1. Eine selbstständige Tätigkeit als juristischer Repetitor ist nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig, auch wenn im Hauptberuf als Rechtsanwalt keine Versicherungspflicht besteht.
2. Die Befreiung eines dem Grunde nach versicherungspflichtigen Rechtsanwalts (hier aufgrund des Bezugs von Existenzgründungszuschuss nach § 421l SGB III a.F.) von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung erstreckt sich nicht auf eine Nebentätigkeit als juristischer Repetitor.
3. Eine Erstreckung der Befreiung nach § 6 Abs. 5 SGB VI ist nicht möglich, wenn die Nebentätigkeit im Zeitpunkt der Entscheidung über die Befreiung bereits seit über einem Jahr und zukunftsoffen weiterhin ausgeübt wird.
4. Die Unsicherheit, ob in der Nebentätigkeit als Repetitor jeweils Nachfolgekurse zustande kommen, führt nicht dazu, dass es sich um eine ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzte Tätigkeit handelt.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 26. Januar 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Streitig ist die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für eine neben seiner selbstständigen Anwaltstätigkeit ausgeübte Tätigkeit als juristischer Repetitor vom 19.03.2008 bis 26.01.2011 nach § 6 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI).
Der 1973 geborene Kläger war nach dem Abschluss seines Studiums und dem Zweiten Juristischen Staatsexamen zunächst arbeitslos, bezog bis zum 31.10.2005 Arbeitslosengeld und machte sich ab 01.11.2005 mit Hilfe eines Existenzgründungszuschusses der Agentur für Arbeit München selbstständig als Rechtsanwalt bei gleichzeitiger Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung und der Rechtsanwaltskammer. Am 07.11.2005 beantragte er bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, die mit zwei Bescheiden vom 09.03.2006 erteilt wurde. Für die Zeit ab 12.10.2005 (Beginn der Pflichtmitgliedschaft in ‚Rechtsanwaltskammer und -versorgung) erfolgte eine Befreiung als arbeitsloser Rechtsanwalt. Für die Zeit ab 01.11.2005 befreite die Beklagte den Kläger für seine "Tätigkeit als Rechtsanwalt bei § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI". Der Bescheid enthält dazu u.a. folgende Hinweise:
"Die Befreiung gilt für die oben genannte Beschäftigung/Tätigkeit, solange hierfür eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft in der Berufskammer besteht und solange Versorgungsabgaben bzw. Beiträge in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen wären. Die anliegende Stellen- und Funktionsbeschreibung ist Bestandteil dieses Bescheides. Sie sind verpflichtet, uns einen Wechsel des Aufgabenfeldes bei Ihrem Arbeitgeber oder einen Wechsel des Arbeitgebers sowie im Falle einer bestehenden Arbeitslosigkeit die Aufnahme einer Beschäftigung/Tätigkeit unverzüglich mitzuteilen."
Unter Bezugnahme auf die erteilte Befreiung stellte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Oberbayern mit Bescheid vom 31.03.2006 fest, dass die Voraussetzungen für den Eintritt der Versicherungspflicht bei Bezug des Existenzgründungszuschusses nicht erfüllt seien. Der Bescheid enthält einen Hinweis dahingehend, dass sich die Befreiung nur auf die geförderte Tätigkeit als Rechtsanwalt bezieht.
Am 23.05.2007 beantragte der Kläger die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für eine seit 06.03.2007 neben der Rechtsanwaltstätigkeit ausgeübte Tätigkeit als Dozent. Er bereite als freier Mitarbeiter eines juristischen Repetitoriums im Umfang von etwa vier bis neun Wochenstunden Studenten auf das Erste Staatsexamen vor. Das Entgelt betrage derzeit 400 € monatlich zuzüglich einer Umsatzbeteiligung, die aber bisher aufgrund der Teilnehmerzahl noch nicht zur Auszahlung gekommen sei. Ab Oktober 2007 sei mit einer Erhöhung und höheren Einkünften zu rechnen. Die Beklagte erließ daraufhin am 16.08.2007 einen weiteren Bescheid, mit dem festgestellt wurde, dass nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI selbständige Lehrer, Erzieher und Pflegepersonen versicherungspflichtig sind, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigten. Im Falle des Klägers bestehe ab dem 06.03.2007 Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 SGB VI, weil nur eine geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt werde. Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, seine Lehrtätigkeit stehe in engem Zusammenhang mit seiner Anwaltstätigkeit, die vom Auftraggeber auch als Eignungsvoraussetzung verlangt werde. Auch würden der Inhalt des zu vermittelnden Wissens und die Gestaltung des Unterrichts maßgeblich durch die Anwaltstätigkeit geprägt. Am 17.06.2008 teilte er mit, dass er seit 19.03.2008 aus der Lehrtätigkeit monatlich 800 € Einkünfte erziele. Er beantrage, die Einkünfte aus dieser Nebentätigkeit in die berufsständische Versorgung einzubeziehen und beantrage insoweit Freistellung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.08.2017 wurde zurückgenommen.
