1. Die Grenzen für die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeit bestimmt sich nach der Gebietsdefinition in der maßgeblichen Weiterbildungsordnung.
2. Für einen Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin ist die Behandlung von Erwachsenen wegen Fachfremdheit nach der in den streitgegenständlichen Quartalen geltenden Weiterbildungsordnung grundsätzlich ausgeschlossen.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG München vom 10. Oktober 2018, S 20 KA 674/17, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Streitig sind sachlich-rechnerische Richtigstellungen von Leistungen, die in den Quartalen 4/2016, 1/2017 und 2/2017 vom Kläger bei Patienten über 18 Jahren erbracht worden sind.
Der Kläger ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Neuropädiatrie. Er ist als Oberarzt am Klinikum A-Stadt tätig und verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum über eine Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in folgendem Umfang:
a. einmalige konsiliarische Beratung von niedergelassenen Ärzten bei der Behandlung epilepsiekranker Kinder
b. ambulante therapeutische Behandlung von epilepsiekranken Kindern
c. pädiatrische Schlaf-EEG-Untersuchung abzurechnen nach GOP 04435 EBM
In diesem Zusammenhang sind folgende Gebührenordnungsnummer abrechenbar:
01100, 01101, 01102, 01321, 01420, 01430 - 01436, 01600 - 01602, 01620, 01622, 04430, 04431, 04433, 04434, 04436, 04437, 40120 EBM
1) Mit Bescheid vom 17.05.2017 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers für das Quartal 4/2016 fest und setzte zugleich u.a einen Behandlungsfall ab, der wegen des Umfangs der Ermächtigung nicht abgerechnet werden könne. Den ausschließlich gegen diese Absetzung erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass es sich bei diesem Patienten um einen geistig behinderten Patienten handele, der seit dem Kindesalter von ihm betreut werde. Eine Weiterbehandlung des Patienten sei dringend erforderlich. Es sei nicht verständlich, weshalb die bislang gelebte Kulanzregelung nun ohne jegliche Vorankündigung verwehrt werde. Darüber hinaus befänden sich Jugendliche und junge Erwachsene im Transitionsalter zwischen 18 und 25 Jahren in einer besonderen Lebensphase, welche eine Zeit des psychosozialen Umbruchs und der Adoleszenzkrisen mit sich brächte. Bestehe zusätzlich noch wie hier eine geistige Behinderung oder wie in anderen Fällen eine schwere Mehrfachbehinderung sei diese Phase noch problematischer und der Patient bedürfe erst recht der Weiterbehandlung durch den Kinder- oder Jugendarzt. Außerdem berief sich der Kläger auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes. Zwar sei sein Antrag auf Erteilung einer Ermächtigung für die Versorgung von über 18 Jahre alten Patienten vom Zulassungsausschuss abgelehnt worden (Beschluss vom 09.12.2015). In dem Beschluss würde aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er im Rahmen der gelebten Kulanzregelung Patienten über 18 Jahren behandeln dürfe. Auch sei mit Schreiben der KVB vom 16.11.2015 mitgeteilt worden, dass er für solche Fälle keine besonderen Anträge stellen müsse und die Weiterbehandlung aus Kulanzgründen möglich sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Arzt, der eine Gebietsbezeichnung führe, dürfe grundsätzlich nur in diesem Gebiet tätig werden. Das Gebiet Kinder- und Jugendmedizin umfasse nach der Weiterbildungsordnung nicht die Behandlung Erwachsener. Bei Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, könne regelmäßig davon ausgegangen werden, dass es sich nicht mehr um Kinder handele. Denn in aller Regel sei das körperliche Wachstum mit 18 Jahren im Wesentlichen abgeschlossen und auch die geistig-seelische Entwicklung in ihren wesentlichen Grundlagen festgelegt. Die Allgemeinen Bestimmungen I. Nummer 4.3.5 EBM würden überdies bestimmen, dass die Verwendung des Begriffs Jugendlicher an den dort genannten Zeitraum vom Beginn des 13. Lebensjahrs bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gebunden sei. Zwischenzeitlich sei auch durch das Bundessozialgericht in einem Beschluss vom 28.10.2015, Az.: B 6 KA 12/15 B, entschieden worden, dass einem Kinderarzt keine Ermächtigung für die Erbringung von Leistungen für Erwachsene erteilt werden dürfe. Eine eventuelle Kostenübernahme durch die jeweilige Krankenkasse im Wege der Direktabrechnung wäre gegebenenfalls mit dem betreffenden Kostenträger zu klären.
2) Mit Bescheid vom 23.08.2017 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers für das Quartal 1/2017 fest und setzte zugleich ua zwölf Behandlungsfälle ab, die wegen des Umfangs der Ermächtigung nicht abgerechnet werden könnten. Die Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs entspricht der zum Quartal 4/2016. Die Beklagte wies auch diesen Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 22.11.2017).
3) Mit Bescheid vom 15.11.2017 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers für das Quartal 2/2017 fest und setzte zugleich ua 11 Behandlungsfälle ab, die wegen des Umfangs der Ermächtigung nicht abgerechnet werden könnten. Die Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs entspricht ebenfalls der zum Quartal 4/2016. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2018 zurück.
4) Der Kläger erhob gegen alle drei Widerspruchsbescheide Klage zum Sozialgericht München (SG), die dort zunächst unter den Az.: S 20 KA 674 (1/2017), S 20 KA 37/18 (4/2016) und S 20 KA 79/18 (2/2017) geführt wurden. Die gleiche Problematik war Gegenstand der ua zu den Quartalen 1/2015 bis 3/2015 erhobenen Klagen (S 20 KA 464/16, S 20 KA 544/16 und S 20 KA 658/16).
