1. Zum Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung (hier: im Rahmen einer angegebenen Elektrosensibilität).
2. Zur Feststellung des Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist es unerheblich, ob die vom Versicherten berichteten Beschwerden und Gesundheitsstörungen durch die Einwirkung elektromagnetischer Felder aufgrund der von ihm angenommenen Elektrosensibilität verursacht werden, oder ob sie eine andere Ursache haben. Entscheidend hinsichtlich der Einschätzung des Leistungsvermögens sind die sich daraus ergebenden Funktionseinschränkungen und qualitativen und ggf quantitativen Leistungseinschränkungen bei Ausübung einer beruflichen Tätigkeit
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 26. Januar 2018 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten um die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1965 geborene Klägerin hat den Beruf einer Erzieherin erlernt. Am 21.07.2014 beantragte sie bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung des Rentenantrags gab die Klägerin an, dass sie an einer Elektrosensibilität, an einer Schlafstörung und an Bandscheibenschäden leide. Seit August 2013 sei sie arbeitsunfähig erkrankt.
Nach Beiziehung von Befundberichten der behandelnden Ärzte der Klägerin, holte die beklagte Deutsche Rentenversicherung bei der Fachärztin für und Psychiatrie B ein medizinisches Gutachten ein. In dem Sachverständigengutachten vom 12.12.2014 stellte Frau B bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen fest:
1. Nichtorganische Insomnie.
2. Vordiagnostizierte Elektrosensibilität.
Die Sachverständige hielt in ihrem Gutachten fest, dass der Tagesablauf der Klägerin weitgehend unauffällig sei. Es bestehe kein sozialer Rückzug. Im Vordergrund würde für die Klägerin immer wieder ihre Schlaflosigkeit stehen. Die Klägerin sei allerdings nicht willens, an dieser Störung durch empfohlene Maßnahmen eine Veränderung herbeizuführen. Die Sachverständige wies darauf hin, dass die Schwere dieser Störung nicht von einer Art sei, dass sie eine quantitative Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin habe. Objektiv gesehen, und das stehe nach B sicherlich in Divergenz zum subjektiven Erleben, müsse man feststellen, dass die Klägerin sowohl ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Erzieherin, als auch eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig ausüben könne.
Mit Bescheid vom 09.01.2015 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung ab, da die Klägerin noch über ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich verfüge. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2015 zurück.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben. Sie hat auf schwerwiegende Einschränkungen auf Grund der bestehenden Elektrosensibilität hingewiesen. Das Sozialgericht hat zum Zweck der medizinischen Sachaufklärung weitere Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen und anschließend die Fachärztin für und Psychiatrie A mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten vom 10.05.2016 bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Chronische Schlafstörungen und Erschöpfungssyndrom bei anamnestisch angegebener Elektrosensibilität.
2. Depressive Anpassungsstörung, derzeit leicht ausgeprägt.
3. Migräne.
Die Klägerin könne noch leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne besondere Anforderungen an die psychische Belastbarkeit, ohne anhaltendem Zeitdruck und ohne Nacht- und Wechselschichtarbeit vollschichtig ausüben.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wurde sodann der Facharzt für Allgemeinmedizin und Homöopathie B1 mit der Erstellung eines weiteren Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 21.01.2017 hat der Sachverständige bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: Es bestehe eine stark ausgeprägte Multisystemerkrankung, beginnend mit der phasenweisen Wahrnehmung eines Summtones als erstes Zeichen einer Resonanz mit einer Stress-energie und fehlender Kompensationskraft gegenüber dieser Belastung. Mit beginnender ersten Reaktion auf eine derartige Belastung (Summton) trete regelmäßig eine ganze Kaskade von Beschwerden auf, die eine Dekompensation der eigenen Regulationsfähigkeit (Homöostasefähigkeit) widerspiegeln würden. Bis zu der Erkrankung sei die Klägerin eine gesunde, aktive und vitale Frau gewesen, die einem Beruf nachgegangen sei und für die Familie gesorgt habe. Durch die Erkrankung komme es zu einer Unfähigkeit sich zu konzentrieren, zu Wortfindungsstörungen, zur Übermüdung und extremer Schwäche. Ferner bestehe eine bedrohliche Herzrhythmusstörung. Die Klägerin sei seit 2013 krankgeschrieben. Seither sei sie nicht mehr in der Lage, einer Arbeit nachzugehen, weder vollschichtig noch teilschichtig.
In einem ebenfalls nach § 109 SGG in Auftrag gegebenen neurologischen Zusatzgutachten vom 28.02.2017 hat die Sachverständige G bei der Klägerin folgende neurologische Diagnosen festgestellt:
1. Leichtgradige, autonome Dysfunktion ICD 10: G 31.2 induziert durch akute Exposition von elektromagnetischen Feldern.
2. Elektrosensibilität, Z 58 Kontaktanlässe mit Bezug auf die physikalische Umwelt, Strahlung.
Die Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass die Elektrosensibilität noch nicht als Berufskrankheit oder Invalidität anerkannt sei. Nichtsdestotrotz sei diese Erkrankung real. Ärzte, die mit dieser Erkrankung und mit diesen Patienten Erfahrung hatten, wüssten über den Ernst und die wachsende Inzidenz des Krankheitsbildes Bescheid.