Mit dem streitigen Bescheid vom 16.02.2009 lehnte die Beklagte die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ab. Die Befreiung werde nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen geprüft und ausgesprochen. Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, seine Lehrtätigkeit sei genauso eng mit dem Anwaltsberuf verbunden wie bei der Referendarausbildung. Hilfsweise beantrage er eine Befristung der Versicherungspflicht im Voraus auf 15 Monate und eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 a Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI für die ersten drei Jahre von 01.11.2005 bis 31.10.2008, da er nur für einen Auftraggeber tätig werde und es nie klar sei, ob Folgekurse zustande kommen würden, weil dies von der Teilnehmerzahl abhänge. Dazu legte er eine Bescheinigung von Rechtsanwalt H, Betreiber des Repetitoriums H & W vom 22.06.2009 vor, in der darauf hingewiesen wird, dass die freie Mitarbeit jeweils auf die Dauer eines Kurses, d.h. im Hauptkurs Zivilrecht auf 15 Monate und im Nebenfach auf ca. acht Monate beschränkt sei. Es werde bestätigt, dass die Ausübung der Dozententätigkeit eine Anwaltszulassung erfordere. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2010 zurück. Die ergangenen Befreiungsbescheide, die sich zuletzt auf den Bezug von Existenzgründungszuschuss bezogen hätten, könnten sich nach Ablauf des Existenzgründungszuschusses gemäß § 421 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), der längstens für die Dauer von drei Jahren gezahlt werde, schon formal nicht mehr auf die Dozententätigkeit erstrecken, weil sie danach keine Wirkung mehr entfalten würden. Für eine Tätigkeit als selbstständiger Rechtsanwalt bedürfe es keiner Befreiung. Andernfalls würde man für beliebige berufsfremde Nebentätigkeiten ein eigenständiges Befreiungsrecht kreieren, die dann allein durch die Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk der Sozialversicherungspflicht entzogen würden. Die Tätigkeit als Dozent sei auch nicht befristet, sondern im Wesentlichen auf Dauer angelegt und werde weiterhin ausgeübt, derzeit bis Februar 2011. Insoweit wäre eine Befristung nach den Regelungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) auch nicht zulässig.
Mit seiner Klage zum Sozialgericht München hat der Kläger erklärt, die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht sei nicht nachträglich entfallen, weil er weiterhin selbstständiger Rechtsanwalt sei, auch wenn die Befreiungen insoweit ins Leere liefen. Allerdings seien auch die Befreiungsvoraussetzungen weiterhin gegeben. Die Erstreckung der Befreiung auf die Tätigkeit für das Repetitorium H & W ergebe sich daraus, dass es sich um eine berufsspezifische Tätigkeit handle. Diese sei auch im Voraus vertraglich auf die Dauer des jeweiligen Kurses begrenzt. Schließlich seien die Einkünfte des Klägers in der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung beitragspflichtig.
Mit Wirkung zum 01.04.2011 hat der Kläger sowohl die Anwalts- als auch die Lehrtätigkeit wegen Übernahme in ein Beamtenverhältnis beim Freistaat Bayern beendet. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 07.04.2011 hat er erklärt, seine Lehrtätigkeit werde vollständig von der Anwaltsversorgung in die Beitragspflicht und die Versorgungszusage einbezogen. Er hat die Bestätigung der beigeladenen Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung vom 27.07.2011 vorgelegt, wonach er dort vom 12.10.2005 bis 06.04.2011 Pflichtmitglied gewesen sei und Beiträge aus allen Einkünften aus selbstständiger Arbeit entrichtet habe. Bis 31.12.2009 seien dies einkommensbezogene Beiträge aus den Einkünften entsprechend des Einkommenssteuerbescheides für 2005 gewesen, für das Jahr 2010 Einkünfte entsprechend des Einkommenssteuerbescheides 2008 (30.229 €) und für die Zeit bis 30.04.2011 seien ebenfalls anteilige Beiträge entsprechend des Einkommenssteuerbescheides 2008 entrichtet worden.
Mit Urteil vom 26.01.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Bei der Lehrtätigkeit des Klägers handle es sich ihrer Natur nach nicht um eine anwaltliche Tätigkeit, die geeignet sei, eine Befreiung von der Versicherungspflicht zu bewirken. Die Dozententätigkeit des Klägers sei auch nicht von vornherein befristet. Nach Auffassung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung werde eine Beschäftigung auch dann regelmäßig ausgeübt, wenn sie von vornherein auf ständige Wiederholung gerichtet sei und über einen längeren Zeitraum ausgeübt werden solle. Dabei würden sich Unterbrechungen in vielen Berufsfeldern aus der Natur der Sache ergeben, so im Bereich der Landwirtschaft und des Tourismus. Ebenso zwingend ergebe sich vorliegend ein kalendarischer Rhythmus für Tätigkeiten wie die des Klägers im akademischen Umfeld aufgrund von Semesterferien und Prüfungsterminen. Die in vielen Geschäftsfeldern übliche Offenhaltung von Anschlussaufträgen sei nicht mit einer mit Datum fixierten Befristung zu verwechseln. Auch seien für den Kläger nicht mehr die Bescheide vom 09.03.2006 über eine Befreiung von der Versicherungspflicht ab 12.10.2005 heranzuziehen, die sich auf eine antragsabhängige Befreiung von der Versicherungspflicht während des im Prinzip Versicherungspflicht auslösenden Bezuges von Sozialleistungen bezogen hätten.
