L 4 P 33/19

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 21 P 144/18
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 P 33/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Bei Verhinderung einer Pflegeperson sind nur solche Aufwendungen nach § 39 SGB XI erstattungsfähig, die vornehmlich der Durchführung der Ersatzpflege dienen und überdies nachgewiesen sind (vgl. BSG, Urteil vom 20.04.2016, B 3 P 4/14 R).

 

I. Der Antrag vom heutigen Tag (23.09.2020) auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

II. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.02.2019 wird zurückgewiesen.

III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

T a t b e s t a n d :

Der Kläger begehrt die Erstattung von Aufwendungen für Verhinderungspflege im Zeitraum vom 20.12.2017 bis 04.01.2018 in Höhe von 365,30 € und im Zeitraum vom 02.05.2018 bis 28.05.2018 in Höhe der gesetzlichen Höchstgrenze für das Jahr 2018 von 2.418 € zuzüglich Verzugszinsen.

Der 1949 geborene Kläger war bis 30.09.2018 bei der beklagten Pflegekasse versichert. Er erhielt ab dem 09.01.2015 Leistungen bei eingeschränkter Alltagskompetenz und wurde zum 01.01.2017 in den Pflegegrad 2 übergeleitet. In den streitigen Zeiträumen bezog er Kombinationsleistungen nach § 38 SGB XI in Form von ambulanten Pflegesachleistungen (erbracht von der C) und Pflegegeld. Herr H war in dieser Zeit als private Pflegeperson für den Kläger tätig. Nach den Angaben des Klägers kam der Pflegedienst dreimal wöchentlich für drei Stunden und übernahm die Gesamtpflege, Hauswirtschaft sowie Entlastungspflege und die Tagesbetreuung, während Herr H einmal pro Woche kam (Nachmittagsbetreuung, Einkäufe, Wäsche).

Mit E-Mail vom 16.12.2017 stellte der Kläger einen Antrag auf Verhinderungspflege für den Zeitraum vom 20.12.2017 bis 04.01.2018, da sich seine Pflegepersonen Frau O vom C sowie Herr H im Urlaub befänden. Seine Partnerin, Frau I (heute: B.), werde aus Thailand anreisen, um seine Pflege zu übernehmen. Die Beklagte erstattete daraufhin dem Kläger die Anreisekosten (Flug und Bahn) von Frau I in Höhe von 823,14 € (Bescheid vom 08.01.2018).

Mit Schreiben vom 11.06.2018 machte der Kläger für die Verhinderungspflege im oben genannten Zeitraum eine Nachforderung in Höhe von 365,30 € geltend. Zum einen sei noch der Verdienstausfall von Frau I in Höhe von 260 € abzugelten, ferner die Mehrkosten für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von 100 € sowie die Kosten für zwei Busfahrten in Thailand in Höhe von 5,30 €. Beigefügt war eine Überweisungsbestätigung vom 07.02.2018 über 260 € an Frau I, worin als Referenz "Bildungsausgaben" angegeben war.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 13.06.2018 die Erstattung der Kosten ab. Es sei nicht nachgewiesen, dass dem Kläger tatsächlich Aufwendungen in Höhe von 260 € für den Ausgleich eines Verdienstausfalls von Frau I entstanden seien. Im Übrigen enthalte die Überweisungsbestätigung die Angabe "Bildungsausgaben". Auch die geltend gemachten Mehrkosten für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von 100 € könnten nicht erstattet werden, weil diese Aufwendungen nicht den Ausfall der regulären Pflegeperson kompensierten. Die Kosten für zwei Busfahrten in Thailand könnten ebenfalls nicht übernommen werden, da der Inhalt der insoweit beigefügten Kopie in thailändischer Sprache nicht nachvollzogen werden könne.

Mit Schreiben vom 19.06.2018 erhob der Kläger dagegen Widerspruch und trug vor, dass die Überweisung von 260 € die Abgeltung für den Verdienstausfall betreffe - er habe nur irrtümlich angegeben, dass es sich um Bildungsausgaben handele. Außerdem liege der Beklagten bereits eine Gehaltsbescheinigung des Gemeindeverwaltungsamtes K vom 10.11.2017 vor, wonach Frau I monatliche Bezüge in Höhe von 33.270 Baht beziehe.

