L 20 KR 87/19 B

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 KR 648/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 KR 87/19 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Beschwerdeverfahren wegen der Aussetzung des Verfahrens beträgt 5 v.H. der zugrunde liegenden Forderung.

 

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 29.01.2019 wird zurückgewiesen.


G r ü n d e :

I.

Die Beschwerde der Beklagten richtet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Würzburg vom 29.01.2019, mit dem der Antrag der Beklagten auf Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses vom 27.06.2016 abgelehnt worden ist.

Mit ihrer im zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren vor dem SG erhobenen Klage nimmt die klagende Krankenkasse die Beklagten gesamtschuldnerisch auf Zahlung von 252.196,77 € in Anspruch. Ihr Begehren stützt sie auf eine - von ihr geltend gemachte - gemeinschaftlich begangene betrügerische Abrechnung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege als Sachleistung nach § 37 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sowie die betrügerische Angabe von tatsächlich nicht erbrachten Pflegestunden im Rahmen eines persönlichen Budgets nach § 17 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX).

Mit Schriftsätzen vom 15.02.2016 und 01.03.2016 beantragten die Beklagten durch ihren Bevollmächtigten, den Rechtsstreit bis zum Abschluss des bei der Staatsanwaltschaft A-Stadt unter dem Aktenzeichen 207 Js 1797/12 geführten Ermittlungsverfahrens gemäß § 114 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszusetzen.

Mit Beschluss vom 31.03.2016 setzte das SG das Verfahren bis zur Erledigung des Strafverfahrens aus.

Da seitens des Bevollmächtigten der Beklagten Bedenken bezüglich der örtlichen Zuständigkeit des SG für weitere Beklagte geäußert worden sind, teilte das SG den Beteiligten mit Schreiben vom 11.04.2016 mit, dass das Verfahren zunächst zur Klärung der örtlichen Zuständigkeit fortgesetzt werde, so dass der Aussetzungsbeschluss hinfällig werde; eines ausdrücklichen Beschlusses bedürfe es hierzu nicht.

Mit Beschlüssen vom 26.04.2016 und 28.04.2016 trennte das SG Verfahren gegen weitere Beklagte wegen anderweitiger örtlicher Zuständigkeit vom Verfahren ab, so dass unter dem Aktenzeichen S 11 KR 648/15 nur das Verfahren gegen die hiesigen Beklagten anhängig blieb.

Mit Beschluss vom 27.06.2016 setzte das SG, nachdem die Beklagten nochmals mit Schriftsätzen ihres Bevollmächtigten vom 24.06.2016 an den Erlass eines Aussetzungsbeschlusses erinnert hatten, das unter dem Aktenzeichen S 11 KR 648/15 anhängige Verfahren bis zur Erledigung des Strafverfahrens, damals unter dem Aktenzeichen 207 Js 1797/12 als Ermittlungsverfahren anhängig bei der Staatsanwaltschaft A-Stadt, aus. Zur Begründung führte es aus, dass unter Anwendung der nach § 114 Abs. 3 SGG im Ermessen des Gerichts stehenden Entscheidung die Aussetzung anzuordnen sei. Dabei ging das SG von folgenden Erwägungen aus:
Die Klägerin stütze ihre Klage ausschließlich auf Ansprüche, die aus Straftaten der Beklagten resultieren sollten. Ob diese Straftaten (Betrug zu Lasten der Klägerin bzw. der Versichertengemeinschaft) tatsächlich durch die Beklagten begangen worden seien, werde im Strafverfahren geprüft. Das SG sei zwar nicht an die Feststellungen im Ermittlungsverfahren und im sich gegebenenfalls anschließenden Strafgerichtsverfahren unmittelbar gebunden. Es müsse aber im Rahmen der Amtsermittlung die in diesem Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft und des Strafgerichts, die auf dem Gebiet der Ermittlungen in Betrugsverdachtsfällen und des Strafrechts eine besondere Fachkunde besitzen würden und mit weitergehenden Ermittlungsbefugnissen als das SG ausgestattet seien, berücksichtigen. Es sei zu erwarten, dass im Strafverfahren eine umfangreiche Beweiserhebung stattfinde. Die parallele Weiterführung des hiesigen Verfahrens würde die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen im hiesigen Verfahren einerseits und im Strafverfahren anderseits vergrößern. Das Interesse der Beteiligten an einem schnellstmöglichen Abschluss des Verfahrens müsse demgegenüber zurücktreten. Es sei den Beteiligten zumutbar, den Abschluss des Strafverfahrens abzuwarten und die diesbezügliche Verzögerung hinzunehmen. Insbesondere seien keine erheblichen Nachteile für die Klägerin ersichtlich. Die Möglichkeit der Nutzung der im Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse könne sich im hiesigen Verfahren zudem auch - nach dem Abschluss des Strafverfahrens - beschleunigend auf das hiesige Verfahren auswirken.

Rechtsmittel gegen diesen Beschluss legten die Beteiligten nicht ein.