Mit seiner Berufung hat der Kläger eine Verletzung von Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 31 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) insofern gerügt, als die von der Rechtsprechung herangezogenen ungeschriebenen Merkmale für die Bestimmung einer Anwaltstätigkeit gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts verstießen. Hinsichtlich der Befristung dürfe der Kläger nicht benachteiligt werden gegenüber Anwälten, die von vornherein befristete berufsfremde Nebentätigkeiten aufnähmen. Dabei dürfe auch die enge Verknüpfung zum Anwaltsberuf nicht verkannt werden. Die Beiladung des Versorgungswerks sei erforderlich, da bei einem negativen Ausgang die an die Beklagte zu entrichtenden Beiträge vom Versorgungswerk insofern zu erstatten seien, als sie zu einer Erhöhung des Gesamtbeitrags geführt hätten. Der Kläger hat u.a. auf das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.03.2012 (Az.: S 4 R 895/10) hingewiesen.
Auf Antrag der Beteiligten ist mit Beschluss vom 13.06.2013 das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.
Mit Schriftsatz vom 08.11.2019 hat die Beklagte das Verfahren wieder aufgerufen. Nach den zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.04.2014 (Az. B 5 RE 3/14 R u.a.) sei eine Befreiung ausgeschlossen.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 11.02.2020 erklärt, das BSG habe im Urteil vom 03.04.2014 (Az. B 5 RE 13/14 R) denjenigen, bei denen es wie beim Kläger nur um einen befristeten Zeitraum gehe, einen weitreichenden Vertrauensschutz zugestanden. Vorliegend habe der Kläger aufgrund der erteilten Bescheide auch nach der Rechtsauffassung der Beklagten frühestens mit Auslaufen des Eingliederungszuschusses mit einer Versicherungspflicht rechnen müssen. Allerdings hätten zu seinen Gunsten die Befreiungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI vorgelegen, weil nur bei Anwendung dieser Kollisionsnorm sichergestellt werden könne, dass keine Doppelverbeitragung erfolge. Sofern die Beklagte erkläre, in welcher Höhe Beiträge nachzuzahlen seien und ob zu Gunsten des Klägers die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung vorliegen würden, wäre der Kläger zu einer Erledigung des Rechtsstreits bereit. Es werde darauf hingewiesen, dass er seit dem 01.04.2013 Beamter des Freistaates Bayern auf Lebenszeit sei.
Die Beklagte hat dazu mit Schriftsatz vom 25.03.2020 Stellung genommen. Streitig sei vorliegend nur die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht als selbstständiger Dozent vom 19.03.2008 bis 26.01.2011. Darauf bestehe kein Anspruch. Der Befreiungsbescheid vom 09.03.2006 erstrecke sich nicht auf eine Tätigkeit als Dozent. Über die sich hieraus ergebenden Beitragspflichten entscheide ausschließlich die zuständige Krankenkasse als Einzugsstelle bzw. der Betriebsprüfdienst im Rahmen der Arbeitgeberprüfungen. Insoweit möge sich der Kläger an die zuständige Krankenkasse wenden.
Mit Beschluss vom 07.04.2020 ist die Bayerische Versorgungskammer, Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung, zum Verfahren beigeladen worden.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 22.04.2020 erklärt, dass kein Vertrag über seine Dozententätigkeit mehr vorliege, dass aber nach Rücksprache mit dem damaligen Auftraggeber die Tätigkeit auf die Laufzeit des jeweiligen Kurses beschränkt gewesen sei, verbunden mit der Ungewissheit, ob einzelne Kurse wegen der erforderlichen Mindestanzahl von Teilnehmern zustande kommen würden. Daher sei auch die Tätigkeit auf das jeweilige Semester und damit von vornherein befristet gewesen. Die Vergütung sei jeweils nach Ablauf eines Monats in Rechnung gestellt worden. Dazu hat er die gleichlautende Erklärung des Rechtsanwalts H vom 17.04.2020 vorgelegt sowie Rechnungen für die Monate November 2010 (6 x 100 €), Dezember 2010 (6 x 100 €) und Januar 2011 (4 x 100 €) vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 30.06.2020 hat er noch für folgende Monate Rechnungen und Kontoauszüge vorgelegt:
März 2008: 892,76 €
April 2008: 965,76 € + 50 €
Mai 2008: 835,36 € + 45 €
Juni 2008: 835,36 €
Juli 2008; 900 € + 30 €
August 2008: 400 € +15 €
September 2008: 400 €
Oktober 2008: 1.000 €
November 2008: 800 €
Januar 2009: 1.100 € + 20 €
Februar 2009: 700 €
März 2009: 900 €
April 2009: 1.269,52 €
Mai 2009: 1.553,12 €
Juni 2009: 1.283,90 €
Juli 2009: 824,34 €
August 2009: 549,56 €
September 2009: 895,23 €
Oktober 2009: 1.323,12 €
November 2009: 987,27 €
Dezember 2009: 772,09 €
Januar 2010: 895,81 €
Februar 2010: 400 €
März 2010: 500 €
April 2010: 400 €
Mai 2010: 600 €
Juni und Juli 2010: 800 €
August 2010: 300 €
September 2010: 300 €
Oktober und November 2010: 1.100 €
Dezember 1010: 600 €
Februar 2011: 400 €
Die Beklagte hat noch zwei Bescheide vom 17.11.2011 vorgelegt, mit denen gegenüber dem Kläger für eine andere als die streitige Tätigkeit für die Zeit vom 11.08.2011 bis 01.04.2014 eine Befreiung ausgesprochen und zugleich für die Zeit vom 01.04.2011 bis 10.08.2011 ein Beitrag in Höhe von 1.101,62 € gefordert wurde.