Bereits mit Schreiben vom 20.04.2018 hatte der Kläger die Übernahme der Kosten für Verhinderungspflege in der Zeit vom 02.05.2018 bis 28.05.2018 beantragt. Er werde sich in dieser Zeit in Thailand aufhalten und Frau I heiraten. Diese werde ihn in dieser Zeit betreuen und pflegen. Es würden Kosten für die Flugreise nach Thailand, Gebühren für den Deutschkurs, Pensionskosten und Eheschließungskosten anfallen. Um umgehende Erstattung werde gebeten, da er auf die Zahlung angewiesen sei, um nach Thailand reisen zu können.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 04.05.2018 die Bewilligung von Verhinderungspflege in der Zeit vom 02.05.2018 bis 28.05.2018 ab. Es liege schon keine Verhinderung der regulären Pflegeperson vor. Eine Erstattung der Flugkosten, Gebühren für einen Sprachkurs, Aufenthalts- und Eheschließungskosten käme aus Mitteln der Verhinderungspflege nicht in Betracht.

Mit Schreiben vom 12.06.2018, bei der Beklagten eingegangen am 14.06.2018, teilte der Kläger mit, dass seine Pflegepersonen Frau E vom C und Herr H im Mai 2018 berufs- bzw. urlaubsbedingt an seiner Pflege gehindert gewesen seien. Er fügte entsprechende Bestätigungen beider Pflegepersonen bei. Zudem wären in dieser Zeit lärmintensive Bauarbeiten in der Nachbarwohnung durchgeführt worden, so dass er, der einen umgekehrten Tag/Nachtrhythmus habe, am Tag keinen Schlaf habe finden können. Er sei daher nach Thailand geflogen und habe in verschiedenen Hotels in B gewohnt. Frau I sei von ihrem Wohnort in U nach B gekommen, habe mit ihm im Hotel gewohnt und seine Pflege übernommen. Am 25.05.2018 habe er sie geheiratet. Er beantrage nachträglich Verhinderungspflege.
Es seien Fahrt-, Flug- und Unterkunftskosten, Verpflegungskosten sowie Kosten für eine Reiserücktrittsversicherung in Höhe von insgesamt 1.727,77 € angefallen. Außerdem werde eine Entschädigung für den Verdienstausfall von Frau I in besagter Zeit in Höhe von 1.018,68 € geltend gemacht. Er beantrage die Erstattung des Höchstbetrages von 2.418 € für das Jahr 2018. Die Beklagte legte das Schreiben vom 12.06.2018 als Widerspruch gegen den Bescheid vom 04.05.2018 aus.

Mit Schreiben vom 19.07.2018 machte der Kläger ergänzend weitere Kosten in Höhe von 53 € geltend für den Hin- und Rückflug von Frau I von U nach B (Flüge vom 02.05.2018 und 29.05.2018) sowie für zwei Autofahrten in Thailand.

Die Beklagte wies die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 04.05.2018 und 13.06.2018 mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2018 zurück.
Die Entscheidung vom 04.05.2018 stehe mit dem geltenden Recht in Einklang. Ein Anspruch auf Verhinderungspflege für den Zeitraum 02.05.2018 bis 28.05.2018 bestehe nicht. Grund für die Reise nach Thailand sei die Eheschließung mit Frau I gewesen, nicht jedoch die Abwesenheit der Pflegepersonen. Die häufigen Hotel- und Ortswechsel machten deutlich, dass der primäre Zweck der Reise nicht die Durchführung der Ersatzpflege gewesen sei. Es sei nicht Intention des Gesetzgebers gewesen, indirekt Urlaubsreisen pflegebedürftiger Personen aus den Mitteln der Solidargemeinschaft zu finanzieren.
Auch die Entscheidung vom 13.06.2018 sei rechtmäßig. Die Anerkennung eines Verdienstausfalls sei nicht möglich, da kein Nachweis des Arbeitgebers hierüber vorgelegt worden sei. Allein die Bestätigung der Ersatzpflegeperson sei kein hinreichender Beleg für einen durch die Übernahme der Pflege entstandenen Verdienstausfall. Unerklärlich sei die Angabe auf der Überweisungsbestätigung, dass es sich bei dem ausgewiesenen Betrag um Bildungsausgaben handle. Bei dem übersandten Beleg, den der Kläger als Fahrtkostennachweis deklariere, könne weder der Inhalt noch der Zahlbetrag nachvollzogen werden. Es handele sich insofern nicht um nachgewiesene Kosten. Dasselbe gelte für die pauschal in Rechnung gestellten 100 € Mehrkosten für Unterkunft und Verpflegung.

