L 16 AS 16/20

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 52 AS 1176/18
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 16/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Ein Feststellungsantrag zu einer fehlenden Weiterbewilligung nach dem SGB II für einen bestimmten Zeitraum ist mit dem Wert zu beziffern, der der Leistungshöhe für den genannten Zeitraum entspricht.
2. Lässt sich nicht feststellen, dass die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Berufung erfüllt sind, ist die Berufung nach § 143 SGG statthaft, da es sich bei § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGG um Ausnahmeregelungen handelt.
3. Dem Antrag nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II kommt eine konstitutive Wirkung zu. Auch die Weitergewährung der Leistungen nach dem SGB II erfordert einen Fortzahlungsantrag.

 

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
 
III. Die Berufung wird nicht zugelassen.


T a t b e s t a n d :

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe der bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum März 2018 bis Februar 2019 und die vom Kläger begehrte Feststellung, dass die zunächst fehlende Weiterbewilligung der Leistungen in der Zeit vom 01.03.2019 bis 22.03.2019 rechtswidrig war.

Der 1957 geborene Kläger und Berufungskläger (Kläger) bezieht laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Beklagten und Berufungsbeklagten (Beklagten). Er bewohnt eine Wohnung in der A-Straße in A-Stadt, für die er im streitigen Zeitraum zunächst Unterkunftskosten in Höhe von insgesamt 341,19 Euro (206,19 Euro Grundmiete, 135,- Euro Betriebs- und Heizkosten) monatlich zu zahlen hatte. Die Kosten für Unterkunft und Heizung wurden direkt an den Vermieter überwiesen.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 14.02.2018 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24.11.2018, 22.01.2019 und 12.02.2019 für März 2018 bis Februar 2019 Leistungen in Höhe von monatlich 757,19 Euro (Regelleistung 416,- Euro, Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 341,19 Euro) für die Zeit von März 2018 bis Juni 2018, in Höhe von 758,35 Euro für die Zeit von Juli bis Dezember 2018 (Berücksichtigung einer Erhöhung der Grundmiete), in Höhe von 950,03 Euro für Januar 2019 (Berücksichtigung einer Nachzahlung auf die Heiz- und Nebenkostenabrechnung in Höhe von 183,68 Euro) und in Höhe von 768,92 Euro für Februar 2019 (Berücksichtigung einer Mieterhöhung). Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.02.2018 begründete der Kläger damit, mit seiner Unterschrift unter den Leistungsantrag gewähre er dem Beklagten die Möglichkeit, seine Grundrechte einzuschränken. Dies sei seit Januar 2005 der Fall, da ihm damals nur ein monatlicher Regelsatz von 285,- Euro überwiesen worden sei. Zuletzt sei im Dezember 2016 der Regelsatz ohne Grund gekürzt worden.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2018 hinsichtlich der behaupteten Kürzung der Regelleistung im Jahr 2016 als unzulässig verworfen, da der Widerspruch hiergegen erst am 15.03.2018 eingegangen sei. Zudem seien Streitigkeiten aus dem Jahr 2016 bereits gerichtlich behandelt worden. Im Übrigen werde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Leistungen nach dem SGB II seien mit dem Bescheid vom 14.02.2018 in gesetzlicher Höhe bewilligt worden. Sofern sich der Kläger in seinen Grundrechten eingeschränkt sehe, sei dem die Verfassungskonformität des SGB II entgegenzuhalten.

Der Kläger erhob am 09.05.2018 Klage zum Sozialgericht München (S 52 AS 1176/18). Diese Klage sei zu verbinden mit dem Az. S 51 AS 564/17; das dort (am 18.04.2018) ergangene Urteil sei verfassungswidrig.

Der Beklagte bat den Kläger mit Schreiben vom 03.01.2019 um Einreichung des Weiterbewilligungsantrags. Mit Schreiben vom 07.02.2019 teilte der Kläger mit, dass er einen Weiterbewilligungsantrag für weitere SGB II-Leistungen ab März 2019 leider nicht stellen könne. Deshalb sei sein Leben ab diesem Zeitpunkt nicht mehr gesichert. Er werde seit Leistungsgewährung ab Januar 2005 gezwungen, mit seinem Antrag auf ein selbstbestimmtes Leben zu verzichten. Der Beklagte habe freiwillig Leistungen ohne Antrag zu erbringen. Solange über seine Klage S 52 AS 1176/18 nicht entschieden worden sei, müsse er auf einen Weiterbewilligungsantrag zwangsläufig verzichten, so dass ab 01.03.2019 akute Lebensgefahr bestehe.