Mit Schriftsätzen vom 25.10.2016 und 04.11.2016 beantragten die Beklagten durch ihren Bevollmächtigten erstmals, den Aussetzungsbeschluss vom 27.06.2016 aufzuheben und das Verfahren fortzuführen. Der Aussetzungsbeschluss hätte - so der Bevollmächtigte - nicht ergehen dürfen. Eine Beiziehung von Ermittlungsakten könne zwar zu Beweiszwecken erfolgen, eine Beweisaufnahme käme aber nur bezüglich substantiierter Tatsachenbehauptungen in Betracht, woran es hier fehle. Ob die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft beigezogen und deren Inhalt verwertet werden dürfte, sei derzeit nicht wahrscheinlich. Auch sei fraglich, ob es auf die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und eines sich gegebenenfalls anschließenden Strafverfahrens überhaupt ankomme. Eine Aussetzung des Verfahrens führe zu einer deutlichen Verzögerung des bereits seit dem 29.12.2015 anhängigen, sozialgerichtlichen Verfahrens und damit letztlich der Gewährung von Rechtsschutz für die Beklagten.

Mit Beschluss vom 29.12.2016 lehnte das SG den Antrag der Beklagten, das mit Beschluss des SG vom 27.06.2016 ausgesetzte Verfahren wieder aufzunehmen, als unbegründet ab. Sei, wie im vorliegenden Fall, die Aussetzungsentscheidung zeitlich befristet ("bis zur Erledigung des Strafverfahrens"), ende die Aussetzung mit Eintritt des Ereignisses, das im Aussetzungsbeschluss als Endzeitpunkt für die Aussetzung genannt sei. Da dies noch nicht der Fall sei, bedürfe es einer gesonderten Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses. Eine solche komme von Amts wegen regelmäßig in den Fällen in Betracht, in denen beispielsweise das Gericht die Sachlage inzwischen anders bewerte oder aber aus anderen Gründen zu der Auffassung gelangt sei, eine Entscheidung in der Sache treffen zu können. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Es habe sich keine wesentliche Änderung der Sachlage oder deren Beurteilung durch das Gericht ergeben. Daher würden die im Aussetzungsbeschluss genannten Aussetzungsgründe und Erwägungen nach wie vor fortgelten. Alle Argumente der Beklagten würden letztlich darauf abzielen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aussetzung nicht vorgelegen hätten. Mit diesen Argumenten könnten die Beklagten jedoch nicht mehr gehört werden (so auch Landessozialgericht - LSG - Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.07.2008, L 33 B 1194/08 R). Andernfalls würde der Rechtskraft des Aussetzungsbeschlusses jede Bedeutung genommen. Eine Aufhebung von Amts wegen komme daher nicht in Betracht.

Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bayer. LSG mit Beschluss vom 26.06.2017, L 20 KR 9/17 B, zurück und begründete dies wie folgt:

"Zu Recht hat das SG den Antrag der Beklagten, das mit Beschluss des SG vom 27.06.2016 ausgesetzte Verfahren wieder aufzunehmen, mit Beschluss vom 29.12.2016 abgelehnt.

Nach § 202 S. 1 SGG i.V.m. § 150 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Gericht die von ihm erlassenen, eine Aussetzung betreffenden Anordnungen wieder aufheben (siehe auch Keller in Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 114 Rn. 10a; zur Anwendbarkeit von § 150 ZPO auf das gesamte Verfahren, d.h. auch außerhalb der mündlichen Verhandlung <vgl. die systematische Stellung in den Vorschriften zur mündlichen Verhandlung, §§ 128-165 ZPO>, siehe auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hart-mann, ZPO, 75. Aufl. 2017, Einf. §§ 148-155 Rn. 1ff., § 150 Rn. 2, § 149 Rn. 3).

Danach kann das Gericht die von ihm, hier nach § 114 Abs. 3 SGG mit Beschluss vom 27.06.2016 ausgesprochene Aussetzung, die im Übrigen auch bei einem bei Klageerhebung bereits anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ausgesprochen werden kann (siehe dazu Keller, a.a.O., § 114 Rn. 4 m.w.N.), jederzeit von Amts wegen oder auf Antrag - auch konkludent - aufheben (vgl. dazu auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 150 Rn. 3; Keller, a.a.O., § 114 Rn. 10a; Bundessozialgericht Urteil vom 21.02.2013, B 10 EG 20/12 R, juris Rn. 16). Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - die Aussetzungsentscheidung selbst zeitlich befristet ist.