Dagegen hat der Kläger am 15.10.2018 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und vorgetragen, dass die Beklagte die von ihm geltend gemachte Nachforderung in Höhe von 365,30 € für die Verhinderungspflege im Zeitraum 20.12.2017 bis 04.01.2018 zu Unrecht zurückgewiesen habe. Ebenso rechtswidrig sei die Weigerung der Beklagten, ihm die Kosten für die Verhinderungspflege im Mai 2018 zu erstatten. Die Behauptung, es habe sich um eine Urlaubs- bzw. Hochzeitsreise gehandelt, sei falsch. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass er über Monate ganz erheblichem Lärm ausgesetzt gewesen und daher nervlich am Ende gewesen sei, als er am 03.05.2018 in Thailand angekommen sei.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 15.02.2019 abgewiesen. Die ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 13.06.2018 und vom 04.05.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2018 seien rechtmäßig. Sowohl im Zeitraum vom 20.12.2017 bis 04.01.2018 als auch im Zeitraum 02.05.2018 bis 28.05.2018 sei die Ersatzpflege in der stattgehabten Art und Weise nicht notwendig gewesen, außerdem seien die Kosten nicht erstattungsfähig.
Im Zeitraum vom 20.12.2017 bis 04.01.2018 habe der Kläger die in dieser Zeit ausgefallene Hilfe des Herrn H nicht dadurch überbrücken dürfen, dass er eine Ersatzpflegeperson aus Thailand habe einfliegen lassen. Für die Zeit der Verhinderung seiner privaten Pflegeperson hätte der Kläger umdisponieren und entweder erhöhte Pflegesachleistungen durch den Pflegedienst in Anspruch nehmen oder die Zeit mit seinen durchaus vorhandenen eigenen Ressourcen überbrücken können. Es sei nur die Hilfe ausgefallen, die der Kläger von seiner privaten Pflegeperson Herrn H erhalten habe. Die Leistung eines ambulanten Pflegedienstes könne nicht unter den Begriff der "Verhinderungspflege" fallen, da es bei Ausfall einer professionellen Pflegekraft Aufgabe des Pflegedienstes sei, einen Ersatz zur Verfügung zu stellen. Der Kläger sei auch in anderen Zeiträumen allein bzw. mit Hilfe des Pflegedienstes ohne seine private Pflegeperson zurechtgekommen, wie dem Gutachten von Frau K1 entnommen werden könne. Ebenso sei der Kläger in der Lage gewesen, die Reise nach Thailand allein zu bewältigen. Der Kläger habe sich mit seinem Vorgehen außerhalb des rechtlich zulässigen Rahmens bewegt und Leistungen im Übermaß in Anspruch genommen, die nicht von der Pflegekasse zu übernehmen seien. Die durch § 4 Abs. 3 SGB XI gezogenen Grenzen seien überschritten worden. Dies gelte im vorliegenden Fall im Besonderen, da es sich bei der Pflegeperson um seine spätere Ehefrau gehandelt und daher der private Zweck der Reise im Vordergrund gestanden habe.
Auch hinsichtlich des Zeitraums vom 02.05.-28.05.2018 handele es sich nicht um notwendige Ersatzpflege. Keinesfalls könne der Kläger die eigenen Flug-, Taxi- und Unterbringungskosten in B und Kosten für eine Reiserücktrittsversicherung etc. von der Pflegekasse erstattet bekommen. Diese Kosten seien von § 39 SGB XI nicht erfasst, denn es handele sich nicht um Kosten, die bei der Ersatzpflegeperson entstanden sind, sondern um eigene Aufwendungen des Klägers für private Zwecke. Nicht erstattungsfähig gem. § 39 Abs. 1 SGB XI seien auch die Kosten für den Flug und die Taxifahrten von Frau I von ihrem Wohnort in Thailand nach B, ihren Verdienstausfall und die sonstigen von ihr geltend gemachten Forderungen. Denn diese Kosten seien nicht durch den Ausfall des Herrn H bedingt, sondern private Aufwendungen für eine Urlaubsreise/Hochzeit gewesen und daher nicht von der Pflegekasse zu erstatten.
Es handele sich um einen Fall evidenten Missbrauchs der Leistungen.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben. Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt, dass das SG die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20.04.2016, B 3 P 4/14 R, nicht beachtet habe, wo ausgeführt sei, dass es zu einem übermäßigen Leistungsbezug nicht kommen könne, weil die Leistungen der Verhinderungspflege einer zweifachen Beschränkung unterlägen: sie seien auf eine Anspruchshöchstdauer und einen Anspruchshöchstbetrag begrenzt.