Mit Schriftsatz vom 20.03.2017 hat die Beklagte zu dem Sachverständigengutachten B1 Stellung genommen. Dem Gutachten könne bereits nicht entnommen werden, ob der Sachverständige eine eigenständige Untersuchung durchgeführt habe. Was an Beeinträchtigungen bei der Klägerin durch den Gutachter geschildert werde, scheine anamnestischen Angaben entnommen worden zu sein und spiegle also reine Subjektivität wider.
Das Sozialgericht hat bei der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie M ein weiteres Sachverständigengutachten in Auftrag geben. Die Sachverständige hat unter dem 25.10.2017 ausgeführt, dass ein für den 04.09.2017 anberaumter Untersuchungstermin von der Klägerin wegen schlechten Gesundheitszustandes abgesagt worden sei. Einen weiteren Untersuchungstermin für den 17.10.2017 hat die Klägerin pünktlich in Begleitung ihres Ehemannes wahrgenommen. Die Exploration hat Frau M jedoch nicht zu Ende führen können, da die Klägerin die Untersuchung nach 50 Minuten abgebrochen hat. Die Sachverständige hat ausgeführt, dass während der durchgeführten Exploration mehrmals die Aussage durch die Klägerin getätigt worden sei, dass die Referentin ja nichts von ihrem Krankheitsbild verstehen würde. Im Rahmen der begonnenen Exploration sei für die Sachverständige der Eindruck entstanden, dass die Klägerin stark krankheitsfixiert und überzeugt davon sei, unter extremer elektromagnetischer Empfindlichkeit zu leiden und dass dies wissenschaftlich nachweisbar sei. Die Sachverständige hielt die in Auftrag gegebene Begutachtung nicht - mehr - für sinnvoll und wurde auf eigenen Wunsch vom Gutachtensauftrag entbunden.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 27.12.2017 hat das Sozialgericht die Sachverständige A um ergänzende Stellungnahme zu ihrem Gutachten vom 10.05.2016 unter Berücksichtigung der Gutachten von B1 und G gebeten. Die Sachverständige A hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 23.12.2017 darauf hingewiesen, dass der Sachverständige B1 keine feststellbaren pathologischen Untersuchungsbefunde bei der Klägerin erhoben habe. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die von B1 beschriebene Kaskade von Beschwerden sich auf die anamnestischen Angaben der Klägerin stütze. Jedenfalls habe Herr B1 im klinischen Befund fassbare Auswirkungen der Schlafstörungen (zB erhöhte Tagesmüdigkeit) oder klinisch auffällige vegetative Dysregulationen nicht beschrieben. Auch aus den Ergebnissen der von B1 veranlassten Laboruntersuchungen lasse sich keine klinisch und zeitlich leistungsmindernde Funktionseinschränkung ableiten. Somit beruhe die Leistungsbeurteilung von B1 wesentlich auf den anamnestischen Angaben der Klägerin, aber nicht auf nachvollziehbaren pathologischen Untersuchungsbefunden und daraus ableitbaren Funktionseinschränkungen. Auch die Sachverständige G habe einen im Wesentlichen unauffälligen neurologischen Befund beschrieben und im psychischen Befund keine pathologischen Befunde dokumentiert. Eine eigene sozialmedizinische Leistungsbeurteilung bei der Klägerin sei durch die Sachverständige G nicht erfolgt. In Zusammenschau des Gutachtens von Herrn B1 und des neurologischen Zusatzgutachtens von Frau G sei festzuhalten, dass vermutlich von beiden Gutachtern bei der jeweiligen Untersuchung der Klägerin trotz der anamnestisch erheblich ausgeprägten Beschwerden keine im klinischen, körperlichen und psychischen Befund fassbaren relevanten und pathologischen Auffälligkeiten erhoben worden seien.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.01.2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Das Gericht hat sich dem Gutachten der Sachverständigen A und deren ergänzender Stellungnahme angeschlossen, wonach sich trotz der festgestellten Gesundheitsstörungen (chronische Schlafstörungen und Erschöpfungssyndrom bei anamnestisch angegebener Elektrosensibilität, depressive Anpassungsstörung, Migräne) quantitative Leistungseinschränkungen nicht hinreichend belegen lassen.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Nach Beiziehung weiterer Befundberichte der behandelnden Ärzte hat der Senat ein Sachverständigengutachten bei der Internistin L eingeholt. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten vom 19.11.2018 bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Chronische Schlafstörung - Ausschluss einer organischen Insomnie.
2. Gerinnungsstörung bei Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom Typ I.
3. Verdauungsprobleme bei Zustand nach Divertikulitis im Enddarm September 2017.
Die Sachverständige hat ausgeführt, dass die festgestellten Gesundheitsstörungen im Einzelnen und auch in ihrer Gesamtheit aus internistischer Sicht keine qualitativen oder quantitativen Leistungseinschränkungen medizinisch begründen lassen.
Der Senat hat weiter ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei W in Auftrag gegeben. Der Sachverständige hat in seinem Sachverständigengutachten vom 05.03.2019 bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Neurasthenie mit mittelschwerer depressiver Episode.
2. Anamnestisch eine chronische Schlafstörung bei Ausschluss einer organischen Insomnie.
3. Internistisch ein Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom sowie Verdauungsprobleme bei Zustand nach Divertikulitis im Enddarm.
4. Migräne.
Die Klägerin könne noch leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen, in geschlossenen Räumen, ohne schweres Heben und Tragen von Lasten, ohne häufiges Bücken, ohne Zeitdruck, ohne Akkord-, Schicht- und Nachtarbeit und ohne Zwangshaltungen in einem Zeitraum von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich ausüben.