Die Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 15.06.2020 auf Nachfrage die Beitragsberechnung erläutert. Eine Neufestsetzung der Beiträge ohne die streitige Tätigkeit wäre technisch möglich, jedoch mit einigem Aufwand verbunden, wobei die zeitversetzte Beitragsberechnung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Satzung zu beachten sei. Vorliegend könne nur festgestellt werden, dass in 2011 aufgrund der Beendigung der Mitgliedschaft ein Beitragsrückstand von 100,26 € satzungsgemäß abgeschrieben worden sei, welcher aber bei einer Korrektur von einer etwaigen Auszahlung in Abzug zu bringen sei. Mit Einverständnis des Klägers könnte das verbleibende Guthaben auch direkt an die Beklagte ausgezahlt werden. Allerdings würde sich dadurch auch die zu erwartende Anwartschaft mindern. Bei einem geschätzten Einkommen von insgesamt 8.600 € würde sich überschlägig ein Guthaben von 2.000 € ergeben verbunden mit einer Reduzierung der monatlichen Anwartschaft um ca. 16 €.
Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 14.10.2020 hat der Bevollmächtigte des Klägers die Auffassung vertreten, dass der Zeitraum vom 19.03.2008 bis 31.10.2008 nicht mehr streitig sein dürfte, da die Beklagte diesbezüglich im Widerspruchsbescheid vom 23.04.2010 schon festgestellt habe, dass bis 31.10.2008 noch die Befreiung aufgrund des Eingliederungszuschusses wirksam gewesen sei. Der Vergleichsvorschlag der Berichterstatterin dahingehend, die Versicherungspflicht einvernehmlich auf den Zeitraum vom 01.11.2008 bis 26.01.2011 zu begrenzen, ist von den Beteiligten nicht angenommen worden. Eine Einigung ist auch nachträglich nicht zustande gekommen. Eine verbindliche Feststellung der Beklagten zur Höhe der Beitragsschuld ist nicht vorgelegt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.01.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für seine Tätigkeit als juristischer Repetitor für H & W vom 19.03.2008 bis 26.01.2011 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Leistungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Berufung ist gemäß §§ 143,151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2010 ist gegenüber dem Kläger rechtmäßig ergangen und verletzt ihn nicht in seinen Rechten.
Der Kläger ist in seiner Tätigkeit als juristischer Repetitor für H & W vom 19.03.2008 bis 26.01.2011 versicherungspflichtig gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und auch auf seinen Antrag hin nicht von der Versicherungspflicht zu befreien.
1.
Der Kläger wendet sich mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig gegen die mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 16.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2010 erfolgte Ablehnung des Befreiungsantrags für eine Tätigkeit als juristischer Repetitor für H & W vom 19.03.2008 bis 26.01.2011 und beantragt die Verpflichtung der Beklagten zur Befreiung von der Versicherungspflicht für diese Tätigkeit.
Streitig ist insoweit weiterhin der Zeitraum vom 19.03.2008 bis 26.01.2011 und nicht nur der Zeitraum vom 01.11.2008 bis 26.01.2011. Die Beklagte hat hinsichtlich der Ablehnung der Befreiung für die Zeit vom 19.03.2008 bis 31.10.2008 weder im Widerspruchsbescheid vom 23.03.2010 noch in nachfolgenden Schriftsätzen ein Teilanerkenntnis abgegeben oder die Feststellung der Versicherungspflicht für diesen Zeitraum anderweitig aufgehoben. Der Vergleichsvorschlag vom 14.10.2020 ist von beiden Beteiligten nicht angenommen worden.
2.
Der Kläger war in seiner Tätigkeit als juristischer Repetitor für H & W vom 19.03.2008 bis 26.01.2011 dem Grunde nach versicherungspflichtig gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der seit 01.01.2002 geltenden Fassung (vgl. dazu auch den Bescheid vom 16.08.2007, der allerdings bezüglich des hier streitigen Zeitraums keine verbindliche Regelung enthält). Nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sind selbständig tätige Lehrer, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig. Dabei ist der Lehrerbegriff weit gefasst und vorliegend in der streitigen Tätigkeit als juristischer Repetitor zweifellos erfüllt. Der Kläger hat diese Tätigkeit selbstständig und nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses gemäß § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB VI) ausgeübt. Er war dabei nicht weisungsgebunden und frei in der Gestaltung der Kursinhalte, wobei lediglich das Ziel der Vorbereitung auf das Erste Juristische Staatsexamen vorgegeben war.