Zur Klagebegründung wurde vorgetragen, die Eltern der betroffenen Patienten hätten bisher keinen Neurologen gefunden, der eine Behandlung der behinderten Patienten mit zum Teil schwer therapierbarer Epilepsie gewährleiste. Die Patienten hätten aufgrund ihrer geistigen Behinderung überwiegend den Entwicklungsstand eines Säuglings, sodass auch weiterhin eine neuropädiatrische Betreuung und Behandlung erforderlich sei. Ein Wechsel in der Person des behandelnden Arztes sei auch aufgrund des über Jahre hinweg aufgebauten Vertrauensverhältnisses der Patienten und der Eltern zu dem Kläger mit erheblichen Schwierigkeiten und einem immensen Zeitaufwand verbunden. Außerdem sei es bislang gängige Praxis der Beklagten gewesen, dass eine Behandlung der Patienten auch über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus möglich gewesen sei. So sei dem Kläger in Schreiben der Beklagten vom 02.04.2008 und 16.11.2015 die bisherige Praxis bestätigt worden, dass Patienten über das 18. Lebensjahr hinaus bei bestimmten Krankheitsbildern wie zum Beispiel Down-Syndrom, Mukoviszidose, zerebrale Anfallsleiden vom Kinderarzt weiter behandelt werden könnten. Darüber hinaus sei in den Schreiben bestätigt worden, dass diese Behandlung über das 18. Lebensjahr keines Antrags im Einzelfall bedürfe. Die verfahrensgegenständliche Entscheidung stehe in eklatantem Widerspruch zu diesen Bestätigungen und sei für den Kläger und insbesondere die Eltern der behandelten Kinder nicht nachvollziehbar. Es handele sich um einen Bruch des über Jahre hinweg entwickelten Vertrauens.
Darüber hinaus werde durch die Definition des Gebiets der Kinder- und Jugendmedizin in der Weiterbildungsordnung für Ärzte Bayerns gerade kein genaues Lebensalter genannt, zu dem die kinder- bzw. jugendmedizinische Behandlung ende. Vielmehr sei hier die Behandlung des Säuglings, des Kleinkindes, Kindes und Jugendlichen von Beginn bis zum Abschluss seiner somatischen Entwicklung enthalten. Diese Entwicklung sei nach der Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts, Beschluss vom 24.09.2010, Az. L 1 KA 1/10 B ER, im Regelfall im Laufe des zweiten Lebensjahrzehnts eines Menschen abgeschlossen und würde "im Allgemeinen" mit der Vollendung des 18. Lebensjahres enden. Daraus sei zu entnehmen, dass keine an das Erreichen eines bestimmten Lebensalters gebundene Grenze festgesetzt werde. Vielmehr komme es auf den Abschluss der somatischen Entwicklung eines Jugendlichen an. Lediglich im Allgemeinen erfolge dieser Abschluss mit der Vollendung des 18. Lebensjahres. Es handele sich dabei jedoch nicht um eine starre Grenze, sodass nicht generell davon auszugehen sei, dass die jugendmedizinische Behandlung mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ende. Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, dass die Patienten, um die es im Streitfall gehe, aufgrund vorliegender Erkrankungsbilder überwiegend auf dem Entwicklungsstand eines Säuglings stehen geblieben seien, sodass bei diesen Patienten die somatische, geistige und seelische Entwicklung krankheitsbedingt noch nicht abgeschlossen sei und sie daher von einem Kinder- bzw. Jugendarzt behandelt werden müssten. Im Ergebnis sei deshalb auch nicht von der Erbringung fachfremder Leistungen auszugehen.
Soweit die Beklagte auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 28.10.2015 verweise, nach dem einem Kinder- und Jugendmediziner die Behandlung von über Achtzehnjährigen aufgrund der Fachfremdheit der Leistungen verwehrt worden sei, sei darauf hinzuweisen, dass es sich im Falle der zitierten Entscheidung um einen Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit einer Schwerpunktbezeichnung Kinderkardiologie gehandelt habe. Es handele sich in diesem Fall daher um die Frage einer Behandlungsermächtigung für erwachsene Patienten mit angeborenen Herzfehlern, bei denen es unstreitig sei, dass es sich bei den Patienten mit Vollendung des 18. Lebensjahres um Erwachsene gehandelt habe. Insoweit sei diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.
Unter Bezugnahme auf das Urteil des SG München, Az.: S 28 KA 615/15, führte der Klägerbevollmächtigte weiter aus, das Gericht habe dort rechtsfehlerhaft über die streitige Frage der Gebietsfremdheit der Behandlung von Personen nach Vollendung des 18. Lebensjahres entschieden. Das Gericht habe dort Bezug genommen auf Abschnitt B Nummer 14 der WBO, jedoch nicht zutreffend den Begriff des Jugendlichen in Abgrenzung zum Erwachsenen behandelt. Es sei ohne nähere Ausführungen von einer klaren Trennlinie mit Vollendung des 18. Lebensjahres für ausnahmslos sämtliche denkbaren Lebenssachverhalte ausgegangen worden. Dies werde aber der bewusst offen gewählten Formulierung der Norm nicht gerecht. Dort sei auf den Abschluss der somatischen Entwicklung abgestellt worden und eben nicht eine klare Zeitgrenze genannt worden. Der Abschluss der somatischen Entwicklung könne nicht auf die Vollendung des 18. Lebensjahres festgelegt werden. Diese Altersgrenze möge auf den durchschnittlichen Normalfall anwendbar sein, nicht jedoch auf Fälle schwerster körperlicher und geistiger Entwicklungsdefizite. Eine klare, altersbezogene Grenzziehung für den Abschluss der somatischen Entwicklung, d.h. den Abschluss der Adoleszenzphase könne aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungsprozesse des einzelnen Menschen nicht getroffen werden. Es sei auch auf das Gebiet des Straf- bzw. Jugendstrafrechts hinzuweisen. Auch hier werde eine Beurteilung des Einzelfalls vorgenommen. Vorliegend gehe es um die optimale fachlich kompetente medizinische Versorgung des jeweiligen Patienten. Diese könne nur sichergestellt werden, wenn die Behandlung durch fachlich für die Behandlung von Personen mit einem geistigen Entwicklungsstand eines Kindes oder gar Säuglings qualifizierte Ärzte durchgeführt werde. Vor diesem Hintergrund würde der Neurologe fachfremde Leistungen erbringen, jedoch nicht der Arzt für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Neuropädiatrie. Es sei im Übrigen auch darauf hinzuweisen, dass durch die inhaltlich sinnvolle sowie rechtlich gebotene Weiterbehandlung durch den Kinderarzt für die Versichertengemeinschaft keine Mehrkosten entstünden.
