1. Zu den Voraussetzungen für die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung per Videokonferenz.
2. Voraussetzung für die Gestattung der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz ist unter anderem, dass die technischen Voraussetzungen für die Teilnahme erfüllt sind und der Ort für die Teilnahme geeignet ist.
3. Können diese Voraussetzungen aufgrund verspäteter Antragstellung nicht mehr rechtzeitig geklärt werden, besteht kein Anspruch auf eine Teilnahme per Videokonferenz.
4. Die Teilnahme eines anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten von seiner Wohnung aus scheidet in der Regel mangels Geeignetheit aus.
Der Antrag des Klägers vom 14. Juni 2021 auf Teilnahme an der heutigen mündlichen Verhandlung per Videokonferenz wird abgelehnt.
Gründe:
Gemäß § 110a Abs. 1 SGG (Fassung vom 25.04.2013, gültig ab 01.11.2013) kann das Gericht den Beteiligten, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Die Verhandlung wird dann zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen.
Die Entscheidung über die Gestattung erfolgt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Ein Anspruch der Beteiligten auf Gestattung der Teilnahme per Videokonferenz besteht auch auf deren Antrag nicht. Abwägungsrelevant sind im Rahmen des § 110a SGG insbesondere die von dem Antragsteller geäußerten Motive, eine Videokonferenz zu nutzen, dazu gehören vor allem medizinische Gründe. In die Abwägung einzustellen ist aber auch die Eignung der Technik für die erwartete Verhandlungssituation. Des Weiteren kann das Gericht bei seinem Ermessen die Fähigkeiten und die Verlässlichkeit des von der Gestattung Betroffenen berücksichtigen. Hierzu gehören dessen technische Kapazitäten, aber auch das Risiko, dass der Beteiligte die Verhandlung unerlaubterweise aufzeichnet. Es ist zudem zu beachten, dass anders als im Gerichtssaal auch Manipulationen möglich sind - bspw. durch Personen, die sich außerhalb des Sichtfeldes der Kamera befinden. Schließlich ist es abwägungsrelevant, inwieweit das Gericht den Einsatz von Videokonferenz unter Datenschutzgesichtspunkten für angemessen hält.
Bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes ist das Ermessen zwar im Sinne einer intendierten Ermessensausübung eingeschränkt (vgl. dazu § 211 Abs. 3 SGG, der allerdings zum 31.12.2020 trotz des Anhaltens der pandemischen Lage inzwischen wieder außer Kraft getreten und nicht mehr anwendbar ist). Der Senat hat bei seiner Entscheidung deshalb insbesondere berücksichtigt, dass der 69-jährige Kläger angegeben hat, aufgrund des weiterhin andauernden Pandemiegeschehens bei fortgeschrittenem Alter und fehlender Impfung Bedenken zu haben, aus Österreich nach Deutschland zu reisen. Angesichts der aktuell niedrigen Inzidenz, der weiterhin geltenden Schutz- und Hygienemaßnahmen im öffentlichen Nah- und Fernverkehr sowie im Gericht selbst geht der Senat jedoch nicht davon aus, dass dem Kläger, der mit Ausnahme seines Alters keine gesundheitlichen Risikofaktoren geltend gemacht hat, bei einer Anreise zum Termin ein ernster Gesundheitsschaden droht.
Aber selbst wenn der Kläger aus gesundheitlichen Gründen gehindert wäre, persönlich zum Termin zu erscheinen, besteht keine Pflicht des Gerichts, ihn mittels Videokonferenz teilnehmen zu lassen, denn er kann auf die Vertretung durch einen Bevollmächtigten verwiesen werden (BVerfG, Beschluss vom 27.11.2018 - 1 BvR 957/18 -). Wie der Kläger mit Schriftsatz vom 08.06.2021 bestätigt hat, wird er im Verfahren durch seine Tochter unterstützt und vertreten. Sie hat für den Kläger bereits im vorangegangenen Berufungsverfahren den Termin zur mündlichen Verhandlung wahrgenommen. Dass seiner Tochter die Anreise und Vertretung im jetzigen Termin nicht möglich wäre, ist weder vom Kläger vorgetragen worden, noch liegen dafür tatsächliche Anhaltspunkte vor.
Unabhängig davon kommt eine Gestattung auch deshalb nicht in Betracht, weil die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine Teilnahme per Videokonferenz wegen zu später Antragstellung nicht geklärt werden konnten. Der Kläger hat in seinem Antrag nicht dargelegt, wie und von welchem Ort er die Übertragung sicherstellen will. Voraussetzung für die Gestattung ist aber, dass die technischen Voraussetzungen für die Übertragung von Bild und Ton erfüllt sind und der Ort für die Teilnahme an der Videokonferenz (z.B. nach Lage und Größe) geeignet ist. Eine Teilnahme von zu Hause aus dürfte regelmäßig ausscheiden, schon weil das Aufzeichnungsverbot nicht überwacht werden kann (Stäbler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 110a SGG, Stand: 09.03.2021, Rn. 21.1).
Der Kläger, auf dessen Wunsch bereits der Termin vom 26.02.2021 vertagt worden ist, hat sich nach weiterer Ladung vom 23.04.2021 (dem Kläger zugestellt am 30.04.2021) erstmals am 02.06.2021 über seine Tochter telefonisch nach der Möglichkeit einer Videoteilnahme erkundigt und dabei die Auskunft erhalten, dass ein Antrag schriftlich gestellt und begründet werden müsste. Dies ist allerdings erst mit Fax vom 14.06.2021, zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung erfolgt, wobei die faxende Stelle (eine nicht am Verfahren beteiligte Anwaltskanzlei) nicht als Zustelladresse zur Verfügung steht und der Kläger schriftlich nur auf dem Postweg in Österreich zu erreichen ist. Aufgrund der üblichen Postlaufzeiten wäre selbst im innerdeutschen Postverkehr eine Klärung der technischen und organisatorischen Voraussetzungen auf Seiten des Klägers vor dem Termin nicht mehr möglich gewesen. Die Möglichkeit, eine Videoteilnahme über ein Gericht in Österreich zu organisieren, bestand aufgrund der späten Antragstellung zeitlich ebenfalls nicht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).