Auf Antrag der Klägerin wurde der Sachverständige H (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie) mit der Erstellung eines weiteren Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG beauftragt. Der Sachverständige hat unter dem 24.07.2019 ausgeführt, dass er wegen Arbeitsüberlastung nicht in der Lage sei, zeitnah ein Sachverständigengutachten im vorliegenden Rechtsstreit zu erstatten. Daraufhin hat der Klägerbevollmächtigte den Internisten und Sozialmediziner S als weiteren Sachverständigen nach § 109 SGG benannt. Der Sachverständige S hat in seinem Sachverständigengutachten vom 09.11.2019 bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Chronisches Müdigkeits- bzw. Erschöpfungssyndrom.
2. Chronifiziertes Schmerzsyndrom einschließlich Migräne-Kopfschmerz.
3. Chronifizierte Schlafstörung.
4. Hochgradige Elektrosensibilität.
5. Verdauungsbeschwerden bei Sigmadivertikulose,
6. Willebrand-s-Syndrom Typ I.
Es sei aus Sicht des Sachverständigen festzustellen, dass die Klägerin aufgrund des nicht erholsamen Nachtschlafes über nun viele Jahre sich in einem dermaßen ausgeprägten Müdigkeits- bzw. Erschöpfungszustand befinde, dass eine erwerbsmäßige Belastbarkeit bis auf Weiteres nicht mehr gegeben erscheine. Auch eine zwischenzeitlich erfolgte Einstufung im Pflegegrad 2 seitens des MDK Bayern bestätige diese Leistungseinschätzung. Das bedeute, dass auch eine zustandsangepasste Tätigkeit von der Klägerin täglich nur weniger als drei Stunden ausgeübt werden könne.
Der Senat hat daraufhin die Sachverständige L mit einer ergänzenden Stellungnahme beauftragt, insbesondere dazu, ob im Hinblick auf die Ausführungen von S eine Änderung der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung veranlasst sei. Die Sachverständige L hat unter dem 24.02.2020 zunächst ausdrücklich die Ausführungen des Sachverständigen S insoweit bestätigt, als dieser ausgeführt hat, dass nicht erneut das Phänomen der Elektrosensibilität mit all den konträren hierzu bisher vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen diskutiert werden solle. L hat darauf hingewiesen, dass es zur Feststellung des Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unerheblich sei, ob die von der Klägerin berichteten Beschwerden und Gesundheitsstörungen durch die Einwirkung elektromagnetischer Felder und der von ihr angenommenen Elektrosensibilität verursacht werden, oder eine andere Ursache haben. Entscheidend hinsichtlich der Einschätzung des Leistungsvermögens seien die sich daraus ergebenden Funktionseinschränkungen und qualitativen und gegebenenfalls quantitativen Leistungseinschränkungen bei Ausübung einer beruflichen Tätigkeit. Aufgrund der fehlenden Relevanz hinsichtlich der Leistungsbeurteilung erfolgte in ihrem Gutachten keine ausführliche inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Krankheitsbild der Elektrohypersensibilität. L stellte aber fest, dass auch S ohne auf die vorliegenden objektivierbaren Befunde (Schlaflaborbefund der A1 vom 24.09.2014; Schlaflaborbefund der P Klinik für Schlafmedizin vom 28.08.2019) einzugehen, allein aufgrund der anamnestischen Angaben der Klägerin zu dem Ergebnis komme, dass eine erwerbsmäßige Belastbarkeit bis auf Weiteres nicht gegeben erscheine. Erläuterungen, auf welche objektivierbaren Befunden sich diese Leistungseinschätzung stütze, würden nicht gegeben. Im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung durch S sei nach den Feststellungen L weder eine körperliche Untersuchung durchgeführt noch ein psychischer Befund erhoben worden, noch seien technische Untersuchungen durchgeführt worden.
Mit Schriftsatz vom 23.03.2020 hat der Klägerbevollmächtigte einen Befangenheitsantrag gegen die Sachverständige L gestellt, da diese trotz festgestellten Pflegegrades 2 durch den MDK weiterhin von einem vollschichtigen Leistungsvermögen ausgehe. Auf Grund dieses Wertungswiderspruches würden begründete Zweifel an der Neutralität der Sachverständigen bestehen. Das Gericht hat daraufhin die Sachverständige L um Stellungnahme gebeten. L hat unter dem 06.04.2020 ausgeführt, dass der Vorwurf der Befangenheit für sie nicht nachvollziehbar sei. Die Leistungsbeurteilung sei alleine auf Basis von objektivierbaren Befunden erfolgt.
Der Berichterstatter hat mit Beschluss vom 27.04.2020 den Antrag der Klägerin auf Ablehnung der Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses verwiesen.