Zudem bestehe Vertrauensschutz mindestens bis zur Zustellung der Klageerwiderung der Beklagten vom 29.09.2016 am 10.11.2016 und somit bis in das Quartal 4/2016 hinein, hilfsweise werde eine Härtefallregelung beantragt. Der Kläger habe außerdem mit unterschiedlichem Erfolg versucht, in Einzelfällen Kostenzusagen der gesetzlichen Krankenversicherer zu erwirken. Ausgeführt wurde weiter, es sei unverständlich, dass sowohl die Beklagte als auch das Sozialgericht München in der Entscheidung Az.: S 28 KA 615/15 keine an der Zielsetzung der WBO ausgerichtete Auslegung der Begrifflichkeit des Abschnittes B 14 vorgenommen hätten, obwohl hierfür im Interesse einer ordnungsgemäßen fachlich kompetenten und medizinisch zwingend erforderlichen Versorgung aufgrund der offenen Formulierung der WBO genügend Raum bestehe. Vorsorglich sei zur Härtefallregelung auszuführen, dass es gewiss nicht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zuwiderlaufe, eine medizinisch notwendige Versorgung behandlungsbedürftiger Patienten sicherzustellen. Es sei hier auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG hinzuweisen. Eine Verwehrung einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung aufgrund der Behinderung würde dem hierin verbrieften Grundrecht zuwiderlaufen. Eine den Erfordernissen der körperlichen und geistigen Entwicklung dieser Patienten entsprechende fachlich qualifizierte Behandlung durch einen Neuropädiater werde verwehrt, obwohl hierdurch eine fachlich nicht ebenso qualifizierte Behandlung durch einen Neurologen weder sichergestellt werden könne noch zweckgerichtet für die besonderen Bedürfnisse dieser Patienten ausreichend sei. Verwiesen wurde auf eine uneinheitliche Handhabung durch die Beklagte und auf das als Anlage K 8a vorgelegte Schreiben vom 04.07.2018 (gerichtet an einen anderen Arzt), in dem 5% fachfremde Tätigkeit unter Bezugnahme auf die aktuell geltende Rechtsprechung als zulässig erachtet werde.
Die Beklagte verteidigte die Absetzungen. Bei den streitgegenständlichen Leistungen handele es sich um die systematische Behandlung von Patienten, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten und mangels alternativer Behandlungsmöglichkeiten so lange in der Behandlung des Klägers verbleiben sollten, bis eine entsprechende Übernahme der Patienten durch einen Erwachsenen-Neurologen erfolgen könne. Der Kläger führe damit Gründe der Sicherstellung an, die nicht zu einer Abrechenbarkeit der streitigen Leistung führen könnten. Nach der Rechtsprechung sei die regelmäßige und damit systematische Behandlung von Erwachsenen durch Kinder- und Jugendärzte aufgrund der Grenzen ihres Fachgebiets nicht zulässig und als fachfremde Leistungen nicht abrechenbar. Daher könne es auch keine Härtefallregelung geben. Die von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmen etwa für Notfallbehandlungen oder Unzumutbarkeit der Überweisung an einen anderen Gebietsarzt würden hier nicht vorliegen. Dem Kläger gehe es aber auch nicht um Ausnahmen, sondern um die grundsätzliche Abrechenbarkeit von Patienten, die das 18. Lebensjahr erreicht hätten. Selbst wenn man einen Vertrauensschutztatbestand durch das Schreiben vom 16.11.2015 annehmen wollte, so sei dieses Vertrauen jedenfalls durch die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids für das Quartal 1/2015 vom 27.04.2016 erschüttert worden, da der Kläger ab diesem Zeitpunkt durch die Streichungen und die Bekanntgabe der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 28.10.2015, Az.: B 6 KA 12/15 B, vom Umstand einer unzulässigen Abrechnung Kenntnis gehabt habe.
Das SG hat die (mit Beschluss vom 10.10.2018 verbundenen) Klagen mit Urteil vom 10.10.2018 abgewiesen. Bei den betreffenden vom Kläger erbrachten Leistungen handele es sich zur Überzeugung des Gerichts um fachfremde Leistungen, die somit grundsätzlich nicht abgerechnet werden könnten. Es würden auch keine Vertrauensschutzgründe zu Gunsten des Klägers greifen, auch eine Abrechnung im Rahmen einer Härtefallregelung sei nicht statthaft. Bei den streitigen erbrachten Leistungen handele es sich nach Auffassung des Gerichts um Leistungen außerhalb des Fachgebiets des Klägers. Unter Bezugnahme auf den Beschluss des BSG vom 28.10.2015, Az.: B 6 KA 12/15 B, und das Urteil des SG München vom 11.12.2017, Az.: S 28 KA 615/15 führte das SG aus, Erwachsene seien von der Behandlung durch Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin grundsätzlich ausgeschlossen. Für die Abgrenzung des Fachgebiets sei der behandelte Personenkreis maßgeblich. Weder Schwerpunktbezeichnungen noch Spezialisierungen innerhalb eines Fachgebiets hätten damit generell einen Einfluss auf die Fachgebietsgrenzen und die Fachfremdheit einer Leistung. Im Übrigen könnten auch Sicherstellungsgesichtspunkte nicht gegen die Fachfremdheit angeführt werden. Es handle sich bei den abgesetzten Behandlungsfällen auch nicht um Notfallbehandlungen oder um Leistungen, bei denen dem behandelnden Arzt ausnahmsweise im Einzelfall die Überweisung an einen anderen Gebietsarzt nicht zumutbar wäre bzw. um fachfremde Leistungen, die im Verhältnis zu der vorgenommenen Fachbehandlung von gänzlich untergeordneter Bedeutung seien. Vielmehr gehe es dem Kläger um für den aufgeführten Patientenkreis um die systematische Fortführung der Behandlung auch über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus. Eine solche systematische Behandlung von Patienten nach Vollendung des 18. Lebensjahres sehe jedoch die Weiterbildungsordnung Abschnitt B, Nummer 14, nicht vor. Genannt werde auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendmedizin die Behandlung von Jugendlichen von Beginn bis zum Abschluss der somatischen Entwicklung. Diese Vorschrift lasse entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten jedoch keinen Auslegungsspielraum dergestalt zu, dass mangels Abschluss der somatischen Entwicklung die abgesetzten Behandlungsfälle dennoch unter die Vorschrift zu subsumieren seien. Ein Jugendlicher im Rechtssinne sei vom Erwachsenen abzugrenzen. Das Erwachsenenalter beginne hier unabhängig von etwaigen gesundheitlichen Einschränkungen, vorhandenen Behinderungen oder Entwicklungsverzögerungen mit Eintritt der Volljährigkeit, mithin gemäß § 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit Vollendung des 18. Lebensjahres. Auch im vom Klägerbevollmächtigten zitierten Jugendstrafrecht finde sich in § 1 Abs. 2 Jugendgerichtsgesetz (JGG) die Definition eines Jugendlichen als noch nicht 18jährig. Auf Heranwachsende zwischen 18 und 20 Jahren würden dann "die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften" eben entsprechend angewandt, § 105 JGG. Eine Altersgrenze zum Jugendlichen und Erwachsenen enthielten auch die Allgemeinen Bestimmungen I. Nummer 4.3.5 EBM, die für den Jugendlichen den Zeitraum Beginn des 13. Lebensjahrs bis zum vollendeten 18. Lebensjahrs vorgeben würden, sowie für den Erwachsenen den Beginn des 19. Lebensjahres.
