L 7 AS 267/18

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 52 AS 3014/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 267/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Das vom BSG als schlüssig anerkannte Münchner Konzept für eine angemessene Wohnraummiete ist auch in seinen Fortschreibungen für die Folgejahre schlüssig (hier: 2015 und 2016).

 

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 6. Februar 2018, berichtigt durch Beschluss vom 8. März 2018, wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.


T a t b e s t a n d :

Streitig sind höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum August 2015 bis Januar 2016.

Der 1966 geborene Kläger und Berufungskläger (in der Folge: Kläger), dem im Laufe des Verfahrens ein Grad der Behinderung von (zuletzt) 30 anerkannt wurde, lebte nach dem Tod seines Bruders und seiner Großmutter zusammen mit seiner 1944 geborenen Mutter in einem Reihenmittelhaus in der A-Straße in A-Stadt. Er war als selbstständiger Journalist tätig und nutzte hierfür im Keller des Wohnhauses ca 15 qm. Die Kosten für das Reihenmittelhaus betrugen im streitigen Zeitraum 1 774,45 Euro (Grundmiete und der an den Vermieter zu leistende Abschlag auf Nebenkosten), wobei die Kosten für Wasser und Abwasser sowie Gas für Heizung und Warmwasserbereitung vom Kläger und seiner Mutter selbst an die jeweiligen Versorger zu zahlen waren. Die Kosten für Gas und Warmwasser betrugen ab April 2015 101 Euro monatlich. Während die Mutter des Klägers im streitigen Zeitraum ihren Lebensunterhalt aus Renteneinkommen bestritt, verfügte der Kläger weder über Einkommen noch über Vermögen.

Auf einen entsprechenden Leistungsantrag bewilligte der Beklagte und Berufungsbeklagte (in der Folge: Beklagter) dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II iH des Regelbedarfs für alleinstehende erwachsene Personen und in Höhe der Hälfte der tatsächlich geschuldeten Kosten für Unterkunft und Heizung für das Reihenmittelhaus in der A-Straße inkl der Kosten für Wasser, Abwasser sowie Gas für Heizung und Warmwasser allerdings ohne Berücksichtigung von Kosten für Strom und Telefon (Bescheid vom 5.9.2014 idG des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014 für die Zeit von August 2014 bis Januar 2015 sowie Bescheid vom 2.2.2015, geändert durch Bescheid vom 3.2.2015 idG des Widerspruchsbescheides vom 15.5.2015 für die Zeit von Februar bis Juli 2015).

Der Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 8.10.2014 darauf hin, dass seine Unterkunftskosten die aus Sicht des Beklagten angemessenen Unterkunftskosten für einen Ein-Personen-Haushalt iHv 610 Euro zzgl Kosten für Heizung erheblich überschreiten, und forderte den Kläger auf, Bemühungen zur Kostensenkung zu unternehmen und zumindest zehn Bemühungen monatlich nachzuweisen. Ab 1.5.2015 könnten nur noch die angemessenen Unterkunftskosten bei der Leistungsberechnung berücksichtigt werden. Hierauf erwiderte der Kläger, dass er weiter mit seiner Mutter zusammenleben möchte. Er sehe es als unrealistisch bzw unzumutbar an, zehn Bemühungen monatlich nachzuweisen. Das Geld reiche nicht aus, um eine neue Wohnung zu suchen. Er müsse zunächst Arbeit suchen bzw finden und die Probezeit bestehen. Erst dann könne er sich um eine neue Wohnung kümmern. Der Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass es ihm unbenommen bleibe, zusammen mit seiner Mutter eine günstigere Wohnung zu suchen.
Der Kläger bewarb sich in der Folge erfolglos um eine Vier-Zimmer-Wohnung in B.. Weiter ließ er sich im Juli 2015 für eine geförderte Wohnung registrieren. Anderweitige Kostensenkungsbemühungen wies er bis Juli 2015 nicht nach. Der Kläger legte - mit wenigen Lücken - für den Zeitraum ab November 2014 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verschiedener Ärzte vor. Soweit dort der Grund der Arbeitsunfähigkeit codiert war, litt der Kläger an einer nicht näher bezeichneten Infektion der oberen Atemwege, einer essentiellen Hypertonie, nicht näher bezeichnet, ohne Angabe einer hypertensiven Krise, einer Entzündung der Speiseröhre, die durch einen regelmäßigen Rückfluss von saurem Magensaft in die Speiseröhre verursacht wird, bzw an einer nicht näher bezeichneten Entzündung des Magen-Darm-Trakts, dessen Ursprung nicht näher bekannt ist.