Die Entscheidung über die Aufhebung steht dabei im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (s.a. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 150 Rn. 3; Kummer in Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Bd. 3, § 114 Rn. 101, Stand der Einzelkommentierung 04/2015). Die Ermessensausübung durch das SG ist dabei - wie auch bereits im Rahmen der im Ermessen stehenden Entscheidung über die Aussetzung nach § 114 Abs. 3 SGG - für das Beschwerdegericht nur eingeschränkt überprüfbar. So kann dieses nur prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Ablehnung der Aufhebung der Aussetzung vorliegen und ob das SG die Grenzen seines Ermessens eingehalten hat (siehe dazu für die Entscheidung nach 114 Abs. 3 SGG bzw. die Aussetzungsentscheidung selbst auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 15.11.2012, L 1 KR 421/12 B, juris Rn. 6f.; Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss vom 23.05.2014, L 4 KR 553/14 B, juris Rn. 17ff.; Bundesgerichtshof Beschluss vom 12.12.2005, II ZB 30/04, juris; Keller, a.a.O., § 114 Rn. 9). Denn die Entscheidung über die Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses nach § 202 S. 1 SGG i.V.m. § 150 S. 1 ZPO ist ebenso wie der Aussetzungsbeschluss nach § 114 Abs. 3 SGG Teil der Verfahrensführung durch das Gericht erster Instanz. Unter Berücksichtigung dessen ist das Beschwerdegericht nicht zu einer Prüfung der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Sozialgerichts befugt (so auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 15.11.2012, L 1 KR 421/12 B, juris Rn. 6 m.w.N. zur Rechtsprechung zur parallelen Regelung in § 149 ZPO; dem folgend auch Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss vom 23.05.2014, L 4 KR 553/14 B, juris Rn. 17). § 114 Abs. 3 SGG dient der Erleichterung der tatsächlichen Aufklärung der vom Sozialgericht für rechtlich relevant gehaltenen Umstände; die Sachaufklärung als entscheidungsvorbereitende Prozessleitung unterliegt auch nach der Systematik des SGG (vgl. § 172 Abs. 2 SGG) vor Abschluss der ersten Instanz nicht der Kontrolle durch das Beschwerdegericht; eine Überprüfung der materiell-rechtlichen Auffassung durch das Sozialgericht ist dem Rechtsmittel gegen die Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten; ob hiervon eine Ausnahme für den Fall einer unvertretbaren oder offenkundig rechtsirrigen Auffassung des Sozialgerichts zu machen ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 15.11.2012, L 1 KR 421/12 B, juris Rn. 6; s.a. Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss vom 23.05.2014, L 4 KR 553/14 B, juris Rn. 17).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Entscheidung des SG im Beschluss vom 29.12.2016, das ausgesetzte Verfahren nicht wieder aufzunehmen, nicht zu beanstanden. Fehler der Ausübung des Ermessens durch das SG sind nicht ersichtlich.

Im Rahmen seiner Entscheidung hat das SG insbesondere zutreffend berücksichtigt, dass die Aussetzungsentscheidung (Beschluss vom 27.06.2016) zeitlich befristet ist ("bis zur Erledigung des Strafverfahrens"), so dass die Aussetzung mit Eintritt des Ereignisses, das im Aussetzungsbeschluss als Endzeitpunkt für die Aussetzung genannt ist, endet. Dies hält das SG zwar nicht davon ab, nach § 202 S. 1 SGG i.V.m. § 150 S. 1 ZPO die Aussetzungsentscheidung abzuändern, wie das SG insbesondere auch erkannt hat, wenn es ausführt, dass auch eine Änderung von Amts wegen in Betracht komme. Ausgehend davon hat das SG, in vom Beschwerdegericht nicht zu beanstandender Weise, dies abgelehnt, weil das SG die Sachlage inzwischen nicht anders bewertet oder aus anderen Gründen zu der Auffassung gelangt ist, eine Entscheidung in der Sache treffen zu können. Eine wesentliche Änderung der Sachlage oder deren Beurteilung durch das Gericht hätten sich - so das SG - nicht ergeben. Dies ist zutreffend. Die vom SG im Aussetzungsbeschluss genannten Gründen gelten - wie das SG explizit festgestellt hat - fort. Es ist insbesondere auch noch keine Erledigung des "Strafverfahrens" eingetreten. Zur vorgetragenen Argumentation der Beklagten hat das SG zutreffend festgestellt, dass diese letztlich darauf abziele, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aussetzung nicht vorgelegen hätten. In dem Zusammenhang muss auch Beachtung finden, dass die Beklagten selbst die Aussetzung beantragt haben. Im Übrigen ist - worauf das SG zu Recht hinweist - der Aussetzungsbeschluss vom 27.06.2016 rechtskräftig geworden. Dies hat - wie das SG zutreffend festgestellt hat - zur Folge, dass die Beklagten mit dem Argument, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aussetzung nicht vorgelegen hätten, nicht mehr gehört werden können, weil andernfalls der Rechtskraft des Aussetzungsbeschlusses jede Bedeutung genommen würde (so im Ergebnis auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 17.07.2008, L 33 B 1194/08 R, juris Rn. 2, 5). Anders wäre dies nur, wenn das SG selbst zu der Auffassung gelangt wäre, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aussetzung nicht (mehr) vorlägen. Dies ist aber gerade - wie das SG auch festgestellt hat - nicht der Fall. Das Strafverfahren ist noch nicht erledigt und die im Beschluss vom 27.06.2016 genannten Gründen bestehen fort. Hier kommt noch hinzu, dass die Aussetzungsentscheidung des SG auch zeitlich befristet ist, so dass der Beschluss des SG auch nicht den durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gewährleisteten Grundsatz eines wirkungsvollen Rechtsschutzes, aus dem sich die Verpflichtung der Gerichte ergibt, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen (vgl. BVerfG Kammerbeschluss vom 05.08.2013, 1 BvR 2965/10, juris Rn. 17), verletzt. Allgemein gültige Zeitvorgaben dafür, wann von einer unangemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist, lassen sich dem GG nicht entnehmen; die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens ist vielmehr nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles zu bestimmen, zu denen die Schwierigkeit einer zu entscheidenden Materie, die Notwendigkeit von Ermittlungen, die Bedeutung des Verfahrens und das Prozessverhalten der Beteiligten gehören (BVerfG, a.a.O., juris Rn. 18). Im Rahmen von Aussetzungsentscheidungen haben Gerichte dabei die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen (so BVerfG, a.a.O., juris Rn. 20). Diesen Vorgaben hat das SG v.a. mit der zeitlichen Befristung der Aussetzungsentscheidung des (erst) seit dem 29.12.2005" - Anmerkung des Senats: richtiges Datum 29.12.2015" - anhängigen Klageverfahrens Genüge getan. Im Übrigen dürften die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen - nach dem Vorbringen der Beteiligten zur gewährten Akteneinsicht seitens der Staatsanwaltschaft - mittlerweile wohl auch abgeschlossen sein bzw. zumindest unmittelbar vor ihrem Abschluss stehen, wie nach in den Akten befindlichen Schreiben der Staatsanwaltschaft von dieser auch selbst zum Ausdruck gebracht worden ist, so dass eine Anklageerhebung (ggf.) unmittelbar bevorstehen dürfte. Der Vortrag der Beklagten, dass das bei der Staatsanwaltschaft anhängige Ermittlungsverfahren offenbar faktisch zum Stillstand gekommen sei und mit einem baldigen Abschluss des Ermittlungsverfahrens offenbar nicht gerechnet werden könne, vermag angesichts dessen nicht zu überzeugen. Hinzu kommt, dass es im Hauptsacheverfahren um einen aufwendig aufzuklärenden Sachverhalt mit einer Vielzahl von Beteiligten und Abrechnungen geht, was einen aufwendigen Ermittlungsaufwand - mit einigen Zeugeneinvernahmen - nach sich zieht. Der Senat teilt insoweit die vom SG im Aussetzungsbeschluss vom 27.06.2016 ausgeführten Erwägungen, dass die Staatsanwaltschaft und die Strafgerichte auf dem Gebiet der Ermittlungen in Betrugsverdachtsfällen und des Strafrechts eine besondere Fachkunde besitzen und mit weitergehenden Ermittlungsbefugnissen als das Sozialgericht ausgestattet sind und zudem zu erwarten ist, dass im Strafverfahren eine umfangreiche Beweiserhebung stattfindet. Insoweit ist es den Beteiligten zuzumuten, worauf auch das SG hingewiesen hat, den Abschluss des Strafverfahrens abzuwarten und die diesbezügliche Verzögerung hinzunehmen.