Nach Vorlage weiterer Befundberichte durch die Klägerin hat das Gericht erneut Frau L mit einer ergänzenden Stellungnahme beauftragt. Aus dem vorgelegten Bericht über eine schlafmedizinische Untersuchung im Schlaflabor vom 18.08.2019 bis 20.08.2019 würden sich nach L keine wesentlichen neuen Erkenntnisse ergeben. Im Epworth Schläfrigkeitstest sei wiederum ein unauffälliger Befund erhoben worden. Es sei keine erhöhte Einschlafneigung festgestellt worden. Auch sei in den Messnächten nur eine leicht verminderte Schlafeffizienz festgestellt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 26.01.2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung nach den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 30.06.2020 (Beklagte) bzw. 03.07.2020 (Klägerin) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 124 Abs. 2 SGG erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Leistungsakten der Beklagten und der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 26.01.2018 die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 09.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.06.2015 als unbegründet abgewiesen. Eine rentenrelevante Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin steht nicht zur Überzeugung des Senats fest. Den internistischen bzw. neurologisch-psychiatrischen Einschränkungen der Klägerin kann durch Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes Rechnung getragen werden. Auch die massive Fixierung der Klägerin auf eine Elektrosensibilität als Krankheitsursache (ohne körperliche Krankheitssymptome) führt nicht zur Annahme einer Erwerbsminderung. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich die Klägerin selbst auf einfache Tätigkeiten nicht mehr umstellen könnte. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 SGB VI kommt bereits deshalb nicht in Betracht, da die Klägerin (Jahrgang 1965) nicht vor dem 02.01.1961 geboren wurde.
I. Gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet der Senat im erklärten Einverständnis aller Beteiligten über die Streitsache durch Urteil ohne mündliche Verhandlung. Der Sachverhalt ist geklärt und die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu sowie zu ihren rechtlichen Einschätzungen der Voraussetzungen des streitigen Anspruchs gehabt. Eine mündliche Verhandlung ist daher zur Wahrung der prozessualen Rechte der Beteiligten nicht erforderlich. Dem steht auch nicht entgegen, dass bereits das Sozialgericht die Streitsache durch Gerichtsbescheid gem. § 105 Abs. 1 SGG und damit ohne mündliche Verhandlung entschieden hat. Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der eine mündliche Verhandlung garantiert, ist jedenfalls dann ausreichend Rechnung getragen, wenn die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben und dem Sozialgericht insoweit auch keine Verfahrensfehler unterlaufen sind (BSG, Beschluss vom 14.10.2005 - B 11a AL 45/05 B -, juris Rn. 7; mwH. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 124 Rn. 3). Für einen Verfahrensfehler des Sozialgerichts bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Die Beteiligten haben zu dieser Vorgehensweise auch ihr Einverständnis ausdrücklich erklärt.
II. Gem. § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Ergänzend hierzu führt § 43 Abs. 3 SGB VI aus, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
III. Der Nachweis für die den Anspruch begründenden Tatsachen muss im Wege des sog. Vollbeweises erfolgen. Dies bedeutet, das Gericht muss von der zu beweisenden Tatsache mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit ausgehen können. Ist das nicht der Fall, sondern bestehen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten begründete Zweifel, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleiten möchte. Für das Vorliegen der Voraussetzungen der Erwerbsminderung trägt insoweit die Klägerin die Darlegungs- und objektive Beweislast (vgl. hierzu BSG vom 14.12.2006, Az.: B 4 R 29/06 R).
IV. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht nach durchgeführter Beweisaufnahme nicht die Überzeugung vom Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für die begehrte Erwerbsminderungsrente gewinnen können. Die Klägerin ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats vielmehr noch in der Lage, wenigstens sechs Stunden täglich Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Es muss sich um leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen handeln. Zu vermeiden sind Arbeiten unter Zeitdruck, Akkord- Schicht- und Nachtarbeit. Der Klägerin sind aber zB durchaus noch leichte Bürotätigkeiten zumutbar. Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens liegt zur Überzeugung des Senats auf Grund des vom Sozialgericht eingeholten Sachverständigengutachtens A als auch auf Grund der im Berufungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten W und L nicht vor. Diese Sachverständigen haben nachvollziehbar und überzeugend keine quantitativen Leistungseinschränkungen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes feststellen können. Nachvollziehbare pathologische Untersuchungsbefunde und daraus ableitbare Funktionseinschränkungen in rentenrelevantem Umfang hat kein gehörter Sachverständiger festgestellt. Auch die Sachverständigen nach § 109 SGG B1, G und S haben keine im klinischen, körperlichen und psychischen Befund fassbaren relevanten pathologischen Auffälligkeiten festgestellt. Die abweichende Leistungsbeurteilung der Sachverständigen nach § 109 SGG fußt jeweils alleine auf den anamnestischen Angaben der Klägerin. Hierauf - alleine - kann und darf sich eine gerichtliche Entscheidung aber nicht stützen.
1. Im Vordergrund des Beschwerdebildes bei der Klägerin stehen nach ihren eigenen Angaben Schlafstörungen auf Grund einer Elektrosensibilität.
a) Unter Elektrosensibilität wird die Entwicklung von gesundheitlichen Beschwerden durch die Einwirkung elektromagnetischer Felder verstanden. Generell sind die Symptome eher unspezifischer Natur, wie zum Beispiel Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Schwindel, Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Erschöpfung und Übelkeit. Gelegentlich werden auch Muskelschmerzen, Sehstörungen und Hörprobleme (zum Beispiel Tinnitus) genannt. Bisher konnte keine einheitliche Gruppe von Symptomen identifiziert werden. Bei manchen Betroffenen treten Symptome nur im Zusammenhang mit bestimmten Expositionsquellen auf, wohingegen andere sensibel auf verschiedene Expositionsquellen (zum Beispiel Mobiltelefon, Mobilfunk-Basisstation, Hochspannungsleitung, Radar, Haushaltsgeräte) reagieren. In vielen Fällen liegt die Stärke der symptomauslösenden elektromagnetischen Felder unterhalb der Grenzwerte. Bislang gibt es weder einen bekannten biologischen Marker noch einen diagnostischen Test für Elektrosensibilität (mwH https://de.wikipedia.org/wiki/Elektrosensibilit%C3%A4t abgerufen 22.07.2020).
