L 19 R 25/19

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 R 794/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 25/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Nach §§ 46 Abs. 2 Nr. 2, 300 S. 1 SGB VI besteht der Anspruch auf Witwerrente nur dann, wenn die verstorbene Versicherte den Unterhalt ihrer Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod überwiegend bestritten hat.
2. Zum Unterhaltsbedarf der Familie gehören sowohl die pflegebedingten Aufwendungen als auch die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung des Ehegatten, die im Rahmen eines Aufenthalts im Pflegeheim angefallen sind.

 

I. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.11.2018 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 24.05.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2017 abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.


T a t b e s t a n d :
    
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer großen Witwerrente nach §§ 46 Abs 2 Nr 2 iVm 303 Satz 1 Regelung 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - hat.

Der 1933 geborene Kläger ist der Ehemann der 1933 geborenen und am 12.02.2017 verstorbenen Versicherten I. A.

Die Ehegatten hatten unter dem Datum 29.12.1988 eine gemeinsame Erklärung über die weitere Anwendung des bis zum 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrechts abgegeben, die am 29.12.1988 per Fax bei der Gemeinde A-Stadt (Wohnortgemeinde) einging und an die Beklagte weitergeleitet wurde.

Am 03.03.2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von großer Witwerrente. In der dem Antrag beigefügten Anlage (Formblatterklärung R0690) machte der Kläger unter dem 08.05.2017 für den Zeitraum 02/2016 - 01/2017 folgende Angaben zum Einkommen, jeweils bezogen auf den Jahreszeitraum:

Einkommensart

Kläger

Versicherte

Regelaltersrente

9.634,06 €

5.307,32 €

Einkünfte aus Hausbesitz

a) Lagerraum

b) Mietwert bei Eigennutzung

 

1.200,00 €

5.160,00 €

 

Dividenden etc.

Ca. 1.580,00 €

Ca. 1.580,00 €

Pflegegeld nach SGB XI

 

1.612,00 € (11 x 2016)

1.775,00 € (1 x 2017)

Die Angaben zum Pflegegeld wurden ergänzt durch einen Hinweis auf ein "Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.03.2006 Seiten 9 + 10".

Die Einkommensverhältnisse hätten sich in den letzten 12 Monaten vor dem Tod der Versicherten nicht verändert. Zum Haushalt gehöre eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 86 qm (3 Zimmer, Küche, Bad). Die Versicherte habe sich im Pflegeheim (Pflegezentrum M., B-Stadt) befunden. Der Haushalt werde durch die Tochter K. C. "im Rahmen familienhafter Hilfe nach Bedarf" geführt. Sie koche, reinige, wasche und gehe einkaufen.

Vorgelegt wurde hierzu eine Steuerbescheinigung der Sparkasse B-Stadt für das Jahr 2016 mit Kapitalerträgen in Höhe von 3.172,36 € sowie zwei Rechnungen des Pflegezentrums M., B-Stadt vom 02.01.2017 über Kosten der Dauerpflege in Höhe von insgesamt 3.563,26 €, davon Eigenanteil der Versicherten in Höhe von 1.788,26 € für Januar 2017 sowie vom 01.12.2016 für Dezember 2016 in Höhe von 3.569,91 €, davon ein Eigenanteil der Versicherten in Höhe von 1.957,91 €.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers vom 06.03.2017 mit streitgegenständlichem Bescheid vom 24.05.2017 ab. Die zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen nach § 303 SGB VI seien nicht gegeben. Ein überwiegendes Bestreiten des Unterhalts der Familie durch die Versicherte liege nicht vor. Der angemessene Unterhalt der Familie umfasse alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich sei, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen. Für den Unterhaltsbedarf seien sämtliche wirtschaftlich messbaren Leistungen aller zu berücksichtigen, die zum Unterhalt der Familie beigetragen hätten. Hierzu zählten zum einen die Erwerbseinkommen und sonstigen Einkünfte der Ehegatten, zum anderen die Unterhaltsleistung in Gestalt der Haushaltsführung und der Sorge für eventuell vorhandene Kinder sowie die von dritter Seite gewährten Zuwendungen. Der "Unterhaltsbedarf" der Familie setze sich wie folgt zusammen:
* Einkünfte der Verstorbenen
* Einkünfte des Ehemannes
* Wert der Haushaltsführung
* Geldleistungen und sonstige wirtschaftlich messbare Leistungen von dritter Seite
Die Versicherte habe einen Rentenbetrag von insgesamt 5.307,32 € und Kapitaleinkünfte in Höhe von ca. 1.580,00 € gehabt, mithin insgesamt 6.887,32 €. Die Leistungen der vollstationären Pflege seien keine zu berücksichtigenden Einkünfte, da diese zweckgebunden nur für die Versicherte geleistet worden seien und deshalb nicht zum Familieneinkommen zählten.

Demgegenüber habe der Kläger in dieser Zeit

  • Renteneinkünfte von insgesamt        9.634,06 €
  • Kapitaleinkünfte ca.                             1.580,00 €
  • Mieteinkünfte insgesamt                    6.360,00 €

Insgesamt:                                            17.574,06 €.

