Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.05.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin macht die Aufhebung bestandskräftig gewordener Verwaltungsakte der Beklagten geltend, mit denen die Beklagte es abgelehnt hatte, die Kosten für Nahrungsergänzungsmittel, Medikamente sowie ambulante privatärztliche Behandlungen, die sich die Klägerin in den Jahren 2013 bis 2014 selbst beschafft hatte, zu übernehmen.
Die 1959 geborene Klägerin ist Mitglied der beklagten Krankenkasse. Im Oktober 2010 wurde bei ihr Brustkrebs diagnostiziert. Die Behandlung dieser Erkrankung erfolgte durch eine operative Entfernung (Resektion) des Tumors (brusterhaltende Operation). Eine Strahlentherapie und eine Chemotherapie lehnte die Klägerin ab. Stattdessen führte sie ab 2011 eine biologische Tumorbehandlung durch und nahm Maßnahmen der komplementären Onkologie in Anspruch. Die Beklagte beteiligte sich an den Kosten eines stationären Aufenthalts der Klägerin in der H Klinik B vom 10.09. bis 02.10.2013.
Mit Schreiben vom 20.05.2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine weitere Kostenübernahme für privatärztliche Behandlungen, Medikamente bzw sonstige Präparate (zB Vitamin D, Selen, Zink; vgl Rechnung vom 02.07.2014, Bl 5 der Verwaltungsakte), Nahrungsergänzungsmittel und Nahrungsmittel (zB Kräutertee; vgl Rechnungen vom 11.01.2013, Bl 37 der Verwaltungsakte, und vom 04.08.2014, Bl 20 der Verwaltungsakte) in Höhe von insgesamt 1.922,64 € und reichte entsprechende Rechnungen ein (Bl 1 bis 10 und 13 bis 39 der Verwaltungsakte). Sie machte geltend, anhand der bisher angefallenen Kosten sei zu erkennen, dass sie nötige Untersuchungen, Behandlungen und Medikamente sehr sorgfältig ausgewählt habe und Unnötiges vermeide. Dennoch seien im Laufe der Zeit einige zusätzliche Kosten angefallen. Sie wisse ja, wenn sie sich immer etwas Medizinisches hätte verordnen lassen, dann hätte die Beklagte diese Mittel auch bezahlt. Ihr Gefühl habe ihr aber stattdessen meist zu weniger belastenden Mittel geraten. Bisher habe sie damit immer richtiggelegen. Wenn einige Mittel auf den ersten Blick auch nichts mit ihrer Krebserkrankung zu hätten, so seien sie doch Bestandteil ihrer ganzheitlichen Behandlung. Es gehe einfach darum, möglichst viele Schadstoffe fernzuhalten. Mit Bescheid vom 22.05.2015 und Widerspruchsbescheid vom 12.08.2015 lehnte die Beklagte eine Erstattung der geltend gemachten Kosten ab. Rechtsbehelfe gegen diese Entscheidung wurden nicht eingelegt.
Mit Schriftsatz vom 02.05.2016 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, den Bescheid vom 22.05.2015 gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu überprüfen. Zur Begründung führte er an, es seien Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes unzureichend berücksichtigt worden. Nachdem die Beklagte in der Vergangenheit die Kosten für privatärztliche Behandlungen und die Fiebertherapie übernommen gehabt habe, sei es ihr nach Treu und Glauben verwehrt, sich ohne Ankündigung auf das Fehlen eines vorherigen Antrags zu berufen. Mit Bescheid vom 11.05.2017 und Widerspruchsbescheid vom 27.09.2017 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 22.05.2015 ab mit der Begründung, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung.
Hiergegen hat die Klägerin am 26.10.2017 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und die Erstattung iHv 1.585,92 € begehrt (vgl Bl. 27 SG-Akten). Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchsverfahren.
