L 11 KR 494/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 13 KR 2168/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 494/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 05.01.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Versorgung mit Cannabis-Arzneimitteln nach § 31 Abs 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) streitig.

Die 1973 geborene Klägerin ist bei der beklagten Krankenkasse krankenversichert.

Im August 2019 beantragte die Klägerin erstmalig die Versorgung mit Cannabis-Arzneimitteln unter Vorlage des „Arztfragebogens zu Cannabinoiden nach § 31 Abs. 6 SGB V“ des B vom 25.07.2019. Die Verordnung solle durch den T wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung (seit 2001), chronischen Wirbelsäulenschmerzen (seit 1999) und Migräne (2001) mit den Zielen Schmerzlinderung, Verbesserung des Allgemeinbefindens und Stressabbau erfolgen. Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) (Gutachten des N vom 12.08.2019 sowie des S vom 06.11.2019) die medizinischen Voraussetzungen als nicht erfüllt angesehen hatte, lehnte die Beklagte den Antrag ab (Bescheid vom 28.08.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.12.2019).

Am 24.03.2020 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut die Versorgung mit Cannabis-Arzneimitteln nach § 31 Abs 6 SGB V und legte ein ärztliches Attest des T vom 23.03.2020 bei. Dieser teilte mit, dass die Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten Bedrocan mit den Wirkstoffen THC und CBD in der Verordnungsmenge in 30 Tagen 40 bis 50 gr bei einer Tagesdosis von 1,3 bis 1,6 gr in der Darreichungsform Vaporisation geplant sei. Bei der Klägerin bestehe Multimorbidität, eine posttraumatische Belastungsstörung nach einer schwer traumatisierenden Misshandlung im Juli 2001, Migräne mit Aura (mit großer Wahrscheinlichkeit Teil der posttraumatischen Belastungsstörung), eine chronische Schmerzkrankheit bei Zustand nach Sprunggelenksdistorsion rechts mit Bänderriss 2018, Retropatellararthrose und Sehnenansatztendinose der linken Kniescheibe, Bandscheibenvorfälle Segment LWK5/SWK1, Osteochondrose der Wirbelsäule, Arthrose der kleinen Facettengelenke, ein Stress-Syndrom, eine kombinierte depressive und Angststörung, eine Schlafstörung, Dysmenorrhö (krampf- oder kolikartige Schmerzen während der Menstruation) und Hyperhidrosis (übermäßiges Schwitzen). Behandlungsziele seien die Linderung der Folgen der posttraumatischen Belastungsstörung, Verbesserung von Depression, Angststörung, Schlafstörungen, Stressabbau, Schmerzlinderung sowie die Verbesserung der Lebensqualität. Es sei eine medizinische Versorgung erforderlich, ohne die - nach ärztlicher Einschätzung - eine lebensbedrohliche Verschlimmerung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die zugrundeliegende schwerwiegende Erkrankung zu erwarten sei. Die Multimorbidität begründe den Schweregrad. Die Leiden der Klägerin hätten bereits im Alter von 23 Jahren begonnen. Bei der Klägerin liege nach seiner Einschätzung ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 bis 70 vor, der bisher mit 30 anerkannte GdB sei viel zu gering bemessen. Die Klägerin finde keinen ihren Leiden gemäßen Arbeitsplatz, obwohl sie vier Ausbildungen habe. Zur Medikation nehme sie Cannabis. Wenn sie kein Cannabis zur Verfügung habe, weil sie sich es nicht leisten könne, nehme sie Trazodon (Serotonin-Wiederaufnahmehemmer mit sedierender und antidepressiver Wirkung), Naproxen (nichtsteroidales Antiphlogistikum, schmerzlindernd, fiebersenkend und entzündungshemmend) und Novaminsulfon (nichtopioidhaltiges Analgetika mit schmerzstillender und fiebersenkender Wirkung). Weiterhin absolviere die Klägerin Reha-Sport. Eine Wiederaufnahme der Psychotherapie wegen der posttraumatischen Behandlung sei geplant. Die Versicherte habe schon alle möglichen Therapien durchgeführt: Akupunktur, Schmerzbehandlung beim Arzt für Schmerztherapie, Krankengymnastik, Muskelaufbautraining, zwei Serien Psychotherapie (2004 bis 2007, ab 2007 bis 2012 25 Sitzungen tiefenpsychologisch-fundierte Einzel-Kurzzeit-Therapie). Die Therapien hätten kurzfristige Erfolge gehabt. Eine nachhaltige Wirkung sei leider ausgeblieben. Aufgrund der körperlichen Strukturschäden und aufgrund der stattgefundenen Traumatisierung mit Todesangst und anschließendem Stalking/Mobbing mit Morddrohung sei zu erwarten, dass diese somatischen und psychischen Narben über Jahre und Jahrzehnte Folgen zeigten. Es stünden allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende alternative Behandlungsoptionen zur Verfügung. Diese hätten sich jedoch als nicht oder nicht ausreichend wirksam erwiesen. Teilweise sollten Behandlungsalternativen zur Ergänzung der Cannabis-Behandlung eingesetzt werden. Auf manche Schmerzmittel (Diclofenac <nichtopioidhaltiges Analgetika> und Ibuprofen <nichtsteroidales Antirheumatikum, NSAR>) entwickle die Klägerin Magenschmerzen und ein Reizdarm-Syndrom. Zu berücksichtigen sei die Erfahrung der Klägerin, die seit vielen Jahren Cannabis einsetze. Dabei habe sie die Erfahrung machen können, dass ihr Cannabis-Medizin deutlich besser und ohne Nebenwirkung helfe.

