1. Das Recht auf Akteneinsicht nach § 120 SGG beinhaltet das Recht des Klägers, in die Akten, die dem Gericht zur Entscheidung vorliegen, Einsicht zu nehmen. Dies umfasst grundsätzlich die Beklagtenakten und die Gerichtsakten.
2. Die Akten sind dem Kläger so zur Verfügung zu stellen, wie sie auch dem Gericht zur Verfügung stehen.
3. Das Gericht ist nach § 120 SGG nicht verpflichtet, die Verantwortung für die Art der Aktenführung des Beklagten zu übernehmen. Es obliegt dem Gericht nicht, Sekretärsaufgaben für den Kläger wahrzunehmen, insbesondere nicht Akten vorzusortieren, sie in irgendeiner Form den einzelnen anhängigen Verfahren zuzuordnen oder Aktenteile auf ihre Entscheidungserheblichkeit hin oder rechtliche Relevanz für den Kläger vorab zu prüfen.
I. Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 20.10.2020 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
G r ü n d e :
I.
Streitig war im Klageverfahren die Rechtmäßigkeit einer 10%-Sanktion für den Zeitraum von Juni bis August 2017 aufgrund eines Meldeversäumnisses am 29.3.2017.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 29.1.2018 als unbegründet ab. Statthaft sei die Berufung. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde mit Beschluss des Bay. LSG vom 23.3.2020 als unzulässig verworfen (L 15 AS 198/18).
Daraufhin legte der Antragsteller (AS) am 27.3.2020 Nichtzulassungsbeschwerde ein. Mit gerichtlichem Schreiben vom 24.4.2020 wurde der AS gebeten, die Beschwerde binnen eines Monats zu begründen.
Mit Schriftsatz vom 18.5.2020 beantragte der Antragsgegner (AG) die Zurückweisung der Beschwerde und übersandte 4 Bände Verwaltungsakten. Im Parallelverfahren L 7 AS 187/20 NZB übersandte dieser mit Schriftsatz vom 18.5.2020 einen weiteren Band Verwaltungsakten. Mit gerichtlichem Schreiben vom 26.5.2020 wurden dem AS die Schrift-sätze des AG vom 18.5.2020 in allen Verfahren zur Kenntnis gegeben.
Am 15.6.2020 beantragte der AS Akteneinsicht am Sozialgericht Augsburg. Mit gerichtlichen Schreiben vom 24.6.2020 wurden der Antrag genehmigt und die 5 Bände Verwaltungsakten dem Sozialgericht Augsburg mit der Bitte übersandt, dem AS Akteneinsicht am Gericht zu gewähren.
Auf die Schreiben des AS vom 3.8.2020, 5.8.2020 und 16.8.2020 wurden zusätzlich die Senatsakten (L 7 AS 186/20 NZB, L 7 AS 187/20 NZB, L 7 AS 188/20 NZB) übersandt verbunden mit dem Hinweis, dass die Sozialgerichtsakten sich bereits am Sozialgericht befänden und im 7. Senat keine weiteren Akten vorhanden seien (gerichtliches Schreiben vom 24.8.2020).
Mit Schreiben vom 17.8.2020 beantragte der AS, ihm "detailliert" schriftlich mitzuteilen, welchem der drei Beschwerdeverfahren die Akten des AG zuzuordnen seien. Mit weiterem gerichtlichen Schreiben vom 24.8.2020 wurde dem AS mitgeteilt, dass der AG eine Zuordnung der Akten nicht vorgenommen habe. Eine Zuordnung durch das Gericht sei nicht möglich. Hinzu komme, dass die Akten des AG aktuell nicht vorlägen.