Für die Zeit ab August 2015 bewilligte der Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nur noch unter Berücksichtigung der aus seiner Sicht angemessenen Bruttokaltmiete für einen Ein-Personen-Haushalt iHv 610 Euro monatlich zzgl der Hälfte der tatsächlichen Kosten für Gas (50,50 Euro). Einkommen wurde bei der Leistungsberechnung nicht berücksichtigt (Bescheid vom 23.7.2015 für den Zeitraum August 2015 bis Januar 2016).

In seinem Widerspruch wies der Kläger darauf hin, dass er nunmehr einen Rechtsanwalt beauftragt habe, um die für das Reihenmittelhaus geschuldete Miete überprüfen zu lassen. Im Juli 2015 habe er sich für eine Sozialwohnung vormerken lassen. Seine Wohnung sei im Vergleich zu anderen Wohnungen in A-Stadt nicht teuer. Schließlich legte Kläger ab August 2015 monatlich Listen mit gewerblichen Vermietern in A-Stadt vor, bei denen er sich um eine Wohnung bemüht haben will. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 4.12.2015).

Gegen den Bescheid vom 23.7.2015 idG des Widerspruchsbescheides vom 4.12.2015 wandte sich der ab diesem Zeitpunkt anwaltlich vertretene Kläger mit der am 23.12.2015 zum Sozialgericht München erhobenen Klage. Es sei ihm nicht zuzumuten gewesen, einen Wohnungswechsel durchzuführen. Er sei schwer erkrankt und nicht in der Lage gewesen, die Wohnung zu wechseln. Ungeachtet dessen habe er sich um eine günstigere Wohnung bemüht, allerdings ohne Erfolg. Dies gelte auch für öffentlich geförderten Wohnraum. Die vom Beklagten festgesetzte Mietobergrenze könne für den Kläger nicht gelten, da der Mietspiegel, auf den zur Bestimmung der Mietobergrenze zurückgegriffen worden sei, die von ihm und seiner Mutter bewohnte Unterkunftsform - ein Reihenmittelhaus - nicht berücksichtige. Mit am 4. und 17.1. sowie 2.2.2018 beim Sozialgericht eingeworfenen Schriftsätzen erweiterte der Kläger sein Begehren auf die Bescheide vom 2.2.2016, vom 20.7.2016 sowie vom 17.1.2017. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht wurde für den Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 23.7.2015 idG des Widerspruchsbescheides vom 4.12.2015 die Verurteilung des Beklagten zur Bewilligung von Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten beantragt.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Dabei ging das Sozialgericht davon aus, dass die (schriftsätzliche) Klageerweiterung unzulässig sei. Die Klage gegen den Bescheid vom 23.7.2015 sei unbegründet, weil die tatsächlichen Unterkunftskosten des Klägers unangemessen seien, der Kläger zur Kostensenkung aufgefordert worden sei und hinreichende Kostensenkungsbemühungen nicht nachgewiesen habe. Dem stehe die Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht entgegen, da diese nicht durchgehend nachgewiesen worden sei (Urteil des Sozialgerichts München vom 6.2.2018, dem Klägervertreter zugestellt am 15.2.2018, hinsichtlich des Geburtsdatums des Klägers berichtigt mit Beschluss vom 8.3.2018, dem Klägervertreter zugestellt am 14.3.2018).