Mit Schreiben vom 25.03.2020 veranlasste die Beklagte ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK. Der MDK gelangte durch K in dem Gutachten vom 01.04.2020 zu der Einschätzung, dass die medizinischen Voraussetzungen für die beantragten Leistungen nicht erfüllt seien. Bei der Klägerin liege eine schwerwiegende Erkrankung im Hinblick auf die chronische Schmerzstörung sowie die psychiatrischen Erkrankungen vor. Es stehe eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung als Alternative zur Verfügung. Die Begründung des antragstellenden Arztes beruhe auf Unverträglichkeiten von NSAR. Diese Begründung sei nicht nachvollziehbar, da für die Behandlung von Schmerzen zahlreiche weitere Arzneimittel, die Phase 3 geprüft und zugelassen seien, in Betracht kämen. Der Arzt habe nicht erläutert, warum diese nicht einsetzbar wären. Hinsichtlich der Behandlung der chronischen Schmerzen sei die S1-Leitlinie „Chronischer Schmerz“ von 2013 sowie die S1-Leitlinie „Diagnostik neuropathische Schmerzen“ zu beachten. Welche therapeutischen Maßnahmen bei einem chronischen Schmerzsyndrom sinnvoll und wirksam seien, hänge wesentlich von der Ursache der Schmerzen und deren Charakter ab. Von wesentlicher Bedeutung sei die Behandlung eventuell zugrundeliegender Ursachen sowie die Behandlung psychischer Veränderungen, die Intensität und/oder Aufrechterhaltung der Schmerzen negativ beeinflussten, unabhängig davon, ob diese psychischen Veränderungen sich im Laufe der Schmerzerkrankung ausgebildet oder von Beginn an diese mitverursacht hätten. Die Arzneimitteltherapie chronisch nozizeptiver Schmerzen orientiere sich am WHO-Stufenschema: Stufe 1 Nichtopioid-Analgetika, Stufe 2 niederpotente Opioidanalgetika + Nichtopioid-Analgetika, Stufe 3 hochpotente Opioidanalgetika + Nichtopioid-Analgetika. Zur Behandlung neuropathischer Schmerzen könnten Antikonvulsiva, eventuell Antidepressiva und langwirksame Opioide eingesetzt werden. Zur Behandlung von Schmerzen bei verschiedenen Krankheitsbildern wie zB Migräne seien ggf deren spezifische Therapiemöglichkeiten zu beachten. Hinsichtlich der Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung sei die S3-Leitlinie „Posttraumatische Belastungsstörung“ zu beachten, die bezüglich Pharmakotherapie ausführe, dass eine solche nicht als alleinige Therapie der posttraumatischen Belastungsstörung eingesetzt werden solle. Eine Pharmakotherapie könne zur Unterstützung der Symptomkontrolle indiziert sein, ersetze aber keine traumaspezifische Psychotherapie. Als wirksam erwiesen hätten sich selektive Serotonie-Reuptake-Inhibitoren (SSRIs). Insofern seien in der Bundesrepublik die Präparate mit den Wirkstoffen Paroxetin und Sertralin zugelassen. Zur Behandlung von Depressionen stünden nach der S3-Leitlinie „Unipolare Depression“ verschiedene Wirkstoffgruppen zur Verfügung. Nach der S1-Leitlinie zur Therapie der Migräneattacken und Prophylaxe der Migräne werde eine Akuttherapie sowie eine Prophylaxe empfohlen. Bisher seien bei der Klägerin zur Behandlung der Schmerzen medikamentöse Schmerztherapien der WHO-Stufe 1 und konservative Therapien wie Physiotherapie eingesetzt worden. 2007 sei eine Psychotherapie wegen Depression und der posttraumatischen Belastungsstörung erfolgt. Weitere nicht-medikamentöse Verfahren wie eine komplexe multimodale Schmerztherapie, konsequente Physiotherapie und weitere Psychotherapie, wie in den Leitlinien empfohlen, seien nicht durchgeführt worden. Daneben stünden weitere Phase-3 geprüfte Arzneimittel zur Behandlung der Schmerzen zur Verfügung. Zur Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung seien Venlafaxin und Citalopram eingesetzt worden. Sowohl für die posttraumatische Belastungsstörung als auch für die Depression stünden zahlreiche zugelassene Arzneimittel zur Verfügung. Eine leitliniengerechte Therapie der Migräne lasse sich nicht erkennen. Nach Auswertung verschiedener Studien könne der Schluss gezogen werden, dass Cannabinoide bei ausgewählten Patienten mit neuropathischen Schmerzen für eine kurz- und mittelfristige Therapie bei nicht ausreichendem Effekt von Erst- und Zweitlinientherapien in Betracht gezogen werden könnten. Bei einer posttraumatischen Belastungsstörung sei durchaus Nutzen zu sehen, die Datenlage sei aber unzureichend, um eine definitive Aussage treffen zu können. Eine kontrollierte randomisierte Studie, die eine therapeutische Wirksamkeit von Cannabinoiden bei Depression, Angststörung und somatoformen Erkrankungen belege, habe nicht gefunden werden können. Der Effekt von Cannabis bei Migräne sei nicht durch eindeutige Studien belegt.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21.04.2020 den Antrag ab. Dagegen erhob die Klägerin am 14.05.2020 Widerspruch und legte ein Schreiben des T vom 12.05.2020 vor. Darin führte dieser ua aus, dass das chronische Leiden der Klägerin im Jahr 2001 mit einer schicksalshaften Begegnung, die zu einer bösartigen Misshandlung geführt habe, begonnen habe. Bereits kurze Zeit später habe die Klägerin festgestellt, dass ihr Cannabis bei den Folgen der posttraumatischen Belastungsstörung helfe. Seit Juli 2018 bekomme sie von ihm Cannabis legal verschrieben. Mit Hilfe der Cannabisbehandlung brauche sie kaum noch Medikamente der Standard-Medizin. Schmerzmittel brauche sie nur noch sehr selten und als einziges Antidepressivum nehme sie Vanlafaxin. Das MDK-Gutachten gehe nicht auf die individuelle Situation der Klägerin ein. Besonders unangenehm falle auf, dass der Gutachter für einige der Einzelerkrankungen jeweils eine spezifisch leitlinienorientierte Medikation vorschlage, für andere Einzelerkrankungen jedoch einen alternativen Behandlungsvorschlag schuldig bleibe. Der Gutachter mache keine Vorschläge für Arzneimittel der Standardmedizin für die Diagnosen Stress-Syndrom, Angststörung, Schlafstörungen, Dysmenorrhö und Hyperhidrosis. Selbst wenn er diese benennen würde, wären es wahrscheinlich sieben bis acht verschiedene, chemisch definierte Arzneimittel, die alle ihre eigenen Nebenwirkungen hätten. Er kenne aus seiner über 35-jährigen Erfahrung als Arzt zahlreiche Fälle, in denen Menschen durch die sogenannte „Mainstream-Medizin“ krank und zu Tode therapiert worden seien. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Beklagte eine solche Vorgehensweise für ihren „Kunden“ wünsche. Bei dem Gutachten handele es sich offensichtlich um ein „Falschgutachten“. Die Krankenkassen sollten ihren Vertragsärzten schon zutrauen, BTM-Medikamente sinnvoll einzusetzen. Abgesehen davon, dass Cannabis-Medizin lediglich juristisch ein BTM sei, nicht aber medizinisch und pharmakologisch. Der MDK-Gutachter empfehle als Arzneimittel der Standard-Medizin auch die Phase 3 des WHO-Schmerztherapieschemas. Dabei handle es sich tatsächlich um BTM, auch im medizinischen und pharmakologischen Sinne. Wolle der MDK-Gutachter tatsächlich, dass die Versicherte durch Opioide abhängig gemacht werde und in Zukunft nur noch ein „zombihaftes“ Leben führe. Cannabis-Medizin sei ungerechtfertigt als BTM eingeordnet. Sie mache nicht abhängig, habe kaum Nebenwirkungen, sei eine hochwirksame Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) und sei vor allem nicht tödlich. Bei der im MDK-Gutachten erwähnten „Cannabis-Abhängigkeit“ handle es sich um eine Fehldiagnose. Eine Cannabis-Abhängigkeit gebe es schlichtweg nicht. Es sei offensichtlich, dass Vorurteile und niedere Beweggründe eine Rolle spielten. Es seien Psychiater und Krankenkassen-Gutachter, die immer noch auf dieser Falscheinschätzung herumritten. Psychiater hätten gelernt, Pharmakotherapie mit Psychopharmaka zu betreiben. In dieses Konzept passe Cannabis als hochwirksame, nebenwirkungsarme und das Wirkungsspektrum verschiedenster Psychopharmaka abdeckende Heilpflanze nicht hinein.

