L 13 R 68/19

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KN 77/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 68/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Zu den Voraussetzungen für die Widerlegung der Vermutung einer sog. Versorgungsehe bei kurzer Ehedauer beim Vorliegen von Pflegebedürftigkeit.
2. Eine sog. Pflegeehe, die geeignet wäre, die Vermutung der Versorgungsabsicht zu widerlegen, liegt nur dann vor, wenn auch festgestellt werden kann, dass der verstorbene Versicherte tatsächlich die Erwartung hatte, mit der Heirat seine Pflege sicherzustellen.
3. Leben beide Ehepartner nach der Eheschließung weiterhin in getrennten Wohnungen und erfolgt die pflegerische Versorgung wie vor der Eheschließung durch Dritte, liegt eine Pflegeehe nicht vor.

 

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. November 2018 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.


T a t b e s t a n d :

Die Klägerin begehrt Witwenrente nach ihrem verstorbenen Ehemann C., geboren 1934, gestorben am 14.07.2014 (nachfolgend: Versicherter), und bis zu seinem Tod wohnhaft bei seinem ihn pflegenden Sohn C. jun. unter der Adresse C-Straße, A-Stadt.

Die am 26.02.1965 geborene Klägerin ist seit 01.06.2001 durchgehend unter der Anschrift B-Platz, S-Stadt, gemeldet. Sie lebt dort zusammen mit ihrer 2003 geborenen Tochter L. und deren leiblichem Vater, Herrn K.

Die Klägerin schloss am 31.07.2013 mit dem Versicherten die Ehe und beantragte nach dessen Tod am 25.11.2014 die Gewährung von Hinterbliebenenrente. Im Antrag auf Witwenrente gab die Klägerin an, der Versicherte sei eines plötzlichen Todes gestorben (Herzinfarkt). Sie hätten sich seit 25 Jahren gekannt und gemeinsam Urlaube verbracht.

Die Beklagte lehnte den Antrag auf Witwenrente mit Bescheid vom 12.01.2015 ab. Die Klägerin sei mit dem Versicherten in der Zeit vom 31.07.2013 bis 14.07.2014 verheiratet gewesen. Wegen der kurzen Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr greife die gesetzliche Vermutung einer "Versorgungsehe". Die vorgetragenen Gründe seien nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Im Widerspruchsverfahren machte der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 13.04.2015 geltend, dass sich die Bindung nach langjähriger Bekanntschaft im Jahre 2012 so gefestigt habe, dass der Verstorbene der Klägerin die Heirat angetragen habe. Seit Frühjahr 2012 seien die Klägerin und der Versicherte verlobt und die Eheschließung sei für Ende 2012 vorgesehen gewesen. Der Heiratstermin sei nur wegen diverser Krankenhausaufenthalte der Klägerin im Jahr 2012 verschoben worden. Eine zum Tod führende Erkrankung sei zum Zeitpunkt der Heirat am 31.07.2013 nicht absehbar gewesen. Erst im Mai 2014 sei bei dem Verstorbenen Harnblasenkrebs diagnostiziert worden. Die Klägerin und der Verstorbene hätten ein ganz gewöhnliches Eheleben geführt, begleitet von gemeinsamen Aktivitäten und Urlauben. Ein Zusammenziehen sei nicht möglich gewesen sei, da der Verstorbene als Rollstuhlfahrer eine behindertengerecht eingerichtete Wohnung benötigt und in A-Stadt innegehabt habe und die Tochter der Klägerin eine in der Nähe der Wohnung der Klägerin in S-Stadt gelegene Schule besuche. Aus diesen Gründen hätten die Eheleute beschlossen, beide Wohnungen zunächst aufrecht zu erhalten, was auch in einer Ehe erlaubt sei. Weitere Fragen der Beklagten zu den Umständen der Eheschließung, den Wohnverhältnissen und dem Gesundheitszustand des Versicherten wurden nicht mehr beantwortet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ärztliche Bescheinigungen über den Gesundheitszustand des Versicherten vor dem 31.07.2013 seien trotz Aufforderung nicht beigebracht worden, sodass eine Beurteilung des Gesundheitszustandes des Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung nicht möglich gewesen sei. Weiterhin habe die Klägerin auch nach der Heirat mit dem Kindsvater, Herrn K., zusammen in der Wohnung in S-Stadt gelebt.

Mit ihrer Klage zum Sozialgericht München hat die Klägerin erklärt, dass ein Zusammenziehen mit dem Versicherten wegen der beengten Wohnverhältnisse in dessen Zweizimmerwohnung in A-Stadt nicht durchführbar gewesen wäre. Man habe eine geeignete und größere Wohnung in S-Stadt gesucht. Verlobungsringe habe man anlässlich des ersten gemeinsamen Urlaubs in der Türkei gekauft. Rechnungen gebe es keine mehr. Das Aufgebot sei am 10.06.2013 bestellt worden. Zu den Vermögensverhältnissen des Versicherten hat die Klägerin angegeben, dieser habe keine Immobilien besessen und der Wert des Nachlasses habe sich auf 5.795,50 € belaufen.