Mit Schreiben vom 23.9.2020 verlangte der AS erneut die Zuordnung der Akten des AG zu den jeweiligen Beschwerdeverfahren durch das Gericht. Ohne eine solche Zuordnung sei er nicht in der Lage, einen vollständigen, effektiven, sachangemessenen Vortrag bzw. Begründung zu erstellen. Sei eine Akte nicht zugeordnet, ergebe sich daraus für den AG der Vorteil, dass er behaupten könne, der betreffende Aktenteil gehöre nicht zum Verfahren. Hierauf wurde dem AS unter Hinweis auf das Schreiben vom 24.8.2020 erneut mitgeteilt, dass eine weitere Zuordnung nicht erfolge. Die 5 Bände seien Grundlage der Entscheidung (gerichtliches Schreiben vom 25.9.2020). Von dem Recht zur Akteneinsicht am Sozialgericht machte der AS anschließend keinen Gebrauch.
Mit Schreiben vom 9.10.2020 erhob der AS "Beschwerde bzw. Rechtsbeschwerde" sowie Anhörungsrüge "gegen die Entscheidung des Senats vom 25.9.2020". Im Rahmen der Anhörungsrüge beantragte der AS erneut die Zuordnung der Verwaltungsakten zu den jeweiligen Beschwerdeverfahren. Mit Schreiben vom 13.10.2020 beantragte der AS die Aussetzung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens nach § 114 Abs. 2 SGG, da er gegen die Entscheidung des 7. Senats vom 25.9.2020 Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht erhoben habe. Das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren sei bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auszusetzen. Mit Schreiben vom 15.10.2020 beantragte der AS erneut Akteneinsicht am Sozialgericht Augsburg. Akteneinsicht benötige er zur Wahrung seiner Interessen und seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Mit Beschluss des Senats vom 20.10.2020 wurden die Anträge abgelehnt und die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der AS am 10.11.2020 Anhörungsrüge. Sein rechtliches Gehör sei verletzt. Der Beschluss vom 20.10.2020 sei eine Überraschungsentscheidung und zusätzlich gekennzeichnet von Verstößen gegen das Willkürverbot und gegen das Gebot des fairen Verfahrens.
Der AS behauptet im Einzelnen, dass
1. das Gericht keine einzige das Verfahren der Vorinstanz S 8 AS 1448/17 betreffende Verwaltungsakte des AG dem SG zugesandt habe,
2. das Gericht sich geweigert habe, 2 Band Akten, die keinem Verfahren zugeordnet waren, diesem Verfahren zuzuordnen,
3. das Gericht es unterlassen habe, entgegen den rechtlichen Gepflogenheiten, seine Anhörungsrüge und Rechtsbeschwerde, Beschwerde vom 9.10.2020 als eigenständige Klagen samt Aktenzeichen anzuerkennen,
4. das Gericht es unterlassen habe, ihn über die Kommunikation zwischen LSG und AG schriftlich vor Erlass des Beschlusses vom 20.10.2020 (Beschluss S. 4 Mitte) zu informieren und ihm damit verwertbare Informationen vorenthalten und somit gegen Art. 103 GG verstoßen habe,
5. das Gericht den Beschluss ohne vorherigen gerichtlichen Hinweis und somit unter Verletzung seiner Hinweispflicht erstellt habe, nachdem er Anhörungsrüge, Rechtsbeschwerde, Beschwerde und einen Aussetzungsantrag gestellt habe, und er dadurch somit keine Gelegenheit gehabt habe, die für die Nichtzulassungsbeschwerde benötigte Begründung an das LSG rechtzeitig zu schicken.