Mit Schreiben vom 11.02.2019, eingegangen am 13.02.2019, erhob der Kläger beim Sozialgericht eine "Untätigkeitsklage im Eilverfahren" mit dem Ziel, eine sofortige Entscheidung im Verfahren S 52 AS 1176/18 herbeizuführen oder "dass eine einstweilige Maßnahme an dem Jobcenter ergeht, dass auch ohne Bewilligungsantrag eine Sozialleistung ab 01.03.2019 erbringen muss, also eine Sicherung meines Lebensunterhalts vorläufig gewährleistet wird". Sein Gesundheitszustand habe sich massiv verschlechtert, sein Leben sei akut gefährdet. Ohne Leistungen ab März 2019 könne er sich nur noch von Nudeln und Soße ernähren und seine Medikamente gegen Diabetes nicht nehmen. Das Gericht habe also nur noch bis Ende Februar 2019 Zeit, einen körperlichen Schaden mit möglicher Todesfolge abzuwenden. Der Beklagte sei auch ohne neuen Antrag ab 01.03.2019 zur Leistungsgewährung verpflichtet.

Das Sozialgericht legte das Schreiben vom 11.02.2019 als Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz aus und lehnte diesen mit Beschluss vom 27.02.2019 ab (S 52 AS 386/19 ER).

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 18.03.2019 beim Beklagten auf die Leistungsgewährung ab 01.03.2019 auch ohne Unterschrift gedrängt hatte, bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 21.03.2019 für die Zeit vom 01.03.2019 bis 29.02.2020 Leistungen nach dem SGB II.

Zur Begründung seiner Klage vom 09.05.2018 verwies der Kläger zunächst auf seine Widerspruchsbegründung vom 13.03.2018 und führte weiter aus, weshalb er das Urteil vom 18.04.2018 im Verfahren S 51 AS 564/17 nicht akzeptiere. Mit Schreiben vom 04.03.2019 hielt der Kläger außerdem seine mit Schreiben vom 11.02.2019 erhobene "Untätigkeitsklage im Verfahren S 52 AS 1176/18" aufrecht, da er seit 01.03.2019 keine Leistungen erhalte und das Sozialgericht mit Beschluss vom 27.02.2019 seinen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt habe (S 52 AS 386/19 ER). Das Schreiben wurde vom Sozialgericht auch als Beschwerde gewertet und an das Landessozialgericht weitergeleitet, das die Beschwerde mit Beschluss vom 21.03.2019 zurückwies (L 15 AS 190/19 B ER). Soweit der Kläger begehre, das Sozialgericht zu einer umgehenden Entscheidung im Verfahren S 52 AS 1176/18 zu verpflichten, fehle es offenkundig an einer Rechtsgrundlage. Dem Kläger werde dringend empfohlen, einen Weiterbewilligungsantrag beim Beklagten zu stellen.

Der Bevollmächtigte des Klägers ergänzte zur Begründung der Klage, die §§ 19 Abs. 1 Satz 1 und 3, 20 Abs. 1, 4 und 5 SGB II iVm §§ 28a Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) und 8 Abs. 1 Nr. 2 Regelbedarf-Ermittlungsgesetz (RBEG) sowie §§ 19 Abs. 1 Satz 1 und 3, 20 Abs. 1 und 2 Satz 2 Nr. 1, Abs. 5, 77 Abs. 4 Nr. 1 SGB II iVm §§ 28a SGB XII und 8 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 1 RBEG und die RBSFV 2012 seien verfassungswidrig, da sie gegen Art. 1 Abs. 1 GG iVm Art. 20 Abs. 1 GG und das sich daraus ergebende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verstießen. Der Gesetzgeber habe den Regelbedarf für Alleinstehende in Höhe von 416,- Euro (2018) nach § 20 Abs. 2 SGB II nicht in verfassungsgemäßer Weise ermittelt. Der festgesetzte Regelsatz beruhe nicht auf einer tragfähigen Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS). Der Gesetzgeber habe den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht genutzt, indem er als Referenzgruppe die unteren 15 Prozent der Alleinstehenden-Haushalte (und nicht wie bisher die unteren 20 Prozent der Haushalte) ausgewählt habe. Die maßgebenden Gründe für die Festsetzung dieser Referenzgruppe seien nicht erkennbar; sie erscheine willkürlich. Dem Kläger gehe es nicht nur um die Leistungen im Bewilligungszeitraum vom 01.03.2018 bis 28.02.2019, sondern darum, dass seine Untätigkeitsklage vom 13.02.2018 (gemeint: 13.02.2019) im Verfahren S 52 AS 1176/18 gegen seinen Willen als Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ausgelegt worden sei. Er habe ab dem 01.03.2019 zunächst keinerlei Leistungen erhalten und nur mit Unterstützung der Caritas überlebt. Der Kläger wolle wissen, inwieweit das Jobcenter seine Grundrechte einschränken dürfe.

