 war nicht verspätet.

Die verspätete Annahme eines Antrags gilt nach § 150 Abs. 1 BGB als neuer Antrag. Eine feste Annahmefrist ist gesetzlich nicht geregelt. Vielmehr bestimmt § 147 Abs. 2 BGB: Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Das ist nach objektiven Maßstäben zu bestimmen und nicht nach der tatsächlichen Erwartung des Antragenden. Umfasst ist neben der Zeit für die Übermittlung auch eine angemessene Bearbeitungs- und Überlegungszeit. Verzögernde Umstände, die dem Antragenden bekannt sind oder die dieser kennen musste, sind „regelmäßig“ und wirken daher Frist verlängernd (Otto, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, Stand Mai 2020, § 147, Rn. 12 f. m.w.N.). Vorliegend war der Beklagten bekannt, dass die Klägerin für die Entscheidung über den Vertragsabschluss noch weitere Informationen angefordert hatte. Denn dabei handelte es sich u.a. um ärztliche Auskünfte bzw. medizinische Unterlagen, die ohne Mitwirkung der Beklagten nicht hätten erstellt und beschafft werden können. Übersandt wurden daraufhin u.a. Arztberichte über die Klägerin und die LK vom 16. April und 7. Mai 2009, wobei der Bericht über LK von der Beklagten selbst als Heilpraktikerin ausgestellt und unterschrieben wurde. Angesichts dieser der Beklagten bekannten Umstände und des der Klägerin zuzugestehenden Zeitraums für die Prüfung der nachgereichten Unterlagen war die Annahme durch Ausstellung des Versicherungsscheins vom 22. Mai 2009 vorliegend nicht verspätet.

(c) Selbst wenn man von einer verspäteten Annahme durch die Klägerin ausginge, ist ein privater Pflegepflichtversicherungsvertrag wirksam zustande gekommen. Die Annahmeerklärung vom 22. Mai 2009 gilt dann als neuer Antrag der Klägerin an die Beklagte (§ 150 Abs. 1 BGB). Dieses nahm die Beklagte durch ihr oben beschriebenes Verhalten (Beitragszahlung gemäß Tarif PVN, Geltendmachen der beitragsfreien Versicherung ihrer Tochter) jedenfalls konkludent an. Denn sie führte ihrerseits den Vertrag entsprechend dem im Versicherungsschein genannten Inhalt durch. Sie hat auch zu keinem Zeitpunkt vorgetragen oder behauptet, einen anderen Vertrag geschlossen zu haben, um ihrer Pflicht zum Abschluss eines privaten Pflegepflichtversicherungsvertrags (§ 193 Abs. 3 Satz 1 VVG, §§ 23 Abs. 1, 121 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI) Genüge zu tun. Dem ist zu entnehmen, dass die Beklagte selbst davon ausging, durch den mit der Klägerin geschlossenen Vertrag diese Pflicht erfüllt zu haben.

(2) Der danach zustande gekommene Vertrag beinhaltete somit einen privaten Pflegepflichtversicherungsvertrag nach Tarif PNV mit monatlicher Beitragszahlung und Geltung der MB/PVV. Dies ergibt sich aus der oben dargestellten Überstimmung des Angebots der Beklagten (Versicherungsantrag) und der Annahmeerklärung der Klägerin (Versicherungsschein vom 22. Mai 2009) über diese Punkte. Die Maßgeblichkeit der MB/PVV war der Beklagten spätestens mit Erhalt des personalisierten Produktinformationsblatts und damit vor Abschluss des Vertrages bekannt.

bb) Dieser Vertrag wurde nicht zu einem Zeitpunkt vor Ende des streitbefangenen Zeitraums beendet. Insbesondere liegt kein wirksamer Widerruf der Beklagten vor.

(1) Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 VVG kann der Versicherungsnehmer seine Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen widerrufen. Die Widerrufsfrist beginnt nach Abs. 2 (in der hier anzuwendenden und bis zum 14. Juni 2021 geltenden Fassung) zu dem Zeitpunkt, zu dem die dort im Einzelnen genannten Unterlagen dem Versicherungsnehmer in Textform zugegangen sind. Mit Schreiben vom 6. September 2018 („Widerruf Krankenversicherung von 02.2009“) widerrief die Beklagte unter Angabe der Versicherungsscheinnummer und beider versicherter Personen die „o.g. Krankenversicherung“. Der Senat kann offenlassen, ob sich dieser Widerruf, der maßgeblich auf eine nicht erfolgte Erstattung entstandener Krankenbehandlungskosten abstellte, auch tatsächlich die PV umfasste und fristgerecht erfolgte.