Das SG hat in dem Klageverfahren (ebenso wie in den Verfahren S 16 KR 1972/17 und S 16 KR 784/18) E auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gutachtlich gehört. In seinem Gutachten vom 27.12.2019 hat der Sachverständige folgende Diagnose gestellt: invasiv ductales Mamma-Karzinom rechts pT2 G3 pN0 (0/2 SN) M0 ER neg PR neg Her2 neu negativ ED10/10. Bei der Klägerin habe ein schlecht differenzierter Krebs mit sehr schnellem Wachstum und verstärkter Tendenz zur Streuung vorgelegen. Außerdem habe bei ihr eine dreifach negative Konstellation vorgelegen. Beim dreifach negativen (triple negative) Brustkrebs befänden sich auf der Oberfläche der Krebszellen keine Bindungsstellen (Rezeptoren) für die Hormone Östrogen und Progesteron, auch der humane epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptor Typ 2 (Her2) sei nicht ausgeprägt. Nach der brusterhaltenden Resektion 2010 seien Maßnahmen aus der biologischen Tumorbehandlung bzw komplementären Onkologie erfolgt. Eine Bestrahlung und Chemotherapie seien nicht durchgeführt worden. Die Laboruntersuchungen zeigten eine persistierende Erhöhung des Tumormarkers TKTL1 als Hinweis für ein weiterhin bestehendes Tumorproblem. Die Leukopenie, Lymphopenie, die Defizite einiger T-Lymphozytenuntergruppen wiesen auf eine verminderte Immunabwehr hin, sowohl der Lymphozyten-Zellzahl als auch der Lymphozyten-Funktion. Die aktive Fiebertherapie sei für die Klägerin eine geeignete Therapieform. Aufgrund der dauerhaften zellulären Immunabwehrschwäche bei weiterbestehendem erhöhten Tumorrezidivrisiko müsse diese Therapie dauerhaft fortgeführt werden. Die Fiebertherapie werde in Deutschland in stationären Einrichtungen durchgeführt. Der Grund sei die Notwendigkeit der Überwachung und Versorgung den ganzen Tag über und die Einbettung in ein begleitendes Therapiekonzept. Die vorhandenen Daten über die Wirksamkeit der aktiven Fiebertherapie beim Mammakarzinom stammten aus Fallberichten, da eine Großserie mit Doppelverblindung nie habe durchgeführt werden können. Bei der Klägerin bestehe eine besonders bösartige Unterform des Brustkrebses. Ohne wirksame Therapie verlaufe diese Krankheit regelhaft desaströs. Die Klägerin habe 2010 mit der biologischen Tumorbehandlung begonnen und sei bis heute rezidivfrei.
Mit Urteil vom 14.05.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 11.05.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2017 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie habe keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 22.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.08.2015, die Ablehnung der Kostenerstattung sei rechtmäßig. Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Klägerin auf Rücknahme des Bescheids vom 22.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.08.2015 sei § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach sei ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien. Diese Voraussetzungen seien jedoch nicht erfüllt. Die Beklagte habe weder das Recht unrichtig angewandt noch sei sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel und privatärztliche Behandlungen in Höhe von 1.922,64 € im Zeitraum Januar 2013 bis Dezember 2014. Nach § 13 Abs 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) dürfe die Krankenkasse Kosten anstelle der Sach- oder Dienstleistungen nur erstatten, soweit dies gesetzlich vorgesehen sei. Im vorliegenden Fall komme als Anspruchsgrundlage für eine Kostenerstattung nur § 13 Abs 3 SGB V in Betracht. Ein Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V scheide aus. Ein solcher Anspruch setze voraus, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig habe erbringen können. Eine unaufschiebbare Leistung liege vor, wenn die begehrte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich sei, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr bestehe, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten dürfe dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten könne oder zB wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten sei. Unaufschiebbar könne danach auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange warte, bis die Leistung zwingend erbracht werden müsse, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten werde (stRspr, Hinweis auf BSG 24.04.2018, B 1 KR 29/17 R). Dafür, dass es der Klägerin unzumutbar gewesen sei, vor der Beschaffung zunächst eine Entscheidung der Beklagten abzuwarten, sei nichts vorgetragen und auch nichts ersichtlich.
Auch ein Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V sei nicht gegeben. Ein solcher setze voraus, dass ein Naturalleistungsanspruch des Versicherten bestanden habe, der durch die Krankenkasse rechtswidrig nicht erfüllt - also etwa abgelehnt - worden sei, und der Versicherte sich die entsprechende Leistung aufgrund der rechtswidrigen Ablehnung selbst beschafft habe. Hier scheitere der Anspruch an der fehlenden Kausalität zwischen Ablehnung und Beschaffung. An einer solchen Kausalität fehle es, wenn die Krankenkasse vor der Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden sei, obwohl dies möglich gewesen wäre (stRspr, Hinweis auf BSG 30.06.2009, B 1 KR 5/09 R, mwN). Nach dem Vortrag der Beteiligten und aus der vorgelegten Verwaltungsakte ergebe sich jedoch, dass die Beklagte erstmals durch das Schreiben vom 20.05.2015 mit der beanspruchten Kostenerstattung befasst worden sei. Die Voraussetzungen der vorherigen Befassung der Krankenkasse gälten auch, soweit es sich um nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel handele (Hinweis auf BSG 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R, juris).