Hiergegen ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 15.3.2018 beim Landessozialgericht Berufung einlegen mit dem zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht München verfolgten Ziel. Darüber hinaus wandte sich der Kläger immer wieder persönlich an das Landessozialgericht. Die vor dem Sozialgericht erweiterte Klage sei maßgeblich und zu berücksichtigen. Der Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass das vom Kläger zusammen mit seiner Mutter bewohnte Reihenmittelhaus mit Büro im Stadtteil des Klägers unangemessen sei. Der Kläger bilde mit seiner Mutter eine Wohn- und keine Haushaltsgemeinschaft. Er habe sich um eine Kostensenkung bemüht. Ein Umzug sei nicht zumutbar. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Mutter des Klägers zwischenzeitlich über 70 Jahre alt und krank sei. Der Kläger sei über die Querelen mit dem Beklagten dauerhaft krank geworden, so dass ihm ein Grad der Behinderung von 30 anerkannt worden sei. Hierzu legte der Kläger ärztliche Atteste zu seinem Gesundheitszustand bzw zu dem seiner Mutter vor. Weiter wurde ihm ärztlich bestätigt, dass er keine schweren Lasten heben könne.

Mit Schreiben vom 28.4.2018, das in leserlicher Form mit Schreiben vom 23.5.2018 auf dem Postweg beim Landessozialgericht einging, erweiterte der Kläger erneut sein Begehren. Neben den Entscheidungen, über die das Sozialgericht letztlich entschieden hat, ging es ihm um die Anerkennung der Wohngemeinschaft mit seiner Mutter (wohl in Abgrenzung zur Bedarfs- bzw Haushaltsgemeinschaft) sowie um die Anerkennung seiner Tätigkeit als selbstständiger Journalist. Weiter begehrte der Kläger höhere Leistungen für den Zeitraum August 2014 bis Juli 2015 sowie Februar 2016 bis Januar 2019 (Bescheide vom 5.9.2014, 2.2.2015, 2.2.2016, 17.1.2017 sowie 4.1.2018) inklusive Zinsen sowie Zinsen für den Zeitraum August 2015 bis Januar 2016. Mit Schriftsatz vom 7.8.2018 erweiterte der Kläger sein Begehren um die Übernahme der Forderung der S. GmbH für Strom iHv 599,47 Euro zzgl der Gerichts- und Mahnkosten.

Der Klägerbevollmächtigte beantragte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 6.2.2018 aufzuheben und den Beklagten in Abänderung des Bescheides vom 23.7.2015, geändert durch den Bescheid vom 29.11.2015 (Regelbedarfsanpassung Januar 2016) idG des Widerspruchsbescheides vom 4.12.2015 zu verurteilen, dem Kläger Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der auf ihn nach der Kopfteilmethode entfallenden hälftigen tatsächlichen Kosten zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Akten verwiesen, auch soweit diese vom Beklagten und dem Sozialgericht beigezogen wurden.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

1. Streitig ist in der Berufungsinstanz das Urteil des Sozialgerichts München vom 6.2.2018, berichtigt durch Beschluss vom 8.3.2018, mit dem die Klage gegen den Bescheid vom 23.7.2015 idG des Widerspruchsbescheides vom 4.12.2015 auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum August 2015 bis Januar 2016 abgewiesen wurde. Darüber hinaus ist - nach § 86 SGG bereits Gegenstand des Verfahrens geworden - streitig der Änderungsbescheid vom 29.11.2015, mit dem vom Beklagten die Regelbedarfsanpassung für den Monat Januar 2016 verfügt wurde. Im Ergebnis zu Recht ist das Sozialgericht dabei davon ausgegangen, dass vor dem Sozialgericht streitig allein die genannten Entscheidungen bzw höhere Leistungen für den genannten Zeitraum waren. Denn die zunächst im Wege der Klageerweiterung vom Kläger schriftsätzlich einbezogenen Bewilligungsentscheidungen für die Folgezeiträume wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht nicht weiterverfolgt. Damit wurde vor dem Sozialgericht der Rechtsstreit bezüglich aller von dem in der mündlichen Verhandlung zuletzt für den Kläger gestellten Anträge nicht mehr umfassten Entscheidungen bzw Zeiträume durch eine (teilweise) Klagerücknahme erledigt. Eine Entscheidung durch das Sozialgericht durfte insoweit im Hinblick auf das Verbot des "ne ultra petita partium" nicht mehr ergehen (vgl BSG, Urteil vom 23.6.1998 - B 4 RA 31/97 R - RdNr 30 zitiert nach juris). Entsprechendes gilt hinsichtlich der im Berufungsverfahren im Vorfeld der mündlichen Verhandlung erklärten Klageerweiterungen, nachdem diese im Rahmen des in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags unberücksichtigt geblieben sind.
2. Die Berufung ist nicht begründet. Dem Kläger stehen über die im Bescheid vom 23.7.2015, geändert durch Bescheid vom 29.11.2015, idG des Widerspruchsbescheides vom 4.12.2015 festgesetzten Leistungen hinausgehende Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht zu.
 