Es ist ferner von Herrn C. jun., dem Sohn des Versicherten, eine umfassende 33-seitige Schilderung der Lebensumstände der Klägerin vorgelegt worden. Danach hätten er und die Klägerin sich 1980 in der Berufsschule kennengelernt und von 1992 bis 2001 eine Partnerschaft mit einer gemeinsamen Wohnung in M-Stadt geführt. In dieser Zeit hätten auch die Klägerin und sein Vater sich kennengelernt und gemeinsam Ausflüge unternommen, wenn er dienstbedingt als Polizist abwesend gewesen sei. Auch bei gemeinsamen Urlauben in der Türkei in den 90er Jahren sei der Versicherte zum Teil dabei gewesen. Nach der einvernehmlich erfolgten Trennung 1999 habe die Klägerin den Vater ihrer Tochter kennengelernt, der dann zu ihnen in die Wohnung gezogen sei. Auch nach der Geburt der Tochter hätten er und sein Vater, der inzwischen ein Bein verloren habe, sich mit der Klägerin gut verstanden. Sie hätten sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten um die Klägerin, deren Tochter und die Sanierung der inzwischen von Herrn K. beschafften Wohnung gekümmert. Insgesamt sei dieser aber sehr unzuverlässig gewesen, auch in Gelddingen, habe getrunken und sei zunehmend computersüchtig geworden. Auch habe er die Klägerin gezwungen, ein weiteres Kind abzutreiben, was ihn und den Versicherten sehr erschüttert habe. Deswegen hätten er und sein Vater L. wie ein eigenes Kind angenommen und unterstützt. Die Klägerin habe den Verstorbenen regelmäßig besucht und ihm Essen mitgebracht oder gekocht. Bereits 2004 habe sie ihre Lebensversicherung zum Schutz ihrer Tochter auf ihn (C. jun.) umgeschrieben. Ihren Lebensunterhalt habe die Klägerin aufgrund der fehlenden Versorgung durch Herrn K. unter widrigsten Umständen mit dem Reinigen der Bahnhofstoiletten am Bahnhof S-Stadt verdient, während es in der Wohnung in S-Stadt nach der Aufnahme der Familie eines ebenfalls alkoholkranken Kollegen durch Herrn K. zunehmend beengt und unerträglich geworden sei. Die Klägerin habe deswegen schließlich einen Zusammenbruch erlitten und sich in stationäre Behandlung begeben. Der Versicherte sei ihr in dieser Zeit ein seelischer Halt gewesen. Dem Versicherten habe es viel gegeben, wenn sie ihn besucht, mit selbstgekochtem Essen versorgt oder die Hand gehalten habe. Auslöser für den Heiratsantrag sei eine Tätlichkeit durch Herrn K. gegenüber der Klägerin gewesen. Das sei 2012 gewesen. Die Klägerin habe gesagt: "Jaaa Vater" und erklärt, dass sie aber erst gesund werden wolle. Die Hochzeit sei sehr berührend gewesen. Eine gemeinsame Wohnung hätten sie leider nicht mehr gefunden.

Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes hat das Gericht Befundberichte bei Dr. E. in A-Stadt angefordert, dem langjährigen Hausarzt des Verstorbenen, sowie bei dem behandelnden Urologen Dr. H.. Danach litt der Versicherte unter zahlreichen Erkrankungen wie Zustand nach Oberschenkelamputation beidseits bei komplizierter PAVK und Zustand nach multiplen Gefäßrekonstruktionen, Zustand nach Hirninfarkten 2003 und 2009, zuletzt mit kognitiven Einschränkungen sowie Sprachschwierigkeiten und koronarer Herzkrankheit bei Zustand nach Herzinfarkt 1997, 2001 und 2009. Seit 2010 war ein thorakopulmonales Aortenaneurysma Typ 3 mit Rupturgefahr bekannt und laut Bericht des Klinikums G. vom 22.11.2010 wurde unter Berücksichtigung der ausgeprägten Komorbidität des Patienten und des Hochrisikoprofils in Bezug auf kardiovaskuläre Krankheiten trotz hohen Rupturrisikos von einer operativen Sanierung abgeraten. Am 11.06.2014 wurde in der Praxis des Urologen Dr. H. ein Blasentumor diagnostiziert und vom 26.06. bis 04.07.2014 erfolgte eine stationäre Behandlung in der Kreisklinik E-Stadt - Urologie - mit Entfernung der Harnblase am 01.07.2014. Wegen eines Schocks, ausgelöst durch ein septisches Multiorganversagen und eines zusätzlichen Myokardinfarktes musste sich der Versicherte am 13.07.2014 in die intensivmedizinische Behandlung der Kreisklinik E-Stadt begeben, wo er am 14.07.2014 verstarb.

