L 5 SF 227/20 AB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 SF 227/20 AB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Wird in einem offensichtlich unzulässigen Anhörungsrügeverfahren ein Befangenheitsantrag gestellt, dann ist auch der Befangenheitsantrag unzulässig.
2. Erst wenn eine Anhörungsrüge Erfolg hat und das Verfahren in die frühere Lage zurückversetzt wird und daher eine rechtskräftige Entscheidung nicht mehr entgegensteht, kommt eine Richterablehnung in Betracht.

 

1. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss vom 19.06.2020 wird als unzulässig verworfen.

2. Das Gesuch des Klägers, den Vorsitzenden Richter am LSG R  im Berufungsverfahren L 5 KR 504/19 wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird als unzulässig verworfen.

3. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.


G r ü n d e :

I.

Zugrunde liegt eine Streitsache aus dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung.

In der Streitsache S 10 KR 475/17 wandte sich der Kläger gegen die Höhe der Beitragszahlungen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung. Die Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) zum BSG gegen die abweisenden Entscheidungen des Sozialgerichts und des Senats hat das BSG mit Beschluss vom 12.01.2021 als unzulässig verworfen (B 12 KR 61/20 B).

Die Geschäftsstelle des Senats hat den Kläger mit Schreiben vom 20.05.2020 gemeinsam mit dem Verfahren L 5 KR 505/19 zur mündlichen Verhandlung am 19.06.2020 geladen. Die Ladung ist dem Kläger am 22.05.2020 zugestellt worden Mit Fax vom 19.06.2020, 8:43 Uhr hat der Kläger die Verlegung der mündlichen Verhandlung mit dem Argument beantragt, er müsse sich noch weitergehend auf die Verhandlung vorbereiten. Mit Beschluss vom 19.06.2020, 9:10 Uhr hat der Vorsitzende am LSG R  die Terminsverlegungsanträge in beiden Verfahren des Klägers abgelehnt. Es läge kein erheblicher Grund in Sinne der § 202 SGG i.V.m. § 227 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO vor. Der Senat hat die Berufungen in der mündlichen Verhandlung mit Urteilen vom 19.06.2020 zurückgewiesen. Die Urteile sind ist dem Kläger am 30.06.2020 zugestellt worden.

Mit Ersetzungsbeschluss vom 03.07.2020 hat der Vorsitzende einen offenkundigen Schreibfehler im Beschluss vom 19.06.2020 berichtigt.

Mit Schreiben vom 09.07.2020 und 14.07.2020 hat der Kläger Anträge auf "Gegenvorstellungen" in den Verfahren L 5 KR 504/19 und L 5 KR 505/19 gestellt sowie folgende Anträge wegen Besorgnis der Befangenheit eingereicht:
- Am 09.07.2020: Gegen Vorsitzenden R  in den Verfahren L 5 KR 504/19 (vorliegendes Aktenzeichen) und L 5 KR 505/19 (L 5 SF 228/20 AB) aufgrund des Beschlusses vom 19.06.2020, 9:10 Uhr.
- Am 14.07.2020: Gegen Vorsitzender R  (Fax 23:55 Uhr), Richterin am LSG B (Fax 23:56 Uhr), Richterin am LSG K (Fax 23:58 Uhr), ehrenamtliche Richter S (Fax 23:59 Uhr, L 5 SF 231/20 AB) und D (Fax 00:00 Uhr, aufgrund der Uhrzeit des Faxes unter L 5 SF 232/20 AB) wegen des Urteils im Verfahren L 5 KR 504/19 und "höchstvorsorglich verfahrensübergreifend auch in der Sache L 5 KR 505/19".

Mit Schreiben vom 09.07.2020 hat der Kläger in seinen hier zu entscheidenden Anträgen bezüglich des Nichtverlegungsbeschlusses sinngemäß vorgetragen, er sei in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da Umstände gegeben waren, die Verlegung erforderlich gemacht hätten.

II.

Der Senat kann unter Mitwirkung der abgelehnten Richterinnen und Richter entscheiden, ohne gegen das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter zu verstoßen (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG), da die Ablehnungsgesuche offensichtlich unzulässig sind (BSG, Beschluss vom 23. Oktober 2017 - B 8 SO 28/17 BH, dazu Nichtannahmebeschluss des BVerfG v. 23.05.2018, 1 BvR 566/18, unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG v. 02.05.2006 - 1 BvR 698/06).