Den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat der Senat mit Beschluss vom 14.09.2020 abgelehnt.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erneut einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt und erklärt, dass er sich psychisch nicht in der Lage sehe, weiter inhaltlich auf das Verfahren einzugehen. Er hat auf seinen Schriftsatz vom 22.09.2020 Bezug genommen, der beim Bayerischen Landessozialgericht am Tag der mündlichen Verhandlung eingegangen ist. Auf die Niederschrift der Sitzung wird verwiesen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.02.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 04.05.2018 und 13.06.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2018 zu verurteilen, ihm weitere Kosten für die Verhinderungspflege im Zeitraum vom 20.12.2017 bis 04.01.2018 in Höhe von 365,30 € sowie die Aufwendungen für die Verhinderungspflege im Zeitraum vom 02.05.2018 bis 28.05.2018 in Höhe der gesetzlichen Höchstgrenze für das Jahr 2018 in Höhe von 2.418 € nebst Verzugszinsen zu zahlen,
hilfsweise beantragt er, ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren und den Rechtsstreit zu vertagen.

Die Beklagte beantragt,  
die Berufung zurückzuweisen.

Während der Mitteilung der Urteilsgründe durch den Vorsitzenden hat der Kläger einen "Befangenheitsantrag" gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte sowie der beigezogenen Akten des Sozialgerichts und der Beklagtenakte Bezug genommen.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Der Senat konnte in Abwesenheit der Beklagten entscheiden (§§ 110, 126, 132 SGG).

Das Sozialgericht Nürnberg hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil zu Recht abgewiesen. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten für Verhinderungspflege in den streitgegenständlichen Zeiträumen.

Nach § 39 Abs.1 Satz 1 SGB XI übernimmt die Pflegekasse die nachgewiesenen Kosten einer notwendigen Ersatzpflege für längstens sechs Wochen je Kalenderjahr, wenn eine Pflegeperson wegen Erholungsurlaubs, Krankheit oder aus anderen Gründen an der Pflege gehindert ist. Voraussetzung dafür ist, dass die Pflegeperson den Pflegebedürftigen vor der erstmaligen Verhinderung mindestens sechs Monate in seiner häuslichen Umgebung gepflegt hat und der Pflegebedürftige zum Zeitpunkt der Verhinderung mindestens in Pflegegrad 2 eingestuft ist (§ 39 Abs.1 Satz 2 SGB XI). Pflegepersonen in diesem Sinne sind Personen, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 SGB XI in seiner häuslichen Umgebung pflegen (§ 19 SGB XI).

Der Anspruch auf Verhinderungspflege bietet dem Pflegebedürftigen im Vergleich zum Pflegegeld zusätzliche Leistungen, denen nach der Vorstellung des Gesetzgebers bei einem vorübergehenden Ausfall der Pflegeperson eine Überbrückungsfunktion zukommt (BT-Drucks 11/2237, S 184 zu § 55 SGB V i.d.F. des Regierungsentwurfs; BT-Drucks 12/5262, S 113 zu § 35 SGB XI i.d.F. des Regierungsentwurfs). Sie sollen die durch die Einschaltung einer Ersatzpflegeperson, eines ambulanten Pflegedienstes oder durch einen vorübergehenden Aufenthalt in einem Pflegeheim entstehenden zusätzlichen Aufwendungen ausgleichen und so in erster Linie verhindern, dass der Pflegebedürftige wegen kurzfristiger Verhinderungen seiner Pflegeperson auf Dauer stationäre Pflege in Anspruch nehmen muss.

Der Kläger war in den maßgeblichen Zeiträumen in Pflegegrad 2 eingestuft und erhielt von der Beklagten Kombinationsleistungen nach § 38 SGB XI: er nahm Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI in Anspruch, die von Mitarbeitern des C erbracht wurden, und bezog außerdem Pflegegeld gemäß § 37 SGB XI. Ein Anspruch auf Verhinderungspflege kommt grundsätzlich auch beim Bezug von Kombinationsleistungen in Betracht (Reimer in: Hauck/Noftz, § 39 SGB XI, Rn 5).