Obwohl in der WBO, Abschied B, Nummer 14 keine starre Zeitgrenze genannt werde, bestehe jedoch aus Sicht des Gerichts angesichts der klaren Definition des Begriffs des Jugendlichen als einer Person vor Vollendung des 18. Lebensjahres kein Zweifel, dass dieser allgemein im Recht gebräuchliche Begriff des Jugendlichen auch hier zu Grunde zu legen sei (Verweis auf Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 10.12.2014, - L 8 KA 17/13, juris Rn. 32), Davon sei sodann auch das Bundessozialgericht in seinem Beschluss vom 28.10.2015, aaO, ausgegangen. Das Bundessozialgericht habe die Rechtsfrage nicht für klärungsbedürftig gehalten, nachdem sie bereits geklärt sei. Die Antwort ergebe sich unmittelbar aus der WBO und für die systematische Behandlung von Erwachsenen durch Kinderärzte sei somit kein Spielraum. Dass mit der gewählten Formulierung in der WBO Erwachsene von der Behandlung durch Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin grundsätzlich ausgeschlossen würden, werde durch die Ergänzung "von Beginn bis zum Abschluss seiner somatischen Entwicklung einschließlich pränataler Erkrankungen" betont, BSG, aaO, Rn. 12. Bereits aufgrund der insoweit klaren normativen Regelung sei nicht klärungsbedürftig, ob das Fachgebiet der Kinder- und Jugendmedizin die Behandlung von Erwachsenen einschließe.
Im Übrigen könnte ein isoliertes Abstellen auf einen Abschluss der somatischen Entwicklung kein handhabbares Abgrenzungskriterium abgeben. Abgesehen davon, dass somatische, also körperliche, Entwicklung sich vielfach auch ohne Vorliegen schwerwiegender Erkrankungen noch im Erwachsenenalter finden lassen dürfte, so wäre damit letztlich offen und in jedem Einzelfall zu klären, ob und wie lange etwa im Falle einer Mehrfachbehinderung und Verbleiben des Patienten auf dem Entwicklungsstand eines Säuglings oder Kleinkinds dann gegebenenfalls von weit über das 18. Lebensjahr hinausgehender Behandlung durch den Kinder- und Jugendmediziner ausgegangen werden müsste. Wie das BSG in dem Beschluss vom 28.10.2015 ausführe, werde hieraus deutlich, dass der Zusatz "bis zum Abschluss der somatischen Entwicklung" in Abschnitt B, Nummer 14 der WBO nur als Ergänzung aufgefasst werden könne. Einen Auslegungsspielraum könne das Gericht nicht erkennen.
Der Kläger könne sich bezüglich der erbrachten Leistungen nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn das Vertrauen sei jedenfalls mit Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids für das Quartal 1/2015 von 27.04.2016 erschüttert worden. Dem Kläger sei mit diesem Zeitpunkt auch ein Hinweis auf die oben genannte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 28.10.2015 gegeben worden. Der Kläger habe ab diesem Zeitpunkt Kenntnis davon gehabt, dass die Beklagte ihre bis dahin praktizierte Kulanzregelung nicht mehr habe fortführen wollen. Auch das in Bezug genommene Schreiben der Beklagten vom 04.07.2018 an einen anderen Vertragsarzt vermöge hieran nichts zu ändern, da dieses Schreiben grundsätzlich nur Wirkung unter den Beteiligten entfalten könnte.