Im Einzelnen begründete der AS die Anhörungsrüge gegen die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde wie folgt:
1. Das LSG habe den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, indem es den vom AS dargelegten wichtigen Grund für das Nichterscheinen nicht geprüft habe. Der Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht führe direkt zum Gehörsverstoß;
2. Das SG habe den wichtigen Grund nicht geprüft. Diese Nichtprüfung des SG habe wiederum das LSG in seiner Entscheidung vom 20.10.2020 nicht berücksichtigt. Somit liege in der Entscheidung des LSG eine Überraschungsentscheidung und somit ein Verstoß gegen Art. 103 GG und gegen das Gebot des fairen Verfahrens;
3. Die Nichtprüfung des wichtigen Grundes durch das SG sei ein Verstoß gegen § 32 SGB II. Das SG habe eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt. Das Urteil des SG verstoße somit gegen das Willkürverbot. Das LSG habe verkannt, den Verstoß des SG gegen das Willkürverbot zu erkennen. Dies sei ein Gehörsverstoß, da das LSG verpflichtet gewesen sei, anhand der Aktenlage Verfahrensmängel zu erkennen, solche jedoch in seiner Entscheidung verneint habe;
4. Ein Gehörsverstoß liege darin, dass das LSG aufgrund des Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht verkannt habe, dass die Rechtsauffassung des SG nicht nur von den Entscheidungen der in § 144 SGG genannten Gerichten abweiche, sondern auch einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt habe;
5. Das SG habe verkannt, dass es sich bei den von der Behörde angeforderten Nachweise über das Aufenthalts- und Arbeitsrecht um Beweisurkunden i.S.d. § 60 SGB I gehandelt habe, deren Nichtvorlage zu einer Leistungsversagung bzw. -entziehung führen könne. Da das LSG in seiner Entscheidung Verfahrensfehler verneint habe, habe es verkannt, dass das SG den § 60 SGB I rechtsfehlerhaft und willkürlich gehandhabt habe. Dies sei ein Gehörsverstoß, da das LSG verpflichtet gewesen sei, anhand der Aktenlage Verfahrensmängel zu erkennen;
6. Das SG weiche in seiner Entscheidung von Entscheidungen der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte ab, da es sinngemäß behaupte, ein Verstoß gegen das Ungleichbehandlungsgebot führe nicht zur Nichtigkeit der Meldeaufforderung i.S.v. § 40 SGB X. Das LSG habe die Abweichung der Entscheidung des SG von obergerichtlicher Rechtsprechung nicht erkannt. Dies sei ein Gehörsverstoß, da das LSG verpflichtet gewesen sei, anhand der Aktenlage Verfahrensmängel zu erkennen, solche aber verneint habe;
7. Das SG und das LSG hätten es gegen BVerfG vom 19.8.2020, 1 BVR 2249/19, unterlassen, die behördliche Aufforderung, Nachweise zum Aufenthalts- und Arbeitsrecht zum Termin mitzubringen, in einer verfassungsrechtlich tragfähigen Weise als rassistische Äußerung auszulegen. Hierin liege ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Anspruchs auf ein faires Verfahren;
8. Das SG habe nicht begründet, weshalb es keinen relevanten Verstoß gegen das Ungleichbehandlungsgebot annehme. Dies sei ein verfassungsrechtlich erheblicher Fehler i.S.d. oben zitierten BVerfG-Entscheidung und damit ein Gehörsverstoß;
9. Das SG habe ihm einerseits die beantragte Erteilung einer Rüge des AG verweigert, andererseits aber kein vorwerfbares Verhalten des AG festgestellt und damit den AG gelobt. Dies sei eine Ungleichbehandlung. Die Rüge werde in fast allen Gerichtsbarkeiten in Deutschland durchgeführt. Eine Internetsuche mit den Begriffen "Gericht rügt" habe mehrere Millionen Suchresultate geliefert, sei also gerichtliche Praxis. Damit werde sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt.