Die Beklagte hat dazu erklärt, dass der Versicherte letztlich nicht an einer bis zum Datum der Heirat am 31.07.2013 bekannten Erkrankung gestorben sei. Das Urothelkarzinom sei erst kurz vor dem Tod des Versicherten diagnostiziert worden. Bis dahin sei ungeachtet der zahlreichen Erkrankungen nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Versterben innerhalb des nächsten Jahres zu rechnen gewesen. Allerdings ließen die ermittelten Umstände bezüglich der Beweggründe für die Heirat weiterhin auf eine Versorgungsehe schließen.

Weiterhin hat das Sozialgericht die Pflegeakten der AOK Bayern - Pflegekasse - beigezogen.

In der mündlichen Verhandlung am 20.11.2018 hat die Klägerin angegeben, dass sie seit über 25 Jahren eine schwerbehinderte Frau betreue. Nachdem diese 2011 von M-Stadt in die Nähe von H-Stadt umgezogen sei, fahre sie einmal im Monat für ein Wochenende dorthin, um diese zu betreuen. Nach Krankheit und Arbeitslosigkeit, sie habe deswegen vom 13.12.2012 bis 12.05.2014 Krankengeld und vom 13.05.2014 bis 30.11.2014 Arbeitslosengeld bezogen, habe sie ihre frühere Beschäftigung als Finanzbuchhalterin in Teilzeit zum 01.12.2014 in S-Stadt wiederaufgenommen und verdiene ca. 796 € netto, in ihrem Nebenjob 442 €. Während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit und während der Zeit der Arbeitslosigkeit sei ihre finanzielle Situation katastrophal gewesen, da sie nur Sozialleistungen in Höhe von ca. 380 € monatlich bezogen habe. Es sei im Gespräch gewesen, sich eine gemeinsame Wohnung in S-Stadt zu suchen. Konkrete Besichtigungstermine habe es aber keine gegeben. Bei der Hochzeit sei der Versicherte mit dem Rollstuhl noch mobil gewesen, weder senil noch dement, wenn auch etwas verlangsamt. Sie habe wegen der Entfernung zu S-Stadt die Pflege nicht übernehmen können, habe sich aber darum gekümmert, dass der Versicherte gutes Essen erhalte und sich wohlfühle. Sie habe ihm die Hand gehalten und sei mit ihm spazieren gegangen. Sie sei während der Ehezeit ca. zwei bis dreimal wöchentlich nach A-Stadt gefahren. Nach der Verlobung im Frühjahr 2012 hätten sie im Frühjahr 2013 heiraten wollen. Wegen eines Krankenhausaufenthaltes im Frühjahr 2013 sei es dann Ende Juli geworden. Sie habe sich mit ihrem Mann sehr wohlgefühlt, er habe ihr ein Geborgenheitsgefühl gegeben. Mit Herrn K. habe sie seit 2005 keine sexuelle Beziehung mehr geführt. Trotzdem habe sie ihm die Eheschließung verschwiegen.

Der Zeuge K. hat erklärt, dass er mit der Tochter und der Klägerin nach wie vor in einer gemeinsamen Wohnung in S-Stadt lebe. Es sei eine freundschaftliche WG, wobei es 2013/2014 viel Streit gegeben habe. Trotzdem seien sie wie eine normale Familie für das Kind da gewesen. Die Klägerin habe gekocht, gewaschen und geputzt und er sei zuständig für handwerkliche Tätigkeiten. Er trage die Kosten für die Mietwohnung einschließlich Nebenkosten wie Telefon. Erst vor ca. drei Wochen habe er anlässlich der Ladung erfahren, dass die Klägerin verheiratet gewesen sei.

Der Zeuge C. hat ausgesagt, dass er seit 01.08.2003 Pflegeperson für den Versicherten gewesen sei. Dieser sei seit 2000/2003 beidseits oberschenkelamputiert gewesen und habe nach seinem dritten Herzinfarkt 2009 leichte Sprachstörungen gehabt, sei aber nicht senil gewesen. Die Klägerin sei ein- bis dreimal in der Woche, manchmal auch gar nicht, bei dem Versicherten in A-Stadt gewesen und habe ihn mit dem Vorkochen von Mahlzeiten unterstützt. Bei der Heirat sei es dem Versicherten um eine Schutzgemeinschaft gegangen. Er habe gewusst, dass er sich auf die Klägerin habe verlassen können. Er habe sich auch um sie und das Kind gesorgt und etwa Anschaffungen wie Kleidung bezahlt. Der Wunsch des Versicherten sei es gewesen, nach S-Stadt zu ziehen. Man habe eine Wohnung gesucht, aber zu einer Wohnungsbesichtigung sei es nicht gekommen.