Aus der Gegenüberstellung ergebe sich, dass die Versicherte nicht überwiegend den Unterhalt bestritten habe.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 18.06.2017 Widerspruch ein und verwies auf das Urteil des BSG vom 16.03.2006, Az. B 4 RA 15/05 R. Danach gehörten die gesamten Aufwendungen einer pflegebedürftigen Versicherten, die im Rahmen eines Aufenthalts im Pflegeheim anfallen würden, zum Familienunterhalt als besonderer persönlicher Bedarf. Wenn die monatlichen Zahlungen der Pflegeversicherung an die Pflegebedürftige zur Erfüllung zivilrechtlicher Zahlungsansprüche der stationären Pflegeeinrichtung gegen die Pflegebedürftige verwendet würden, seien sie deren Unterhaltsbeitrag. Es werde gebeten, dem Urteil des BSG zu folgen und die Leistungen aus der vollstationären Pflege dem Familieneinkommen zuzuordnen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2017 als unbegründet zurück. Ob das für die verstorbene Versicherte gezahlte jährliche Pflegegeld in Höhe von 19.507,00 € zum Familienbedarf gehöre, sei umstritten. Das BSG habe in seinem Urteil vom 16.03.2006 festgestellt, dass die monatlichen Ansprüche auf Zahlungen der Pflegeversicherung als Unterhaltsbeitrag der Versicherten zu berücksichtigen seien. Verschiedene Landessozialgerichte würden eine andere Rechtsauffassung vertreten. Dem Urteil des BSG vom 16.03.2006 werde seitens der Beklagten über den Einzelfall hinaus nicht gefolgt. Die Beklagte vertrete die Rechtsauffassung, dass Pflegegeldleistungen an die in einem Pflegeheim untergebrachte pflegebedürftige Ehefrau nicht beim Familieneinkommen zu berücksichtigen seien. Die Pflegesachleistungen hätten ausschließlich von der Versicherten in Anspruch genommen werden können und hätten aufgrund der Bindung an die Person der Versicherten nicht der Familie als Unterhaltsbeitrag zur Verfügung gestanden. Schließlich werde auch auf den Zweck der Witwerrente hingewiesen. Diese solle eine durch den Tod der Versicherten verursachte Einbuße des Witwers an tatsächlichen Unterhaltsleistungen ausgleichen. Der Witwer erleide durch den Wegfall der Pflegesachleistung keine Einbuße, da ein Mehrbedarf durch die gewährten Pflegesachleistungen in deren Umfang nicht entstanden sei. Bisher unberücksichtigt geblieben sei die unentgeltliche Hilfe bei der Haushaltsführung durch die Tochter, die eine Leistung Dritter darstelle und den Familienunterhalt erhöhe. Der Wert der Haushaltsführung sei zwischen den Ehegatten und dem Dritten zu verteilen. Nach Aktenlage habe die Tochter jedoch lediglich im Rahmen familienhafter Mithilfe nach Bedarf im Haushalt mitgeholfen, so dass nach Ansicht des Widerspruchsausschusses eine Drittelung des Wertes der Haushaltsführung nicht erfolgen könne, weil die Mithilfe eben nur unregelmäßig und nicht dauerhaft erfolgt sei. Es werde deshalb an der Ermittlung des Familieneinkommens im Rahmen des angefochtenen Bescheids festgehalten. Nur wenn das jährliche Pflegegeld der verstorbenen Ehefrau Berücksichtigung finden würde, ergäbe sich auch die Bestreitung des überwiegenden Unterhalts durch die Ehefrau im maßgeblichen Zeitraum. Dies könne jedoch nur durch eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt werden.

Zur Begründung der hiergegen am 03.11.2017 zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 07.03.2018 auf das Urteil des BSG vom 16.03.2006 verwiesen. Das BSG lege in diesem Urteil nachvollziehbar dar, dass die gesamten Aufwendungen, die im Rahmen des Aufenthalts der Ehefrau des Klägers im Altenpflegeheim angefallen seien, zunächst zum Familienbedarf gehörten. Insofern seien auch die monatlichen Ansprüche der Ehefrau des Klägers auf Zahlungen der Pflegeversicherung als Unterhaltsbeitrag zu berücksichtigen.

Mit Schreiben vom 12.06.2018 an die Beklagte wies der Kammervorsitzende des SG auf ein Urteil des Bayer. Landesozialgerichts vom 20.06.2013 - L 14 R 805/12 - hin, das die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung stützen könnte. Jedoch sei der Klageanspruch im Revisionsverfahren B 5 R 24/13 R von der Beklagten anerkannt worden. Es werde um Mitteilung gebeten, ob der hier anhängige Klageanspruch von der Beklagten anerkannt werde.