Wie vom SG zutreffend ausgeführt, handelte es sich bei den für den für den C tätigen Pflegekräften (Frau O und Frau E) nicht um Pflegepersonen im Sinne von § 39 Satz 1 SGB XI, da sie den Kläger erwerbsmäßig in seiner häuslichen Umgebung pflegten, so dass es auf deren Verhinderung nicht ankommt. Dagegen kümmerte sich Herr H nicht erwerbsmäßig um den Kläger und erfüllte damit die Kriterien einer Pflegeperson im Sinne von § 39 SGB XI. Wie aus dem Schreiben des Klägers vom 13.03.2017 hervorgeht, war Herr H mindestens seit März 2017 für ihn als Pflegeperson tätig und hatte ihn somit vor der Verhinderungspflege im Dezember 2017 bereits mehr als sechs Monate zuhause gepflegt. In den streitgegenständlichen Zeiträumen war Herr H seinen Angaben zufolge auch an der Pflege des Klägers gehindert.

Nach der Rechtsprechung des BSG führte der Auslandsaufenthalt des Klägers in Thailand auch nicht zu einem Ruhen des Anspruchs auf Leistungen der Verhinderungspflege nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI (vgl. BSG, Urteil vom 20.04.2016, B 3 P 4/14 R). Denn bei einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt des Pflegebedürftigen von bis zu sechs Wochen im Kalenderjahr sei es ungeachtet des Wortlauts des § 34 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 SGB XI, der ausdrücklich nur das Pflegegeld nach § 37 SGB XI sowie das anteilige Pflegegeld nach § 38 SGB XI erfasse, nicht gerechtfertigt, wegen Verhinderung der Pflegeperson das Pflegegeld zu versagen und zusätzlich auch die dieses ersetzenden Leistungen der Verhinderungspflege auszuschließen (BSG, a.a.O., Rn 25).

Gleichwohl hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Aufwendungen für die Verhinderungspflege in den streitgegenständlichen Zeiträumen.

1.
Die von Frau I im Zeitraum vom 20.12.2017 bis 04.01.2018 erbrachte Ersatzpflege war bereits nicht notwendig im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Denn die Hilfeleistung des Herrn H dürfte in dieser Zeit lediglich zweimal ausgefallen sein. Herr H - um dessen Verhinderung es allein gehen durfte - kam nach den Angaben des Klägers einmal wöchentlich zur Nachmittagsbetreuung und um Einkäufe zu besorgen sowie Wäsche aufzuhängen. Der C, der in der Regel drei Mal pro Woche á drei Stunden Pflegeleistungen für den Kläger erbrachte, hätte den Kläger dagegen in dieser Zeit weiter betreuen können. Es liegt auf der Hand, dass der Kläger den zweimaligen Ausfall des Herrn H ohne Weiteres durch eine geringfügig höhere Inanspruchnahme des Pflegedienstes hätte kompensieren können. Zu Recht hat das SG darauf hingewiesen, dass dies dem Kläger im Hinblick auf § 4 Abs. 3 SGB XI, wonach Pflegebedürftige darauf hinzuwirken haben, dass die Leistungen wirtschaftlich erbracht und nur in notwendigem Umfang in Anspruch genommen werden, auch zumutbar gewesen wäre (vgl. dazu BSG, Urteil vom 06.06.2002, B 3 P 2/02 R). Die geltend gemachten Kosten für die Anreise einer Ersatzpflegeperson aus Thailand, deren Beherbergung und Verpflegung sowie für deren zweiwöchigen Verdienstausfall stehen ganz offenkundig in keinem Verhältnis zum zweimaligen Ausfall der nachmittäglichen Hilfeleistung des Herrn H, den es in dieser Zeit zu kompensieren galt.

Ungeachtet dessen sind die mit Schreiben vom 11.06.2018 geltend gemachten Kosten für die Verhinderungspflege im Zeitraum vom 20.12.2017 bis 04.01.2018 allesamt nicht erstattungsfähig. Denn erstattungsfähig sind nur solche Aufwendungen, die vornehmlich der Durchführung der Ersatzpflege dienen (vgl. BSG, Urteil vom 20.04.2016, B 3 P 4/14 R, Rn 18) und überdies nachgewiesen sind.