Eine von den Beklagten gerügte Verletzung von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG liegt dagegen nicht vor. Der Rechtsweg steht den Beteiligten gerade offen. Das Verfahren ist - ungeachtet der getroffenen Aussetzungsentscheidung - weiter beim SG anhängig.

§ 149 Abs. 2 i.V.m. § 150 S. 2 ZPO findet dagegen im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung (so auch Kummer, a.a.O., § 114 Rn. 101; Keller, a.a.O., § 114 Rn. 10a; Roller in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl. 2017, § 114 Rn. 10). Da das Gericht ohne Zustimmung der Beteiligten gemäß § 114 Abs. 3 SGG die Aussetzung nach pflichtgemäßem Ermessen anordnen kann, bedarf es auch für die Aufhebung nicht der Zustimmung der Beteiligten; ist zur Fortsetzung des Rechtsstreits die Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses erforderlich, weil er nicht befristet war, so befindet hierüber das Gericht der Sozialgerichtsbarkeit nach pflichtgemäßem Ermessen; anders als im Zivilprozess können die Parteien das Gericht nicht dazu zwingen (vgl. Kummer, a.a.O., § 114 Rn. 101; s.a. Keller, a.a.O., § 114 Rn. 10a unter Bezugnahme auf die Amtsmaxime). Darauf, dass die Beteiligten sich einig sind, dass das Verfahren fortgesetzt werden sollte, kommt es daher insoweit auch nicht an.

Zu dem Vortrag der Beklagten, dass einer Beiziehung von Ermittlungsakten widersprochen werde und daher eine Berücksichtigung der im Strafverfahren gewonnenen Ermittlungsergebnisse im Rahmen der hiesigen Beweiswürdigung nicht möglich sei, sei an dieser Stelle nur auf § 119 Abs. 1 SGG e contrario, § 68 Abs. 1 Nr. 1 SGB X, § 5 SGG und Art. 35 Abs. 1 GG hingewiesen (siehe dazu auch Bieresborn, Datenschutz bei sozialrichterlicher Tätigkeit, SGb 2010, S. 501, 504, 575, 578)."