Mit Schriftsatz vom 15.08.2015 wies die Beklagte darauf hin, dass das BSG die Einbeziehung von Zuwendungen einer Pflegeversicherung in den Familienunterhalt grundsätzlich angenommen habe. Eine individuelle Betrachtung der Leistung, wie sie im konkreten Fall aus Sicht der Beklagten geboten sei, habe aber nicht stattgefunden. Der Beklagten gehe es gerade darum, dass Zahlungen der Pflegeversicherung nicht pauschal zum Familienunterhalt hinzugerechnet werden könnten. Vielmehr sei im Einzelfall zu bestimmen, welchem Zweck die Zahlung diene. Hierbei ließen sich nämlich durchaus unterschiedliche Bestimmungen einer Pflegeleistung feststellen. Vorliegend habe die Pflegeleistung allein der Vergütung des Pflegeheimes und somit ausschließlich und individuell der Versicherten gedient. Zu keinem Zeitpunkt, auch nicht für eine juristische Sekunde, habe diese Zahlung ihrer Familie zur Verfügung gestanden. Sie sei ausschließlich zur Tragung des persönlichen Unterhaltsbedarfs der Versicherten bestimmt. Es habe somit keinen Moment gegeben, in dem der Kläger an dieser Leistung hätte partizipieren können. Als Beitrag zum Familienunterhalt seien nach Ansicht der Beklagten nur diejenigen Aufwendungen anzusehen, die auch der Familie, hier also beiden Ehegatten, zum Bestreiten ihrer Lebensführung zu dienen bestimmt und auch tatsächlich dafür verwendet worden seien. Dies bedeute, dass beide Partner wirklich einen Nutzen aus der Zahlung ziehen müssten. Sei es, dass das Geld für die gemeinsame Haushaltsführung oder auch für jeden der beiden Partner zur Befriedigung ganz persönlicher Bedürfnisse eingesetzt werde. Dies sei bei der Zahlung der Pflegekasse gerade nicht der Fall. Zwar hebe die Unterbringung in einem Pflegeheim die eheliche Lebensgemeinschaft nicht auf. Gleichwohl werde in den Fällen der vollstationären Pflege die häusliche Gemeinschaft ausgesetzt, da für den individuellen Unterbringungsaufwand der pflegebedürftigen Person vollumfänglich die Pflegeeinrichtung sorge. Lediglich für den allgemeinen Lebensunterhalt zahle der Versicherte einen Kostenzuschuss. Die Versorgung werde also durch das Pflegeheim erbracht. Auch wenn das Unterbringungsverhältnis zwischen Versichertem und Pflegeheim zivilrechtlicher Natur sei, dürfe nach Auffassung der Beklagten der zivilrechtliche Familienunterhalt nicht ausschließlich den Bewertungsmaßstab bilden. Der Gesetzgeber habe die Privatautonomie dahingehend eingeschränkt, dass gemäß § 87a Abs 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI - die Pflegekasse den anfallenden Leistungsbetrag mit befreiender Wirkung für die Versicherte unmittelbar an das Pflegeheim zahle. Dadurch wirke die Geldzahlung wie eine von der Pflegekasse erbrachte Sachleistung. Die Intention des Gesetzgebers bei der Unterscheidung von Pflegegeld und Pflegesachleistung bestehe dabei in der Einflussnahme auf die Verwendung des Geldes, das streng zweckgebunden allein dafür zu dienen bestimmt sei, die Aufwendungen des Heims zu erstatten.

Der 4. Senat des BSG habe bei seiner Bewertung der Pflegesachleistung den sozialrechtlichen Charakter dieser Aufwendung unberücksichtigt gelassen. Die Situation sei nicht mit einer privatrechtlichen Versicherung vergleichbar. Gerade wegen der öffentlich-rechtlichen Prägung des gesamten Sachverhalts sei nach Ansicht der Beklagten eine derart weite Heranziehung des im Bürgerlichen Gesetzbuch - BGB - geregelten zivilrechtlichen Familienunterhalts nicht zulässig. Sinn und Zweck der Pflegeversicherung sei die Risikoübertragung auf den gesetzlichen Sozialversicherungsträger. Ergänzend verweise die Beklagte nochmals auf den Zweck der Witwerrente. Das Anerkenntnis der Beklagten im Revisionsverfahren B 5 R 24/13 R habe auf rein prozessrechtlichen Erwägungen beruht.

Mit Schriftsatz vom 15.10.2018 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass die Rechtsauffassung der Beklagten eindeutig den Entscheidungsgründen im Urteil des BSG vom 16.03.2006 widerspreche. Entgegen den Ausführungen der Beklagten sei auch § 87a SGB XI seit der Entscheidung des BSG nicht mehr geändert worden. Das BSG sei in seiner Entscheidung von 2006 bereits von einer Sachleistung der Pflegeversicherung ausgegangen. Letztendlich habe die Beklagte den Anspruch im Verfahren vor dem Sozialgericht Regensburg - Az S 11 R 4027/11 und dem Verfahren vor dem BayLSG - Az L 14 R 805/12 -anerkannt.

Das SG hat sodann aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2018 mit Urteil vom gleichen Tag die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.05.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2017 verurteilt, dem Kläger Witwerrente aus der Versicherung seiner am 12.02.2017 verstorbenen Ehefrau zu zahlen.

Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass nach dem Urteil des BSG vom 16.03.2006, dem sich die Kammer anschließe, die Aufwendungen einer pflegebedürftigen Versicherten, die im Rahmen eines Aufenthalts in einem Pflegeheim anfielen, als besonderer persönlicher Bedarf zum Familienunterhalt zu rechnen seien. Die monatlichen Zahlungen der Pflegeversicherung an die Pflegebedürftige seien deren Unterhaltsbeitrag, wenn sie zur Erfüllung zivilrechtlicher Zahlungsansprüche der stationären Pflegeeinrichtung gegen die Pflegebedürftige verwendet würden. Die hiesige Konstellation sei identisch mit dem Sachverhalt, der dem Urteil des Bayer. Landessozialgerichtes vom 20.06.2013, L 14 R 805/12, zugrunde gelegen habe. Auf die eingelegte Revision des Klägers habe die Beklagte den dortigen Klageanspruch anerkannt. Da es für das dort abgegebene Anerkenntnis sicher gute Gründe gegeben habe, bestehe kein Anlass, an der höchstrichterlichen Rechtsprechung, mit der sich die Beklagte anscheinend abgefunden habe, zu zweifeln.

Hiergegen hat die Beklagte am 15.01.2019 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und mit Schriftsatz vom 07.05.2019 ausgeführt, dass bei der Auslegung des Begriffs "Unterhalt der Familie" die entsprechenden Regelungen des BGB heranzuziehen seien. Nach Auffassung der Beklagten komme es hierbei auf die tatsächlichen Verhältnisse an, also auf die Beträge, die während des maßgeblichen Zeitraumes dem Familienunterhalt "tatsächlich" zur Verfügung gestanden hätten (so entsprechend BSG Urteil vom 27.04.1982 - SozR 2200 § 1266 Nr 21). Somit gehörten auch die gewährten Sozialleistungen für Körper- oder Gesundheitsschäden zum Familieneinkommen. Selbst die Zweckbestimmung stehe der Berücksichtigung als unterhaltspflichtiges Einkommen nicht unbedingt entgegen, jedoch nur, soweit die Sozialleistungen nicht durch den konkreten Mehrbedarf aufgezehrt würden (vgl. Prütting, Wegen, Weinreich, BGB, 8. Aufl., § 1360 Rdnr 9; Palandt, BGB, 73. Aufl., § 1361 Rdnr 24e.). Für Unterhaltszwecke seien nach § 1610a BGB die Sozialleistungen für Körper- oder Gesundheitsschäden dann einzusetzen, wenn festgestellt werde, dass diese Sozialleistungen den objektiven pflegebedingten Mehrbedarf übersteigen würden. Dies bedeute, es sei nachzuweisen, dass der Pflegebedürftige mehr Sozialleistungen erhalte als er nach objektiven Maßstäben für den Ausgleich des Mehrbedarfs benötige. Dazu sei nach Meinung der Beklagten die Leistung für Pflege in vollstationären Einrichtungen nach § 43 SGB XI und ihr Unterschied zum Pflegegeld nach § 37 SGB XI näher zu betrachten. Das Pflegegeld nach § 37 SGB XI stehe dem Pflegebedürftigen zur freien Verfügung. Er solle das Geld zur Deckung seines Pflegebedarfs verwenden, müsse dies aber nicht. Bei vollstationärer Pflege seien die Pflegesatzvereinbarungen für das Pflegeheim und die entsprechenden Vereinbarungen des Heimes mit den Kostenträgern zu beachten. Das Pflegeheim habe einen unmittelbaren vertraglichen Zahlungsanspruch gegen die Pflegekassen. Die Pflegeeinrichtungen würden insoweit unmittelbar gemäß ihren Verpflichtungen aus dem Versorgungsvertrag und der Pflegesatzvereinbarung tätig und erfüllten die den Pflegekassen gegenüber ihren Versicherten bestehende Sachleistungspflicht (§ 4 Abs 1 und § 43 Abs 1 SGB XI). Die Beträge nach § 43 Abs 2 SGB XI stünden deshalb den Versicherten nicht als Geldleistung zu, sondern den Heimträgern als Entgelt der Pflegekasse für erbrachte Sachleistungen. Insoweit sei die in § 87a Abs 3 S 1 SGB XI enthaltene Formulierung, wonach "die dem pflegebedürftigen Heimbewohner nach den §§ 41-43 SGB XI zustehenden Leistungsbeträge von seiner Pflegekasse mit befreiender Wirkung unmittelbar an das Pflegeheim zu zahlen" seien, "missverständlich". Eine Zahlung mit befreiender Wirkung könne nur bei Heimverträgen erfolgen, die eine Regelung enthielten, wonach die Heimbewohner vom Heimträger auf das gesamte Pflegeentgelt in Anspruch genommen werden könnten, also auch hinsichtlich des Leistungsanteils der Pflegekassen - zumindest subsidiär - (siehe auch BSG Urteil vom 01.09.2005, Az B 3 P 4/04 R, Rdnr 22, 23). Eine solche Formulierung lasse sich aus den vorliegenden Abrechnungen mit dem Pflegezentrum M. nicht entnehmen.