In der mündlichen Verhandlung am 16.12.2019 führte der Bevollmächtigte des Klägers u.a. aus, dass die bewilligten SGB II-Leistungen grundsätzlich zu niedrig seien. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminimum seien unzureichend umgesetzt worden. Er beantragte, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 14.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2018 zu verurteilen, dem Kläger höhere Leistungen nach dem SGB II (höherer Regelsatz) zu gewähren sowie festzustellen, dass der Beklagte ihn durch die Nichtbewilligung seit März 2019 in seinen Rechten, insbesondere in seinen Grundrechten, verletzt habe.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 16.12.2019 ab. Soweit der Kläger sich gegen den Bewilligungsbescheid vom 14.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2018 wende, seien die Berechnungen des Beklagten nicht zu beanstanden. Dieser habe Regelbedarf (2018: monatlich 416,- Euro, 2019: monatlich 424,- Euro) sowie die Unterkunftskosten von 341,19 Euro bewilligt. Gemäß § 20 Abs. 1a SGB II werde der Regelbedarf in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 SGB XII in Verbindung mit dem RBEG und den §§ 28a und 40 SGB XII in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Für das Jahr 2019 sei dieser nach der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2019 auf monatlich 424,- Euro festgesetzt worden. Dies bedeute, dass das Kabinett die Fortschreibung beschlossen, aber keine neue Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (diese werde nur alle fünf Jahre durchgeführt) erarbeitet habe. Dies sei nicht zu beanstanden. Auch hinsichtlich der Weitergewährung von Leistungen ab März 2019 sei eine Rechtsverletzung des Klägers nicht erkennbar, so dass die Feststellungsklage ebenfalls keinen Erfolg habe. Eine (Grund-) Rechtsverletzung des Klägers durch den Beklagten sei hier keinesfalls ersichtlich: Wie bereits in beiden Instanzen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausgeführt, würden SGB II-Leistungen nur auf Antrag erbracht, vgl. § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Es gelte hierbei der Grundsatz der Eigenverantwortung. Hilfebedürftigkeit müsse dem Jobcenter gegenüber angezeigt werden, andernfalls könne dieses nicht tätig werden.

Gegen das dem Bevollmächtigten des Klägers am 23.12.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.01.2020 (Eingang) beim Bayerischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten aus dem erstinstanzlichen Verfahren beantragt. Das Urteil verstoße gegen die Menschenwürde. Er habe infolge der zunächst unterlassenen Leistungsbewilligung vom 01.03.2019 bis 22.03.2019 hungern müssen. Bereits im Dezember 2016 sei seine Menschenwürde massiv angetastet worden, da der Regelsatz infolge des Nebenkostenguthabens zu Unrecht gekürzt worden sei. Auch ab Januar 2005 habe der Beklagte seine Menschenwürde missachtet, indem ihm nur Leistungen in Höhe von 285,20 Euro und keine Unterkunftskosten überwiesen worden seien. Seine finanzielle Situation habe sich so verschlechtert, dass das Geld bis Monatsende nicht mehr reiche. Er könne sich kein Telefon oder Handy und neue Kleidung leisten.

Auf gerichtliche Nachfrage, in welcher Höhe konkret der Kläger für die Zeit vom 01.03.2018 bis 28.02.2019 weitere monatliche Leistungen begehre, teilte dieser mit, er habe weitere Leistungen ab 01.03.2019 in Form eines Weiterbewilligungsbescheides begehrt, den er zunächst nicht erhalten habe. Er habe ab 01.03.2019 bis 22.03.2019 hungern müssen, da ihm nicht einmal ein Lebensmittelgutschein ausgehändigt worden sei. Mit dem Urteil vom 16.12.2019 habe das Sozialgericht seine Menschenwürde, seine körperliche Unversehrtheit und sein Recht auf Leben verletzt (Art. 1, 2 Grundgesetz), indem ihm für die Zeit vom 01.03.2019 bis 22.03.2019 kein Rechtsanspruch auf tägliche Ernährung zugesprochen worden sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 16. Dezember 2019 sowie des Bescheides vom 14.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2018 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24.11.2018, 22.01.2019 und 12.02.2019 zu verurteilen, ihm in der Zeit vom     01.03.2018 bis 28.02.2019 höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren sowie festzustellen, dass der Beklagte ihn durch die zunächst nicht erfolgte Bewilligung ab 01.03.2019 in seinen Rechten, insbesondere Grundrechten, verletzt habe.