Mit Schriftsatz vom 12.12.2018 hat der Beklagtenvertreter beim SG erneut die Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses sowie die Fortführung des Verfahrens beantragt. Er hat dies damit begründet, dass es bislang an einem ausreichend konkreten und substantiierten Vortrag der Klägerin fehle. Aus den Ausführungen der Klägerin ergebe sich der Verdacht einer Straftat eines oder mehrerer der Beklagten nicht; ein strafbares Verhalten werde von der Klägerin lediglich wenig bis gar nicht substantiiert in den Raum gestellt. Der Rechtsstreit sei inzwischen fast drei Jahre bei Gericht anhängig. Das Ende der jeweils streitgegenständlichen Zeiträume liege fast fünfeinhalb Jahre bzw. acht Jahre und sechs Monate zurück. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) habe sich das Gericht mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen, um dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes gerecht zu werden, was auch und erst recht bei einem ausgesetzten Verfahren gelte. Zu berücksichtigen sei auch, dass das ursprüngliche Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft bereits seit dem Jahr 2012 bzw. 2013 laufe. Die Staatsanwaltschaft habe nahezu fünf bzw. sechs Jahre benötigt, um eine Abschlussentscheidung in Form einer Anklageschrift zu treffen. Eine Terminierung sei noch nicht erfolgt; es sei mit zahlreichen Verhandlungsterminen zu rechnen. Ein Ende des Strafverfahrens könne nicht abgesehen werden.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 25.09.2019 mitgeteilt, dass sie wegen der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen eine weitere Aussetzung des sozialgerichtlichen Verfahrens bis zum Abschluss der laufenden Strafverfahren bevorzuge.

Die Staatsanwaltschaft A-Stadt hat dem SG am 28.01.2019 telefonisch mitgeteilt, dass die Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft abgeschlossen seien und das Verfahren unter dem Aktenzeichen KLs 107 Js 1797/12 an das Landgericht (LG) A-Stadt weitergeleitet worden sei.

Mit Beschluss vom 29.01.2019 hat das SG den Antrag der Beklagten, das mit Beschluss des SG vom 27.06.2016 ausgesetzte Verfahren wieder aufzunehmen, abgelehnt und dies wie folgt begründet.

"Eine wesentliche Änderung der Sachlage oder deren Beurteilung durch das Gericht hat sich nicht ergeben. Die im Aussetzungsbeschluss genannten Aussetzungsgründe und Erwägungen gelten nach wie vor fort. Die Aussetzungsentscheidung vom 27.06.2016 ist ("bis zur Erledigung des Strafverfahrens") zeitlich befristet und endet mit Eintritt des Ereignisses. Dies ist bislang nicht der Fall. Lediglich das Vorverfahren ist zwischenzeitlich beendet: Bezüglich der Beklagten zu 1. und zu 2. hat die Staatsanwaltschaft Anklage nach Mitteilung des Beklagtenvertreters erhoben, gegen die Beklagte zu 3. ist ein Strafbefehl ergangen, gegen den sie Einspruch erhoben hat.

b.
Ferner rechtfertigen weder die bisherige Verfahrensdauer noch die zu erwartende (weitere) Dauer des Strafverfahrens eine andere Beurteilung.

Die Klage ist seit dem 29.12.2015 anhängig. Wie im Beschluss vom 27.06.2016 ausgeführt besitzen die Staatsanwaltschaft und das Strafgerichts auf dem Gebiet der Ermittlungen in Betrugs-(verdachts-)fällen und des Strafrechts eine besondere Fachkunde und sind mit weitergehenden Ermittlungsbefugnisse als das Sozialgericht ausgestattet. Wie der Beklagtenvertreter selbst ausführt ist im Strafverfahren eine umfangreiche Beweiserhebung zu erwarten.

Die Aussetzungsentscheidung ist zeitlich befristet ist, so dass der durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gewährleistete Grundsatz eines wirkungsvollen Rechtsschutzes, aus dem sich die Verpflichtung der Gerichte ergibt, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen (vgl. BVerfG, B.v. 5.8.2013 - 1 BvR 2965/10 - juris, Rn. 17), verletzt ist. Allgemein gültige Zeitvorgaben dafür, wann von einer unangemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist, lassen sich dem GG nicht entnehmen; die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens ist vielmehr nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles zu bestimmen, zu denen die Schwierigkeit einer zu entscheidenden Materie, die Notwendigkeit von Ermittlungen, die Bedeutung des Verfahrens und das Prozessverhalten der Beteiligten gehören (BVerfG, a.a.O., juris Rn. 18). Im Rahmen von Aussetzungsentscheidungen haben Gerichte dabei die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen (so BVerfG, a.a.O., juris Rn. 20; vgl. auch Bayerisches LSG, B.v. 26.6.2017 - L 20 KR 9/17 B).

Die Beklagten haben seinerzeit selbst die Aussetzung beantragt. Der Aussetzungsbeschluss vom 27.06.2016 ist rechtskräftig geworden. Es sind keine Nachteile für die Beteiligten ersichtlich. Die Möglichkeit der im Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse dürfte sich im hiesigen Verfahren beschleunigend auswirken. Das Interesse der Beklagten auf schnellstmöglichen Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens muss demgegenüber zurücktreten.

c.
Nach Abwägung aller Aspekte, unter Berücksichtigung des Verfahrensstandes, den weiteren Verzögerungen sowie der vorgetragenen und entstehenden Konsequenzen kann der Antrag auf Fortführung keinen Erfolg haben. Den Beteiligten ist weiter zumutbar, den Abschluss des Strafverfahrens abzuwarten um die diesbezüglichen Verzögerungen hinzunehmen."