Auch aus einer Selbstbindung der Verwaltung aufgrund des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzips, auf das sich die Klägerin im Rahmen des Verwaltungsverfahrens berufen habe, lasse sich ein Anspruch auf Kostenerstattung nicht herleiten. Zum einen habe die Klägerin schon nicht dargelegt, ob hinsichtlich der 2013 gewährten Kostenerstattung von einem gleichen Sachverhalt ausgegangen werden müsse. Die Umstände der damaligen Gewährung, etwa ob die Antragstellung noch vor der Beschaffung erfolgt sei, seien nicht vorgetragen worden. Letztlich komme es aber auch hierauf nicht an, denn selbst wenn die Beklagte in der Vergangenheit entgegen der Regelung des § 13 Abs 1 SGB V ohne Rechtsgrundlage Kosten erstattet hätte, sei hierdurch keine Selbstbindung erfolgt, denn eine solche setze in jedem Fall eine rechtmäßige Verwaltungspraxis voraus, was aber hier nicht der Fall wäre.
Gegen dieses Urteil, das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 28.05.2020 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 26.06.2020 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 26.08.2020 begründet. Das SG verkenne, dass sie keine vertragsärztliche Leistung begehre, sondern einen Anspruch auf außervertragsärztliche Versorgung nach den so genannten „Nikolaus" - Grundsätzen, welche nun gesetzlich in § 2 Abs la SGB V normiert worden seien, geltend mache. Maßgeblich sei alleine, ob ihr unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 2 Abs la SGB V ein außervertragsärztlicher Leistungsanspruch zustehe. Das sei der Fall, sofern folgende drei Voraussetzungen kumulativ gegeben seien:
1. Das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung,
2. Das Fehlen einer allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden Leistung,
3. Die nicht ganz entfernt liegende Aussicht, zumindest auf spürbar positive Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf.
Diese Anspruchsvoraussetzungen lägen im Streitfall vor.
Sie - die Klägerin - leide unstreitig an einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Die besonderen Umstände der Erkrankung ließen keinen anderen Schluss zu. Krebserkrankungen seien regelmäßig lebensbedrohlich und könnten nicht an relativen Heilungsprognosen gemessen werden. Sofern diese Erkrankungen nicht therapiert würden, verliefen sie unweigerlich tödlich. Unabhängig von der Frage der Heilungschancen könne dementsprechend ein Rückfallrisiko, das Auftreten von Rezidiven, nicht vollständig ausgeschlossen werden. Es sei daher zumindest mittelbar von einer Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung auszugehen. In diesem Zusammenhang werde auf die Rechtsprechung des BVerfG verwiesen. Dieses habe hierzu ausgeführt: Der Annahme eines lebensbedrohlichen Zustands stehe nicht entgegen, dass die Erkrankung noch nicht das Stadium einer akuten Lebensgefahr erreicht habe. Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass eine Krankheit auch dann als regelmäßig tödlich zu qualifizieren sei, wenn sie „erst" in einigen Jahren zum Tod des Betroffenen führe (Hinweis auf BVerfG vom 06.02.2007,1 BvR 3101/06, juris Rz 22 ff)
Ferner stünden ihr - der Klägerin - keine allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden Leistungen zur Verfügung. Hierzu sei bereits umfassend vorgetragen worden. Ferner sei das Wirtschaftlichkeitsgebot zu berücksichtigen. Dies sei eines der Grundprinzipien der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie verzichte gerade auf klassische Behandlungsmethoden und veranlasse hierdurch eine erhebliche Kostenentlastung der Versichertengemeinschaft. Hätte sie ausschließlich auf Standardtherapien wie die Chemotherapie und Bestrahlung zurückgegriffen, entstünden durch die wiederholt erfolglosen Therapien unnötige Kosten für die Sozialgemeinschaft. Diese Kostenbelastung würde sich insoweit durch die krankenstandsbedingte Zusatzbelastung sogar erheblich erhöhen.