Der MDK blieb in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 26.05.2020 durch K bei seiner Einschätzung. Die Begründung des behandelnden Vertragsarztes, dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Therapiealternative nicht zur Anwendung kommen könne, sei nicht nachvollziehbar. Für alle angeführten Erkrankungen stünden Therapiealternativen zur Verfügung, auch nicht medikamentöse Verfahren, die in den maßgeblich belastenden Erkrankungen der Klägerin leitliniengerecht den Behandlungsschwerpunkt darstellten. Insbesondere sei auf Verhaltenstherapie, Traumatherapie, fachärztliche Mitbehandlung, Entspannungsverfahren, teilstationäre Behandlung, stationäre Behandlung und Rehabilitationsmaßnahmen zu verweisen. Es bestehe eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht, dass mit dem beantragten Cannabis-Produkt eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder die schwerwiegenden Symptome eines chronischen Schmerzsyndroms erzielt werden könnten. Die Datenlage bei posttraumatischer Belastungsstörung und Migräne sei unzureichend. Eine positive Beeinflussung von Depression, Angst, Schlafstörung durch medizinisches Cannabis könne nicht als belegt angesehen werden.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2020 als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen des § 31 Abs 6 SGB V lägen nicht vor. Bei der Klägerin liege eine schwerwiegende Erkrankung vor. Die Kostenübernahme scheitere allerdings daran, dass zugelassene, dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethoden nicht ausgeschöpft seien.