Im streitigen Zeitraum hat der Kläger diese Tätigkeit auch nicht mehr geringfügig ausgeübt, weswegen Versicherungsfreiheit nicht mehr vorgelegen hat. Das vereinbarte Arbeitsentgelt von 800 € lag über der damals geltenden Geringfügigkeitsgrenze von 400 € monatlich. Die Tätigkeit war auch nicht von vornherein bzw. ihrer Eigenart nach auf längstens zwei Monate oder 50 Kalendertage begrenzt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI i.V.m. § 8 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB IV i.d. bis 31.12.2012 geltenden Fassung).
Die Begrenzung muss sich entweder aus ihrer Eigenart oder auf Grund einer zuvor abgeschlossenen vertraglichen Vereinbarung ergeben. Dabei kann zwar, da es sich um eine selbstständige Tätigkeit gehandelt hat, nicht uneingeschränkt auf die Regelung in § 14 Abs. 4 TzBfG abgestellt werden, wonach für befristete Arbeitsverträge zwingend die Schriftform vorgeschrieben ist und Arbeitsverträge, die diese Form missachten, als unbefristet abgeschlossen gelten. Allerdings muss auch ein selbstständiges Auftragsverhältnis, um der Zeitgeringfügigkeit zu unterliegen, entsprechend entweder seiner Eigenart oder auftragsgemäß von vornherein begrenzt sein. Der Eigenart nach begrenzt sind z.B. Beschäftigungen als Erntehelfer, Helfer auf dem Oktoberfest oder Bühnenarbeiter bei Festspielen. Dabei handelt es sich in der Regel um Saison- und Kampagnenarbeiten (z.B. Landwirtschaft: Obst-, Gemüse-, Garten- und Weinbau), deren zeitliche Dauer einschließlich Vor- und Nacharbeiten absehbar ist. Ebenfalls der Eigenart nach begrenzt sind Beschäftigungs- oder Auftragsverhältnisse, die zur Überbrückung des vorübergehenden, zeitlich absehbaren Arbeitsausfalls anderer Arbeitnehmer oder für die Bewältigung von Auftragsspitzen vereinbart werden (z.B. Urlaubs- oder Krankheitsvertretung), soweit nicht eine regelmäßige Beschäftigung als Springer oder Daueraushilfe vereinbart wird (Schlegel in Küttner Personalbuch 2020, 27. Auflage, Stand: 01.01.2021, Geringfügige Beschäftigung, Rn. 72). Eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit ist ihrer Eigenart nach nicht mehr geringfügig, wenn sie sich auf einen Zeitraum von mehr als drei Monaten erstreckt, der Arbeitseinsatz nachfrageabhängig oder witterungsbedingt ist und eine Abrufbereitschaft besteht (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17.10.2011 - L 1 KR 273/11 -). Die vertragliche Begrenzung muss "im Voraus" erfolgt sein; andernfalls kann die zur Versicherungsfreiheit führende Prognose nicht stattfinden. Insoweit knüpft die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung an privatrechtliche Vereinbarungen an (vgl. auch Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Berchtold, SGB IV, § 8 Rn. 9). Überschreitet die als kurzzeitig prognostizierte Beschäftigung unvorhergesehen die zulässigen Zeitgrenzen, tritt vom Tag des Überschreitens an Versicherungspflicht ein (Schlegel a.a.O., Rn. 76). Für die Vergangenheit bleibt es bei der Versicherungsfreiheit (KassKomm/Zieglmeier, 110. EL Juli 2020, SGB IV, § 8 Rn. 25, 26).
Vorliegend sind im streitigen Zeitraum weder eine Befristung noch ein regelmäßiges Entgelt von nicht mehr als 400 € vereinbart worden. Die 50-Tage-Grenze ist ab durchschnittlich fünf Terminen im Monat bereits überschritten. Der Kläger hat regelmäßig an mehr als fünf Tagen monatlich gearbeitet, weil die Kurse an unterschiedlichen Wochentagen stattgefunden haben, was die Rechnungen belegen. Die Zusammenarbeit und die Kurse sind ungeachtet der Unsicherheit ihres jeweiligen Zustandekommens grundsätzlich zukunftsoffen vereinbart worden, wobei vorliegend hinzukommt, dass die Kurse bereits seit März 2007, also seit einem Jahr durchgeführt wurden, als der Kläger mitgeteilt hat, dass die Lehrtätigkeit ab März 2008 aufgestockt würde. Zu diesem Zeitpunkt konnte also nicht mehr von einer auf nur einen Kurs befristeten Zusammenarbeit ausgegangen werden. Gleiches gilt für die Frage der Entgeltgeringfügigkeit. Aus den vorgelegten Unterlagen ergeben sich ab März 2008 regelmäßig Einkünfte von über 400 € monatlich. Einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer hat der Kläger ebenfalls nicht beschäftigt.
3.
Die Voraussetzungen für die beantragte Befreiung sind weder nach § 6 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 SGB VI noch nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 SGB VI oder § 6 Abs. 5 SGB VI erfüllt.
3.1.