Es habe auch eine hinreichende Erfolgsaussicht der begehrten Immuntherapie bestanden. Die erforderlichen Aussichten auf eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf erforderten eine Risiko-/Nutzen-Analyse. Ausgehend vom erstrebten Behandlungsziel - dem Erkennen, Heilen oder Lindern einer Erkrankung - habe eine abstrakte und konkrete Prüfung im Einzelfall stattzufinden (Hinweis auf BSG vom 07.11.2006, B 1 KR 24/06, NJW 2007, 1385). Hierbei unterliege der zu verlangende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ebenso wie das vertretbare Risiko - abhängig von der Schwere und dem Ausmaß der Erkrankung - Abstufungen. Wörtlich habe das Bundessozialgericht insoweit ausgeführt: „... dabei sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen, je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen an die ernsthaften Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg.“ (mit ähnlicher Tendenz schon: Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, 179; Laufs in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Auflage 2002, § 130, Rn. 23). Danach könnten als Beurteilungsgrundlage beim Fehlen anderer Studien auch „Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte, uÄ; nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Experten, Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen" in Betracht kommen (Hinweis auf BSG 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, juris Rn 40 - Tomudex)
Liege überdies - wie im Streitfall - eine lebensbedrohliche, wenig erforschte Erkrankung vor, sei es bereits ausreichend, wenn die Annahme gerechtfertigt sei, dass der voraussichtliche Nutzen der Behandlungsmaßnahme die möglichen Risiken überwiege (Hinweis auf BSG 19.10.2004, B 1 KR 27/02, BSGE 93, 236 - Visodyne). Alleine durch die selbstbeschaffte Therapie (in Kombination mit den Therapien der anderen Verfahren) habe eine Verbesserung erreicht werden können. Es habe ein Rezidiv vermieden werden können. Sie sei in ihrer Mobilität nicht mehr eingeschränkt gewesen. Die Therapie sei sehr gut vertragen worden und habe zu einer signifikanten Verbesserung ihres Allgemeinzustandes geführt. Weiter habe sich ihre Lebensqualität verbessert. Diese - sehr kurzfristig erreichte - wesentliche Verbesserung ihres Allgemeinbefindens, insbesondere der signifikante Rückgang der Schmerzen, könne in der vorliegenden Behandlungssituation nur als erheblicher Therapieerfolg gewertet werden. Das Bundesverfassungsgericht habe in einem Fall der außervertraglichen Leistung ausgeführt (Hinweis auf Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 26.02.2013, 1 BvR 2045/12, zitiert nach juris, Rn 15), dass für die Frage, ob eine Behandlung mit Mitteln der Schulmedizin in Betracht komme und inwieweit Behandlungsalternativen zur Verfügung stünden, zunächst das konkrete Behandlungsziel zu klären sei. Dabei seien nach Möglichkeit die Heilung der Krankheit als das vorrangige Ziel anzustreben, während die Verhütung einer Verschlimmerung oder die Linderung von Krankheitsbeschwerden regelmäßig nachrangige Behandlungsziele seien. Biete die Schulmedizin nur noch palliative Therapien an, weil sie die Möglichkeit kurativer Behandlungen als aussichtslos ansehe, komme die Alternativbehandlung nur dann in Betracht, wenn eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg bestehe. Dagegen schieden rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch Indizien gestützt seien, aus.
Vorliegend liege hier die Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausgehenden Erfolg vor. Es müsse das Gesamtkonzept der Therapie gesehen werden. Sie sei mit einer Fiebertherapie mit Immuntherapie im Anschluss an die erfolglosen Standardtherapien behandelt worden. Die Therapie habe zu einer signifikanten Verbesserung ihres Allgemeinzustandes, zu einer erheblichen Verbesserung ihres Gesundheitszustandes und ihres Wohlbefindens geführt. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass ein über die palliativen Standardtherapien hinausgehender Erfolg nicht nur darin liegen könne, dass eine Aussicht auf Heilung bestehe. Vielmehr könne der Erfolg auch in einer nicht unerheblichen Verlängerung der Lebenserwartung oder einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität bestehen. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht in der oben genannten Entscheidung alleine ausgeführt, dass Versicherte nicht auf eine die Linderung der Krankheitsbeschwerden zielende Standardtherapie verwiesen werden könnten, wenn durch eine Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernt liegende Möglichkeit auf Heilung bestehe. Dies bedeute im Umkehrschluss aber nicht, dass alleine ein Anspruch auf solche Therapien bestehen könne, bei denen eine Aussicht auf Heilung bestehe. Denn die genannte Aussage des Bundesverfassungsgerichts sei auf die Sachverhaltskonstellation zurückzuführen, dass die von ihm überprüfte Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts offengelassen habe, ob eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung bestehe, und dies zunächst zu klären gewesen sei. Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts könne hingegen nicht entnommen werden, dass nur dann ein Anspruch bestehe, wenn ein kurativer Erfolg möglich erscheine. Denn unter Berücksichtigung des grundgesetzlichen Schutzes des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit aus Art 2 Abs 2 Satz 1 GG müsse für die Annahme eines über die Standardbehandlung hinausgehenden Erfolgs bereits ausreichen, dass Aussichten auf eine nicht unerhebliche Lebensverlängerung gegenüber der Standardtherapie bestünden. Gehe es um Leben und Tod, müsse der gesetzlich Krankenversicherte sich nicht auf eine im Vergleich zur neuen Behandlungsmethode weniger wirksame Standardtherapie verweisen lassen. Vorliegend bestehe eine auf Indizien gestützte, nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, die im Falle einer Verbesserung der Lebensqualität und erst recht bei einer Verlängerung des Lebens gegeben sei (Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen 22.02.2007, L 5 B 8/07 KR ER, juris Rn 26; LSG Nordrhein-Westfalen 05.03.2007, L 16 B 10/07 KR ER; Bayerisches LSG 13.06.2006, L 5 KR 222/05).