Dies bedeute vorliegend, dass die Versicherte eine Sozialleistung erhalten habe, die an ihrem konkreten Bedarf orientiert gewesen sei. Eine darüberhinausgehende "geldliche Leistung" - und nur diese wäre nach § 1610a BGB einzusetzen - habe sie jedoch nicht erhalten. Dem entsprechend werde in der Kommentarliteratur nur das Pflegegeld nach § 37 SGB XI genannt, nicht jedoch Leistungen für Pflege in vollstationären Einrichtungen nach § 43 SGB XI.

Es werde auch nochmals auf den Zweck der Witwerrente hingewiesen. Ein zu kompensierender Unterhaltsausfall bestehe vorliegend nicht.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.11.2018 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 24.05.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2017 abzuweisen.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.11.2018 zurückzuweisen.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - erklärt.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 SGG entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).

Die Berufung ist auch begründet. Das SG Würzburg hat zu Unrecht mit Urteil vom 27.11.2018 den Bescheid der Beklagten vom 24.05.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2017 aufgehoben und dem Kläger Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau zuerkannt. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Witwerrente nach § 46 Abs 2 Nr 2 iVm § 303 Satz 1 Regelung 2 SGB VI. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor, weil die verstorbene Versicherte den Familienunterhalt im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand nicht überwiegend bestritten hat und deshalb auch ein Verlust eines Unterhaltsbeitrages durch ihren Tod für den Kläger nicht eingetreten ist.

Gemäß § 46 Abs 2 Nr. 2 SGB VI haben Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwerrente, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben. Unstreitig sind die Voraussetzungen für eine Witwerrente nach § 46 SGB VI erfüllt, insbesondere hatte die Verstorbene die allgemeine Wartezeit nach § 50 Abs 1 SGB VI erfüllt. Da der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau eine gemeinsame Erklärung über die weitere Anwendung des bis zum 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrentenrechts abgegeben hatte, besteht der Anspruch auf Witwerrente nach § 300 Satz 1 Regelung 2 SGB VI nur dann, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod überwiegend bestritten hat.

Die Verstorbene hat aber im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor ihrem Tod den Unterhalt der Familie nicht überwiegend bestritten.

1. Der Kläger hat zusammen mit seiner Ehefrau unter dem 29.12.1988 eine gemeinsame Erklärung über die Fortgeltung des bis zum 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrechts unterzeichnet. Diese Erklärung beinhaltet zwei einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen der Eheleute, die erst mit Zugang bei der Beklagten wirksam werden. Es kann dahingestellt bleiben, zu welchem Zeitpunkt diese Erklärung konkret bei der Beklagten einging (laut Datumsstempel entweder zum 30.12.1988 oder auch erst am 04.01.1989), da sie jedenfalls mit Zugang dieser Erklärung bei der Wohnortgemeinde A-Stadt nach § 16 Abs 2 S 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I - gegenüber der Beklagten als wirksam gestellt gilt (vgl. Kreikebohm, Kommentar zum SGB VI, 5. Auflage, 2017, § 303 Rdnr 4).

2. Die Beklagte hat zutreffend als maßgeblichen letzten wirtschaftlichen Dauerzustand im Sinne des § 303 Satz 1 SGB VI das letzte Jahr vor dem Tod der Versicherten zugrunde gelegt, mithin den Zeitraum von Februar 2016 bis Januar 2017 (BSG, Urteil vom 16.03.2006 - B 4 RA 15/05 R - Rdnr 22, juris; Kreikebohm, a.a.O., § 303 SGB VI Rdnr 7 m.w.N.). Nach Angaben des Klägers hatte sich in diesem Zeitraum keine wesentliche Änderung der familiären und finanziellen Situation mehr ergeben. Insbesondere hatte sich die Versicherte bereits seit 07.05.2013 durchgehend im Pflegeheim M. B-Stadt befunden.

3. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 16.03.2006 (B 4 RA 15/05 R) zur Frage der Ermittlung des überwiegenden Familienunterhalts im Sinne des § 303 SGB VI grundlegend drei Prüfungsschritte beschrieben und darauf hingewiesen, dass es nicht ausreichend sei, wenn die Beklagte lediglich die vorhandenen Einkünfte der Eheleute im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand gegenüberstelle. Vielmehr sei erforderlich - so das BSG -, in einem ersten Schritt zunächst festzustellen, wie hoch nach den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen der Ehegatten der gesamte Lebensbedarf der Familie im Sinne der §§ 1360, 1360a BGB im letzten Jahr vor dem Tod der Versicherten gewesen sei. In einem zweiten Schritt sei danach festzustellen, mit welchen Mitteln und von welcher Person der Bedarf gedeckt worden sei. Erst in einem dritten Schritt sei durch eine Gegenüberstellung der von jedem Ehegatten wirklich aufgebrachten Mittel der Anteil jedes Ehegatten festzustellen, der dann den Schluss auf das überwiegende Bestreiten des Familienunterhalts zulasse (BSG, a.a.O., Rdnr 23). Dabei hat das BSG zur Frage, was Familienunterhalt im Sinne des § 303 SGB VI sei, ausschließlich auf die zivilrechtlichen Regelungen der §§ 1360, 1360a BGB abgestellt. Insoweit ist die Argumentation der Beklagten, dass der Begriff des Familienunterhalts nicht rein zivilrechtlich, sondern unter Berücksichtigung der Risikoverlagerung auf einen Sozialleistungsträger und der sozialrechtlichen Prägung des Sachverhalts einschränkend auszulegen sei, nicht vertretbar, nachdem es hierfür weder in § 46 SGB VI noch in § 303 SGB VI eine Grundlage gibt.