(b) Der Wirksamkeit dieses Widerrufs steht jedenfalls der fehlende Nachweis einer Anschlussversicherung entgegen.

(aa) Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XI sind Personen, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen oder im Rahmen von Versicherungsverträgen, die der Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 VVG genügen, versichert sind, vorbehaltlich des Absatzes 2 verpflichtet, bei diesem Unternehmen zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Bei fortbestehender Versicherungspflicht nach Absatz 1 wird eine Kündigung des Vertrages jedoch erst wirksam, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass die versicherte Person bei einem neuen Versicherer ohne Unterbrechung versichert ist (§ 23 Abs. 2 Satz 4 SGB XI). Dem entspricht die Regelung des § 205 Abs. 6 VGG. Danach kann der Versicherungsnehmer abweichend von den Absätzen 1 bis 5 eine Versicherung, die eine Pflicht aus § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG (Krankheitskostenversicherung) erfüllt, nur dann kündigen, wenn er bei einem anderen Versicherer für die versicherte Person einen neuen Vertrag abschließt, der dieser Pflicht genügt. Die Kündigung wird nur wirksam, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb von zwei Monaten nach der Kündigungserklärung nachweist, dass die versicherte Person bei einem neuen Versicherer ohne Unterbrechung versichert ist; liegt der Termin, zu dem die Kündigung ausgesprochen wurde, mehr als zwei Monate nach der Kündigungserklärung, muss der Nachweis bis zu diesem Termin erbracht werden.

(bb) Die Regelungen des § 23 Abs. 2 Satz 4 SGB XI bzw. § 205 Abs. 6 VGG sind auf den Fall eines Widerrufs einer PV analog anzuwenden.