Auch eine Härtefallregelung könne vorliegend nicht zu Gunsten des Klägers greifen. Das Gericht verkenne nicht, dass - wie in der Vergangenheit praktiziert - auch künftig noch Einzelfälle der Weiterbehandlung über das 18. Lebensjahr hinaus von der Beklagten genehmigt werden könnten. Auch das Bundessozialgericht spreche hier Ausnahmefälle ausdrücklich an. Ausgeschlossen sei aber eine Härtefallregelung, mit der die explizit in Abschnitt B, Nummer 14 der Weiterbildungsordnung getroffene Regelung systematisch abgeändert werde. Dagegen spräche bereits die Bindung an die Fachgebietsgrenzen, die nach der Rechtsprechung des BSG auch aus Sicherstellungsgesichtspunkten nicht systematisch ausweiten könnten.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Berufung vom 21.01.2019 zum Bayerischen Landessozialgericht. Er vertieft zur Begründung sein bisheriges Vorbringen. Es sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei den fraglichen Patienten um solche handele, die einer besonders einfühlsamen, aufmerksamen und umfassenden ärztlichen Versorgung bedürften, einschließlich umfassender Abstimmung mit den Betreuungspersonen. Für eine optimale medizinische Versorgung sei eine Behandlung durch Kinder- und Jugendärzte auch nach der WBO erwünscht. Dies habe das SG nicht erfasst. Aus dem Wortlaut der WBO könne keine starre Altersgrenze von 18 Jahren gefolgert werden, dazu hätte es einer klaren Formulierung bedurft. Daher habe sich die Bestimmung an anderen Gesichtspunkten zu orientieren. § 1 Satz 1 WBO definiere als Weg der ärztlichen Weiterbildung und somit auch als Ziel der WBO eine bestmögliche medizinische Versorgung der Patienten sowie die Sicherstellung der Qualität ärztlicher Berufsausübung durch das Erlernen besonderer ärztlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten. Ziel sei somit die Sicherung einer optimalen und qualitativ hochwertigen, an den Bedürfnissen des jeweiligen Patienten ausgerichteten Versorgung. An dieser Zielsetzung habe sich sowohl die Auslegung der fachspezifischen Gebietsdefinitionen als auch die Handhabung im Falle möglicher Versorgungsengpässe zu orientieren. Eine starre Altersgrenze mit der Vollendung des 18. Lebensjahres sei gerade nicht definiert und missachte auch das Patientenwohl. Die Patienten würden durch die fehlerhafte Auslegung aufgrund ihres konkreten körperlichen und geistigen Zustandes entgegen der Grundidee der WBO und sogar in verfassungswidriger Art und Weise infolge ihrer Behinderung von der medizinischen Versorgung ausgeschlossen. Im Ergebnis verkenne das Gericht den originären Anspruch der Patienten auf eine Behandlung durch den Kläger und den hiermit korrespondierenden Anspruch des Klägers auf eine ordnungsgemäße Vergütung der durch ihn erbrachten Leistungen.
Das SG spreche dem Kläger auch zu Unrecht Vertrauensschutz ab. Der Widerspruchsbescheid vom 27.04.2016 bezogen auf das Quartal 1/2015 sei aus Vertrauensschutzgesichtspunkten heraus rechtswidrig und könne daher dem Kläger keinen Vertrauensschutz nehmen. Auch habe sich die Beklagte selbst noch in 2018 gegenüber einem Kollegen des Klägers widersprüchlich verhalten, da die bis dato gängige "Kulanzregelung" gegenüber anderen Ärzten fortgeführt worden sei. Dem Kläger und damit auch den Patienten bzw. deren Bezugspersonen Vertrauensschutz zu nehmen, andere Ärzte jedoch nicht in ihrer Berufsausübung zu beschränken, sei nicht ansatzweise nachvollziehbar.
Auch bestehe ein Bedarf für eine Härtefallregelung. Das SG verkenne, dass eine systematische Abänderung der in Abschnitt B Nummer 14 WBO getroffenen Regelungen weder vom Kläger beabsichtigt noch beantragt worden sei. Es handele sich vielmehr nur um Ausnahmefälle, die einzeln durch die Beklagte bzw. das SG hätten geprüft werden müssen. Eine Einzelfallprüfung jenseits der Altersgrenze von 18 Jahren werde dem Kläger aber schlicht versagt.
In diesem Zusammenhang sei insbesondere zu berücksichtigen, dass zum 01.01.2019 eine Änderung der WBO in Kraft getreten sei. Danach werde Abschnitt B Nummer 14 (Gebiet Kinder-und Jugendmedizin) wie folgt geändert:
a) die Rubrik "Definition" erhält folgende Fassung:
"das Gebiet Kinder- und Jugendmedizin umfasst die Prävention, Diagnostik, Therapie, Rehabilitation und Nachsorge aller körperlichen, psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsstörungen und Behinderungen des Säuglings, Kleinkindes, Kindes, Jugendlichen und Heranwachsenden in seinem sozialen Umfeld von der pränatalen Periode bis zur Transition in eine qualifizierte Weiterbetreuung."
Dies verdeutliche, dass zum einen die fortwährende Behandlung durch den Kläger in den streitigen Fällen der Zielsetzung der WBO entsprochen habe und auch weiterhin entsprechen werde, solange eine Transition in eine qualifizierte Weiterbetreuung nicht abgeschlossen sei bzw. in Fällen in welchen eine Transition nicht möglich sei, da sich kein Neurologe finden lasse, der sich der medizinisch schwierigen und zeitlich extrem aufwändigen Behandlung und Betreuung der fraglichen Patienten und deren Bezugspersonen annehme. Die vom Kläger geschilderte Problematik sei offensichtlich erkannt und mit der vorgenannten Regelung gelöst worden. Die fehlerhafte Auslegung der WBO führe zu Versorgungslücken, die erst durch die Änderung der WBO geschlossen werden könnten. Zuvor hätte die Behandlung von heute auf morgen abgebrochen werden müssen.
Auf Nachfrage des Gerichts, wie die Kulanzregelung in der Vergangenheit gelebt worden sei und um wieviel Fälle in etwa es sich im Quartal gehandelt habe, äußerte sich der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 10.01.2020. Die eingereichten Abrechnungen seien seit Beginn der Tätigkeit des Klägers ab dem Quartal 4/2000 bis einschließlich des Quartals 1/2014 hinsichtlich der streitgegenständlichen Problematik kommentarlos erstattet worden. Eine vorherige Anzeige oder Genehmigung sei nicht erforderlich gewesen. Es habe sich um ca. 10 bis 14 Fälle pro Quartal gehandelt.
Die Beklagte führte hierzu aus, die Abrechnung sei nur in Einzelfällen (ca. 5 pro Quartal) kulanzweise vergütet worden. Bei besonderer Begründung und bestimmten Krankheitsbildern (zB Down-Syndrom, Mukoviszidose, cerebrale Anfallsleiden etc.) seien Leistungen auch über das vollendete 18. Lebensjahr hinaus akzeptiert worden. Leistungen für Patienten, die älter als 21 Jahre seien, seien ausnahmslos sachlich-rechnerisch richtiggestellt worden, ab 3/2016 alle Leistungen für Patienten über 18 Jahre.