Hinsichtlich der Bedenken, ob die klägerische Forderung nicht schon wegen § 13 Abs 3 SGB V ausgeschlossen sei, werde auf ein Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 19.03.2014 (L 5 KR 1496/13, juris) verwiesen. Danach dürfe § 13 Abs 3 Satz 1 2. Alt SGB V im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 19.03.2009 - 1 BvR 316/09) nicht in der Weise ausgelegt werden, dass er für einen bestehenden Leistungsanspruch die Funktion eines anspruchsvernichtenden Tatbestands entwickele. Dies gelte erst recht, wenn bei grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts des SGB V ein Anspruch auf Behandlung (im Fall des 5. Senats: mit dendritischen Zellen) bestehe, den die Krankenkasse von Anfang an als Sachleistung hätte gewähren müssen und den sie in der Folge zu Unrecht abgelehnt habe. Bei der Rechtsanwendung im Einzelfall müssten dann die grundrechtlichen Maßgaben insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes berücksichtigt werden, namentlich, wenn erhebliche und nicht wiedergutzumachende Schäden für Leib und Leben drohten (Art 2 Abs 2 GG) und der Versicherte deswegen existentielle Leistungen der Krankenversicherung begehre. Auch insoweit gelte, dass sich das Gericht (genauso wie die Krankenkasse) schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen müsse (vgl BVerfG, Beschl. v. 06.02.2007, 1 BA 3101/06). Das verbiete es, im Einzelfall überzogene und damit unverhältnismäßige Verfahrenserfordernisse nicht nur für den Zugang des Versicherten zu den Leistungen der Krankenkasse, sondern auch für die Selbstbeschaffung einer Leistung und die Erstattung der hierfür entstandenen Aufwendungen nach Maßgabe des § 13 Abs 3 SGB V aufzustellen. Gerade in den Fällen des § 2 Abs la SGB V, also bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden bzw wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankungen, werde es daher vielfach genügen müssen, wenn der Versicherte sich mit seinem Leistungsbegehren unverzüglich an die Krankenkasse wende und dieser daher jedenfalls eine zeitnahe Prüfung ermöglicht werde. Einzelheiten des Beschaffungswegs würden dann für den Erstattungsanspruch keine ausschlaggebende Rolle spielen können, vielmehr werde die Krankenkasse und im Streitfall das Gericht zu prüfen haben, ob das Erstattungsverlangen in der Sache berechtigt ist.
Demnach wäre vorrangig durch einen Sachverständigen zu klären, ob ihr - der Klägerin - ein Erstattungsanspruch für die durchgeführten Behandlungen vor dem Hintergrund ihrer persönlichen gesundheitlichen Situation zugestanden habe. Anders als in den Fällen nicht beantragter Behandlungen seien der Beklagten hier die Behandlungspläne bekannt und sie hätte - im Rahmen ihrer überlegenen Möglichkeiten - über Alternativvorschläge Einfluss nehmen können. Denn die Beklagte habe die begehrte Leistung gerade wiederholt erstattet, anders als das SG dies ausgelegt habe.
Es sei ferner darauf hinzuweisen, dass der Obliegenheit des Versicherten, rechtzeitig einen Leistungsantrag zu stellen, auch Pflichten des Versicherers gegenüberstünden. Der Verpflichtung des Versicherten, Anträge bei der Krankenkasse zu stellen und deren Bescheidung vor Inanspruchnahme der beantragten Leistungen abzuwarten, entspreche aber spiegelbildlich die Verpflichtung der Krankenkasse, Anträge jeweils im Einzelfall in der Sache sorgfältig zu prüfen, den Versicherten sachgerecht zu beraten und zeitnah zu bescheiden (vgl LSG Niedersachsen-Bremen 20.06.2013, L 1 KR 231/12 S 21). Dem Versicherer obliege eben auch eine Fürsorge- und Beratungspflicht. Vorliegend sei nicht erkennbar, dass die Beklagte dieser in ausreichendem Maße nachgekommen wäre. Nur die Krankenkassen hätten einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungstrukturen, so dass es bei der Feststellung einer Versorgungslücke auch Aufgabe der Krankenkasse sei, den Versicherten sachgerecht zu beraten und gesundheitliche und wirtschaftliche Risiken zu vermeiden. Sofern die Beklagte nun nicht weiter wie zuvor erstatten möchte, so wäre es auch an ihr gewesen, Behandlungsalternativen, welche die spezifische Situation der Klägerin berücksichtigen, vorzuschlagen. Dabei werde bisher auch vom Gericht verkannt, dass die Beklagte zuvor erfreulicherweise erstattet habe, da es für sie - die Klägerin - keine schulmedizinischen Behandlungsoptionen mehr gegeben habe und gebe. Es sei nicht erkennbar, dass die Beklagte irgendwelche anderen Therapieoptionen angeboten hätte. Mit dem nunmehr im Verfahren erfolgten Verweis auf die schulmedizinischen Behandlungsoptionen setze sich die Beklagte zu ihrer eigenen Einschätzung in Widerspruch. Vermeintlichen Versäumnissen der Klägerin stünden somit zumindest auch Versäumnisse der Beklagten entgegen.