Mit § 23 Abs. 2 Satz 4 SGB XI soll ein lückenloser Versicherungsschutz gewährleistet werden (Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB XI, Stand November 2021, § 23 Rn. 26). Auch die Regelung des § 205 Abs. 6 VVG soll sicherstellen, dass der Versicherte im Falle der Eigenkündigung des Versicherungsnehmers über einen nahtlosen Versicherungsschutz verfügt (HK-VVG/Jens Rogler, 4. Aufl. 2020, VVG § 205 Rn. 31 m.w.N.). Hieran knüpft die Regelung des § 23 Abs. 2 Satz 4 SGB XI an (BR-Drucks. 718/07, S. 121, Entwurf eines Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung - Pflege-Weiterentwicklungsgesetz -). Die Bedeutung, die der Gesetzgeber der Begründung und Aufrechterhaltung eines solchen Versicherungsschutzes im Umfange der PV beimisst, wird unterstrichen durch § 121 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI. Danach stellt der schuldhafte Verstoß gegen die Verpflichtung zum Abschluss oder zur Aufrechterhaltung des privaten Pflegeversicherungsvertrages nach § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XI eine Ordnungswidrigkeit dar. Daher wird durch die Nachweispflicht einer Anschlussversicherung nach § 23 Abs. 2 Satz 4 SGB XI auch vermieden, dass der Versicherungsnehmer durch die Kündigung des Versicherungsvertrages eine Ordnungswidrigkeit begeht (Luthe, a.a.O., Rn. 26). Auf der anderen Seite schließt § 110 Abs. 3 SGB XI bei privaten Pflegepflichtversicherungen alle Rücktritts- und Kündigungsrechte der Versicherungsunternehmen aus, solange der Kontrahierungszwang besteht. Eine entsprechende Regelung trifft § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG für die verpflichtende Krankheitskostenversicherung. Danach zielt das gesetzliche Regelungskonzept darauf ab, die Herbeiführung eines versicherungslosen Zustandes bei den verpflichtenden Krankheits- und Pflegekostenversicherungen zu vermeiden. Dabei hat der Gesetzgeber bei der Reform des VVG und entsprechenden Regelung in § 23 SGB XI offenbar übersehen, dass das beschriebene Ziel der Vermeidung eines versicherungslosen Zustandes durch eine einschränkungslose Widerrufsmöglichkeit nach § 8 VVG zunichtegemacht werden könnte. Denn wäre der Widerruf nach § 8 VVG, insbesondere derjenige, der nach fehlerhafter oder fehlender Belehrung ggf. noch Jahre nach Vertragsschluss vorgenommen werden könnte, nicht an die weiteren Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 Satz 4 SGB XI bzw. § 205 Abs. 6 VVG geknüpft, könnte sich der Versicherungspflichtige durch bloße Ausübung des Widerrufsrechts der gesetzlich gewollten Versicherungspflicht entziehen (so zu Recht LG Berlin, Urteil vom 26. Juni 2013 – 23 S 47/12 – juris, Rn. 22 zu § 205 Abs. 6 VVG). Das Erfordernis eines Nachweises nahtlosen Versicherungsschutzes ist daher auf den Widerruf eines Pflegepflichtversicherungsvertrages nach § 8 VVG analog anzuwenden (ebenso Voit, in: Prölss/Martin/Voit, VVG, 31. Aufl. 2021, § 205 Rn. 42; Rogler, in: HK-VVG, 4. Aufl. 2020, § 205 Rn. 32; LG Berlin, a.a.O., m.w.N.; a.A. Brand, in: Bruck/Möller, VVG, Band 10, 9. Aufl. 2020, § 205 Rn. 40; Hütt, in: Münchener Kommentar VVG, 2. Aufl. 2017, § 205 Rn. 61). Die von der Beklagten angeführte Entscheidung des LG Dortmund (Urteil vom 8. August 2013 – 2 O 129/13) steht dem nicht entgegen. Dieses betraf allein die Frage einer analogen Anwendung des Nachweiserfordernisses für den Ausnahmefall der fristlosen Kündigung des Versicherungsvertrags durch den Versicherungsnehmer nach § 19 Abs. 6 VVG. Diesem liegt der Fall einer Prämienerhöhung um mehr als 10 Prozent oder eines Ausschlusses der Gefahrabsicherung bei Vertragsanpassung wegen Verletzung der Anzeigepflicht durch den Versicherungsnehmer zugrunde. Soweit das LG Dortmund insoweit auf eine spezielle gesetzliche Regelung (§ 194 Abs. 1 VVG) verweist, die eine Analogie des § 205 Abs. 6 VVG ausschließe, fehlt es hinsichtlich des Widerrufs an einer solchen. Des Weiteren hält es das LG Dortmund nicht für angemessen, den Versicherungsnehmer in einem solchen Fall (Vertragsanpassung mit erhöhter Prämie oder Ausschluss der Gefahrabsicherung) länger prämienpflichtig an den Versicherungsvertrag zu binden, bis ihm die Policierung einer Anschlussversicherung gelingt. Ob diese Erwägung angesichts der beschriebenen gesetzlichen Konzeption zur Vermeidung eines versicherungslosen Zustandes trägt, kann der Senat offenlassen. Denn solche Umstände liegen im Falle eines Widerrufes nicht vor. Soweit einer analogen Anwendung eine mangelnde Europarechtskonformität entgegengehalten wird, da die „§ 8 VVG zugrunde liegende Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen ein solches Erfordernis nicht vorsieht und daher als Maßnahme der Vollharmonisierung auch nicht gestattet“ (Brand, a.a.O.; Rn. 40), ist dem entgegenzuhalten, dass die Normierung eines allgemeinen Widerrufsrechts für Versicherungsnehmer nicht allein, sondern „auch“ der Umsetzung europäischer Richtlinien dient. Nur im jeweiligen Anwendungsbereich dient die Regelung der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2002/65/EG (über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG) und der Richtlinie 2009/138/EG (betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit [Solvabilität II]). § 8 VVG ist im Übrigen eine eigenständige Regelung des nationalen, deutschen Gesetzgebers für alle Versicherungsverträge, mithin auch für solche, die nicht in den Anwendungsbereich der vorgenannten Richtlinien fallen (Knops, in: Bruck/Möller, VVG, Band 1, 10. Aufl. 2021, § 8 Rn. 9 m.w.N.). Der vorliegende PV-Vertrag erfüllt bereits nicht die Voraussetzungen des Art. 2 lit. a Richtlinie 2002/65/EG für deren Anwendungsbereich. Danach ist „Fernabsatzvertrag“ jeder zwischen einem Anbieter und einem Verbraucher geschlossene, Finanzdienstleistungen betreffende Vertrag, der im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems des Anbieters geschlossen wird, wobei dieser für den Vertrag bis zu und einschließlich dessen Abschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet. Dies war vorliegend nicht der Fall. Der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht dient § 8 VVG auch hinsichtlich Art. 186 Richtlinie 2009/138/EG (Knops, a.a.O.) über den „Rücktrittszeitraum“. Diese Regelung betrifft aber nach systematischer Stellung und Wortlaut lediglich den „individuellen Lebensversicherungsvertrag“. Die gemeinschaftsrechtlich zur Krankenversicherung zählende Pflegeversicherung ist aber den sog. Nichtlebensversicherungen (Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang I Teil A Richtlinie 2009/138/EG) zuzuordnen. Weder für die Krankenversicherung noch die Pflegeversicherung sind Regelungen zu Widerruf oder Rücktritt enthalten (vgl. Art. 179, 183, 206 Richtlinie 2009/138/EG). Gemeinschaftsrecht ist mithin für den PV-Vertrag und das auf diesen bezogene Widerrufsrecht nicht anwendbar, steht also der vorgenannten analogen Anwendung des Nachweiserfordernisses einer Anschlussversicherung nicht entgegen.