4. Familienunterhalt bzw. Lebensbedarf der Familie ist nach §§ 1360, 1360a BGB alles, was nach den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen. Neben Aufwendungen für Haushalt, Nahrung, Kleidung, etc. sind auch alle Aufwendungen zu berücksichtigen, die zur Befriedigung des persönlichen Bedarfs der Ehegatten zu dienen bestimmt sind. Das Maß der Erforderlichkeit dieser Aufwendungen ist nicht pauschal zu bestimmen, sondern orientiert sich an den durch das eheliche Lebensverhältnis individuell geprägten Lebensumständen und ist damit nicht nur von der wirtschaftlichen bzw. finanziellen Lage der Eheleute abhängig, sondern auch von ihrer sozialen und persönlichen Lage, die sie entscheidend durch ihre eigene Lebensgestaltung prägen, somit auch vom Gesundheitszustand der Ehegatten (BSG, a.a.O., Rdnr 24 m.w.N.; Brudermüller in: Palandt, Kommentar zum BGB, 78. Aufl., 2019, § 1360 a Rdnr 1 m.w.N.). Das BSG hat des Weiteren darauf hingewiesen, dass der Familienbedarf im Sinne der §1360, 1360a BGB nicht allein dadurch entfällt, dass ein Ehegatte in einem Pflegeheim untergebracht ist. Vielmehr sei zusätzlich zur Trennung der gemeinsamen Wohnung ein entsprechender Trennungswille erforderlich, um von einem Getrenntleben im Sinne des § 1567 BGB ausgehen zu können. Hierfür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte.

5. Das BSG hat weiterhin in seiner Entscheidung vom 16.03.2006 ausdrücklich klargestellt, dass auch die gesamten Aufwendungen eines Ehegatten, die im Rahmen eines Aufenthalts im Pflegeheim angefallen sind, zum Familienbedarf im obigen Sinne gehören, da diese durch einen besonderen persönlichen Bedarf des pflegebedürftigen Ehegatten bedingt seien. Hierzu gehören nach Ansicht des BSG auch die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung, die nach § 4 Abs 2 S 2 Hs 2 SGB XI als Eigenleistung des pflegebedürftigen Ehegatten selbst zu tragen sind, sowie die pflegebedingten Aufwendungen und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege und der sozialen Betreuung (im Sinne des Art 49a § 1 Abs 1 des Pflegeversicherungsgesetzes (PflegeVG) idF des Art 2 Nr 2 des 1. SGB XI-ÄndG).

6. Das SG hat in seinem Urteil vom 27.11.2018 lediglich die Einkommenssituation der Eheleute betrachtet, dabei auch die pauschalierten Leistungen der Pflegekasse als Einkommen der verstorbenen Versicherten gewertet und aus der Addition der Beträge geschlossen, dass die Ehefrau des Klägers den Familienunterhalt überwiegend bestritten hätte. Diese Betrachtung entspricht nicht den Vorgaben des BSG-Urteils. Das SG hätte vielmehr den Bedarf der Verstorbenen hinsichtlich der notwendigen stationären Pflege im Pflegeheim umfassend ermitteln müssen, was nicht erfolgt ist. Die Rechnungen des Pflegeheims haben sich im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand auf 11 x 3.569,91 € (02 - 12/2016) und 1 x 3.563,26 € (01/2017) belaufen, mithin insgesamt auf 42.832,27 €. Dem gegenüber hat die Verstorbene Leistungen für die stationäre Unterbringung im Pflegeheim von ihrer Pflegekasse in Höhe von 11 x 1.612,00 € und 1 x 1.775,00 €, mithin insgesamt 19.507,00 € erhalten. Durch die Leistungen der Pflegeversicherung wurde somit nur ein Teil des persönlichen Bedarfs der Verstorbenen gedeckt. Der von ihr selbst zu bestreitende - durch die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung nicht gedeckte - restliche Bedarf für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von 23.325,27 € ist aus dem tatsächlich verfügbaren Einkommen der Eheleute zu bestreiten gewesen.