Wissenschaftliche Studien konnten bisher die ursächliche Wirkung von elektromagnetischen Feldern zur Auslösung von Elektrosensibilität nicht belegen. In einer 2011 veröffentlichten Studie der Strahlenschutzkommission heißt es:
"Die Ergebnisse des DMF [Anm.: Deutsches Mobilfunk-Forschungsprogramm] zeigen, dass die ursprünglichen Befürchtungen über gesundheitliche Risiken nicht bestätigt werden konnten. Es haben sich durch die Forschungsergebnisse des DMF auch keine neuen Hinweise auf bisher noch nicht bedachte gesundheitliche Auswirkungen ergeben. In Übereinstimmung mit anderen internationalen Gremien (ICNIRP 2009, WHO 2011) kann festgestellt werden, dass die den bestehenden Grenzwerten zugrundeliegenden Schutzkonzepte nicht in Frage gestellt sind."
In derselben Studie heißt es, es gebe noch Forschungsbedarf und es sei aus
"[...] der Sicht des Strahlenschutzes [...] festzustellen, dass auf Basis der durchgeführten Forschungsprojekte die Gesamtproblematik der biologisch-medizinischen Wirkungen der Felder des Mobilfunks nicht endgültig geklärt werden konnte."
(Vgl. hierzu auch http://www.ssk.de/SharedDocs/Beratungsergebnisse_PDF/2011/2011_10.pdf?__blob=publicationFile abgerufen 22.07.2020).
Das Bundesamt für Strahlenschutz berichtet, dass die Ergebnisse des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms (DMF) sowie weiterer aktueller nationaler und internationaler Studien gesundheitsrelevante Wirkungen von elektromagnetischen Feldern unterhalb der Grenzwerte nicht bestätigen. Nicht-thermische biologische Wirkungen ließen sich nicht nachweisen. Auch konnte keine Beeinträchtigung der allgemeinen Gesundheit und kognitiven Leistungsfähigkeit und kein erhöhtes Krebsrisiko nachgewiesen werden. Es wird ausgeführt, dass etwa 1 % der deutschen Bevölkerung sich selbst als elektrosensibel bezeichnet, d.h., sie führen die oben genannten Symptome auf das Vorhandensein elektromagnetischer Felder in ihrer Umwelt zurück. Die Studien ergaben, dass das Wissen um das Vorhandensein von Feldern in Kombination mit der Besorgnis über mögliche gesundheitliche Auswirkungen dieser Felder Beschwerden verursachen kann.
(Vgl. hierzu https://www.bfs.de/DE/themen/emf/kompetenzzentrum/netzausbau/wirkung/diskutiert/diskutiert.html abgerufen am 22.07.2020).
Bislang wird die Elektrosensibilität auch nicht von der WHO als Krankheitsbild anerkannt
(vgl. https://www.who.int/pehemf/publications/facts/ehs_fs_296_german.pdf?ua=1 abgerufen am 22.7.2020).
Sie wird bislang auch nicht in der Anlage 1 zur BKV aufgeführt und wird somit grundsätzlich nicht als Berufskrankheit anerkannt (LSG Baden-Württemberg Urteil vom 16.05.2018 - L 3 U 549/18).
b) Zur Feststellung des Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist es jedoch unerheblich, ob die von der Klägerin berichteten Beschwerden und Gesundheitsstörungen durch die Einwirkung elektromagnetischer Felder aufgrund der von ihr angenommenen Elektrosensibilität verursacht werden, oder ob sie eine andere Ursache haben. Entscheidend hinsichtlich der Einschätzung des Leistungsvermögens sind die sich daraus ergebenden Funktionseinschränkungen und qualitativen und gegebenenfalls quantitativen Leistungseinschränkungen bei Ausübung einer beruflichen Tätigkeit (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.05.2019 - L 8 R 350/17 -, juris).
Soweit die Klägerin über dauernde schwergradig ausgeprägte Schlafstörungen berichtet als Folge eines in einer bestimmten Taktung auftretenden Summtons, einhergehend mit Vibration am ganzen Körper und weiteren körperlichen Beschwerden, finden sich insoweit keine objektivierbaren Befunde. So hat die Sachverständige L zutreffend darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Schlaflaboruntersuchungen vom 12.08.2014 bis 14.08.2014 in der A1 (F) die von der Klägerin berichteten Schlafstörungen gerade nicht objektiviert werden konnten. Eine Auswertung des Fragebogens zur Tagesschläfrigkeit ergab einen unauffälligen Befund. Eine erhöhte Tagesmüdigkeit konnte nicht festgestellt werden. Auch die in der Klinik durchgeführten Polysomnographien ergaben nach den schlüssigen Feststellungen von L jeweils eine physiologische Schlafarchitektur und -struktur bei jeweils sehr guter Schlafeffizienz (90 % und 88,6 %). Die Gesamtschlafdauer betrug 381 Minuten (ca. 6,5 Stunden) bzw. 427,5 Minuten (ca. 7 Stunden) unter den erschwerten Bedingungen des Schlaflabors (EEG, EKG-Elektroden, Nasenbrille, Finger-Clip). Es ergaben sich auch keinerlei Hinweise für eine organisch bedingte Schlafstörung im Sinne einer schlafbezogenen Atmungsstörung oder einer nächtlichen Bewegungsstörung. Dokumentiert ist ausdrücklich, dass sich für eine Elektrosensibilität keinerlei klinische Belege finden ließen. Die Polysomnographie-Protokolle zeigten in der ersten Nacht 16 und in der zweiten Nacht 6 kurzzeitige Wachperioden, die keinesfalls dem von der Klägerin berichteten Rhythmus entsprachen.