a) Der Kläger ist leistungsberechtigt iS des § 7 Abs 1 S 1 SGB II, da er im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht hatte, ohne jegliches Einkommen und Vermögen und damit hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II war, sich Anhaltspunkte für das Fehlen seiner Erwerbsfähigkeit nicht ergaben und der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in A-Stadt hatte. Auch der Beklagte ging im streitigen Zeitraum davon ausgegangen, dass der Kläger vollumfänglich hilfebedürftig war. Anhaltspunkte für die Annahme einer Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs 5 SGB II finden sich nicht.

b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung, nachdem weder die Voraussetzungen des § 22 Abs 1 S 1 SGB II noch die des § 22 Abs 1 S 3 SGB II erfüllt sind.

aa) Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II).

bb) Der Kläger kann seinen Anspruch auf Übernahme weiterer Unterkunftskosten nicht auf § 22 Abs 1 S 1 SGB II stützen, da diese nicht angemessen waren.

(1.) Die tatsächlichen Unterkunftskosten iS des § 22 Abs 1 Abs 1 SGB II betrugen zumindest 887,23 Euro. Das ist die Hälfte der für das vom Kläger und seiner Mutter im streitigen Zeitraum bewohnte Reihenmittelhaus geschuldeten sog Bruttokaltmiete ohne Kosten für Wasser und Abwasser, wie sie der Kläger durch entsprechende Unterlagen iHv 1 774,45 Euro nachgewiesen hat. Die hälftige Aufteilung der mietvertraglich geschuldeten Unterkunftskosten folgt der sog Kopfteilmethode, nach der die gesamten Unterkunftsbedarfe idR unabhängig von Alter oder Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen sind, wenn Leistungsberechtigte eine Unterkunft gemeinsam benutzen (vgl BSG, Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 85/12 R mwN). Dies gilt unabhängig davon, ob der Leistungsberechtigte mit Mitbewohnern eine Bedarfs-, Haushalts- oder Wohngemeinschaft bilden (vgl bereits BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R), so dass die insoweit vom Kläger immer wieder geäußerte Sorge, der Beklagte gehe vom Vorliegen einer Bedarfs- bzw Haushaltsgemeinschaft und nicht von der nach seiner Auffassung vorliegenden Wohngemeinschaft aus, hier nicht zu Tragen kommen kann. Umstände, aufgrund derer vorliegend von der Anwendung der sog Kopfteilmethode abzusehen wäre, sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. An dieser Stelle keine Berücksichtigung finden kann schließlich, dass der Kläger im streitigen Zeitraum als Journalist selbstständig tätig war. Insbesondere können die Kosten für das Büro im Keller des Reihenmittelhauses keinen zusätzlichen Unterkunftsbedarf nach § 22 Abs 1 SGB II begründen (vgl BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R - RdNr 15). Die ggf insoweit in Betracht kommenden Eingliederungsleistungen sind nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidungen und damit nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

(2.) Bereits die dem Vermieter geschuldete monatliche Bruttokaltmiete iHv 887,23 Euro war im streitigen Zeitraum für einen Ein-Personen-Haushalt nicht angemessen, so dass es auf die darüber hinaus geschuldeten Kosten für Wasser und Abwasser nicht weiter ankommt. Die Höhe der vom Beklagten insoweit für einen Ein-Personen-Haushalt als angemessen festgesetzten Kosten iHv 610 Euro monatlich bruttokalt ist nicht zu beanstanden. Nachdem der Beklagte vorliegend für den Kläger die Kosten für einen Ein-Personen-Haushalt (und nicht die Hälfte der Angemessenheitsgrenze für einen Zwei-Personen-Haushalt) berücksichtigte, kam auch hier die Sorge des Klägers, man würde ihn und seine Mutter nicht als Wohn-, sondern als Haushalts- oder Bedarfsgemeinschaft werten, nicht zum Tragen.