Der Beklagten komme es erkennbar auch nicht darauf an, dass durch den angeblichen Verstoß gegen den vorgeschriebenen Beschaffungsweg ihre Einflussnahmemöglichkeit beschränkt worden sei. In dem ablehnenden Bescheid werde lediglich darauf abgestellt, dass eine weitere Erstattung nicht möglich sei. Diese Behauptung stütze sich auf das MDK-Gutachten, welches rechtlich als Privatgutachten zu bewerten sei und dessen Aussagen bereits bestritten worden seien. Unabhängig davon, dass die vorgelegten Befunde von den Beteiligten unterschiedlich bewertet würden, bleibe auch gänzlich unberücksichtigt, dass sich unter der Therapie ihr Allgemeinbefinden und ihr Gesamtzustand verbessert hätten. Auch dies sei als eine „positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf" zu sehen. Erst im gerichtlichen Verfahren werde der Beschaffungsweg gerügt, obwohl eine andere Entscheidung offenkundig bei einem anderen Verlauf nicht ergangen wäre.
Bezüglich der hinreichenden Erfolgsaussichten der begehrten Therapie werde auf die Ausführungen der Klagebegründung verwiesen.
Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.05.2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 22.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.08.2015 zurückzunehmen und der Klägerin Kosten in Höhe von 1.922,64 € zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie trägt vor, streitig seien die Kostenerstattung der privatärztlichen Behandlung mittels Fiebertherapie und der dazugehörigen Arzneimittel sowie die Erstattung von Nahrungsergänzungsmitteln. Das SG habe in dem angefochtenen Urteil vom 14.05.2020 zu Recht einen Anspruch auf die Kostenerstattung der privatärztlichen Behandlung mittels Fiebertherapie und der dazugehörigen Arzneimittel sowie die Erstattung von Nahrungsergänzungsmitteln verneint. Die aufgeführten Argumente der Gegenseite, dass alleine die durchgeführte Fiebertherapie zu einer signifikanten Verbesserung des Allgemeinzustands der Klägerin geführt hätte, vermöchten nicht zu überzeugen. Sie verweise darauf, dass auch die Klägerin wörtlich ausführe: „alleine durch die selbstbeschaffte Therapie (in Kombination mit den Therapien der anderen Verfahren) konnte eine Verbesserung erreicht werden." Insofern könne überhaupt nicht festgestellt werden, ob die Therapien der anderen Verfahren oder die Fiebertherapie ausschlaggebend für die Verbesserung des Allgemeinzustands der Klägerin gewesen seien.