Dagegen hat die Klägerin am 28.08.2020 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Die Ablehnungsentscheidung der Beklagten sei rechtswidrig. Die Voraussetzungen des Leistungsanspruchs und die Erforderlichkeit der Versorgung mit ärztlich verordneten Medizinal-Cannabisblüten lägen vor. Sie - die Klägerin - berufe sich nicht auf das Fehlen einer dem medizinischen Standard entsprechenden Leistung zur Behandlung ihrer Erkrankung. Allerdings habe sie vorgetragen, dass eine begründete vertragsärztliche Einschätzung der Kontraindikation der dem medizinischen Standard entsprechenden Leistungen bestehe. Diese Tatbestandsvariante setze nicht voraus, dass es zur Behandlung der Erkrankung keine dem medizinischen Standard entsprechende Leistung gebe. Es reiche nach dem Wortlaut des Gesetzes vielmehr aus, dass ein behandelnder Vertragsarzt zu der begründeten Einschätzung komme, dass die Standardbehandlung unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkung und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Versicherten nicht zur Anwendung kommen könne. Bei dem behandelnden T handele es sich um einen Vertragsarzt, der sie seit mehreren Jahren behandele. Dieser habe sowohl im Fragebogen vom 23.03.2020 als auch im Widerspruchsverfahren die Einschätzung geäußert, dass sich die Behandlungsoptionen als nicht oder unzureichend wirksam erwiesen hätten. Dieser habe dargelegt, dass eine Reihe von Therapieversuchen mit verschiedenen Medikamenten entweder erfolglos gewesen seien oder unerwünschte Nebenwirkungen verursacht hätten.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 05.01.2021 abgewiesen. Ein Anspruch auf Versorgung mit Cannabisblüten nach § 31 Abs 6 SGB V bestehe im vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil es an einer vertragsärztlichen Verordnung fehle. Der Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung bedürfe zu seiner Realisierung der Konkretisierung im Einzelfall, die eine vertragsärztliche Verordnung gemäß § 73 Abs 2 Nr 7 SGBV auf dem entsprechenden Formblatt erfordere. Bei der hier streitigen Versorgung mit Cannabisarzneimitteln, die seit 10.03.2017 zum Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre, müsse die Verordnung zudem auf einem Betäubungsmittelrezept erfolgen (§ 11 Abs 1 und 5 Arzneimittel-Richtlinie <AMR> iVm § 8 Abs 1 Satz 1 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung <BtMVV>), welches die in § 9 BtMVV vorgeschriebenen Angaben enthalte. Dafür spreche neben dem Wortlaut der Regelung („Verordnung“, nicht „Rezept“) der Umstand, dass der Apotheker keinen Vergütungsanspruch für die Abgabe von Cannabisblüten an Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung gegen die Beklagte erwerbe, wenn er diese abgebe, ohne sich bei jeder Abgabe die notwendige Genehmigung der Erstverordnung vorlegen zu lassen (Hinweis auf Landessozialgericht <LSG> Baden-Württemberg 19.09.2017, L 11 KR 3414/17 ER-B; LSG Baden-Württemberg 26.11.2018, L 11 KR 3464/18 ER-B).