Mit Urteil vom 20.11.2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Vorliegend sei zwar die Fallkonstellation eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten nicht erfüllt. Trotzdem sei das Gericht unter Würdigung der Gesamtumstände zu der Überzeugung gelangt, dass die Erlangung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung alleiniger bzw. zumindest der überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei. Für die Versorgungsabsicht spreche zunächst der Zeitpunkt der Heirat. Obwohl die Klägerin und der Versicherte sich seit mehr als 25 Jahren gekannt hätten und befreundet gewesen seien, seien sie die Ehe erst miteinander eingegangen, als die Klägerin wegen ihrer psychischen Erkrankung keiner Erwerbstätigkeit mehr habe nachgehen können und nur unzureichend finanziell abgesichert gewesen sei. Der Versicherte, ein alter schwerkranker Mann, den die Klägerin in der mündlichen Verhandlung mehrmals "Vater" genannt habe, habe offensichtlich das Bedürfnis gehabt, der Klägerin nach seinem Tod eine Versorgung zukommen zu lassen. Dabei sei entscheidendes Indiz auch der Umstand, dass die Ehegatten keinen gemeinsamen Wohnsitz gehabt hätten, keine eheliche Lebensgemeinschaft bestanden habe und die Klägerin nach der Heirat weiterhin "wie eine Familie" in einem gemeinsamen Haushalt in S-Stadt mit ihrer Tochter L. und dem Kindsvater G. K. gelebt habe, dem sie sogar verheimlicht habe, dass sie den Versicherten geheiratet habe. Zwar sei der Vortrag der Klägerin, es sei geplant gewesen, eine gemeinsame Wohnung in S-Stadt zu suchen, vom Zeugen C. bestätigt worden, andererseits sei dieses Vorhaben wenig konkret gewesen, da es nach fast einjähriger Ehedauer bzw. seit angeblich im Frühjahr 2012 erfolgter Verlobung zu keinem einzigen Wohnungsbesichtigungstermin bis Juli 2014 gekommen sei. Im Übrigen bestünden auch Zweifel an der Ernsthaftigkeit eines Umzugswillens, da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, aus der Wohnung in S-Stadt nicht ausgezogen zu sein, da sie ein Jahr Arbeitsleistung und ihr gesamtes Erspartes in die Renovierung dieser Mietwohnung investiert habe. Zugunsten der Klägerin sei auch nicht von einer sogenannten "Pflegeehe" auszugehen. Der Versicherte sei nahezu ausschließlich durch seinen Sohn, den Zeugen C. versorgt worden, der durch den Pflegedienst unterstützt worden sei. Seitens der Klägerin sei seit dem Jahr 2006 zwar die Verhinderungspflege bei Urlaub des Zeugen C. im zeitlichen Umfang von ca. 4 Wochen im Jahr übernommen worden. Abgesehen von gelegentlichen Besuchen, zu denen sie zubereitete Mahlzeiten mitgebracht habe, habe sich diese Pflegesituation aber auch nach der Heirat ab August 2013 nicht geändert. Im Pflegegutachten vom 20.01.2014 sei zwar eine Unterstützung durch eine Nachbarin angesprochen. Die Klägerin als Ehefrau des Versicherten sei darin aber noch nicht einmal erwähnt worden. Dies sei der Klägerin im Rahmen ihrer gelegentlichen Besuche in A-Stadt neben der Betreuung ihrer Tochter und der Versorgung des Familienhaushaltes in S-Stadt auch gar nicht möglich gewesen, zumal es dort für sie keine Übernachtungsmöglichkeit gegeben habe. Auch um die finanziellen Angelegenheiten des Versicherten habe sich weiterhin dessen Sohn gekümmert, der die alleinige Kontovollmacht gehabt habe. Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 13.04.2015, die Klägerin und der Versicherte hätten "ein ganz gewöhnliches Eheleben geführt", begleitet von gemeinsamen Aktivitäten und Urlauben, sei vor allem unter Einbeziehung der Feststellungen der Pflegegutachten nicht nachvollziehbar. Danach sei der Versicherte bei dem Hausbesuch am 20.01.2014 in Nachtwäsche im Bett liegend angetroffen worden, habe die Begutachtungssituation kaum einordnen können, kaum geantwortet und sei zeitlich und situativ desorientiert gewesen. Bereits nach dem Gutachten aus dem Jahr 2011 sei der Versicherte zeitlich situativ nicht immer orientiert gewesen und es sei eine Überwachung der Flüssigkeitsaufnahme dreimal täglich durch einen Pflegedienst erforderlich gewesen.