Ein Anspruch auf Befreiung ergibt sich auch für die Zeit bis 31.10.2008 nicht aus dem Bescheid vom 09.03.2006, der sich ausschließlich auf den Bezug des Existenzgründungszuschusses für eine Tätigkeit als selbstständiger Rechtsanwalt bezog, nicht aber auf die streitige Tätigkeit als Repetitor. Die Befreiung war damals erforderlich, weil der Kläger andernfalls gemäß § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI i.d. Fassung vom 04.12.2004 für die Dauer des Bezugs eines Existenzgründungszuschusses nach § 421l SGB III auch als selbstständiger Rechtsanwalt versicherungspflichtig gewesen wäre. Die Befreiung erfolgte auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, weil der Kläger wegen der Tätigkeit als selbstständiger Rechtsanwalt kraft Gesetzes Mitglied der Rechtsanwaltskammer und der Beigeladenen war und aus dieser Tätigkeit einkommensbezogene Beiträge entrichtet hat. Allerdings bezog sich die Befreiung nur auf eine Tätigkeit als Rechtsanwalt und nicht auch auf eine nichtanwaltlich ausgeübte Tätigkeit, mag diese auch in einem inneren Zusammenhang mit dieser Tätigkeit gestanden haben (§ 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI). Nichts anderes ergibt sich aus der konkreten Gestaltung des Befreiungsbescheids vom 09.03.2006, was für den Kläger v.a. durch die ausdrückliche Bezeichnung der Regelung in § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI und die Bezugnahme auf die Tätigkeit als Rechtsanwalt erkennbar war. Auch der Bescheid der DRV Oberbayern vom 31.03.2006 bezieht sich ausdrücklich nur auf die Tätigkeit als Rechtsanwalt. Dass dies dem Kläger auch bewusst war, hat er dadurch bestätigt, dass er ungeachtet der erteilten Befreiung sowohl nach der erstmaligen Aufnahme der streitigen Tätigkeit als auch nach deren Ausweitung einen Antrag auf Befreiung gestellt hat, mag er dabei auch die Auffassung vertreten haben, diese könne im Wege einer Erstreckung der Befreiung auf die Nebentätigkeit erfolgen. Jedenfalls hat er damit zum Ausdruck gebracht, dass er sich der Tatsache bewusst war, dass sich die Befreiungsentscheidung nicht automatisch auf die streitige Nebentätigkeit erstreckt. Er kann daher aus diesem Bescheid auch keinen Vertrauensschutz herleiten (zum eingeschränkten Regelungsgehalt von tätigkeitsbezogenen Befreiungsbescheiden, vgl. auch BSG, Urteile vom 13.12.2018 - B 5 RE 1/18 R - und vom 23.09.2020 - B 5 RE 6/19 R -).
Mit dem Wegfall des Existenzgründungszuschusses hat sich der Befreiungsbescheid vom 09.03.2006 erledigt und ist damit unwirksam geworden, ohne dass es einer Aufhebung bedurfte. Die Rechtsprechung des BSG zum Regelungswegfall bei Befreiungsbescheiden, die für eine bestimmte Tätigkeit ausgesprochen worden sind, ist insoweit übertragbar (vgl. Urteil vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R -, BSGE 83, 74-82 sowie zuletzt Urteile vom 05.12.2017 - B 12 KR 11/15 R - juris und vom 13.12.2018 - B 5 RE 1/18 R -).
3.2.
Die Voraussetzungen für eine Befreiung in der streitigen Tätigkeit als Repetitor haben auch in der Sache nicht vorgelegen.
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der ab dem 01.01.2005 geltenden Fassung werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.
Der Kläger war im streitigen Zeitraum als selbstständig tätiger Lehrer rentenversicherungspflichtig. Die daneben bestehende Zulassung als Rechtsanwalt bei der RAK München mit gleichzeitiger verpflichtender Mitgliedschaft bei der Beigeladenen führte zwar dazu, dass die formalen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erfüllt waren. Allerdings gibt § 6 Abs. 1 Satz Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die "Beschäftigung, wegen der" sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Das war vorliegend ausschließlich die Tätigkeit des Klägers als selbstständiger Rechtsanwalt. Auch wenn die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft weder im Blick auf eine "Beschäftigung" noch auf einen bestimmten Kreis anwaltlicher Betätigungen erfolgt, sondern mit der statusbegründenden Zulassung stets der volle Umfang anwaltlicher Berufsausübung eröffnet ist, der damit auch zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt, muss das Erfordernis einer anwaltlichen Tätigkeit aufgrund des Tatbestandselements derselben Beschäftigung auch für die streitige Beschäftigung oder Tätigkeit geprüft werden und vorliegen. Dazu hat das BSG die Auffassung vertreten, dass dies bei einer neben einer anwaltlichen Tätigkeit ausgeübten abhängigen Beschäftigung von vornherein ausscheidet (vgl. dazu grundlegend die Entscheidungen des BSG vom 03.04.2014 (Az.: B 5 RE 3/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 13/14 R).