10. Der Rechtsstreit habe grundsätzliche Bedeutung. Die Entscheidung, ob die Rechtssache in diesem Rechtsstreit die Interessen der Allgemeinheit eng berühren, werde von unterschiedlichen unabhängigen privaten wie auch staatlich öffentlichen Stellen getroffen, wie z.B. von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Die Anhörungsrüge betreffend die seiner Meinung nach zu Unrecht verworfene Anhörungsrüge, Rechtsbeschwerde und Beschwerde begründet der AS wie folgt:
1. Das LSG habe in seiner Entscheidung vom 20.10.2020 plötzlich und ohne vorherigen Hinweis auf § 104 Satz 4 SGG gegen Art. 103 GG verstoßen und ihm nicht die Möglichkeit gegeben, sich zum gesamten Verfahrensstoff und zur Rechtslage zu äußern. Ohne den Hinweis auf § 104 Satz 4 SGG hätte das Gericht nicht ohne seine Beschwerdebegründung entscheiden dürfen;
2. Das LSG habe durch seine Weigerung, ihm alle das Verfahren betreffenden Akten für die Akteneinsicht zur Verfügung zu stellen, das Verfahren unnötig in die Länge gezogen;
3. Das LSG habe zu Unrecht den erneuten Akteneinsichtsantrag als Verfahrensverschleppung gewertet;
4. Das BVerfG habe entschieden, dass Anhörungsrügen für Zwischenentscheidungen in bestimmten Fällen zulässig sei (Beschluss vom 12.1.2009, 1 BvR 3113/08). Dass das LSG diese Entscheidung nicht erwähnt habe, sei ein weiterer Gehörsverstoß.
Nachfolgend begründetet der AS die Anhörungsrüge vom 9.10.2020 "gegen die Entscheidung des LSG vom 25.9.2020".
Dem AG wurde das Schreiben des AS vom 9.11.2020 samt Anlagen zur Kenntnis gegeben. Der AG äußerte sich nicht.
II.
Die zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet.
Nach § 178a Abs. 1 SGG ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.
Die Anhörungsrüge kann nur auf eine Gehörsverletzung gestützt werden. Der Gesetzgeber hat dagegen die Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte oder Verfahrensfehler bewusst ausgeklammert, wie z.B. ein Verstoß gegen das Willkürverbot (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 13. Auflage 2020, § 178a Rn 5, 5a).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß § 62 SGG, Art. 103 GG besagt, dass die Beteiligten vor der Entscheidung Gelegenheit haben müssen, sich vor Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu äußern und dass das Gericht ihren Vortrag zu berücksichtigen hat. Berücksichtigung des Vorbringens durch das Gericht bedeutet, dass das Gericht den schriftlichen und mündlichen Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in seine Erwägungen einbeziehen muss. Dabei muss es in den Entscheidungsgründen nicht zu allen vorgetragenen Ausführungen Stellung nehmen, insbesondere dann nicht, wenn er nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert ist (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 62 Rn 7; BSG vom 5.10.2010, B 8 SO 62/10 B). Der Anspruch auf rechtliches Gehör bedeutet folglich auch nicht, dass das Gericht die Rechtsauffassung eines Beteiligten übernehmen muss.
Eine Gehörsverletzung ist nur dann entscheidungserheblich, wenn die Entscheidung darauf beruhen kann, also nicht auszuschließen ist, dass das Gericht ohne die Verletzung zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 178a Rn 5b).
Eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.
Zu den Behauptungen des AS im Einzelnen:
Zu 1. Es trifft nicht zu, dass das Gericht keine einzige Beklagtenakte betreffend das Verfahren S 8 AS 1448/17 an das SG gesandt hat. Richtig ist vielmehr, dass das Gericht sämtliche Verwaltungsakten, hier insgesamt 5 Bände, die der AG dem Gericht übersandt hat, an das SG zum Zwecke der Durchführung der Akteneinsicht weitergeleitet hat.
Zu 2. Die übersandten 5 Band Akten lagen jeder Entscheidung insgesamt zugrunde. Eine wie vom AS geforderte Zuordnung bzw. Aufteilung findet nicht statt. Der AS hat im Rahmen seines Akteneinsichtsrechts nach § 120 SGG das Recht, in die Akten Einsicht zu nehmen. Das Akteneinsichtsrecht ist eine gesetzliche Konkretisierung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. In § 120 SGG ist der Umfang des Akteneinsichtsrecht festgelegt. Das Einsichtsrecht umfasst nach seinem Wortlaut den Anspruch auf Einsicht. Weitergehende Rechte können daraus nicht abgeleitet werden, insbesondere keinen Anspruch auf eine Zuordnung durch das Gericht. Das Gericht hat die Aufgabe, dem AS die Akten (in dem Zustand) zur Verfügung zu stellen, so wie sie auch dem Gericht als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stehen. Das ist mit der Übersendung ans SG geschehen. Dieses wiederum hat dem AS mehrfach einen Termin angeboten. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, dem AS die Akten vorzusortieren oder eine Prüfung vorzunehmen, was davon entscheidungserheblich ist oder nicht. Für die Forderung des AS bietet § 120 SGG keine Rechtsgrundlage.