Das Kriterium der lebensbedrohenden Erkrankung sei erfüllt, wenn sich die Lebenserwartung des Versicherten von der Lebenserwartung der Normalbevölkerung wesentlich unterscheide. Mit der Erkrankung müsse dabei eine deutlich verkürzte Lebenserwartung verbunden sein (zB auf 2 bis 5 Jahre), damit eine notstandsähnliche Situation angenommen werden könne. Eine potentielle Lebensbedrohung in ferner Zukunft entspreche dem Kriterium nicht. Insofern träfen die Ausführungen der Klägerin nicht zu. In der Widerspruchsbegründung werde weiterhin auf das Wirtschaftlichkeitsprinzip hingewiesen. Dieser Aspekt stehe dem Solidargedanken entgegen und dürfe in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht berücksichtigt werden. Diese beruhe auf dem Gedanken des Solidarausgleichs innerhalb der Versichertengemeinschaft. Einen finanziellen Ausgleich zwischen dem Vermögen der Versicherten und dem Kassenvermögen, bei dem eingesparte Gelder der Kasse dem Versicherten erstattet würden, sähen die gesetzlichen Regelungen nicht vor. Das Bundessozialgericht habe zudem mehrfach entschieden, dass es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedürfe, wenn im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ausnahmsweise für ersparte Aufwendungen eine Vermögensentschädigung gezahlt werden solle. Bisher sei im SGB V eine Kostenerstattung unter diesem Gesichtspunkt jedoch weder ausdrücklich vorgesehen noch zugelassen. Um weitere Wiederholungen zu vermeiden, werde auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Im Übrigen habe sie bereits in dem Widerspruchsbescheid vom 27.09.2017 sowie im gesamten erstinstanzlichen Schriftwechsel eingehend dargelegt, aus welchen Gründen die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt seien.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte sowie form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat auf der Grundlage von § 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 11.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2017, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, ihren bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 22.05.2015 zurückzunehmen und der Klägerin für ärztliche Behandlungen und Medikamente Kosten in Höhe von 1.922,64 € zu erstatten. Laut Widerspruchsbescheid vom 12.08.2015 und Widerspruchsbescheid vom 17.09.2017 wurde eine Kostenerstattung iHv 1.585,92 € abgelehnt; diesen Betrag hat die Klägerin zunächst auch im Klageverfahren geltend gemacht (Bl. 27 SG-Akten). Ob es sich bei der im Berufungsverfahren geltend gemachten Kostenerstattung in Höhe von 1.922,64 € um eine zulässige Klageerweiterung handelt, kann offenbleiben, da auch ein Anspruch in dieser Höhe nicht besteht. Entweder erfasst der bestandskräftig gewordene Ablehnungsbescheid der Beklagten auch den Differenzbetrag oder aber es liegt über diesen Differenzbetrag noch gar keine Verwaltungsentscheidung vor. Richtige Klageart für das Begehren der Klägerin (§ 123 SGG) ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG), gerichtet auf Aufhebung der Überprüfungsentscheidung zur bestandskräftigen Ablehnung der beantragten Kostenerstattung und Verpflichtung zu deren Aufhebung sowie auf Verurteilung der Beklagten zur Kostenerstattung (vgl BSG 18.06.2020, B 3 KR 13/19 R, SGb 2021, 371 zur Hilfsmittelversorgung).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Bescheid vom 22.05.2015 zurückzunehmen. Mit diesem Bescheid hat es die Beklagte zu Recht abgelehnt, der Klägerin die von ihr geltend gemachten Kosten für Behandlungen und Medikamente zu erstatten. Das SG hat die Klage mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt (§ 153 Abs 2 SGG), abgewiesen. Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen Entscheidung.
Rechtsgrundlage für die mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erstrebte Aufhebung des Bescheids vom 11.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2017 und die geltend gemachte Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme des Bescheides vom 22.05.2015 und des Widerspruchsbescheids vom 12.08.2015 ist § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB X). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind jedoch nicht erfüllt. Bei Erlass des Bescheides vom 22.05.2015 hat die Beklagte weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Daher hat auch die mit der Leistungsklage erstrebte Verurteilung der Beklagten zur Kostenerstattung keinen Erfolg.
Versicherte erhalten die Leistungen der Krankenkassen grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen (§ 2 Abs 1 Satz 1, Abs 2 SGB V), und die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V oder das SGB IX vorsieht (§ 13 Abs 1 SGB V). Als Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für die hier streitgegenständlichen, von ihr selbst beschafften ärztlichen Behandlungen und Medikamente kommt lediglich § 13 Abs 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V in Betracht. Danach gilt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Vorschrift ersetzt den primär auf die Sach- oder Dienstleistung gerichteten Anspruch, wenn das Sachleistungs- bzw Naturalleistungssystem versagt und sich die Versicherten die Leistungen selbst beschaffen. Die rechtswidrige Verweigerung der Sachleistung berechtigt den Versicherten, sich die Leistung in Durchbrechung des Sachleistungsprinzips selbst zu beschaffen. Deshalb besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung grundsätzlich nur dann, wenn die Voraussetzungen des primären Sachleistungsanspruchs vorliegen (stRspr, BSG 11.05.2017, B 3 KR 30/15 R, BSGE 123, 144 = SozR 4-2500 § 13 Nr 34). Einem Erstattungsanspruch nach dieser Vorschrift steht nicht entgegen, dass Versicherte Leistungen auch von nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten und Krankenhäusern in Anspruch genommen haben, denn Versicherte, denen ihre Krankenkasse rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen (BSG 11.07.2017, B 1 KR 1/17 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 37).