Am 15.02.2019 hat die Klägerin Berufung gegen das Urteil eingelegt. Es habe sich nicht um eine Versorgungsehe, sondern um eine emotionale Lebensbindung gehandelt. Den Eheleuten könne auch nicht vorgehalten werden, dass der Versicherte aufgrund seiner Behinderung in seiner rollstuhlgerechten Wohnung geblieben sei, während die Klägerin mit ihrer Tochter, die in S-Stadt die Schule besucht habe, in ihrer Wohnung verblieben sei. Schließlich sei es wie vom Zeugen C. beschrieben in der Wohnung der Klägerin mehrfach zu Wohnsituationen mit Dritten gekommen, so von 2008 bis 2011, wobei es nicht nur zu erniedrigenden Situationen, sondern auch zu einer gesundheitlichen Gefährdung der Tochter gekommen sei. Die Klägerin habe mindestens dreimal die Woche den Versicherten besucht und zubereitetes Essen mitgebracht. Auch eine Suche nach einer geeigneten Wohnung in S-Stadt habe es gegeben. Allerdings seien ihnen die vorhersehbaren Schwierigkeiten angesichts der schweren Behinderung des Versicherten bewusst gewesen. Trotz seiner Behinderung sei der Versicherte zu Gefühlen in der Lage gewesen. Nicht zutreffend sei, dass der Versicherte alle Rechnungen bezahlt habe. Tatsächlich hätten sie, als es noch gesundheitlich ging, mit ihm auch vergleichsweise normale Urlaube verbracht. Zum Trinkverhalten sei anzumerken, dass dieses aufgrund des abnehmenden Durstgefühls problematisch gewesen sei. Die Klägerin und der Sohn des Versicherten hätten bemerkt, dass die geistige Kondition stark abhängig vom Trinkverhalten sei. Bei der MDK Begutachtung sei der Versicherte dehydriert und daher verwirrt gewesen. Dies habe aber daran gelegen, dass der MDK aufgegeben habe, die Trinkgewohnheiten des Versicherten für 48 Stunden nicht zu beeinflussen. Nach dem Schlaganfall habe der Versicherte zwar verzögert geantwortet, aber inhaltlich völlig richtig und nicht desorientiert. Schließlich sei der Versicherte deshalb vorzeitig gestorben, da eine Nicht-versorgung durch einen Ersthelfer erfolgt sei. Der gerufene Sanitäter habe keine erste Hilfe geleistet. Insoweit habe es auch ein Strafverfahren mit einer Verurteilung gegeben. Auch habe die Klägerin nie jemandem auf der Tasche liegen wollen, sondern immer Wert darauf gelegt, selbst Geld zu verdienen. Angebotenes Geld des Versicherten habe sie nicht angenommen. Die Bezeichnung des Versicherten als "Vater" beruhe darauf, dass die Klägerin den Versicherten schon den jungen Jahren gekannt habe und dieser von ihr aufgrund der Namensgleichheit eher als "Vater" und der Zeuge C. als "A." bezeichnet worden sei.

Der Senat hat zum Verfahren die Pflegegutachten des MDK Bayern vom 16.09.2011 und 20.01.2014 angefordert. Nach dem Pflegegutachten vom 16.09.2011 erfolgte die Begutachtung zur Überprüfung der Wohnraumsituation bei nicht ausreichend breiter Badezimmertüre und nach Angaben des pflegenden Sohnes nicht aufgrund einer eingetretenen Verschlechterung. Aus dem Pflegegutachten vom 20.01.2014 ergibt sich, dass seit 01.07.2012 eine in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz des Klägers bestand. Die Klägerin findet als Ehefrau darin keine Erwähnung.

Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.11.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.07.2015 zu verurteilen, der Klägerin antragsgemäß Witwenrente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 12.01.2015 und der Widerspruchsbescheid vom 07.07.2015 sind gegenüber der Klägerin rechtmäßig ergangen. Die Klägerin hat auch zur Überzeugung des Senats keinen Anspruch der auf Gewährung von großer Witwenrente gemäß § 46 Abs. 1, 2 Nr. 2 Sechstes Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VI).

Dem Anspruch der Klägerin auf Gewährung der großen Witwenrente steht § 46 Abs. 2a SGB VI entgegen. Danach haben Witwen keinen Anspruch auf Witwenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

1.
Hier liegt zwischen der Eheschließung am 31.07.2013 und dem Tod des Versicherten am 14.07.2014 nur eine kurze Ehedauer i.S.d. § 46 Abs. 2a SGB VI. Dabei spielt es rechtlich keine Rolle, dass der Versicherte nur wenige Wochen vor Ablauf der Jahresfrist ab Heirat gestorben ist und ob er bei rechtzeitiger Hilfeleistung noch länger hätte leben können. Eine Rentengewährung kommt auch in diesem Fall nur in Betracht, wenn die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe widerlegt ist. Dies ist nicht der Fall.

2.
§ 46 Abs. 2a SGB VI enthält eine gesetzliche Vermutung, mit der unterstellt wird, dass beim Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung war. Diese gesetzliche Vermutung ist allerdings widerlegbar. Die Widerlegung der Rechtsvermutung erfordert nach §§ 202 SGG, 292 Zivilprozessordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils (KassKomm/ Gürtner, 108. EL März 2020, SGB VI § 46 Rn. 46a-46c, mwN).