Den in der mündlichen Verhandlung am 22.01.2020 geschlossenen Vergleich, in dem sich die Beklagte bereit erklärte, in den streitigen Verfahren Quartale 4/2016, 1/2017 und 2/2017 diejenigen abgesetzten Leistungen nachzuvergüten, die Patienten zwischen dem vollendeten 18. Lebensjahr und dem vollendeten 21. Lebensjahr betreffen, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 12.02.2020 widerrufen. Es bestehe ein zwingender Bedarf einer sozialadäquaten und grundrechtskonformen Handhabung der fraglichen Bestimmungen der WBO, um eine Benachteiligung bzw. gesundheitliche Gefährdung der betroffenen benachteiligten Menschen zu verhindern. Dies sei bisher nicht in ausreichendem Maße erfasst worden. Sodann fasst der Klägerbevollmächtigte die bisher vorgebrachten Argumente nochmals zusammen. Insbesondere beinhalte die maßgebliche WBO keine Begrenzung der Behandlung des Klägers auf Personen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Zumindest bedürfe es einer Härtefallregelung für die hier betroffenen streitigen Fälle.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.10.2018, S 20 KA 674/17, aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Honorar- und Richtigstellungsbescheide vom 17.05.2017 (4/06), 23.08.2017 (1/07) und 15.11.2017 (2/17) in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.09.2017 (4/16), 22.11.2017 (1/17) und 21.02.2018 (2/17) zu verurteilen, dem Kläger diejenigen Leistungen nachzuvergüten, die allein wegen Vollendung des 18. Lebensjahres der behandelten Patienten nicht erbracht wurden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, das SG habe die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die abgesetzten Leistungen seien für den Kläger fachfremd gewesen. Die vom Kläger geltend gemachte Änderung der WBO um den Begriff "Heranwachsende" sei erst zum 01.05.2019 in Kraft getreten und habe für die streitgegenständlichen Verfahren keine Bedeutung.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten beider Instanzen mit den Aktenzeichen S 20 KA 674/17, S 20 KA 37/18, S 20 KA 79/18, L 12 KA 3/19, L 12 KA 15/19 und L 12 KA 16/19 Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Entscheidung konnte im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Ver-handlung ergehen (§§153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 SGG)
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klagen zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
Die von der Beklagten vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütungen der für über 18 Jahre alte Patienten abgesetzten Leistungen. In der vertragsärztlichen Versorgung können Ärzte für fachfremde Leistungen grundsätzlich keine Vergütung beanspruchen (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2006, - B 6 KA 75/04 R). Der Kläger ist Kinder- und Jugendmediziner mit Schwerpunkt Neuropädiatrie und verfügt über eine Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Bereich Neuropädiatrie. Ebenso wie Vertragsärzte darf auch der Kläger als ermächtigter Krankenhausarzt nicht in sein Fachgebiet fallende Leistungen grundsätzlich nicht abrechnen (vgl. Pawlita, jurisPK SGB V, § 95 Rn 41 m.w.N.; vgl. auch Teil I Allgemeine Bestimmungen, I 2.3 EBM).
Dies gilt für die hier streitgegenständlichen Quartale auch dann, wenn die Patienten an bestimmten Krankheitsbildern (zB Down-Syndrom, Mukoviszidose, cerebrale Anfallsleiden) leiden und keine - ausnahmsweise - Abrechnungsgenehmigung seitens der Krankenkasse vorlag.
Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellungen, deren Rechtmäßigkeit hier im Streit stehen, ist § 106d Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V (in der Fassung vom 16.07.2015). Danach stellt die KÄV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen fest. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots - erbracht und abgerechnet worden sind (vgl. BSG Urteil vom 29.11.2017 - B 6 KA 33/16 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 17 Rn. 19; BSG Urteil vom 2.4.2014 - B 6 KA 20/13 R - SozR 4-2500 § 117 Nr.6 Rn. 13, jeweils mwN).
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass Ärzte für fachfremde Leistungen grundsätzlich keine Vergütung beanspruchen können (s BSGE 93, 170 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 8, jeweils Rn. 4, mwN). Die Heilberufs- bzw. Kammergesetze der Länder und die auf der Grundlage von Ermächtigungen in diesen Gesetzen von den Ärztekammern der Länder erlassenen Weiterbildungsordnungen normieren die Verpflichtung derjenigen Ärzte, die - wie der Kläger - eine Gebietsbezeichnung führen, ihre Tätigkeit auf dieses Fachgebiet zu beschränken. Für den Kläger folgt diese Verpflichtung aus § 2 Abs. 2 Satz 2 der WBO der Ärztekammer Bayern idF vom 01.01.2016. Danach bestimmt die Gebietsdefinition die Grenzen für die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeit. Die Bindung an die Grenzen seines Fachgebietes gilt für den Arzt auch in seiner Tätigkeit als Vertragsarzt. Welche ärztlichen Leistungen zu einem bestimmten Fachgebiet gehören oder aber außerhalb dieses Gebiets liegen und deshalb als fachfremd zu behandeln sind, beurteilt sich in erster Linie nach der jeweiligen Gebietsdefinition in der WBO.
Das Gebiet Kinder- und Jugendmedizin (Abschnitt B Nummer 14 WBO) war in der in den streitigen Quartalen geltenden WBO wie folgt beschrieben:
"Definition:
Das Gebiet Kinder und Jugendmedizin umfasst die Erkennung, Behandlung, Prävention, Rehabilitation und Nachsorge aller körperlichen, neurologischen, psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsstörungen und Behinderungen des Säuglings, Kleinkindes, Kindes und Jugendlichen vom Beginn bis zum Abschluss seiner somatischen Entwicklung einschließlich pränatale Erkrankungen, Neonatologie und der Sozialpädiatrie."