Vorliegend hat der Senat erhebliche Zweifel, dass die geltend gemachten Aufwendungen vornehmlich der Durchführung der Ersatzpflege dienten. Nach den Angaben des Klägers war Frau I schon vor ihrem Aufenthalt vom 20.12.2017 bis 04.01.2018 seine Partnerin. Von daher erscheint es naheliegend, dass der Kläger und seine Freundin in erster Linie die Weihnachtstage und den Jahreswechsel gemeinsam verbringen wollten und die Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Aufenthalt von Frau I in Deutschland entstanden, hauptsächlich diesem Zweck dienten und weniger der Durchführung der Ersatzpflege.

Zudem sind die insoweit geltend gemachten Kosten allesamt nicht nachgewiesen. Weder ist belegt, dass Frau I überhaupt einen Verdienstausfall in dieser Zeit hatte, noch ist ersichtlich, dass der Kläger ihr hierfür einen Betrag von 260 € zukommen ließ. Der insoweit vorgelegte Überweisungsbeleg vom 07.02.2018 mit der Referenzangabe "Bildungsausgaben" weist gerade nicht nach, dass der Betrag von 260 € für einen etwaigen Verdienstausfall von Frau I bezahlt wurde. Eine nachträgliche Umwidmung der Zahlung, wie vom Kläger vorgenommen, vermag die bei der Überweisung mitgeteilte Referenz nicht zu erschüttern. Soweit der Kläger in seinem letzten Schriftsatz vom 22.09.2020 hierzu ausgeführt hat, dass in der Überweisungsmaske der Zweck der Überweisung nicht frei wählbar gewesen sei, sondern er nur die Wahl gehabt habe, den Eintrag "Bildungsausgaben" zu übernehmen oder die Überweisung abzubrechen, ist dies nicht glaubhaft, zumal der Kläger diese Begründung erst jetzt vorgebracht hat, während er vorher von einem "Irrtum" gesprochen hatte. Ebenso wenig sind die Mehrkosten für Unterkunft und Verpflegung und die Kosten für die Busfahrten nachgewiesen.  

2.
Auch die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für die Ersatzpflege im Rahmen der gemeinsamen Thailandreise im Mai 2018 sind nicht erstattungsfähig. Zutreffend hat das SG insoweit ausgeführt, dass eine Erstattung der eigenen Reise- und Hotelkosten des Klägers von vornherein ausscheidet, weil es sich nicht um Aufwendungen für die Beschaffung einer Ersatzpflege gemäß § 39 Abs. 1 SGB XI handelt.
Aber auch die Erstattung der Reise- und Hotelkosten für Frau I sowie ihres Verdienstausfalls im Zusammenhang mit der gemeinsamen Thailandreise im Mai 2018 kommt hiernach nicht in Betracht. Denn nach Würdigung der gesamten Unterlagen steht für den Senat fest, dass die Begleitung des Klägers durch Frau I während der gemeinsamen Thailandreise - wenn überhaupt - allenfalls in zweiter Linie der Durchführung der Ersatzpflege diente. Zu Recht sind sowohl die Beklagte als auch das SG davon ausgegangen, dass hier der gemeinsame Urlaub zweier Verlobter im Vordergrund stand und eine Urlaubsfinanzierung durch die Pflegekasse beabsichtigt war. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Vor diesem Hintergrund war auch der in der mündlichen Verhandlung erneut gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe jedenfalls wegen mangelnder Erfolgsaussicht abzulehnen (§ 73a SGG - i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO).

Auch dem hilfsweise gestellten Vertagungsantrag war nicht stattzugeben. Soweit der Kläger hierzu in der mündlichen Verhandlung erklärte, sich psychisch nicht in der Lage zu sehen, weiter inhaltlich auf das Verfahren einzugehen, entsprach diese Aussage keineswegs dem Eindruck, den der Senat in der mündlichen Verhandlung vom Kläger gewonnen hatte. Der Kläger machte nicht den Eindruck, seine Interessen nicht selbst vertreten zu können und dem Ablauf der mündlichen Verhandlung nicht gewachsen zu sein. Dies hat sich nicht zuletzt auch darin gezeigt, dass er sich in der Lage sah, diverse Anträge zu stellen.

Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Befangenheitsantrag des Klägers ist nach Verkündung des Urteils gestellt worden. Der Antrag ist daher im Rahmen der Urteilsgründe nicht zu berücksichtigen. Es ergeht hierzu ein gesonderter Beschluss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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