(a) Das BSG hat seine Rechtsprechung zur Prüfung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der abstrakten "Angemessenheit" in § 22 Abs 1 S 1 SGB II zuletzt dahin zusammengefasst und konkretisiert, dass zunächst die (abstrakt) angemessene Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte Person sowie der angemessene Wohnungsstandard zu bestimmen ist. In der Folge ist die aufzuwendende Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept zu ermitteln. Zuletzt sind die angemessenen kalten Betriebskosten einzubeziehen.

(b) Diese Anforderungen an die abstrakte "Angemessenheit" sind vorliegend erfüllt.

(aa) Das vom Beklagten der Bestimmung der Mietobergrenze zugrunde gelegte Konzept geht von einer angemessenen Wohnungsgröße für alleinstehende Personen iHv 50 qm aus. Dies entspricht der bundesobergerichtlichen Rechtsprechung, wonach zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße auf die Werte zurückzugreifen ist, welche die Länder auf Grund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben (vgl BSG, Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - RdNr 14 ff). Dies sind in Bayern nach Nr 22.2 WFB 2012 bzw Nr 5.8. VVWoBindR für alleinstehende Personen bis zu 50 qm (vgl hierzu auch BSG, aaO). Dieser Wert ist auch für die Landeshauptstadt A. maßgeblich (vgl BSG, aaO, RdNr 17 und 19).

(bb) Es ist weiter nicht zu beanstanden, dass der Beklagte in seinem Konzept als Vergleichsraum vom Gebiet der Landeshauptstadt A. ausging. Insbesondere ist - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht eine eigene Mietobergrenze für den Stadtteil, in dem der Leistungsberechtigte wohnt, festzulegen (vgl konkret zu A-Stadt BSG, Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr 22; noch offengelassen in BSG, Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - RdNr 20ff).

(cc) Das auf dieser Grundlage vom Beklagten erstellte Konzept ist schlüssig.
Das Konzept geht auf die Entscheidung des Landessozialgerichts vom 11.7.2012 - L 16 AS 127/10 bzw das im dortigen Verfahren streitige Konzept zurück, wie es im Berufungsverfahren durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof Dr K. vom 15.3.2012 zum Mietspiegel 2007 (bzw Korrekturen vom 3.4.2012 und vom 22.5.2012 zu den Bruttokaltmieten) nachvollzogen wurde. Dabei wurde auf Daten aus dem Mietspiegel 2007 zum Stichtag 1.7.2007 und zum Stichtag 1.7.2008 zurückgegriffen. Die gegen die Entscheidung des 16. Senats erhobene Revision blieb ohne Erfolg, da auch das Revisionsgericht zu dem Ergebnis kam, dass das vom Landessozialgericht gewählte Verfahren zur Überprüfung der vom Beklagten angemessenen Angemessenheitsgrenze in 2007 und 2008 den Vorgaben der bundesobergerichtlichen Rechtsprechung zum schlüssigen Konzept entspricht (vgl BSG, Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr 28).

Der Beklagte hat dieses Konzept in der Folge in eigener Zuständigkeit von Prof Dr K. nach denselben wissenschaftlich anerkannten statistischen Verfahren fortschreiben lassen. Dabei wurde nunmehr zwischen Neuvertragsvermietungen (Neuvermietungen innerhalb der letzten vier Jahre) und Bestandsmieten (Mietanpassungen innerhalb der letzten vier Jahre) differenziert. Im Gutachten vom 6.8.2014 wurde parallel zur Erstellung des Mietspiegels für das Jahr 2015 die Mietobergrenze für 2014 erstellt. Für das Jahr 2015 empfahl der Gutachter die Beibehaltung der Werte aus 2014, da die Verbraucherpreisindizes mit den Stichtagen 1.1.2014 und 1.1.2015 annähernd identisch waren (Steigerungsrate: - 0,003 %) und die sich hieraus ergebende Reduzierung zu vernachlässigen sei. So ergaben sich für 2014 und 2015 für Ein-Personen-Haushalte bzw Wohnungen um 50 qm Bestandsmieten iHv 484,09 Euro, Mieten für Neuvermietungen iHv 586,54 Euro bzw bei einem 95 %-Konfidenzintervall von 563,73 Euro bis 609,35 Euro monatlich bruttokalt.