Damit sind Leistungen für Erwachsene nicht Gegenstand der Weiterbildung von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin (so auch SG München, Urteil vom 11.12.2017, - S 28 KA 615/15). Für die Abgrenzung des Fachgebietes der Kinder- und Jugendmedizin ist nicht die angewandte Methode oder ein Organsystem maßgebend, sondern der behandelte Personenkreis, nämlich Säuglinge, Kleinkinder, Kinder und Jugendliche. Dass damit Erwachsene von der Behandlung durch Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin grundsätzlich ausgeschlossen werden, wird durch die Ergänzung "von Beginn bis zum Abschluss seiner somatischen Entwicklung einschließlich pränataler Erkrankungen" betont (BSG, Beschluss vom 28.10.2015, - B 6 KA 12/15 B - juris, Rn. 12; Sächsisches LSG, Beschluss vom 24.09.2010, - L 1 KA 1/10 B ER - juris Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des BSG haben Schwerpunktbezeichnungen oder Zusatzbezeichnungen keinen Einfluss auf die Beurteilung der Fachfremdheit einer Leistung; ebenso wenig hat eine Spezialisierung innerhalb eines Fachgebiets generell einen Einfluss auf die Fachgebietsgrenzen und die Fachfremdheit einer Leistung (BSG, aaO, Rn. 15, 16). Im Übrigen können auch Sicherstellungsgesichtspunkte nicht gegen die Fachfremdheit angeführt werden (vgl. BSG, aaO, Rn. 17).
An der Bindung der Ärzte an die Grenzen ihres Fachgebietes bei der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung hat sich durch den vom Klägerbevollmächtigten zitierten Kammerbeschluss des BVerfG vom 01.02.2011 (1 BvR 2383/10 - juris) nichts geändert. Das Sächsisches Landessozialgericht führt in seinem Urteil vom 10. Dezember 2014 - L 8 KA 17/13, juris - hierzu zutreffend aus: "Nach diesem Beschluss sind berufsrechtliche Sanktionen der Ärztekammern nicht schon bei systematischer, sondern erst bei überwiegend gebietsüberschreitender Tätigkeit mit Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar (a.a.O. Rn. 20 ff.). Hieraus folgt indessen - worauf das BVerfG selbst hingewiesen hat (a.a.O. Rn. 28) - für die vertragsärztliche Tätigkeit nichts (so auch Hahn/Sendowski, NZS 2011, 728, 731 f.). Das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung hat schon immer höhere Anforderungen an die Qualifikation von Leistungserbringern gestellt als das Berufsrecht. So ist diesem wie dem sonstigen öffentlichen Wirtschaftsrecht ein ärztliches Kuriermonopol fremd, während das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung seit jeher alle Leistungen, die eine auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende ärztliche Sachkunde erfordern, den Ärzten vorbehält (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.1979 - 6 RKa 13/77 - juris Rn. 15 ff. = BSGE 48, 47; Urteil vom 12.05.1993 - 6 RKa 21/91 - juris Rn.23 = BSGE 72, 227). Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil in der vom Naturalleistungsprinzip geprägten gesetzlichen Krankenversicherung das öffentliche Interesse sich nicht darauf beschränkt, die Patienten bei der Behandlung vor Schäden zu bewahren, sondern auch darauf gerichtet ist, die medizinische Versorgung der Versicherten nach den dabei angewandten Methoden und der Qualifikation der dabei tätigen Personen möglichst wirksam und wirtschaftlich sicherzustellen (BVerfG, Beschluss vom 10.05.1988 - 1 BvR 111/77 - juris Rn. 21 ff. = BVerfGE 78, 155). Während die Bindung der Ärzte an die Grenzen ihres Fachgebiets im Berufsrecht allein dem Qualifikationserhalt dient (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 01.02.2011 - 1 BvR 2383/10 - juris Rn. 22 und 25), verfolgt sie im Vertragsarztrecht mit der Sicherung der Qualität der Versorgung selbst sowie deren Wirtschaftlichkeit im Interesse der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung weitergehende Ziele, die die Konzentration der Leistungen bei speziell qualifizierten Ärzten verfassungsrechtlich rechtfertigen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.07.2004 - 1 BvR 1127/01 - juris Rn. 25 = SozR 4-2500 § 135 Nr. 2; Kammerbeschluss vom 08.07.2010 - 2 BvR 520/07 - juris Rn. 14 = SozR 4-2500 § 135 Nr. 16)."
Der erkennende Senat hat diesen überzeugenden Erwägungen nichts hinzuzufügen und verweist daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG verdeutlichen die bundesrechtlichen Regelungen des Vertragsarztrechts zur Zulassung (§ 18 Abs. 1 Satz 2 und § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV), zur Bedarfsplanung (§ 101 Abs. 1 SGB V und § 12 Abs. 3 Ärzte-ZV) und zu Zulassungsbeschränkungen (§ 103 Abs. 2 Satz 3 SGB V) in ihrer Zusammenschau, dass der (Bundes-) Gesetzgeber von einer nach einzelnen ärztlichen Fachgebieten gegliederten ambulanten vertragsärztlichen Tätigkeit ausgeht ( vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 7 S 27 f; Nr. 9 S 35; BSGE 84, 290, 292 = SozR 3-2500 § 95 Nr 21 S 86; SozR 4-2500 § 95 Nr. 5 Rn. 8). Ein auch in der vertragsärztlichen Versorgung gegliedertes Facharztwesen kann aber seine Funktion nicht erfüllen, wenn jeder Facharzt Leistungen auf jedem ärztlichen Gebiet ohne Einschränkungen erbringen und abrechnen kann. Deshalb enthalten die genannten Regelungen des SGB V und der Ärzte-ZV zugleich den bundesrechtlichen Grundsatz, dass Leistungen außerhalb des eigenen Fachgebiets nicht vergütungsfähig sind (vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 9 S 34 f). Aus der (auch) vertragsarztrechtlichen Beschränkung der Tätigkeit auf das Fachgebiet, für das der Arzt als Vertragsarzt zugelassen ist, folgt zugleich zwingend, dass es für die Einhaltung der Fachgebietsgrenzen und für die Beurteilung der Fachfremdheit auf die persönliche Qualifikation des Arztes nicht ankommt. Dem steht die Notwendigkeit zu einer sachgerechten und klaren Abgrenzung der einzelnen ärztlichen Disziplinen entgegen. Daher spielt es für die Frage der Abrechenbarkeit der abgesetzten Leistungen auch keine Rolle, dass der Kläger sicher in besonderem Maße für die Behandlung des hier betroffenen Personenkreises qualifiziert ist und sowohl für die Patienten als auch deren Angehörige eine Weiterbehandlung durch den Kläger über das 18. Lebensjahr hinaus grundsätzlich wünschenswert wäre.