Gegen den ihm am 30.01.2019 zugestellten Beschluss hat der Bevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 28.02.2019, eingegangen beim SG am selben Tag, Beschwerde zum Bayer. LSG eingelegt.

Zur Begründung der Beschwerde hat der Bevollmächtigte mit Schriftsätzen vom 27.05.2019, 11.07.2019, 22.08.2019, 17.09.2019, 23.10.2019 und 05.11.2019 im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Das Ausgangsverfahren sei inzwischen nahezu dreieinhalb Jahre bei Gericht anhängig. Der streitgegenständliche Zeitraum erstrecke sich wohl auf den Zeitraum bis Juli 2013 bzw. Juni 2010 und liege damit inzwischen bald sechs bzw. neun Jahre zurück. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG habe sich das Gericht mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen, um dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes gerecht zu werden. Dies gelte auch und erst recht bei einem ausgesetzten Verfahren. Abzuwägen sei bei der Aussetzungsentscheidung die mögliche Verfahrensverlängerung mit den Gesichtspunkten der Verfahrensökonomie sowie gegebenenfalls der Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen. Das SG hätte daher bei seiner Entscheidung berücksichtigen müssen, dass das ursprüngliche Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft bereits seit dem Jahr 2012 laufe und die Staatsanwaltschaft nahezu sechs bzw. fünf Jahre benötigt habe, um ihr Verfahren mit einer Anklageschrift abzuschließen. Die Dauer der strafgerichtlichen Verfahren sei derzeit nicht absehbar. Zu berücksichtigen sei weiter, dass das Strafverfahren gegen die Beklagte zu 3 überhaupt erst dann seinen Fortgang nehmen werde, wenn das Strafverfahren gegen die anderen zwei Beklagten seinen rechtskräftigen Abschluss gefunden habe. Ein Abschluss des Strafverfahrens gegen die Beklagte zu 3 als Voraussetzung für die Fortführung des sozialgerichtlichen Verfahrens sei daher weder abzusehen noch in näherer Zukunft zu erwarten. Unerheblich sei, dass die Beklagten ursprünglich selbst die Aussetzung des Verfahrens beantragt hätten, da sie sich mit dem Antrag auf Aussetzung nicht ihres grundrechtlich gewährleisteten Rechts auf effektiven Rechtsschutz begeben hätten. Unklar sei auch, warum eine sachgerechte Entscheidung des SG ohne vorherige Entscheidung im Strafverfahren nicht möglich sein sollte, da das SG auch dann über die vorliegende Klage entscheiden müsste, wenn es ein paralleles Strafverfahren nicht gäbe. Auch wenn zwischenzeitlich das LG A-Stadt die Hauptverhandlung im Strafverfahren ab dem 12.09.2019 terminiert habe, sei weiterhin ein Abschluss des Strafverfahrens nicht absehbar, zumal auch die Möglichkeit bestehe, gegen ein Urteil des LG Revision einzulegen. Das LG A-Stadt habe über die bereits anberaumten sechs Hauptverhandlungstermine bis Mitte Oktober 2019 weitere zehn Hauptverhandlungstermine in Aussicht gestellt. Zudem sei die Beklagte zu 3 vom aktuellen strafgerichtlichen Verfahren überhaupt nicht betroffen. Gegen sie sei ein eigenständiges Verfahren wegen des Strafbefehls vor dem Amtsgericht (AG) O-Stadt anhängig, das seit November 2018 nicht gefördert oder betrieben werde. Eine weitere Aussetzung sei mit dem Gebot auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes in angemessener Zeit unvereinbar, so dass eine weitere Aussetzung ermessensfehlerhaft sei.

Die Klägerin hat sich gegen eine Aufhebung der Aussetzung gewandt und dies mit Schriftsätzen vom 24.06.2019, 24.07.2019 und 15.10.2019 wie folgt begründet:

Ein Abwarten der strafrechtlichen Erledigung sei ermessensfehlerfrei, da die Strafgerichte grundsätzlich eher mit der für die Aufklärung erforderlichen besonderen Sachkunde ausgestattet seien, auch wenn die Sozialgerichte nicht zwingend an strafgerichtliche Entscheidungen gebunden seien. Vorliegend sei bereits fraglich, ob ohne ein Abwarten der strafgerichtlichen Entscheidung eine sachgerechte Entscheidung überhaupt möglich sei. Der wichtigste Gesichtspunkt sei bei einem Fallkomplex wie hier mit sieben Beteiligten und sechs mit dem Sachverhalt befassten Sozialgerichten sowie zwei Strafgerichten die Vermeidung von sich widersprechenden Entscheidungen. Dagegen wiege die zweifelsohne zu erwartende lange Verfahrensdauer nicht so schwer. Es sei auch nicht außergewöhnlich, dass komplexe Gerichtsverfahren mit hohen im Raum stehenden Schadenssummen viele Jahre in Anspruch nähmen. Auch sei das Prozessverhalten der Beklagten höchst widersprüchlich. Zunächst sei die Aussetzung begehrt worden. Nachdem deutlich geworden sei, dass die Strafverfahren zumindest bis heute nicht im Sinne der Beklagten verlaufen seien, werde nun versucht, das sozialgerichtliche Verfahren ohne abschließende strafrechtliche Bewertung voranzutreiben. Zudem könne bei Vorliegen und Berücksichtigung der strafrechtlichen Bewertung eine deutliche Beschleunigung des sozialgerichtlichen Verfahrens erreicht werden, unabhängig von dessen Ausgang. Das Strafverfahren werde nunmehr zügig betrieben, was die Terminierung zur Hauptverhandlung erkennen lasse. Wenn die Beklagten schon jetzt von einer weiteren Ausdehnung der Hauptverhandlung ausgehen würden, lasse dies darauf schließen, dass sie ihren Teil als Verteidigungsstrategie bzw. Prozesstaktik wohl dazu beitragen würden, um dies dann wiederum als Grund für die Fortführung des sozialgerichtlichen Verfahrens und gegen eine weitere Aussetzung in den Ring zu werfen. Keineswegs rücke aber das Strafverfahren inklusive des beim AG O-Stadt anhängigen Strafbefehlsverfahrens in unabsehbare Ferne.