Nichts anderes gilt für die streitige selbstständig ausgeübte Tätigkeit als Repetitor. Der Kläger war zwar in dieser Nebentätigkeit nicht abhängig beschäftigt. Es hat sich aber dabei um keine berufsspezifische anwaltliche Tätigkeit gehandelt. Als Rechtsanwalt ist der Kläger gemäß § 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) unabhängiges Organ der Rechtspflege. Gemäß § 3 Abs. 1 BRAO ist er der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Maßgebliches Merkmal der anwaltlichen Tätigkeit ist damit die Beteiligung an der Regelung von Rechtsangelegenheiten. Selbst wenn das Bild des reinen Prozessanwaltes überholt sein sollte und auch die vermittelnde und schlichtende sowie die rechtsgestaltende Tätigkeit zum Berufsbild des Anwaltes gehört, darf der Zusammenhang mit "Rechtsangelegenheiten" nicht abgeschnitten werden. Die Tätigkeit des Klägers für das juristische Repetitorium ist dagegen eine reine Lehrtätigkeit. Selbst wenn die praktischen Erfahrungen als Rechtsanwalt dabei von Nutzen sind oder sogar Einstellungsvoraussetzung waren, so war er in dieser Tätigkeit nicht als Organ der Rechtspflege tätig und nicht mit der Regelung von Rechtsangelegenheiten betraut (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.07.2015 - L 3 R 442/12 -, juris, zur Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Lehrstuhlvertreter). Die Lehrtätigkeit würde für sich allein auch keine Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer und dem berufsständischen Versorgungswerk begründen. Die Pflichtmitgliedschaft des Klägers dort beruht auf seiner Zulassung und Tätigkeit als freiberuflicher Rechtsanwalt.
Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr.1 SGB VI, die sich ausdrücklich nur auf den Tatbestand der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI und nicht auf den des selbstständig tätigen Lehrers (§ 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) beziehen, sind ebenfalls nicht gegeben. Für versicherungspflichtige selbstständig tätige Lehrer gibt es nur unter der Voraussetzung einer Absicherung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen, die vorliegend nicht bestanden hat, eine eigenständige Befreiungsmöglichkeit (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI). Andere Vorschriften, nach denen der Kläger im streitigen Zeitraum von der Rentenversicherungspflicht befreit werden könnte, liegen nicht vor.
3.3.
Auch die Voraussetzungen für eine Erstreckung der Befreiung gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI sind nicht erfüllt.
Dabei kommt eine unmittelbare Anwendung nur für die Dauer der erteilten Befreiung, also bis 31.10.2008, in Betracht. Die Erstreckung einer für eine andere Beschäftigung oder Tätigkeit erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auf eine andere, vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit setzt voraus, dass die ursprünglichen Befreiungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen (BSG, Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 8/10 R -, SozR 4-2600 § 6 Nr. 8). Für den anschließenden Zeitraum vom 01.11.2008 bis 26.01.2011 fehlt es an einer solchen Befreiung. Für eine analoge Anwendung im Rahmen einer erweiternden Auslegung sieht der Senat keine Grundlage.
Die Voraussetzungen für die Erstreckung der Befreiung sind aber auch im Zeitraum vom 19.03.2008 bis 31.10.2008 nicht erfüllt. Nach § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI erstreckt sich die Befreiung in den Fällen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB VI auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Regelung in § 6 Abs. 5 SGB VI sicherstellen, dass eine vorübergehende berufsfremde Tätigkeit nicht zu einem Wechsel des Alterssicherungssystems führt (BT-Drs. 11/4124). Diese Regelung sollte insbesondere für Zeiten des Wehrdienstes gelten. Mit der Erstreckung wird aber auch den Fällen einer nur vorübergehenden Unterbrechung der bisherigen Tätigkeit und Ausübung einer (befristeten) sonstigen Beschäftigung oder Tätigkeit Rechnung getragen. Auch in dem vom Sozialgericht München mit Urteil vom 22.05.2019 (Az.: S 11 R 869/12) entschiedenen Fall, auf das sich der Kläger beruft, hat es sich nach dem Sachverhalt um eine vorübergehend anstelle der bisherigen Tätigkeit ausgeübte Beschäftigung gehandelt. Ob auch neben der Haupttätigkeit ausgeübte (Neben-)Tätigkeiten von der Erstreckungsregelung des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI erfasst werden, hat das BSG im Urteil vom 31.10.2012 (a.a.O.; so auch Ruland in GK-SGB VI, August 2018, § 6 Rn. 243) unter Hinweis auf den Meinungsstreit ausdrücklich offengelassen. Gegen eine Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI auf Nebentätigkeiten hat sich insbesondere das LSG Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 13.07.2015 (a.a.O.) ausgesprochen, was es vor allem damit begründet hat, dass ein "Wechsel" der Alterssicherungssysteme nur vorliege, wenn ein Alterssicherungssystem verlassen werde und der Eintritt in ein anderes erfolge. In dieser Entscheidung hat das LSG auch das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.03.2012, auf das sich der Kläger in seiner Berufung bezogen hat, deswegen aufgehoben. Nach Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen liegt ein "Wechsel" der Alterssicherungssysteme nicht vor, wenn zwei unterschiedlichen Alterssicherungssystemen zugehörige Tätigkeiten nebeneinander ausgeübt werden. Für die Möglichkeit einer Erstreckung der Befreiung auch auf Nebentätigkeiten sprechen sich dagegen vor allem Fichte (in Hauck/Noftz, SGB, 08/13, § 6 SGB VI, Rn. 133), aber auch Segebrecht (in Kreikebohm, SGB VI, 5. Auflage, § 6, Rn. 115; beide mit zahlreichen Literaturhinweisen) aus. Danach sollen vor allem der Gesetzeszweck und die Überlegung einer Gleichbehandlung mit versicherungsfreien Personen sowie das Interesse an einem möglichst einheitlichen Sicherungsstatus für eine Erstreckung der Befreiung bei Ausübung einer Nebentätigkeit ebenso wie bei Ausübung einer Tätigkeit während einer Unterbrechung der Hauptbeschäftigung sprechen.