Die Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI ist als solche verfassungsmäßig. Die Hinterbliebenenversorgung gehört selbst bei langjährig bestehenden Ehen nicht zu den von Art 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten Rechtspositionen (Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 18.02.1998 - BVerfGE 97, 271, 284 -). Auch aus dem Gleichheitssatz (Art 3 Abs. 1 GG) kann deswegen kein Anspruch der Klägerin auf Witwenrente abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 05.05.2009 - B 13 R 53/08 R -, auch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens).

Die gesetzliche Vermutung ist widerlegt, wenn Umstände vorliegen, die trotz kurzer Ehedauer nicht auf eine Versorgungsehe schließen lassen. Besondere Umstände sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles, die nicht schon von der Vermutung selbst erfasst und geeignet sind, einen Schluss auf den Zweck der Heirat zuzulassen (BSG, Urteil vom 28.03.1973 - 5 RKnU 11/71 -). Es sind vor allem solche Umstände von Bedeutung, die auf einen von einer Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund schließen lassen. Hierbei hat eine Gesamtwürdigung aller Umstände zu erfolgen. Dabei kommt es auf die (ggf. auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an (BSG, Urteil vom 05.05.2009 - B 13 R 55/08 R -), wobei es grundsätzlich ausreicht, wenn für einen Ehegatten die Versorgungsabsicht keine Rolle spielte, gleich, ob dies der Versicherte oder der überlebende Ehegatte war (Gürtner, a.a.O., Rn. 46c). Die Erwartung eines Versicherten, der fremder Hilfe bedarf, mit der Heirat seine Wartung und Pflege sicherzustellen (Pflegeehe), ist jedenfalls dann nicht mit einer Versorgungsehe gleichzusetzen, wenn sein Ableben nach den gesundheitlichen Verhältnissen zurzeit der Eheschließung nicht in absehbarer Zeit zu erwarten war und die eheliche Lebensgemeinschaft nach der Heirat auch tatsächlich eingegangen wurde (BSG, Urteil vom 03.09.1986 - 9a RV 8/84 -).

Daneben sprechen folgende beispielhaft genannten "besonderen Umstände" gegen eine Versorgungsehe (vgl. Ringkamp in Hauck/Noftz, SGB, 02/16, § 46 SGB VI Rn. 38):
- Plötzlicher unvorhersehbarer Tod (z. B. durch Unfall, Verbrechen, schwere Erkrankung).
- Schwangerschaft (vgl. OVG Hamburg in DÖV 1960, 842) oder Vorhandensein gemeinsamer leiblicher Kinder.
- Nachholung einer gültigen deutschen Trauung durch hier in ungültiger Ehe nach ausländischen Recht lebende Ausländer (vgl. LSG Rheinland-Pfalz in Breith. 1977, 316 ff.)
- Erziehung eines minderjährigen Kindes des verstorbenen Versicherten durch den Hinterbliebenen (vgl. Fürst in GKÖD, Band I, § 19 BeamtVG Rz 30).

3.
Keiner dieser Umstände ist vorliegend gegeben.

3.1.
Insbesondere kann angesichts des hohen Alters der Versicherten von fast 80 Jahren und der zahlreichen Vorerkrankungen bei dem aufgrund von Herzversagen eingetreten Tod nicht von einem plötzlich und unvorhergesehen eingetretenen Ereignis gesprochen werden. Nach dem Befundbericht des Klinikums G. vom 22.11.2010 bestand bereits damals ein Hochrisikoprofil in Bezug auf kardiovaskuläre Krankheiten, weswegen von einer klinisch indizierten Operation eines thorakopulmonales Aortenaneurysma abgesehen wurde. Nach mehreren Herzinfarkten, zuletzt 2009 bestanden kognitive Defizite und Einschränkungen der Sprachproduktion und seit 01.07.2012 ist eine in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz gemäß 45a Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) festgestellt worden, u.a. wegen der Unfähigkeit, die eigenen körperlichen und seelischen Bedürfnisse wahrzunehmen und wegen der Störung der höheren Hirnfunktionen (Beeinträchtigungen des Gedächtnisses und herabgesetztes Urteilsvermögen). Auch wenn bei diesem medizinischen Befund nicht die Annahme berechtigt war, die Ehe wäre bei offensichtlich lebensbedrohlicher Erkrankung vor dem Hintergrund eines baldigen Ablebens geschlossen worden, kann bei diesem Krankheitsbild auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Tod völlig unerwartet eingetreten ist.

3.2.
Es hat sich ungeachtet der Pflegebedürftigkeit des Versicherten bereits vor der Eheschließung auch nicht um eine sog. Pflegeehe gehandelt.