Bemerkenswert ist auch das Verhalten der Klägerin auf den Vorhalt der Sachverständigen L im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung am 14.11.2018, dass sie im Schlaflabor trotz der "Verkabelung" geschlafen habe. Hierzu hat die Klägerin angegeben, dass sie geschlafen habe, weil das Schlaflabor gegen elektromagnetische Wellen abgeschirmt gewesen sei. Außerdem sei sie schon aufgewacht, was jedoch von der Krankenschwester nicht aufgeschrieben worden sei. Die Sachverständige hat hierzu festgestellt, dass die Wachzeiten nicht von einer Schwester aufgezeichnet werden, sondern die Wachzeiten ebenso wie die verschiedenen Schlafstadien mittels des angelegten EEGs gemessen und automatisch dokumentiert und vom Arzt nochmals geprüft werden. Die Sachverständige hat sich sogar am 19.11.2018 telefonisch in der A1 erkundigt, ob besondere bauliche Gegebenheiten hinsichtlich der Abschirmung gegenüber elektromagnetischen Wellen im Schlaflabor bestehen würden. Dabei hat die Sachverständige die Auskunft erhalten, dass es sich um normale Räume, mit Fenstern handelt, wobei in jedem Zimmer neben den Messgeräten auch ein Fernsehgerät steht und WLAN vorhanden ist. Somit steht nach diesen glaubhaften Aussagen der Sachverständigen fest, dass trotz der erschwerten Bedingungen im Schlaflabor in den beiden Diagnostiknächten keine Schlafstörung nachgewiesen werden konnte.
Auch dem Schlaflaborbefund der P Klinik für Schlafmedizin vom 28.08.2019 ist zu entnehmen, dass im Epworth-Schläfrigkeitstest wiederum ein unauffälliger Befund erhoben wurde. Es wurde keine erhöhte Einschlafneigung festgestellt, wie sie bei der von der Klägerin geschilderten dauernden Müdigkeit und Erschöpfbarkeit zu erwarten wäre. Auch wurde in den Messnächten jeweils nur eine leicht verminderte Schlafeffizienz festgestellt mit jeweils 83 %, wobei der Schlafrhythmus mit fünf Phasen bzw. sechs Phasen regelrecht war. In der ersten Nacht wird ein verminderter Tiefschlaf beschrieben bei regelrechtem REM-Schlaf, in der zweiten Nacht wird auch ein verminderter Tiefschlaf festgestellt. Berichtet werden häufige kurze oder längere Aufwachphasen. Die Einschlaflatenz war nicht verkürzt.
Damit steht nach den klinischen Untersuchungen gerade nicht fest, dass die Klägerin an gravierenden Schlafstörungen leidet.
Der Leistungsbeurteilung des Sachverständigen S, der ohne auf die objektivierbaren Befunde (Schlaflaborbefund der A1 vom 24.09.2014; Schlaflaborbefund der P Klinik für Schlafmedizin vom 28.08.2019) einzugehen, eine erwerbsmäßige Belastbarkeit auf Grund eines nicht erholsamen Nachtschlafes und eines daher bestehenden Müdigkeits- bzw. Erschöpfungszustandes verneint, kann daher nicht gefolgt werden. Im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung durch S wurden auch weder eine körperliche Untersuchung durchgeführt, noch ein psychischer Befund erhoben, noch sind technische Untersuchungen dokumentiert. Nicht nachvollziehbar ist daher die Leistungsbeurteilung im Gutachten von S, die sich allein auf die anamnestischen Angaben der Klägerin stützt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin führt auch das Pflegegutachten des MDK vom 19.07.2019 (Pflegegrad 2) nicht per se zu einem Nachweis einer quantitativen Leistungsminderung. Ein Pflegegutachten, das nicht durch einen Arzt erhoben wurde, sondern - wie auch vorliegend - von einer Pflegefachkraft, ist als solches allein nicht geeignet, den Vollbeweis für eine Erwerbsminderung zu erbringen. Es stellt alleine eine zusätzliche Erkenntnisquelle dar, die zur Einschätzung der Sachverständigen und zur Bildung der richterlichen Überzeugung beitragen kann. Zu dem vorliegenden Pflegegutachten ist anzumerken, dass sich die Beurteilung ebenfalls allein auf anamnestischen Angaben der Klägerin stützt und keinerlei objektivierbare Befunde zugrunde legt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass als pflegebegründende Diagnosen angegeben werden: Depressionen mit Verhaltensstörungen und Harnhalteschwäche und ein Zustand nach mehrfachen BKH-Aufenthalten. Stationäre Aufenthalte in einem Bezirkskrankenhaus fanden bislang tatsächlich nicht statt. Zumindest wurden zu keinem Zeitpunkt anamnestisch solche Aufenthalte angegeben. Sie sind auch in keinem der vorliegenden Befunde dokumentiert.