Auch aus der Änderung der WBO kann der Kläger keine weitergehenden Rechte für die hier im Streit stehenden Quartale herleiten. In der ab dem 01.05.2019 geltenden WBO (WBO der Ärztekammer Bayern idF vom 01.05.2019) wurde die Gebietsdefinition der Kinder- und Jugendmedizin erweitert. Nunmehr reicht die Betreuung des Patientenklientels auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendmedizin bis zur Transition in eine qualifizierte Weiterbetreuung und wurde um den Begriff des "Heranwachsenden" ergänzt. Damit hat die für das Weiterbildungsrecht zuständige Ärztekammer Bayern auf die auch vom Kläger geschilderten Schwierigkeiten für bestimmte Patienten, einen qualifizierten Weiterbehandler nach Eintritt der Volljährigkeit zu finden, reagiert. In den streitigen Quartalen 4/2016 bis 2/2017 waren für den Kläger jedoch noch die Vorgaben der WBO idF vom 01.01.2016 maßgeblich, die eine entsprechende Öffnung nicht enthielten.
Auch das Argument, die betroffenen Patienten würden in verfassungswidriger Weise von der adäquaten Versorgung ausgeschlossen, verfängt nicht. Der Kläger selbst hat eine Reihe von Abrechnungsgenehmigungen für Einzelfälle vorgelegt, in denen die Krankenkassen auf Antrag der Betroffenen eine Weiterbehandlung durch den Kläger genehmigt haben. Dies zeigt, dass im Einzelfall durchaus die Möglichkeit einer Weiterbehandlung - wenn auch erst nach einem mit zusätzlichem Aufwand verbundenen Prozedere von Antragstellung und Genehmigung durch die Krankenkassen - bestand. Dass ein entsprechender Antrag in den abgesetzten Fällen gestellt und negativ verbeschieden wurde, hat der Kläger nicht vorgetragen.
Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger in den hier streitgegenständlichen Quartalen nicht mehr berufen. Denn ein etwaiges Vertrauen ist - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - jedenfalls mit Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids für das Quartal 1/2015 vom 27.04.2016 erschüttert worden ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger aufgrund entsprechender Hinweise des Beklagten auch Kenntnis von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Beschluss vom 28.10.2015, - B 6 KA 12/15 B. Der Kläger hatte spätestens ab diesem Zeitpunkt Kenntnis davon, dass die Beklagte ihre bis dahin praktizierte - und im Übrigen von den Beteiligten unterschiedlich geschilderte - Kulanzregelung nicht mehr fortführen wollte. Auch das in Bezug genommene Schreiben der Beklagten vom 04.07.2018 an einen anderen Vertragsarzt vermag hieran nichts zu ändern, da dieses Schreiben ohnehin nur Wirkung unter den (dort) Beteiligten entfalten könnte. Soweit der Klägerbevollmächtigte darauf verweist, dass der Widerspruchsbescheid vom 27.04.2016 rechtswidrig sei, vermag dies die Erschütterung des Vertrauens für die hier streitigen Quartale nicht zu ändern. Denn die Rechtswidrigkeit der sachlich-rechnerischen Richtigstellung für das Quartal 1/15 bezog sich nur darauf, dass wegen Vertrauensschutz eine sachlich-rechnerische Richtigstellung für das Quartal 1/15 nicht zulässig war. Zudem entfaltet ein einmal geschaffener Vertrauenstatbestand nicht für alle Zukunft Schutzwirkungen, da er wieder entfallen kann. Ein solcher Wegfall ist etwa denkbar, wenn sich die Sach- oder Rechtslage maßgeblich ändert oder wenn die KÄV den Betroffenen gegenüber deutlich macht, dass sich Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung einer Leistungslegende ergeben oder verstärkt haben, und sie die betroffenen Vertragsärzte zB durch Rundschreiben oä entsprechend informiert bzw. den Abrechnungsbescheiden deutliche Hinweise auf die Zweifel beifügt (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2001 - B 6 KA 3/01 R -, BSGE 89, 90-104, SozR 3-2500 § 82 Nr 3, SozR 3-5533 Nr 115, SozR 3-5540 § 45 Nr 3). Die Beklagte hat spätestens mit dem Widerspruchsbescheid vom 27.04.2016 deutlich gemacht, dass sie die bisherige Abrechnungspraxis gerade nicht mehr wissentlich duldet. Das Vertrauen in eine Abrechnung der abgesetzten Leistungen für weitere Quartale nach dem Zeitpunkt des Zugangs des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2016 (Postversand 04.05.2016) ist daher erschüttert. Zudem wurden beginnend mit dem Quartal 1/2015 die entsprechenden Fälle durchgehend abgesetzt und der Kläger auf die Unzulässigkeit seiner Abrechnung hingewiesen.
Eine Härtefallregelung kommt nicht in Betracht. Eine Härtefallregelung, mit der die explizit in Abschnitt B, Nummer 14 der Weiterbildungsordnung getroffene Regelung systematisch abgeändert wird, ist auch aus Sicht des Senats nicht zulässig. Sowohl die Beklagte als auch der Zulassungsausschuss, wie dieser auch mit Bescheid vom 09.12.2015 berücksichtigt hatte, sind an die Fachgebietsgrenzen gebunden und können diese nicht aus Sicherstellungsgesichtspunkten systematisch ausweiten (BSG, Beschluss vom 28.10.2015, B 6 KA 12/15 B, juris Rn. 17). Zudem wurden offensichtlich bereits in der Vergangenheit in Einzelfällen auf Antrag Abrechnungsgenehmigungen durch die Krankenkassen erteilt, nach denen der Kläger einzelne Patienten auch über das 18. Lebensjahr hinaus behandeln durfte. Dass dieses Vorgehen für alle Beteiligten mit einem gegenüber einer Härtefallregelung höheren Aufwand verbunden und Unsicherheiten ausgesetzt ist, ist bzw. war vom Kläger hinzunehmen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).