Zu 3. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 5 und 6 AktO-SG sind weitere Rechtsbehelfe oder Rügen in einem bereits anhängigen Verfahren nicht mit einem neuen Aktenzeichen zu versehen. Unabhängig davon ist ein etwaiger Verstoß gegen die Aktenordnung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt entscheidungserheblich. Denn ein Aktenzeichen hat keinerlei Einfluss auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung.
Zu 4. Es trifft nicht zu, dass das Gericht dem AS "Kommunikation" mit dem AG vorenthalten hat. Richtig ist vielmehr, dass die in den Verfahren L 7 AS 186-188/20 NZB eingegangenen Schreiben des AG vom 18.5.2020 mit gerichtlichem Schreiben vom 26.5.2020 unter Bezugnahme auf alle drei Aktenzeichen dem AS zur Kenntnis gegeben wurden. Darin hat der AG die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt. Die Begründung erschöpfte sich in einer pauschalen Verneinung von Nichtzulassungsgründen ohne weitere Konkretisierung der rechtlichen Überlegungen, die den AG zu seiner Rechtsauffassung veranlasst haben.
Selbst wenn das gerichtliche Schreiben vom 26.5.2020 mit den Anlagen dem AS nicht zugegangen wäre, läge keine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung vor. Denn das Schreiben vom 18.5.2020 enthält keine neuen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte, die Anlass gäben sich zu äußern. Allein die Antragstellung des AG ist nicht entscheidungserheblich, da das Gericht gemäß § 123 SGG an Anträge der Beteiligten nicht gebunden ist und von Amts wegen entscheiden muss, ob es der Beschwerde stattgibt oder diese zurückweist.
Zu 5. Der Anspruch auf rechtliches Gehör besagt, dass der Beteiligte ausreichend Zeit zur Äußerung zum Prozessstoff haben muss. Wird eine Frist gesetzt, darf nicht vor Ablauf der Frist entscheiden werden. Wird keine Frist gesetzt, muss eine angemessene Zeit abgewartet werden, bevor die Entscheidung getroffen wird (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 62 Rn 10). Einer vorherigen Ankündigung der Entscheidung bedarf es folglich nicht. Im vorliegenden Fall hatte der AS ausreichend Gelegenheit zur Äußerung. Mit gerichtlichem Schreiben vom 24.4.2020 wurde der AS in allen drei Verfahren gebeten, binnen eines Monats seine Beschwerde zu begründen. Der AS ließ die Frist ungenutzt verstreichen. Ungeachtet dieser Frist hat das Gericht mehr als sechs Monate mit einer Entscheidung gewartet. Eine allgemeine Aufklärungspflicht über die Rechtslage besteht entgegen der Rechtsauffassung des AS ebenso wenig wie eine Pflicht, seine Rechtsauffassung zur Rechtssache und zu den Erfolgsaussichten vorab zu erkennen zu geben. Auch zu einzelnen Rechtsfragen braucht das Gericht seine Ansicht nicht kundzutun oder vorab die Entscheidung anzukündigen (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 62 Rn 8a).
Der AS behauptet in diesem Zusammenhang zwar, dass die Senatsentscheidung eine Überraschungsentscheidung sei, legt jedoch nicht in entscheidungserheblicher Weise im Einzelnen dar, auf welche tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte die Entscheidung gestützt wurde, die bislang nicht erörtert worden waren. Allein der Umstand, dass das Rechtsmittel entgegen den Erwartungen des AS ohne Erfolg blieb, begründet, anders als der AS meint, keine Überraschungsentscheidung.