Der Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

Streitig sei der Bescheid vom 14.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2018. Zur Begründung werde auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts vom 16.12.2019 verwiesen.

Die Beteiligten sind mit gerichtlichem Schreiben vom 30.09.2020 zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss angehört worden. Die Beschwerde des Klägers gegen diese Anhörungsmitteilung hat der Senat mit Beschluss vom 16.11.2020 verworfen (L 16 AS 618/20 B).

Mit Schreiben vom 06.10.2020 wiederholte und vertiefte der Kläger seinen bisherigen Vortrag. Er habe den Weiterbewilligungsantrag nicht unterschrieben und "zugestellt", da er damit in Sanktionen und Bestrafung einwilligen würde. Die Menschenwürde sei jedoch nicht verhandelbar. Der Beklagte habe daher auch ohne Weiterbewilligungsantrag Leistungen ab 01.03.2019 erbringen müssen. Gegen seinen Willen sei seine Untätigkeitsklage vom 11.02.2019 als Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ausgelegt worden, obwohl dieser nicht statthaft gewesen sei. Der Kläger verwies ergänzend auf seine bisherigen negativen Erfahrungen mit dem Jobcenter und den Sozialgerichten seit dem Jahr 2005. Er beantrage eine mündliche Verhandlung.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen, der Gerichtsakten S 51 AS 546/17 sowie L 15 AS 190/19 B ER sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Kläger verfolgt nach seinem Vortrag im Schriftsatz vom 04.01.2020, wonach er in vollem Umfang Berufung gegen das Urteil vom 16.12.2019 eingelegt hat, zwei Begehren: Die Gewährung höherer Leistungen im Zeitraum vom 01.03.2018 bis 28.02.2019 sowie die Feststellung, dass der Beklagte ihn durch die zunächst nicht erfolgte Bewilligung ab 01.03.2019 in seinen Rechten, insbesondere Grundrechten, verletzt habe.

Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- Euro übersteigt.
Gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,- Euro nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 S. 2 SGG).

Der Wert des Beschwerdegegenstandes iSd § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG richtet sich danach, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er davon mit seinen Berufungsanträgen weiterverfolgt. Bei einer Geldleistung ist der Wert für das Berufungsverfahren nach dem Geldbetrag zu berechnen, um den unmittelbar gestritten wird (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 23.07.2015 - B 8 SO 58/14 B). Bei einem unbezifferten Antrag, z. B. einem Feststellungsantrag, hat das Gericht den Wert des Streitgegenstandes zu ermitteln (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 144 Rdnr. 15b). Mehrere Ansprüche, bei denen jeder für sich unter § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG fällt, werden entsprechend § 5 ZPO zusammengerechnet, auch wenn sie in keinem rechtlichen Zusammenhang stehen, sofern die Ansprüche nicht wirtschaftlich identisch sind. Der Feststellungsantrag des Klägers, er sei durch die fehlende Weiterbewilligung in der Zeit vom 01.03.2019 bis 22.03.2019 in seinen Grundrechten verletzt worden, ist mit dem Wert zu beziffern, der der Leistungshöhe in dem von ihm genannten Zeitraum entspricht. Da dem Kläger mit Bescheid vom 21.03.2019 für die Zeit ab 01.03.2019 monatlich 768,92 Euro bewilligt wurden, geht es ihm mit diesem Antrag um einen Betrag in Höhe von 563,87 Euro (768,92 Euro geteilt durch 30 multipliziert mit 22).

Die Wertermittlung des weiteren Berufungsbegehrens auf Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II im durch die angefochtenen Bescheide geregelten Zeitraum vom 01.03.2018 bis 28.02.2019 ist dem Senat nicht möglich, da der Kläger sein Begehren insoweit auch auf Nachfrage nicht beziffert hat. Lässt sich nicht feststellen, dass die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Berufung erfüllt sind, muss im Ergebnis, da es sich bei § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGG um Ausnahmeregelungen handelt, die Grundregel des § 143 SGG greifen, wonach die Berufung statthaft ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 144 Rdnr. 15b, Sommer in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 144 Rdnr. 22; a.A. Jungeblut in Beckscher Onlinekommentar, § 144 Rdnr. 22 unter Verweis auf LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 08.01.2013 - L 11 AS 526/12).

Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 4 SGG, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vor der Entscheidung durch Beschluss gehört worden, § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG. Der Sachverhalt ist geklärt, die zu prüfenden Rechtsfragen sind nicht schwierig und der Kläger hatte seit Einlegung der Berufung ausreichend Gelegenheit, seinen Standpunkt darzustellen. Hiervon hat er auch in seinen ausführlichen Schriftsätzen Gebrauch gemacht.

Die Berufung führt in der Sache nicht zum Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass der angefochtene Bescheid vom 14.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2018 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24.11.2018, 22.01.2019 und 12.02.2019 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (s. dazu Ziffer I). Die Feststellungsklage des Klägers ist unbegründet, da eine Grundrechtsverletzung durch den Beklagten nicht erfolgte (s. dazu Ziffer II.).

I. Der Kläger hat im Zeitraum vom 01.03.2018 bis 28.02.2019 keinen Anspruch auf höhere Leistungen als ihm mit den angefochtenen Bescheiden bewilligt wurde. Zutreffend hat der Beklagte dem Kläger den Regelbedarf in Höhe von 416,- Euro bzw. (ab Januar 2019) in Höhe von 424,- Euro gemäß §§ 20 Abs. 1, Abs. 1a SGB II iVm § 28 SGB XII und dem RBEG, §§ 28a und 40 SGB XII und § 2 der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungs-verordnungen für die Jahre 2018 und 2019 bewilligt. Anerkannt wurden gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II auch die jeweiligen tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, die sich vom 01.03.2018 bis 30.06.2018 auf monatlich 341,19 Euro, vom 01.07.2018 bis 31.01.2019 auf 342,35 Euro monatlich und ab 01.02.2019 auf 344,92 Euro monatlich beliefen. Im Januar 2019 wurde bedarfserhöhend außerdem der Nachzahlungsbetrag in Höhe von 183,68 Euro aus der korrigierten Heiz- und Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2017 berücksichtigt (Bescheid vom 22.01.2019).

Eine - vom Bevollmächtigten des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren unter Bezug auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) geltend gemachte - Verfassungswidrigkeit der Regelleistung im streitgegenständlichen Zeitraum kann der Senat nicht erkennen.

Der Gesetzgeber hat die Zusammensetzung und die Höhe der bisherigen Regelbedarfsstufen zum 01.01.2017 durch das RBEG 2017 neu bestimmt. Hierbei hat er die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 09.02.2010 und 23.07.2014 sowie die Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahre 2013 (EVS 2013) berücksichtigt. Die Ermittlung und Festlegung der Regelbedarfe für das SGB II und das SGB XII erfolgt - ausgehend von den Vorgaben des BVerfG - unmittelbar durch bundesgesetzliche Regelung. § 28 SGB XII formuliert die Rahmenbedingungen und Grund-sätze für die Ermittlung der Regelbedarfe nach § 27a SGB XII. Die konkrete Bemessung erfolgt durch das gesonderte RBEG nach § 28 SGB XII. § 28 SGB XII enthält allgemeine Vorgaben insbesondere zur tatsächlichen Auswahl der Referenzhaushalte und dem Ausschluss bestimmter Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII und SGB II aus den Referenzhaushalten. Das RBEG regelt u.a. die Bestimmung und Abgrenzung der Referenzhaushalte (§§ 2, 3 RBEG), die regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben der Einpersonen- und Familienhaushalte (§§ 5, 6 RBEG), die Fortschreibung der bedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben (§ 7 RBEG) und die Regelbedarfsstufen nach der Anlage zu § 28 SGB XII (§ 8 RBEG). Mit § 20 Abs. 1a SGB II - eingefügt mit Wirkung zum 01.01.2017 durch das RBEG 2017 - verweist der Gesetzgeber in einer veränderten Systematik nunmehr wegen der Höhe der Regelbedarfe für das gesamte SGB II auf die Regelbedarfsstufen nach dem SGB XII (vgl. Behrend in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl. 2020, § 20 Rdnr. 81 ff.).