Die Beklagten beantragen,
den Beschluss des SG Würzburg vom 29.01.2019 abzuändern, den Aussetzungsbeschluss des SG Würzburg vom 27.06.2016 aufzuheben und das SG Würzburg anzuweisen, das Verfahren fortzuführen.

Die Klägerin beantragt,
die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Würzburg vom 29.01.2019 zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Beschwerdeakte, die Akte im Verfahren L 20 KR 9/17 B sowie die Klageakte des SG Würzburg zum Aktenzeichen S 11 KR 648/15 verwiesen.


II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172 Abs. 1, 173 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet.

Ermessensfehler des SG bei seiner ablehnenden Entscheidung über den Antrag der Beklagten, das mit Beschluss des SG vom 27.06.2016 ausgesetzte Verfahren wieder aufzunehmen, also im Beschluss vom 29.01.2019, sind nicht zu erkennen.

Der Senat sieht - wie auch das SG - keine entscheidende Änderung der Sachlage seit dem Aussetzungsbeschluss vom 27.06.2016. Jedenfalls stellt sich die Sachlage aktuell nicht so da, dass die Aufrechterhaltung der Aussetzung durch das SG ermessensfehlerhaft wäre.

Zu Begründung verweist der Senat zunächst auf seinen Beschluss vom 26.06.2017, L 20 KR 9/17 B, dessen Begründung auch jetzt noch weitgehend einschlägig ist.

Ergänzend ist Folgendes anzumerken:

Es trifft zwar zu, dass die Gerichte bei der Ermessensentscheidung über die Aussetzung des Verfahrens, bei der die mögliche Verfahrensverzögerung mit den Gesichtspunkten der Verfahrensökonomie und der Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen abzuwägen ist, die Gesamtdauer des Verfahrens berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens bemühen müssen, wobei bei der Ermessensausübung auch einer Verzögerung des vorgreiflichen Rechtsstreits Rechnung zu tragen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.08.2013, 1 BvR 2965/10). Dies führt aber nicht dazu, dass die Frage der Aussetzung heute anders zu beurteilen wäre, als dies im Aussetzungsbeschluss des SG Würzburg vom 27.06.2016, im Beschluss des SG Würzburg vom 29.12.2016 und im nachfolgenden Beschluss des Senats vom 26.07.2017 erfolgt ist. Zwar ist seit dem vorgenannten Beschluss des Senats ein Zeitraum von über zwei Jahren verstrichen und damit auch die Gesamtdauer des Verfahrens entsprechend angestiegen. Zu berücksichtigen ist aber, dass seither die strafrechtlichen Ermittlungen einen entscheidenden Fortgang gefunden haben und sich derzeit die Strafverfahren gegen zwei von drei Beklagten im Stadium der Hauptverhandlung befinden. Da, wie auch das SG zutreffend festgestellt hat, Staatsanwaltschaft und Strafgericht auf dem Gebiet der Ermittlung in Betrugsfällen und des Strafrechts über eine besondere Sachkunde und weitgehende Ermittlungsbefugnisse verfügen, wäre es zum aktuellen Zeitpunkt fragwürdig, die Aussetzung des Klageverfahrens vor dem SG zu beenden; dies gilt umso mehr, als die Beklagten ursprünglich selbst (mit Schriftsätzen vom 15.02.2016, 01.03.2016 und 24.06.2016) die Aussetzung des Verfahrens bis zur Erledigung des Strafverfahrens beantragt haben. Der Senat ist sich zwar bewusst, dass nicht alleine mit einem einmal gestellten Aussetzungsantrag eines Beteiligten auf unbegrenzte Zeit hinaus eine Ermessensentscheidung dahingehend gerechtfertigt werden kann, das Verfahren weiterhin im Zustand der Aussetzung zu belassen. Vielmehr besteht unabhängig von der ursprünglichen Beantragung der Aussetzung die rechtsstaatliche Pflicht des Gerichts, das Verfahren zügig zu betreiben. Gleichwohl lässt sich im hier zu entscheidenden Fall aus dem prozessualen Verhalten der Beklagten kein Gesichtspunkt ableiten, der im Rahmen der Ermessenserwägungen entscheidend für einen Fortgang des sozialgerichtlichen Verfahrens sprechen würde. Denn anders als zum Zeitpunkt der Beantragung der Aussetzung des Verfahrens durch den Bevollmächtigten der Beklagten steht nunmehr der Abschluss des strafgerichtlichen Verfahrens konkret im Raum. Selbst wenn vom Bevollmächtigten der Beklagten darauf hingewiesen wird, dass eine etwaige erstinstanzliche strafgerichtliche Entscheidung noch längst nicht den Abschluss des strafgerichtlichen Verfahrens bedeuten würde, da nach Ausgang des landgerichtlichen Verfahrens eine Revision im Raum stehe, ist festzuhalten, dass mit dem Abschluss des strafgerichtlichen Verfahrens in der Tatsacheninstanz zu erwarten ist, dass wesentliche, im sozialgerichtlichen Verfahren verwertbare Erkenntnisse zur Verfügung stehen. Mit Blick auf die bereits laufende Hauptverhandlung ist daher zum jetzigen Zeitpunkt auch mit Blick auf die zwischenzeitlich verlängerte Dauer des sozialgerichtlichen Verfahrens kein erhöhtes Beschleunigungsinteresse der Beteiligten zu erkennen, das eine Aufrechterhaltung der Aussetzung verbieten würde. Dies gilt umso mehr mit Blick auf die Beklagten, da diese bei für sie negativem Ausgang des sozialgerichtlichen Klageverfahrens eine Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Position befürchten müssen, eine Verzögerung der sozialgerichtlichen Entscheidung sich für sie derzeit also als eine potentielle wirtschaftliche Besserstellung darstellen kann.