(cc) Einen solchen Nachweis einer anderweitigen Versicherung hat die Beklagte zu keinem Zeitpunkt erbracht. Sie hat auch nicht behauptet, einen anderen Pflegepflichtversicherungsvertrag abgeschlossen zu haben. Der Pflegepflichtversicherungsvertrag mit der Klägerin wurde daher weder durch den Widerruf im Schreiben im 6. September 2018 noch den im Schriftsatz vom 10. September 2021 gelöst.

(2) Eine Kündigung des PV-Vertrages hat die Beklagte nicht erklärt, auch nicht im Zusammenhang mit den Beitragserhöhungen (vgl. § 205 Abs. 3 und 4 VVG). Eine solche Kündigungserklärung ergibt sich weder aus den von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen noch dem eigenen Vorbringen der Beklagten. Ohnehin hätte auch eine Kündigung eines Nachweises der nahtlosen Anschlussversicherung bedurft. Ein solcher liegt, wie dargelegt, nicht vor.

cc) Für den streitbefangenen Zeitraum vom 1. November 2014 bis 31. Januar 2018 hat die Beklagte der Klägerin PV-Beiträge in Höhe von 1.839,48 € zu zahlen.

(1) Aus dem zwischen den Beteiligten bestehenden Vertrag über die PV i.V.m. § 1 Satz 2 VVG ist die Beklagte als Versicherungsnehmerin verpflichtet, an den Versicherer – hier die Klägerin – die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten. Näheres regeln die MB/PPV, die – wie dargestellt Bestandteil des Vertrages geworden sind. Für die Beitragszahlung gilt § 8 MB/PVV. Nach dessen Abs. 1 ist vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 für jede versicherte Person ein Beitrag zu zahlen. Der Beitrag ist ein Monatsbeitrag und am Ersten eines jeden Monats fällig.

Die PV-Beiträge zahlte die Beklagte für November 2014 in Höhe von 24,49 € sowie für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis 31. Januar 2018 gar nicht. Dies entnimmt der Senat dem schlüssigen Vortrag der Klägerin. Zweifel hieran bestehen nicht. Auch die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt eine weitere Beitragszahlung behauptet. Anhaltspunkte für eine solche bestehen nach dem Gesamtinhalt des Verfahrens nicht.

(2) Die Beitragsforderungen der Klägerin sind entgegen der Ansicht der Beklagten nicht verwirkt.

Nach dem als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entwickelten Rechtsinstituts der Verwirkung entfällt eine Leistungspflicht, wenn der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes die verspätete Geltendmachung des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass bei Klageerhebung bereits ein gewisser Zeitraum verstrichen ist (Zeitmoment) und der Klageberechtigte unter den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise eine Rechtsschutzaktivität entfaltet wird (Umstandsmoment); erst durch die Kombination beider Elemente wird eine Situation geschaffen, auf die der Klagegegner vertrauen, sich einstellen und einrichten darf (Vertrauenstatbestand; BSG, Urteil vom 16. Juli 2019 – B 12 KR 6/18 R – juris, Rn. 27 ff. m.w.N.).