Vorliegend kann allerdings auch für den Zeitraum bis 31.10.2008 dahingestellt bleiben, welcher Auffassung zu folgen ist. Denn in jedem Fall scheitert eine Einbeziehung des Klägers in die Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI daran, dass es sich um eine ihrer Eigenart oder vertraglich von vornherein befristete Tätigkeit handeln müsste. Insoweit ist keine grundsätzlich andere Beurteilung gerechtfertigt, als bei der Prüfung der Zeitgeringfügigkeit, auch wenn eine konkrete zeitliche Grenze hier nicht genannt wird. Jedenfalls muss absehbar sein, dass die unterbrochene Tätigkeit fortgesetzt wird (Ruland, a.a.O., Rn. 246) bzw. die Nebentätigkeit wieder aufgegeben wird. Nach a. A. darf die andere Tätigkeit nicht zur dauerhaften beruflichen Alternative werden (Segebrecht, a.a.O., Rn. 119) bzw. es muss sichergestellt sein, dass der Betroffene seinem sozialen Erscheinungsbild nach grundsätzlich noch zu dem Personenkreis zählt, der originär nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 versicherungsbefreit ist (Fichte, a.a.O., Rn. 134). Nach Auffassung des erkennenden Senats ist für die Beurteilung der vorübergehenden Ausübung vor allem entscheidend auf deren voraussichtliche Dauer abzustellen. Eine andere Auslegung, die maßgeblich nur auf das Verhältnis der Haupttätigkeit zur Nebentätigkeit abstellt, wäre weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn und Zweck der Erstreckungsregelung in § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI zu vereinen. Denn Sinn und Zweck der Erstreckungsregelung in § 6 Abs. 5 SGB VI ist die Erstreckung der Befreiung auf vorübergehende berufsfremde Tätigkeiten oder Beschäftigungen, was vor allem eine zeitliche Komponente beinhaltet. Gegen die Erstreckung der Befreiung auf eine zukunftsoffen vereinbarte Tätigkeit spricht auch der Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI, wonach der Versorgungsträger für die "Zeit der Tätigkeit" den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleisten muss.
Die Frage, ob eine Tätigkeit i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI ihrer Eigenart nach oder vertraglich begrenzt ist, stellt dabei eine Prognoseentscheidung dar, die auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Versicherungspflicht durch den zuständigen Versicherungsträger gerichtet ist. Sie ist darauf angelegt, durch eine verbindliche Feststellung Rechtsfrieden nicht nur punktuell, sondern dauerhaft für die gesamte Zeit des unverändert fortbestehenden zu beurteilenden Lebenssachverhalts zu schaffen (BSG, Urteil vom 23.04.2015 - B 5 RE 19/14 R -). Diese Entscheidung ist anhand der bis zur bescheidmäßigen Entscheidung erkennbaren bzw. bekannten Tatsachen zu treffen. Sie beruht auf erhobenen Daten und Fakten und damit auf Erkenntnissen aus der Vergangenheit, auf deren Basis unter Berücksichtigung zu erwartender Veränderungen eine Vorausschau für die Zukunft getroffen wird. Dabei sind alle bei der Prognosestellung für die Beurteilung der künftigen Entwicklung erkennbaren Umstände zu berücksichtigen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind und Einfluss auf die zu beurteilenden Umstände haben. Grundlage der Prognose können daher nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens erkennbare Umstände sein. Spätere Entwicklungen, die bei Beginn des entscheidungserheblichen Zeitraums noch nicht erkennbar waren, können eine Prognose weder bestätigen noch widerlegen (Bayerisches LSG, Urteil vom 29.03.2017
- L 1 LW 2/14 -, nachgehend BSG, Urteil vom 28.03.2019 - B 10 LW 1/17 R -, BSGE 128, 1-9, SozR 4-5868 § 3 Nr. 4).
Danach war vorliegend im Zeitpunkt der Entscheidung über den Befreiungsantrag, die mit Bescheid vom 16.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2010 erfolgt ist, festzustellen, dass der Kläger bereits seit März 2007 als Repetitor tätig war und dies seit März 2008 nicht mehr geringfügig. Eine Beendigung war nicht absehbar und ist auch tatsächlich erst mit der Beendigung der Anwaltstätigkeit erfolgt. Bezogen auf die zu überprüfende Entscheidung hat es sich damit um eine Nebentätigkeit gehandelt, die bereits seit mehreren Jahren neben der im Hauptberuf ausgeübten Anwaltstätigkeit ausgeübt worden ist. Die Nebentätigkeit als Repetitor für fortlaufende Kurse ist auch weiterhin zukunftsoffen ausgeübt worden. Bei diesem Sachverhalt kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass es um eine zeitlich begrenzte Tätigkeit gehandelt hat. Auch für eine Korrektur im Widerspruchsverfahren bestand bei fortlaufender Tätigkeit als Repetitor keine Veranlassung.
Auf die weitere Voraussetzung, dass der Versorgungsträger für die Nebentätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet, kommt es danach nicht mehr entscheidend an.
Die Berufung war damit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.