Das Gebot der Prozessökonomie spricht aus den aufgezeigten Gründen gegen eine Aufhebung der Aussetzung des Verfahrens. Denn zu berücksichtigen ist, dass, wenn das SG nicht auf im strafgerichtlichen Verfahren gewonnene Erkenntnisse zurückgreifen könnte, weil das sozialgerichtliche Verfahren vor Abschluss des strafgerichtlichen Verfahrens weiterbetrieben würde, möglicherweise umfassende und zeitaufwändige Ermittlungen durch das SG selbst im Raum stünden, die das sozialgerichtliche Verfahren ebenfalls erheblich verzögern würden. Ob eine Fortführung des sozialgerichtlichen Verfahrens mit anschließender aufwändiger Beweisaufnahme zu einem schnelleren Abschluss des Verfahrens führen würde, als es bei einer Aufrechterhaltung der Aussetzung und anschließender Verwertung der strafgerichtlichen Erkenntnisse zumindest aus der Tatsacheninstanz der Fall wäre, erscheint dem Senat fraglich.

Sofern der Bevollmächtigte der Beklagten darauf hinweist, dass das SG auch dann über die vorliegende Klage entscheiden müsste, wenn es ein paralleles Strafverfahren nicht gäbe, ist dies kein bei der Ausübung des Ermessens maßgeblicher Gesichtspunkt. Denn die vom Bevollmächtigten in den Raum gestellte Konstellation eines sozialgerichtlichen Verfahrens ohne paralleles Strafverfahren ist gerade nicht mit der vorliegenden, in dem der auch für das sozialgerichtliche Verfahren maßgebliche Sachverhalt im Strafverfahren mit den dort zur Verfügung stehenden umfassenden Ermittlungsmöglichkeiten aufgeklärt wird, vergleichbar.

Schließlich spricht auch die Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen im strafgerichtlichen Verfahren einerseits und im sozialgerichtlichen andererseits dafür, dass es zweckmäßig ist, die aufwändige Beweiserhebung in das strafgerichtliche Verfahren mit den dort eröffneten umfassenden Beweiserhebungsmöglichkeiten zu verlagern und die strafgerichtlichen Erkenntnisse anschließend auch im sozialgerichtlichen Verfahren zu verwerten. Dies gilt umso mehr, als auch bei Beendigung der Aussetzung des sozialgerichtlichen Verfahrens infolge der dann voraussichtlich erforderlichen aufwändigen Beweiserhebung mit einer erheblichen weiteren Verfahrensdauer zu rechnen wäre.

Der Senat sieht daher zum aktuellen Zeitpunkt und insbesondere angesichts des Umstandes, dass ein Abschluss der strafgerichtlichen Verfahren in der ersten Instanz, zumindest was zwei Beklagte betrifft, nach Eröffnung der Hauptverhandlung absehbar sein dürfte, derzeit keinen Anlass, die Ermessensentscheidung des SG zu beanstanden.

Einer Kostenentscheidung bedurfte es nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung nicht, denn bei dem vorliegenden Verfahren der Beschwerde gegen die Ablehnung der Aufhebung eines Aussetzungsbeschlusses handelt es sich nur um einen unselbstständigen Verfahrensabschnitt in einem noch anhängigen Rechtsstreit (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 26.06.2017, L 20 KR 9/17 B - m.w.N.). Es ist daher auch kein Streitwert (vgl. § 63 GKG i.V.m. § 197a Abs. 1 S. 1 HS. 1 SGG) festzusetzen.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

Rechtskraft
Aus
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