Auch die Leistungsbeurteilung durch die weiteren Sachverständigen nach § 109 SGG B1 und G sind für den Senat nicht überzeugend. Ein aussagekräftiger objektiver Nachweis der zugrunde gelegten Diagnosen ist diesen Gutachten ebenfalls nicht zu entnehmen. Die Taktung der Beschwerden, die laut Klägerin durch Mobilfunkmasten ausgelöst werden, erklärt Herr B1 damit, dass bestimmte Frequenzanteile von Mobilfunkmasten nicht ununterbrochen emittiert werden, sondern in festen Intervallen. Auf die Tatsache, dass Mobilfunkmasten dauernd senden, geht er ebenso wenig ein, wie auf die Tatsache, dass die Beschwerden der Klägerin nicht in einem festen Rhythmus auftreten, sondern in einer Taktung, die ständig wechselt, obwohl auch dies in Widerspruch zu seinen Erläuterungen hinsichtlich der von ihm bei der Klägerin diagnostizierten Elektrohypersensitivität steht. Die Ausführungen hinsichtlich des Krankheitsbildes der "Elektrohypersensitivität" sind daher ebenso wenig medizinisch nachvollziehbar, wie seine Leistungseinschätzung.
Frau G stellte in ihrem neurologischen Zusatzgutachten vom 28.02.2017 eine leichtgradige, autonome Dysfunktion fest, welche sie zurückführt auf die akute Exposition von elektromagnetischen Feldern sowie eine Elektrosensibilität. Diese Diagnosen, insbesondere die Diagnose der Elektrosensibilität ist medizinisch in keiner Weise nachvollziehbar, da die Untersuchungen von Frau G dies nicht bestätigten, sondern tatsächlich widerlegen. Dokumentiert ist, dass die neurophysiologischen Veränderungen in der Herzratenvariabilität und im EEG-Brain Mapping diskret, und zum Teil erstmals aktivierend, also positiv waren. Frau G erklärt dies damit, dass initial, in der Akutphase der Exposition (Anmerkung: 10minütige Exposition mit Huawei-Handy) die physiologische Antwort erstmals eine positive, regulierende, normalisierende ist, worauf dann und oft erst nach Stunden, die Stressreaktion folgt. Eine Untersuchung zu einem späteren Zeitpunkt ist jedoch nicht erfolgt, bzw. nicht dokumentiert. Diese Ausführungen sind weder schlüssig noch nachvollziehbar in Anbetracht der Tatsache, dass die Klägerin selbst berichtet, Beschwerden würden selbst dann ausgelöst, wenn Handys ausgeschaltet sind.
Damit steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass bei der Klägerin durch eine Elektrosensibilität Funktionseinschränkungen verursacht werden, die bei der Klägerin zu einer quantitativen Leistungseinschränkung führen.
2. Bei der Klägerin wurde im Jahr 2008 erstmals die Diagnose eines Von-Willebrand-Jürgens-Syndroms Typ I gestellt. Es handelt sich hierbei um eine autosomal dominant vererbte angeborene Gerinnungsstörung, welche bei der Mandeloperation und der Konisation des Gebärmutterhalses im Jahr 2007 zu Nachblutungen führte. Nach Auswertung des Ambulanzberichtes des Universitätsklinikums R vom 22.11.2017 handelt es sich jedoch um eine milde Form des Von-Willebrand-Jürgens-Syndroms. Es zeigte sich eine normwertige Thrombozytenzahl mit normwertiger globaler Gerinnungsdiagnostik inklusive der in-vitro Blutungszeit bei unter dem Normbereich liegenden Von-Willebrand-Parametern. Ein Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom Typ I geht normalerweise nicht mit einer spontanen Blutungsneigung einher, typisch sind bei Frauen das Vorliegen einer verstärkten Regelblutung sowie Blutungskomplikationen, insbesondere bei Eingriffen im Schleimhautbereich. Generelle therapeutische Maßnahmen sind nicht erforderlich, jedoch dezidierte Vorkehrungen vor einem operativen Eingriff. Eine Leistungsminderung wird hierdurch nach den schlüssigen Ausführungen der Sachverständigen L nicht bedingt.
3. Auch die Divertikulitis im Dickdarm führt zu keiner quantitativen Leistungsminderung. Die Klägerin wurde im September 2017 akutstationär aufgenommen wegen einer akuten Divertikulitis im Dickdarm und wegen akuter entzündlicher Veränderungen von Darmwandaussackungen. Es erfolgte eine konservative Therapie, nachdem sich im Computertomogramm des Bauches vom 09.09.2017 kein Hinweis für eine Perforation oder Abszessbildung ergab. Im Nachtrag wird jedoch ausgeführt, dass eine langstreckige entzündliche Wandverdickung nachweisbar war, weshalb eine kleine gedeckte Perforation mit einer winzigen Abszedierung nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden konnte. Im Oktober 2017 erfolgte eine Darmspiegelung. Ein Entzündungsprozess konnte ausgeschlossen werden. Nachweisbar war lediglich ein einzelnes beginnendes Divertikel im Dickdarm. Laborchemisch hat die Sachverständige L keinen Hinweis für einen akuten oder chronischen Entzündungsprozess feststellen können, ebenso wenig für eine Malnutrition.
4. Schließlich hat der Sachverständige W hat in seinem Gutachten vom 05.03.2019 für das psychiatrisch-neurologische Fachgebiet überzeugend darauf hingewiesen, dass die von ihm festgestellte körperliche Kondition der Klägerin nicht in Einklang steht mit der angegebenen Inaktivität.