Zur Begründung ihres Einwandes hat die Beklagte ausgeführt, dass selbst bei unterstelltem Vertragsabschluss mit dem Tarif PVN ab dem 1. Januar 2017 eine Vertragsänderung vereinbart worden sei, was bestritten werde. Unabhängig davon, dass diese Ausführungen bereits in sich nicht schlüssig formuliert sind, greifen sie in der Sache nicht durch. Zunächst ist mit diesem Vorbringen bereits keines der genannten Tatbestandsmerkmale der Verwirkung vorgetragen. Des Weiteren liegt eine Vertragsänderung tatsächlich auch nicht vor. Wie bereits im Versicherungsantrag und Versicherungsschein ist auch in den vorgelegten Nachträgen zum Versicherungsschein durchgehend der Tarif PVN festgehalten. Auch das Vorbringen der Beklagten, die Klägerin habe im streitbefangenen Zeitraum keine Leistungen erbracht, ist nicht geeignet eine Verwirkung zu begründen. Darüber hinaus hat die Beklagte zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, Leistungen gerade der PV begehrt zu haben oder deren Voraussetzungen erfüllt zu haben. Solches ist auch nicht ersichtlich.

(3) Die Höhe der PV-Beiträge für den streitbefangenen Zeitraum ergeben sich aus den von der Klägerin vorgelegten Nachträgen zum Versicherungsschein vom 17. September 2014 für die Zeit ab dem 1. November 2014 (monatlicher Beitrag 41,59 €), vom November 2014 ab1. Januar 2015 (monatlicher Beitrag 45,01 €) und vom November 2016 ab dem 1. Januar 2017 (monatlicher Beitrag 53,32 €). Wie oben bereits dargelegt, erachtet der Senat das pauschale Bestreiten der Beklagten, auch die Nachträge zum Versicherungsschein nicht erhalten zu haben, als nicht glaubhaft. Danach besteht für die Monate November bis Dezember 2014 ein Betragsrückstand von 66,08 € (monatlicher Beitrag 41,59 € x 2 Monate; gezahlt 17,10 €), für Januar 2015 bis Dezember 2016 von 1.080,24 € (monatlicher Beitrag 45,01 € x 24 Monate) sowie für Januar 2017 bis Januar 2018 von 693,16 € (monatlicher Beitrag 53,32 € x 13 Monate). Daraus ergibt sich der Gesamtbetrag von 1.839,48 €.

c) Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach ist eine Geldschuld während des Verzugs zu verzinsen. Der Schuldner kommt ohne Mahnung in Verzug, wenn er eine fällige Leistung, für die eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, nicht erbringt (§ 286 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB). Wie oben (unter cc) (1)) ausgeführt, waren Beiträge monatlich jeweils zum Ersten des Monats fällig, also zu einem nach dem Kalender bestimmten Zeitpunkt. Die Nichtzahlung der Beiträge hatte die Beklagte zu vertreten. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 Satz 2 BGB).

d) Die Beklagte hat die geltend gemachten Mahnkosten von 12,50 € als Verzugsschaden nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB zu tragen. Der Schuldner kommt ohne Mahnung in Verzug, wenn er eine fällige Leistung, für die eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, nicht erbringt (§ 286 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB). Wie oben (unter cc) (1)) ausgeführt, waren Beiträge monatlich jeweils zum Ersten des Monats fällig, also zu einem nach dem Kalender bestimmten Zeitpunkt.

Dass diese Kosten entstanden sind, entnimmt der Senat ebenfalls dem schlüssigen Vortrag der Klägerin. Danach sind ihr für die nach Verzugseintritt versandten kaufmännischen Mahnschreiben an die Beklagte Kosten für Porto, Telefon und Schreibauslagen entstanden. An diesem Vortrag zu zweifeln, besteht mangels abweichender Anhaltspunkte kein Anlass. Die Beklagte hat zwar zuletzt Mahnungen pauschal bestritten. Dies ist aber angesichts der oben genannten Umstände bereits nicht glaubhaft. Auch hier ist zu beachten, dass sie den Erhalt von Mahnungen erstmals im Berufungsverfahren durch den Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 10. September 2021 bestritt, dies aber weder im Klageverfahren noch in ihrer Berufungsbegründung vom 26. Juli 2019 in Abrede gestellt hatte. Wie bereits dargelegt, bietet das pauschale Bestreiten der Beklagten keine ausreichende Zuverlässigkeit.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG. Auch wenn die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen hat, ist eine teilweise Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beklagten nicht angemessen. Denn die Rücknahme der Klage betraf nur eine Nebenforderung. Hinsichtlich der Hauptforderung (PV-Beiträge) unterlag die Beklagte in vollem Umfang. Diese hat auch die Gerichtskosten des Mahnverfahrens zu tragen. Nach § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat, wenn ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a SGG) ist. Da die Beklagte das Mahnverfahren durch ihren Zahlungsverzug veranlasst hatte, ist es sachgerecht, ihr die hierfür angefallenen Kosten aufzuerlegen.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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