Soweit sich die Anhörungsrüge gegen die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde richtet (vgl. Ziffer 1 bis 10), macht der AS im Kern geltend, dass das Gericht die Zulassungsgründe zu Unrecht verneint und es verabsäumt habe, die vermeintlich falsche Entscheidung des SG zum Vorliegen eines wichtigen Grundes für das Nichterscheinen zum Meldetermin materiell-rechtlich zu überprüfen und Verstöße gegen § 32 SGB II und § 60 SGB I festzustellen.
Die materiell-rechtliche Unrichtigkeit einer Entscheidung begründet jedoch entgegen der Auffassung des AS keine Gehörsverletzung i.S.v. § 62 SGG, Art. 103 GG, die im Rahmen des § 178a SGG zu prüfen wäre.
Unabhängig davon verkennt der AS den Prüfungsmaßstab im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 144 SGG. Es war nicht zu überprüfen, ob ein wichtiger Grund vorliegt, sondern ob eine abstrakt klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufgeworfen wird. Das Gericht hat in seiner Entscheidung unter Bezugnahme auf BSG-Rechtsprechung dargelegt, dass das im Ergebnis nicht der Fall ist. Dabei hat es sich, anders als der AS meint, die Rechtsauffassung des Sozialgerichts gerade nicht zu eigen gemacht, vielmehr offengelassen, ob diese rechtlich zutreffend ist.
Entgegen der Auffassung des AS begründet die etwaige sachliche Unrichtigkeit der SG-Entscheidung aufgrund einer unzutreffenden Anwendung von § 32 SGB II und § 60 SGB I keinen Verfahrensmangel i.S.v. § 144 SGG (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 144 Rn 32). Die vom AS zitierte Entscheidung des BVerfG bzgl. des Beleidigungsstraftatbestandes ist nicht einschlägig. Dies gilt gleichermaßen für die behauptete Divergenz.
Auch soweit sich die Anhörungsrüge gegen die Verwerfung der Anhörungsrüge, Rechtsbeschwerde bzw. Beschwerde richtet, liegt eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung nicht vor.
Zu 1. Der AS verkennt, dass sich die Übersendung der Klageschrift nach § 104 Satz 4 SGG an die Beklagtenseite, hier also an den AG -und nicht an den AS- richtet. Mit gerichtlichen Schreiben vom 24.4.2020 wurde dem AG im Übrigen in allen drei Verfahren die Beschwerdeschrift mit Fristsetzung zur Äußerung innerhalb eines Monats zur Kenntnis gegeben.
Zu 2. Es trifft nicht zu, dass sich das Gericht geweigert hat, alle Akten dem SG zu übermitteln. Vielmehr wurden sämtliche vorhandene Akten mit gerichtlichem Schreiben vom 24.6.2020 und 24.8.2020 dem Sozialgericht zugeleitet.
Es kann dahinstehen, ob hierin eine Verfahrensverschleppung zu sehen ist, denn jedenfalls ist nicht ersichtlich, wie hierdurch der Anspruch des AS auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden sein soll.
Zu 3. Der AS macht die Unrichtigkeit der gerichtlichen Einschätzung der Verfahrensverschleppung durch den AS geltend. Die vermeintliche Unrichtigkeit einer Rechtsauffassung begründet keine Gehörsverletzung.
Zu 4. Die zitierten Entscheidungen des BVerfG betrafen die hier nicht einschlägige Statthaftigkeit von Anhörungsrügen gegen die Zurückweisung von Befangenheitsanträgen.
Das Nichterwähnen einer vom Rechtsstandpunkt des Gerichts nicht einschlägigen Entscheidung des BVerfG stellt entgegen der Auffassung des AS keine Gehörsverletzung i.S.v. § 62 SGG, Art. 103 GG dar. Der Wortlaut von § 178a Abs. 1 Satz 2 SGG, wonach die Anhörungsrüge gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung nicht statthaft ist, ist im Übrigen eindeutig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.