Diagnostisch geht es nach den Feststellungen von W um eine Neurasthenie mit depressiver Komorbidität. Die gedankliche Fixierung der Klägerin auf die Einflüsse elektrischer Aktivität erinnert psychiatrisch an Beeinträchtigungsideen; doch erscheint die Diagnose einer Paranoia aus Sicht von W nicht berechtigt. Auf funktionaler Ebene waren nach den weiteren Feststellungen des Sachverständigen jetzt und zuvor eine körperliche Dekonditionierung ebenso wenig nachweisbar wie eine Vernachlässigung des äußeren Erscheinungsbildes oder eine erkennbare Erschöpfbarkeit im Rahmen des "gutachterlichen Stresstests" bei einem von mittlerweile zahlreich abgerufenen Gutachten. Auf Behandlungsebene findet sich in der Vorgeschichte keine ungewöhnliche Inanspruchnahme diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen. Auf Persönlichkeitsebene sind das Kontaktverhalten und insbesondere die Durchsetzungs- und Selbstbehauptungsfähigkeit nach allen Berichten bisher nicht gravierend affiziert. W hat festgestellt, dass therapeutisch dem Gesamtverlauf keine strukturierte Behandlung zu entnehmen ist, am allerwenigsten auf der hier im Vordergrund stehenden psychosomatischen Ebene. Entsprechende Schritte hat bereits die wegen der Schlafstörungen befragte A1 angestoßen ("verhaltenstherapeutische/verhaltensmedizinische Maßnahmen"). Solche sind allerdings bis heute nicht dokumentiert. Unter diesen Voraussetzungen hat der Sachverständige W überzeugend herausgearbeitet, dass nicht nur vom Vorliegen eines "Behandlungsfalles" auszugehen ist, sondern vom Vorliegen eines "Untersuchungsfalles". Dies ergibt sich bereits daraus, dass es für die als Hauptanlass beschriebenen Schlafstörungen keinerlei Beleg gibt, und weil die körperliche Kondition der Untersuchten nicht in Übereinstimmung steht mit der seit Jahren angegebenen alltagsrelevanten Inaktivität. Beschrieben wird insgesamt ein vielfältiges Beeinträchtigungsprofil, in dessen Mittelpunkt eine vermehrte Ermüdbarkeit steht. Dieses beruht subjektiv auf elektromagnetischen Einflüssen. Weder hinsichtlich der (möglicherweise dysfunktionalen) Grundkognition noch hinsichtlich der beschriebenen Pathologie des Antriebs sind strukturierte Behandlungen aufgenommen worden, die der Intensität nach mit dem angegebenen Leidensdruck in Übereinstimmung stehen. Nachvollziehbare pathologische Untersuchungsbefunde und daraus ableitbare Funktionseinschränkungen in rentenrelevantem Umfang hat auch W nicht feststellen können. Diese Leistungsbeurteilung deckt sich auch mit der von Frau A in ihren neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 10.05.2016. Auch Frau A erachtet leichte Arbeiten unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen weiterhin als vollschichtig zumutbar.
Auf Grund der gedanklichen Fixierung auf eine bis jetzt ausschließlich im Subjektiven befindliche Beeinträchtigung durch elektromagnetische Wellen ist die Klägerin zwar umstellungserschwert. Der Sachverständige W hat jedoch im Gutachten vom 05.03.2019 überzeugend herausgearbeitet, dass das gewandte, sichere und verbal geschickte Auftreten der Klägerin ebenso wie die nach klinischem Eindruck unverkürzte Auffassungs- und Informationsumsetzungsfähigkeit keinen Hinweis darauf geben, dass selbst einfache Tätigkeiten mit den Merkmalen Einweisung und Einarbeitung umstellungshalber verschlossen wären. Der Senat geht dabei auch weiterhin von dem Grundsatz des offenen Arbeitsmarktes aus. Er hält daran fest, dass Versicherte, die nur noch körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten - ggf unter weiteren gesundheitlichen Einschränkungen - wenigstens sechs Stunden täglich verrichten können, regelmäßig in der Lage sind, "erwerbstätig zu sein". Arbeitsplätze, auf denen ungelernte körperlich leichte Tätigkeiten zu erbringen sind, sind nicht generell "unüblich"; insoweit gilt weiter, dass der Katalog zur Verschlossenheit des Arbeitsmarktes nicht um eine solche Fallgruppe erweitert werden kann. Vom praktisch gänzlichen Fehlen von Arbeitsplätzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die nur mit leichten körperlichen und geistigen Anforderungen verknüpft sind, kann derzeit nicht ausgegangen werden, auch nicht aufgrund der Digitalisierung oder anderer wirtschaftlicher Entwicklungen (so zuletzt BSG, Urteil vom 11.12.2019 - B 13 R 7/18 R).
5. Die Klägerin ist auch nicht aus gesundheitlichen Gründen gehindert, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Ihre Gehfähigkeit ist nicht eingeschränkt. Sie kann jedenfalls noch viermal arbeitstäglich mindestens 500 Meter ohne unzumutbare Beschwerden in jeweils längstens 20 Minuten zurücklegen. Dies ergibt sich aus allen im gerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten, die jeweils überzeugend von diesem Leistungsvermögen ausgehen. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit wird auch von der Klägerin nicht behauptet.
Damit steht der Klägerin kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung zu.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183,193 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin mit ihrer Berufung erfolglos geblieben ist.
VI. Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.