Nach der insoweit grundlegenden Entscheidung des BSG vom 03.09.1986 (Az.: 9a RV 8/84) kann typisierend davon auszugegangen werden, dass jemand, der dauernd auf fremde Hilfe angewiesen ist, mit der Heirat seine Wartung und Pflege sicherstellen möchte, um dadurch seine Lebenssituation zu verbessern. Diese Erwartung beruht auf der mit der Eheschließung verbundenen gesetzlichen Verpflichtung, die eheliche Lebensgemeinschaft einzugehen (§ 1353 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -), die als Wesensinhalt die Beistandspflicht in allen Lebenslagen beinhaltet. Im Vergleich zu einer zur Verfügung stehenden fremden Pflegekraft soll der Pflegebedürftige nach der Argumentation des BSG durch die Heirat unschätzbare Vorteile erlangen. Nicht nur, dass die Pflege keiner bestimmten zeitlichen Beschränkung mehr unterliege, sondern in Notfällen rund um die Uhr sichergestellt sei, sei auch die Aufgabenzuweisung in keiner Weise mehr begrenzt. Allerdings gilt dies nur, wenn das Ableben des pflegebedürftigen Versicherten auf Grund seiner gesundheitlichen Verhältnisse zur Zeit der Eheschließung nicht in absehbarer Zeit zu erwarten ist und wenn die Witwe nach der Heirat die eheliche Lebensgemeinschaft auch tatsächlich eingegangen ist. Auch in diesen Fällen mag zwar die Aussicht auf einen späteren Hinterbliebenenrentenanspruch quasi Gegenleistung für die Pflege des Versicherten sein, vorrangiger Wunsch des Versicherten ist dann aber die Sicherstellung der eigenen Versorgung (Bohlken in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 46 Rn. 122.1). Was unter einer ehelichen Lebensgemeinschaft zu verstehen ist, ist in § 1353 BGB nicht definiert. Tatsächlich handelt es sich um eine Vielzahl von Pflichten, wie sie seit reichsgerichtlichen Zeiten von der Rechtsprechung herausgearbeitet worden sind. Diese beziehen sich auf Bereiche wie Fürsorge, Unterstützung, Liebe, Achtung und Rücksichtnahme und die gemeinsame Haushaltsführung sowie finanzielle Unterstützung. Dabei ist unter der Lebensgemeinschaft der Ehegatten primär die wechselseitige innere Bindung der Ehegatten zu verstehen. Der Begriff der ehelichen Lebensgemeinschaft ist u.a. abzugrenzen vom Begriff des Getrenntlebens (Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft, vgl. § 1567 BGB). Da die häusliche Gemeinschaft dabei nur einen äußeren, freilich nicht notwendigen Teilaspekt dieser Gemeinschaft bezeichnet (BGH, Urteil vom 07.11.2001 - XII ZR 247/00 -, BGHZ 149, 140-146; vgl. auch Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 7. Aufl., Teil II Rz. 135 ff.), kann zwar im gegenseitigen Einvernehmen eine abweichende Lebensgestaltung vereinbart werden, z.B. wenn sich das Paar erst im Alter kennengelernt hat (Brandenburg FamRZ 2008, 1534; vgl. auch Grandel in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 1353 BGB, Rn. 12). Allerdings kann der Begriff der ehelichen Lebensgemeinschaft bei der Prüfung einer Pflegeehe im Sinne der Rechtsprechung nicht losgelöst von dem danach mit der Lebensgemeinschaft verfolgten Zweck der umfassenden Pflege und Versorgung des pflegebedürftigen Versicherten beurteilt werden. Danach ist vorliegend von den Eheleuten keine Lebensgemeinschaft als Voraussetzung für eine sog. Pflegeehe begründet worden, weil der Zweck der Pflegeehe in der von den Eheleuten gewählten Lebensform mit getrennten Wohnungen und Versorgung durch Dritte nicht verwirklicht werden konnte. Schließlich muss ungeachtet der Frage, ob entsprechend der Regelungen des bürgerlichen Rechts eine Lebensgemeinschaft begründet worden ist, auch festgestellt werden können, dass der Versicherte tatsächlich die Erwartung hatte, mit der Heirat seine Pflege sicherzustellen (Bayerisches LSG, Urteil vom 25.10.2017 - L 19 R 494/15 - juris Rn. 49 f.). Nur in diesem Fall ist der rechtlich schützenswerte Wunsch des Versicherten nach einer Sicherstellung seiner häuslichen Pflege und ggf. auch begleiteten Sterbens im häuslichen Bereich geeignet, die Annahme einer Versorgungsehe und entgegenstehende im Vordergrund stehende Versorgungsabsichten eines oder beider Ehepartner zu überlagern (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.06.2012 - L 8 R 239/10 -, juris).

Danach liegen vorliegend keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Versicherte mit der Eheschließung seine eigene Versorgung sicherstellen wollte. Dies wird von der Klägerin auch nicht vorgetragen. Tatsächlich war beiden Ehepartnern klar, dass die Eheschließung zunächst nichts an der bestehenden pflegerischen Situation ändern würde, die von der Pflege durch den Sohn, den Zeugen C., unterstützt durch Pflegedienste, Nachbarn und unter anderem die Klägerin geprägt war. Dies ergibt sich übereinstimmend aus allen im Verfahren abgegebenen Erklärungen und den beigezogenen Unterlagen der Pflegekasse. Erst wenn es den Ehepartnern gelungen wäre, eine gemeinsame Wohnung in S-Stadt zu finden, in der der Versicherte durch die Klägerin hätte versorgt werden können, hätte sich bei familiärer Bindung der Klägerin an den Wohnsitz in S-Stadt überhaupt die Möglichkeit einer weitergehenden Pflege durch die Klägerin ergeben. Es liegen jedoch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Eheleute sich tatsächlich ernsthaft um eine solche gemeinsame Wohnung bemüht haben. Die Chance, eine solche Wohnung auch zu finden, ist übereinstimmend als sehr gering angesehen worden, was das Fehlen entsprechender Bemühungen aber nicht unbeachtlich macht.