7. Die Regelungen der gesetzlichen Pflegeversicherung umschreiben in § 4 SGB XI den Leistungsanspruch der Versicherten. Gemäß § 4 Abs 1 S 1 SGB XI sind die Leistungen der Pflegeversicherung Dienst-, Sach- und Geldleistungen für den Bedarf an körperbezogenen Pflegemaßnahmen, pflegerischen Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung sowie Kostenerstattung, soweit es das SGB XI vorsieht. Art und Umfang der Leistungen richten sich gemäß § 4 Abs 1 S 2 SGB XI nach der Schwere der Pflegebedürftigkeit und danach, ob häusliche, teilstationäre oder vollstationäre Pflege in Anspruch genommen wird. Gemäß § 4 Abs 2 S 2 SGB XI werden die Pflegebedürftigen bei vollstationärer Pflege von den Aufwendungen entlastet, die für ihre Versorgung nach Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit erforderlich sind, also für die pflegebedingten Aufwendungen. Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung tragen die Pflegebedürftigen jedoch selbst (§ 4 Abs 2 S 2, 2. Hs SGB XI). Aus dem in § 28 SGB XI aufgelisteten Leistungskatalog der Pflegeversicherung wird bereits deutlich, dass die Gewährung von Pflegegeld, das zur freien Disposition der Ehegatten zur Verfügung stehen könnte und deshalb im Rahmen des unterhaltsrechtlichen Einkommenszuflusses zu beachten sein könnte (vgl. Brudermüller, a.a.O., § 1361 BGB, Rdnr 24e m.w.N.) - so wie die Beklagte dies ausgeführt hat - nur im Bereich der ambulanten Pflege in Frage kommt. Im Bereich der stationären Versorgung gilt § 43 SGB XI, der in seinem Absatz 2 S 2 "pauschalierte Leistungsbeträge" je nach zuerkanntem Pflegegrad und damit differenziert nach der Schwere der konkreten Pflegebedürftigkeit vorsieht. Allein die gesetzliche Festlegung eines pauschalierten Leistungsbetrages qualifiziert diesen nicht als Geldleistung an Versicherte im Sinne des § 11 SGB I. Als Geldleistungen in diesem Sinne sind nur Geldzahlungen an den Anspruchsinhaber oder einen Dritten zu verstehen, die in der Regel den Zweck haben, Arbeitseinkommen zu ersetzen und damit den Lebensunterhalt vorübergehend (z.B. durch Krankengeld, Verletztengeld, Arbeitslosengeld) oder langfristig (z. B. durch Renten) sicherzustellen. Sie orientieren sich in der Regel an dem bisherigen Einkommen des Leistungsempfängers. Demgegenüber bezwecken Naturalleistungen (bzw. Sachleistungen) die Abdeckung von Bedarfen, die unabhängig von den (vorangegangenen) Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Bedürftigen zu erfüllen sind (Seewald, in: Kasseler Kommentar - KassKomm - zum Sozialversicherungsrecht, Stand August 2019, § 11 SGB I, Rdnr 25, 25a). § 43 SGB XI spricht ausdrücklich von einer Übernahme der pflegebedingten Aufwendungen einschließlich der Aufwendungen für Betreuung und der Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Eine Orientierung an einem (vorangegangenen) Einkommen der Pflegebedürftigen erfolgt nicht. Die Vergütung der stationären Pflegeleistungen erfolgt auf der Grundlage des § 84 SGB XI nach Pflegesätzen, durch die alle für die Versorgung der Pflegebedürftigen nach Art und Schwere ihrer Pflegebedürftigkeit erforderlichen Pflegeleistungen der Pflegeeinrichtung im Rahmen der stationären Pflege abgegolten werden (§ 84 Abs 4 SGB XI) und die für alle Heimbewohner des Pflegeheimes nach einheitlichen Grundsätzen zu bemessen sind (§ 84 Abs 3 SGB XI). Die Pflegesätze sind in einem gesonderten Pflegesatzverfahren nach § 85 SGB XI festzulegen, an dem die Träger des einzelnen zugelassenen Pflegeheimes bzw. deren Arbeitsgemeinschaften, die Pflegekassen oder sonstigen Sozialversicherungsträger sowie die Träger der Sozialhilfe beteiligt sind. Vergleichbar wie bei der Krankenhausbehandlung, also der stationären Krankenbehandlung nach § 39 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - besteht auch im Bereich der gesetzlichen Pflegeversicherung im Rechtsverhältnis zwischen der Pflegekasse und dem Pflegebedürftigen ein Leistungsanspruch auf Erbringung der Naturalleistung "stationäre Pflege", zu dessen Erfüllung sich die Pflegekasse der Einrichtung von Pflegeheimen bedient. Die zur Abgeltung dieser Naturalleistungen dem pflegebedürftigen Heimbewohner nach § 43 SGB XI zustehenden Leistungsbeträge sind nach § 87a Abs 3 SGB XI von seiner Pflegekasse mit befreiender Wirkung unmittelbar an das Pflegeheim zu zahlen (Leitherer, in: KassKomm, Stand August 2019, § 43 SGB XI, Rdnr 11 m.w.N.). In § 87a Abs 3 SGB XI wird gleichwohl davon ausgegangen, dass Anspruchsinhaber gegenüber der Pflegekasse der einzelne Pflegebedürftige ist und bleibt und dieser auch gegenüber dem Pflegeheim der Schuldner der Vergütung für die Heimunterbringung bleibt (Weber in: KassKomm, Stand August 2019, SGB XI, § 87a Rdnr 15 m.w.N.). Durch die gesetzlich in § 87a Abs 3 SGB XI angeordnete unmittelbare Zahlungsverpflichtung des pauschalierten Leistungsentgeltes für die vom Pflegeheim erbrachten Sachleistungen zur Pflege wird der Inhalt und die Rechtsnatur des Anspruchs des Pflegebedürftigen gegen die Pflegekasse als Naturalleistungsanspruch nicht verändert. Unterhaltsrechtlich hat die Versicherte deshalb im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand über die Deckung ihres persönlichen Pflegebedarfs durch Pflegesachleistungen hinaus kein weiteres, tatsächlich zufließendes Einkommen erzielt, das zur Deckung des gemeinsamen Familienunterhalts herangezogen werden könnte (so im Ergebnis auch Bayer. Landessozialgericht, Urteil vom 20.06.2013, Az L 14 R 805/12, Rdnr 35 ff., 39, juris). Im Gegenteil mussten die weiteren notwendigen Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung, die von der gesetzlichen Pflegeversicherung nicht abgedeckt werden, aus dem tatsächlich zufließenden Einkommen der Ehegatten bestritten werden. Auch wenn davon auszugehen ist, dass die eigene Versichertenrente der Verstorbenen (in Höhe von 5.307,32 €) und ihre Einkünfte aus Kapitalbeteiligungen (in Höhe von 1.580,00 €) zur Deckung dieses Unterhaltsbedarfs verwendet worden sind und auch dazu verwendet werden durften, war der überwiegende Unterhaltsbedarf (Rest 16.437,00 €) aus dem tatsächlich zufließenden Einkommen des Klägers zu bestreiten. Dieses tatsächlich zufließende Einkommen des Klägers belief sich im Zeitraum des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes nach seinen eigenen Angaben auf 17.574,00 € (zuzüglich des Wertes der von seiner Tochter erbrachten Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung, auf die es vorliegend aber nicht mehr ankommt). Der Kläger hat damit überwiegend den Familienunterhalt bestritten.