Nach der stRspr des BSG muss zwischen der rechtswidrigen Ablehnung durch den Leistungsträger (hier: Beklagte) und der Kostenlast einer Versicherten (hier: Klägerin) ein Ursachenzusammenhang bestehen. An einem solchen Zusammenhang fehlt es nicht nur, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren überhaupt nicht befasst wurde, sondern auch dann, wenn dies zwar der Fall war, die Versicherte die Entscheidung der Krankenkasse aber nicht zunächst abgewartet hat, obwohl ihr dies möglich und zumutbar gewesen wäre. Das Abwarten einer abschlägigen Verwaltungsentscheidung der Krankenkasse ist selbst dann nicht entbehrlich, wenn die Ablehnung des Leistungsbegehrens - etwa auf Grund von Erfahrungen aus anderen Fällen - von vornherein feststeht; dies gilt auch, wenn es um Leistungen geht, die kraft Gesetzes oder durch untergesetzliche Regelwerke (vermeintlich) ausgeschlossen sind (BSG 17.06.2008, B 1 KR 31/07 R, SozR 4-2500 § 43 Nr 1, Rn. 16). Dieser Auffassung des BSG hat sich auch der Senat in stRspr angeschlossen. Da sich die Klägerin diejenigen Leistungen, für die sie im vorliegenden Verfahren eine Kostenerstattung begehrt, selbst beschafft hat, bevor sie sich an die Beklagte gewandt hat, scheidet schon aus diesem Grund ein Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V aus.
Soweit die Klägerin unter Hinweis auf ein Urteil des 5. Senats des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.03.2014, L 5 KR 1496/13, juris) geltend macht, dass es in den Fällen des § 2 Abs la SGB V, also bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden bzw wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankungen vielfach genügen müsse, wenn der Versicherte sich mit seinem Leistungsbegehren unverzüglich an die Krankenkasse wende und dieser daher jedenfalls eine zeitnahe Prüfung ermöglicht werde, so dass Einzelheiten des Beschaffungswegs für den Erstattungsanspruch keine ausschlaggebende Rolle spielen könnten, führt auch dies nicht zum Erfolg der Berufung. Dabei lässt der Senat im vorliegenden Berufungsverfahren ausdrücklich offen, ob bei der Klägerin in den Jahren 2013 und 2014 noch eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende bzw wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vorlag. Selbst unter Zugrundelegung der vom 5. Senat im genannten Urteil vertretenen Auffassung ist es nicht möglich, vom dem Erfordernis einer vorherigen Prüfungsmöglichkeit durch die Krankenkasse abzusehen. Denn die Klägerin hat sich mit ihrem Begehren auf Erstattung von Kosten keineswegs unverzüglich an die Beklagte gewandt. Sie hat sich vielmehr über zwei Jahre von Januar 2013 (siehe Bl 37 der Verwaltungsakte) bis zuletzt Dezember 2014 (siehe Bl 9 der Verwaltungsakte) Leistungen selbst beschafft, sich aber erst im Mai 2015 erstmals mit der Bitte um Erstattung an die Beklagte gewandt. Dies kann nicht mehr als unverzüglich betrachtet werden.
Im Übrigen gilt das Erfordernis einer vorherigen Befassung der Krankenkasse als Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V auch für Versicherte, die an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden bzw wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung leiden. Ist eine vorherige Befassung der Krankenkasse nicht möglich gewesen, kommt ein Anspruch wegen Selbstbeschaffung einer unaufschiebbaren Leistung (§ 13 Abs 3 S 1 Fall 1 SGB V) in Betracht. Ein Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung (§ 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V) scheidet auch in solchen Fällen aus (BSG 24.04.2018, B 1 KR 29/17 R, SozR 4-2500 § 2 Nr 11 zur Kostenübernahme für eine kombinierte Positronenemissionstomographie/Computertomographie <PET/CT> bei einem Karzinom des Dickdarms).
Ein Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 1 SGB V ist ausgeschlossen, weil die von der Klägerin in den Jahren 2013 und 2104 selbst beschafften Behandlungen, Medikamente, Vitaminpräparate und Nahrungsergänzungsmittel, deren Erstattung mit der Klage verlangt wird, nicht unaufschiebbar waren. Dies hat das SG mit zutreffender Begründung, auf die Bezug genommen wird (§ 153 Abs 2 SGG), dargelegt. Unaufschiebbarkeit verlangt, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf der Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder zB wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist. Unaufschiebbar kann danach auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn die Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass sie noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird (stRspr, vgl ua BSG 24.04.2018, B 1 KR 29/17 R, SozR 4-2500 § 2 Nr 11). Eine Unaufschiebbarkeit in diesem Sinne lag nicht vor und wird von der Klägerin auch im Berufungsverfahren nicht nachvollziehbar dargelegt.
Weitere Ausführungen zu dem Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren, das der Senat zur Kenntnis genommen hat, sind angesichts der vom Senat vertretenen Rechtsauffassung zur Auslegung des § 13 Abs 3 SGB V nicht mehr erforderlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da ein Grund hierfür (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) nicht vorliegt.