3.3.
Auch in einer Zusammenschau der geschilderten Umstände, wie sie sich insbesondere aus der umfangreichen Darlegung des Zeugen C. in seiner Stellungnahme für das
Sozialgericht ergeben, überwiegen die für die Annahme einer Versorgungsehe sprechenden Gesichtspunkte. Anhaltspunkte, die geeignet wären, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen, liegen danach nicht vor. Insoweit wird zunächst gemäß
§ 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urtei verwiesen und ergänzend ausgeführt:

Die über Jahrzehnte andauernde Beziehung des Versicherten (und seines Sohnes) zur Klägerin und ihrer Tochter war insgesamt freundschaftlich und von der Sorge um die Klägerin und ihre Tochter geprägt. Eine sexuelle Beziehung ist zu keinem Zeitpunkt angegeben worden. Diese hat nur anfangs mit dem Sohn des Versicherten bestanden, der ihr weiterhin freundschaftlich zugewandt war. Aus Sicht des Zeugen C. und nach seiner Aussage auch des Versicherten ging es der Klägerin bei dem Vater ihrer Tochter, mit dem sie bis heute zusammenlebt, nicht gut. Dies ist in der Berufungsbegründung auch von der Klägerin noch einmal hervorgehoben worden. Danach war die Situation der Klägerin insbesondere zu dem Zeitpunkt, als die Hochzeit beschlossen und ein Jahr später vollzogen wurde (2012/2013), vor allem von wirtschaftlicher Not und Krankheit der Klägerin geprägt, wobei die Klägerin vom Vater ihrer Tochter keine Unterstützung erfahren hat. Anlass für den Heiratsantrag des Versicherten soll eine Zuspitzung der Situation in S-Stadt nach Aufnahme anderer Personen in die Wohnung und einem gewalttätigen Übergriff des Kindsvaters gewesen sein. Selbst wenn diese Schilderung uneingeschränkt der Beurteilung des Senats zugrunde gelegt wird, ergibt sich danach ein Bild, in dem die Klägerin einerseits als schutzbedürftig und leidend und andererseits als fürsorglich dem Versicherten zugewandt beschrieben wird. Sowohl der Versicherte als auch sein Sohn hätten danach nicht mehr ertragen, mit anzusehen, wie schlecht die Klägerin von dem als wenig fürsorglich bis gewalttätig beschriebenen Vater ihrer Tochter behandelt wird. Um die Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft, wie es § 1353 BGB vorsieht, ist es danach zu keinem Zeitpunkt gegangen, sondern ausschließlich um die Unterstützung der Klägerin. Letztlich kann auch das von der Klägerseite verwendete Bild der Schutzgemeinschaft vor diesem Hintergrund nicht anders verstanden werden, als dass es jedenfalls überwiegend darum ging, die Klägerin finanziell abzusichern. Zu Recht hat dabei das Sozialgericht vor allem auf die nach den eigenen Angaben der Klägerin finanziell katastrophale Situation der Klägerin in der Zeit der Verlobung und Eheschließung abgestellt.

Dahingestellt bleiben kann dabei, ob der Versicherte ungeachtet der ärztlicherseits festgestellten kognitiven Defizite die Entscheidung zur Eheschließung noch selbst getroffen hat. Allerdings sind die Angaben in der Berufungsbegründung, wonach die im Pflegegutachten vom 16.09.2011 beschriebene Verwirrtheit mit der zu überprüfenden Trinksituation in Zusammenhang gestanden habe, nach den Feststellungen des Gutachtens nicht nahvollziehbar.

Diesem Bild ist die Klägerin in ihrer eigenen Schilderung in den mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht nicht entgegengetreten. Für sie hat sich danach durch die Eheschließung nichts geändert. Sie hat den Versicherten wie vorher im Rahmen ihrer zeitlichen Möglichkeiten besucht, für ihn Essen gekocht und mit ihm Zeit verbracht. Eine eigene, von der Annahme einer Versorgungsehe abweichende Motivation ist von ihr nicht vorgetragen worden. Sie hat die Tatsache, dass sie geheiratet hat, auch dem Vater ihrer Tochter, mit dem sie bis heute zusammenlebt, nie mitgeteilt. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie keine Gründe angeben können, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten.

Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf dem Umstand, dass die Klägerin auch in zweiter Instanz erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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