8. Die Beklagte hat zu Recht ergänzend auf die Regelung des § 1610a BGB hingewiesen, aus der der Grundsatz zu entnehmen sei, dass bei Empfang von Sozialleistungen grundsätzlich davon auszugehen sei, dass diese zur Deckung eines krankheits- oder behinderungsbedingten Mehrbedarfs beim Unterhaltsgläubiger gezahlt würden und dass diese einen Unterhaltsanspruch gegen den Unterhaltsschuldner nicht mindern würden. Erst bei Nachweis durch den Unterhaltsschuldner, dass über den eine Behinderung abdeckenden Mehrbedarf hinaus noch ein geldwerter Vorteil beim Unterhaltsgläubiger besteht, kann eine Minderung des Unterhaltsanspruchs durchgesetzt werden. Diese gesetzliche Vermutung in § 1610a BGB stützt nach Ansicht des Senats die obigen Ausführungen.

9. Auch das BSG hat in seiner Entscheidung vom 16.03.2006 letztlich diese Wertung vorgenommen, wenn es auf den notwendigen dritten Prüfungsschritt hinweist. Als Unterhaltsbeiträge können auch nach Ansicht des BSG nur solche Leistungen und Aufwendungen berücksichtigt werden, die in dem letzten wirtschaftlichen Dauerzustand effektiv beigesteuert bzw getätigt worden sind (BSG, a.a.O., Rdnr 20). Unter Berücksichtigung des Zwecks der Witwerrente (insbesondere nach altem Recht nach § 43 Angestelltenversicherungsgesetz) sollte dem Witwer nur dann eine Rentenleistung mit Unterhaltsersatzfunktion zukommen, wenn die Versicherte vor ihrem Tod dauerhaft den Familienunterhalt überwiegend bestritten hatte und dieser Zustand - bei generalisierender Betrachtung - ohne den Tod für einen ins Gewicht fallenden Zeitraum fortbestanden hätte. Es komme deshalb für den Familienbedarf auf das tatsächlich Gegebene und Empfangene an; erst daraus könne hypothetisch geschlossen werden, ob der Witwer durch den Tod der Versicherten einen versicherungsrechtlich relevanten Unterhaltsverlust erlitten habe (BSG, a.a.O., Rdnr 21). Mit dem Tod der Versicherten endet im vorliegenden Fall die Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Pflegeheim, der weitere, durch Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckte Bedarf für Unterkunft und Verpflegung entfällt, ein Leistungsanspruch gegen die Pflegeversicherung besteht nicht mehr. Damit ist ein Unterhaltsverlust des Klägers nach dem Tod seiner Ehefrau insoweit denknotwendig ausgeschlossen.

10. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 303 SGB VI können nicht gesehen werden, weil die Anwendung dieser Norm auf einer freiwilligen Erklärung der Ehegatten beruht (vgl. insoweit auch Kühn, in: Kreikebohm, a.a.O., § 303 SGB VI, Rdnr. 13 unter Hinweis auf LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.03.2012, Az. L 3 R 69/10).

Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten hin das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.11.2018 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 24.05.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2017 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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