Es ist zur Überzeugung des Senats nicht zu beanstanden, dass nunmehr zwischen Neuvertrags- und Bestandsmieten differenziert und auf den höheren Mittelwert der Neuvertragsmieten zurückgegriffen wird, da der Wert der Neuvertragsmieten noch näher das tatsächliche Mietangebot der letzten Jahre abbildet und für den Leistungsberechtigten günstiger ist, als der Mittelwert ohne Differenzierung zwischen Neuvertrags- und Bestandsmieten, der für 2014 und 2015 535,03 Euro betrug. Entsprechendes gilt, soweit der Beklagte ab 1.1.2014 und damit auch im streitigen Zeitraum auf den statistisch errechneten, für die Leistungsberechtigten günstigeren oberen Wert des Konfidenzintervalls zurückgriff (vgl Urteil des Senats vom 19.12.2016 - L 7 AS 477/15), wenn er die Mietobergrenze auf 610 Euro bruttokalt monatlich festlegte.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass ein Rückgriff auf die Daten für die Erstellung des Mietspiegels für die Stadt A. nicht zu beanstanden ist (vgl BSG, Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr 26 f mwN). Insoweit kann der Kläger folglich nicht mit seinem Einwand gehört werden, dort seien Daten zu Mieten in Reihenmittelhäusern unberücksichtigt geblieben.

Es ist schließlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte im Rahmen seines Konzepts auf Daten zurückgreift, die nicht zwischen einer Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten differenzieren, sondern unmittelbar Daten zu Bruttokaltmieten nutzt. Dies ist hier nicht zu beanstanden, da statistische Daten zur Bestimmung der kalten Nebenkosten gerade im unteren Wohnsegment nicht vorliegen (vgl BSG, Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr 31 mwN).

Gegen das Konzept des Beklagten kann schließlich nicht der sinngemäße Vortrag des Klägers durchgreifen, für den vom Beklagten festgesetzten Bruttokaltmietpreis sei es tatsächlich nicht möglich, in A-Stadt eine Wohnung 50 qm-Wohnung anzumieten. Nachdem die Mietobergrenze auf einem qualifizierten Mietspiegel beruht (vgl BSG, Urteil vom 10.9.2009 - B 4 AS 77/12 R - RdNr 38 mwN) und mit der dargelegten Fokussierung auf Neuvertragsmieten verstärkt auf das tatsächliche Mietangebot abstellt, ist davon auszugehen, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu diesem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im örtlichen Vergleichsraum gibt.
(c) Die nach der Kopfteilmethode auf den Kläger entfallenden tatsächlichen Unterkunftskosten übersteigen die nach dem als schlüssig zu bewertenden Konzept des Beklagten angemessenen Kosten erheblich. Da der Beklagte die angemessenen Unterkunftskosten iHv 610 Euro und die tatsächlichen Heizkosten iHv 50,50 Euro monatlich (1/2 von 101 Euro monatlich) bei der streitgegenständlichen Leistungsberechnung berücksichtigte, kommt eine Übernahme weiterer Kosten nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II nicht in Betracht.

cc) Ein höherer Leistungsanspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 22 Abs 1 S 3 SGB II. Es ist nicht festzustellen, dass es dem Kläger im Zeitraum von Oktober 2014 bis Juli 2015 subjektiv nicht möglich oder nicht zuzumuten war, seine Unterkunftskosten auf einen angemessenen Umfang zu reduzieren.

(1.) Nach § 22 Abs 1 S 3 SGB II sind die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, die den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 S 3 SGB II).

(2.) Es ist nicht festzustellen, dass es dem Kläger subjektiv unmöglich war, seine Unterkunftskosten zu senken. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 8.10.2014 vom Beklagten darauf hingewiesen, dass seine Unterkunftskosten als unangemessen bewertet und 610 Euro als angemessen betrachtet werden. Weiter wurde der Kläger aufgefordert, seine Kosten zu senken und dies monatlich zu belegen. Soweit der Beklagte seinen Hinweis auf die aus seiner Sicht angemessene Bruttokaltmiete beschränkte und keine Angaben zur Angemessenheit der Heizkosten machte, ist dies vorliegend unerheblich, da die Heizkosten (auch hier unter Berücksichtigung der sog Kopfteilmethode) in tatsächlicher Höhe als Bedarf berücksichtigt wurden. Ergänzend wurde vom Beklagten bestätigt, dass der Kläger sich zusammen mit seiner Mutter eine günstigere Unterkunft suchen könne.