Grundsätzlich ist ein Ablehnungsgesuch nur bis zur Beendigung der Instanz zulässig (gefestigte Rechtsprechung des BVerfG und der Obersten Bundesgerichte, Übersicht in BSG, Beschluss v. 03.09.2020 - B 14 AS 351/19 B). Wird in einem Anhörungsrügeverfahren nach § 178a SGG - vom Kläger als Gegenvorstellung bezeichnet - ein Befangenheitsantrag gestellt und ist die Anhörungsrüge offensichtlich unzulässig wie vorliegend, so ist auch der Befangenheitsantrag unzulässig (vgl. BGH, Beschlüsse v. 22.11.2006, 1 StR 180/06; vom 13.02.2007, 3 StR 425/06; vom 11.04.2013, 2 StR 525/11).

Die Anhörungsrüge gemäß § 178a SGG dient der Korrektur von Gehörsverstößen durch das Gericht, das die in Rede stehende, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbare Entscheidung getroffen hat. Die Anhörungsrüge gibt dem "iudex a quo" die Möglichkeit, einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör durch erneute Sachprüfung selbst abzuhelfen. Sie ist kein Rechtsmittel, sondern ein außerordentlicher Rechtsbehelf, der die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung unberührt lässt (vgl. BT-Drs. 15/3706 S.14). Sonstige Rechtsfehler inhaltlicher oder formeller Art sind grundsätzlich nicht Gegenstand des Anhörungsrügeverfahrens. Daher ist auch eine etwaige Befangenheit von Gerichtspersonen, die an der angegriffenen Entscheidung mitgewirkt haben unbeachtlich (vgl. Verwaltungsgerichthof Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.06.2016, 1 S 783/16, Rn. 6; Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.06.2017, 3 SO 79/17, Rn. 1). Denn die Anhörungsrüge ist bewusst als außerordentlicher Rechtsbehelf ausgestaltet (vgl. BT-Drs. 15/3706, S. 22 und 15/3966, S. 8). Sie dient nicht dazu, unstatthaften Befangenheitsanträgen Geltung zu verschaffen (BGH, Beschluss vom 22.11.2006, 1 StR 180/06, Rn. 5). Erst wenn die Anhörungsrüge Erfolg hat und das Verfahren in die frühere Lage zurückversetzt wird und daher eine rechtskräftige Entscheidung nicht mehr entgegensteht, kommt eine Richterablehnung in Betracht (vgl. Beschluss des BayLSG vom 01.04.2020 - L 7 SF 15/20 AB unter Verweis auf die Beschlüsse des BGH vom 24.01.2012 4 StR 469/11; vom 11.04.2013, 2 StR 525/11 und vom 24.04.2014 4 StR 479/13, wobei der BGH von einer Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs auch dann ausgeht, wenn die Anhörungsrüge unbegründet ist).

Vorliegend ist die Anhörungsrüge zum einen unzulässig, da gegen prozessleitende Verfügungen, wie der Ablehnung eines Antrags auf Verlegung der mündlichen Verhandlung, als Zwischenentscheidung (Beschluss vom 19.06.2020) nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden können (§ 178a Abs. 1 S. 2 SGG).

Zum anderen kann gegen das Berufungsurteil die NZB (§ 160a SGG) zum BSG als zulässiger Rechtsbehelf erhoben werden (BVerfG, Nichtannahmebeschlüsse vom 11.08.2017, 1 BvR 237/17, und vom 23.05.2017, 1 BvR 1617/15). Der Kläger auch von dieser Möglichkeit gebraucht gemacht und das Rechtsmittel eingelegt. Das BSG hat die Beschwerde des Klägers als unzulässig verworfen (B 12 KR 61/20 B). Der außerordentliche Rechtsbehelf der Anhörungsrüge ist gegenüber dem Rechtsmittel der NZB subsidiär und damit unzulässig (§ 178a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG).

Durch die Verwerfung der NZB ist das Urteil des Senats rechtskräftig. Damit ist auch die Richterablehnung als unzulässig zu verwerfen, wobei eine dienstliche Stellungname (BSG, Beschluss v. 23.10.2017 - B 8 SO 28/17 BH) und jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist (BSG, Beschluss v. 27.10.2009 -B 1 KR 68/09 B).

Diese Entscheidung ergeht kostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden in entsprechender Anwendung des § 193 SGG nicht erstattet.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

 

Rechtskraft
Aus
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