Die im Schreiben des Bevollmächtigten vom 06.08.2019 kritisierte Festlegung der Referenzgruppe in § 4 Abs. 1 Satz 2 RBEG auf die unteren 15 % der Einpersonenhaushalte (statt wie bis zum 31.10.2010 auf der Grundlage von § 2 Abs. 3 der Regelsatzverordnung (RSV) in der Fassung vom 20.11.2006 der unteren 20 % der Einpersonenhaushalte) führt nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelleistung. Dazu hat das BVerfG bereits ausgeführt, dass der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum zur Konkretisierung des menschenwürdigen Existenzminimums nicht verlassen habe und es seiner Wertung obliege, die Größe der Referenzgruppe zu bestimmen (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 -
1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, juris Rdnr. 98). Der Gesetzgeber hat sich bei der Festlegung der Referenzgruppe für die Einpersonenhaushalte von der sachgerechten Überlegung leiten lassen, auf welcher Höhe der Skala der Einkommensschichtung sich die Referenzgruppe befindet, um Maßstab für ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sein. Als Korrektiv war zudem die ausreichende Validität der Datengrundlage entscheidend (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 87). Zur Vermeidung von Zirkelschlüssen bei den Einpersonenhaushalten hat der Gesetzgeber die untersten 8,6 % (im Gegensatz zu 0,5 % im Jahr 2003, vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 89) gegenüber lediglich 2,3 % der Paarhaushalte mit Kind ausgeschlossen. Mit dem verringerten Anteil der Referenzgruppe bei Einpersonenhaushalten (15 % gegenüber den unteren 20 % als Referenzhaushalte bei den Familienhaushalten) wollte der Gesetzgeber berücksichtigen, dass sich diese Gruppe umso weiter nach oben in der Einkommensskala in höhere Einkommensbereiche verschiebt, je größer der Anteil der herausgerechneten Haushalte ist (vgl. Behrend, a.a.O., § 20 Rdnr. 101). Das BVerfG hat die Festlegung auf 15 % bei den Einpersonenhaushalten gebilligt und ausgeführt, dass die Referenzgruppe so weit gefasst sei, dass statistisch zuverlässige Daten erhoben werden könnten. Die Stichprobe sei mit 1.678 Einpersonenhaushalten hinreichend groß gewesen (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, juris Rdnr. 98 f.). Da sich der Umfang des absoluten oberen Grenzwertes auch für das RBEG 2017 nicht wesentlich verändert hat, sind die Erwägungen des Gesetzgebers nach wie vor sachgerecht (vgl. Saitzek in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 20 Rdnr. 48).

II. Die vom Kläger weiter erhobene Feststellungsklage hat das Sozialgericht zutreffend als unbegründet erachtet. Die (zunächst) fehlende Weiterbewilligung ab 01.03.2019 resultierte daraus, dass der Kläger gegenüber dem Beklagten zum Ausdruck gebracht hatte, er werde keinen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab 01.03.2019 stellen (vgl. sein Schreiben vom 07.02.2019). Aus dem Antragserfordernis des § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II folgt eindeutig und unmissverständlich, dass die Leistungen nach dem SGB II nur auf Antrag erbracht werden. Damit wurde festgelegt, dass die Träger der Grundsicherung die Leistungen des SGB II nicht von Amts wegen erbringen können. Nach dem Grundsatz der Eigenverantwortung (§ 1 Abs. 2 Satz 1 SGB II) muss der Leistungsberechtigte daher selbst aktiv werden und seinen Bedarf beim Jobcenter anzeigen. Erst der Antrag setzt das Verwaltungsverfahren nach §§ 8, 18 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) in Gang (sog. Türöffnerfunktion, vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2009 - B 4 AS 62/09 R); erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung hat der Leistungsträger die Verpflichtung, das Bestehen des Leistungsanspruchs zu prüfen und zu bescheiden (vgl. Silbermann in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 37 Rdnr. 4). Der Antrag hat eine anspruchsauslösende Funktion, weshalb ihm insoweit eine konstitutive Wirkung zukommt. Das BSG hat bereits entschieden, dass die frühere Rechtsprechung zum Anspruch auf Fortzahlung der Arbeitslosenhilfe ohne Fortzahlungsantrag nicht in das SGB II übernommen werden kann. Die Weitergewährung von Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erfordert daher einen Fortzahlungsantrag (BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 99/10 R). Der Beklagte hatte den Kläger auch mit Schreiben vom 03.01.2019 gebeten, den Weiterbewilligungsantrag einzureichen, so dass ihm eine Verletzung seiner Hinweispflicht nicht vorgeworfen werden kann. Eine Grundrechtsverletzung des Klägers durch den Beklagten ist vor diesem Hintergrund unter keinem Gesichtspunkt denkbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).

Rechtskraft
Aus
Saved