Auf dieser Grundlage war der Kläger in die Lage versetzt, in der Zeit von Oktober 2014 bis Juli 2015 seine Unterkunftskosten auf einen angemessenen Umfang zu senken. Es sind keine Gründe vorgetragen oder anderweitig ersichtlich, aufgrund derer dies dem Kläger subjektiv unmöglich war.
Insoweit ist zunächst festzustellen, dass der Kläger keine hinreichenden Bemühungen zur Kostensenkung entfaltete. Aktenkundig ist insoweit lediglich eine Bewerbung um eine konkrete Wohnung, nämlich um eine Neubauwohnung in B.. Darüber hinaus hat sich der Kläger spät, nämlich erst im Juli 2015, um eine Sozialwohnung bemüht. Selbst wenn man die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der für das Reihenmittelhaus geschuldeten Miete als geeignete Bemühung um Kostensenkung ansehen wollte, finden sich insgesamt über einen Zeitraum von mehr als neun Monaten lediglich drei Bemühungen. Dies bleibt weit hinter den Anforderungen zurück, die an Leistungsberechtigte iR des § 22 Abs 1 S 3 SGB II zu stellen sind.

Es ist schließlich nicht festzustellen, dass der Kläger aufgrund der durch entsprechende Bescheinigungen über weite Strecken ab November 2014 belegten Arbeitsunfähigkeit daran gehindert war, seine Unterkunftskosten zu senken. Soweit die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen entsprechende Kodierungen enthielten, litt der Kläger an Infektionen der oberen Atemwege, einer essentiellen Hypertonie ohne hypertensive Krise, einem Magen-Darm-Infekt sowie an einer Endzündung der Speiseröhre aufgrund Reflux. Dass keine dieser Erkrankungen den Kläger durchgehend ans Bett band oder auch nur an der Kontaktaufnahme mit Dritten hinderte, ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger sich in der insoweit maßgeblichen Zeit von Oktober 2014 bis Juli 2015 fortgesetzt mit dem Beklagten, dem kommunalen Träger und Dritten schriftlich über seine Probleme im Leistungsbezug mit dem Beklagten sowie über die Probleme seiner Mutter mit dem zuständigen Sozialhilfeträger schriftlich auseinandersetzte. Nichts anderes ergibt sich schließlich aus den im Laufe des Berufungsverfahrens vorgelegten Attesten zum Gesundheitszustand des Klägers und seiner Mutter, nachdem diese bereits nicht den hier maßgeblichen Zeitraum zwischen der Kostensenkungsaufforderung und der Absenkung der Kosten auf den angemessenen Umfang betreffen. Das Attest, wonach der Kläger schwere Lasten nicht heben dürfe, kann nicht von Kostensenkungsbemühungen, sondern lediglich von der Verpflichtung, den Umzugs selbst durchzuführen, entbinden. Insoweit verweist der Beklagte zu Recht darauf, dass in diesem Fall Hilfe beim Umzug zur Verfügung gestellt würde.

(3.) Gründe, aus denen eine Senkung der Unterkunftskosten dem Kläger im Zeitraum von Oktober 2014 bis Juli 2015 unzumutbar gewesen sein könnte, sind nicht ersichtlich. So wurde der Kläger bereits vom Beklagten darauf hingewiesen, dass er sich zusammen mit seiner Mutter eine günstigere Unterkunft suchen könne. Dass die Mutter des Klägers im Herbst 2014 bzw bis Juli 2015 nicht in der Lage gewesen sein sollte umzuziehen, ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Dies ergibt sich insbesondere weder aus dem damaligen Alter der Mutter mit knapp über 70 Jahren noch aus deren aktenkundigem Gesundheitszustand. Allein die Tatsache, dass es sich bei dem Reihenmittelhaus um das langjährige Familienheim des Klägers und seiner Mutter handelte, kann eine Unzumutbarkeit der Kostensenkung nicht begründen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Rechtskraft
Aus
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