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 11.01.2021 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin mit ihrer am 10.02.2021 beim LSG Baden-Württemberg eingelegten Berufung, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Die Auffassung des SG, dass eine vertragsärztliche Verordnung Anspruchsvoraussetzung sei, sei rechtsfehlerhaft und finde im Gesetz keine Stütze. Nach § 31 Abs 6 SGB V müssten verordnungsfähige Cannabisprodukte als Betäubungsmittel nach § 8 Abs 1 BtMVV auf einem Betäubungsmittelrezept verordnet werden. Dieses Rezept sei nur sieben Tage nach Ausstellung gültig. Da weder eine behördliche noch eine gerichtliche Prüfung in diesem Zeitfenster denkbar sei, sei die Anforderung einer vertragsärztlichen Verordnung in jedem Falle sinnfrei, da diese zum Entscheidungszeitpunkt in keinem Fall mehr gültig wäre. Insofern gingen das LSG Rheinland-Pfalz (Hinweis auf Beschluss vom 06.03.2018, L 5 KR 16/18 B ER), das LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 25.02.2019, L 11 KR 240/18 B ER) sowie das Bayerische LSG (Beschluss vom 29.04.2019, L 20 KR 67/19 B ER) zutreffend davon aus, dass ein Anspruch auf Genehmigung der Versorgung mit cannabishaltigen Arzneimitteln nicht zwingend voraussetze, dass bereits eine vertragsärztliche Verordnung ausgestellt worden sei. Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen für eine Versorgung mit Cannabis lägen vor.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 05.01.2021 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2020 zu verurteilen, sie in Zukunft mit jeweils ärztlich verordneten Medizinal-Cannabisblüten zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf den angefochtenen Gerichtsbescheid.

Der Senat hat durch Beschluss vom 15.07.2021 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten abgelehnt. Anschließend haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, ist unbegründet.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG).

Den Gegenstand des Berufungsverfahrens bildet der Bescheid vom 21.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2020 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Versorgung der Klägerin mit Cannabisarzneimitteln und die Erteilung einer entsprechenden Genehmigung im Sinne des § 31 Abs 6 Satz 2 SGB V abgelehnt hat. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs 1 und 4, 56 SGG) und begehrt für die Zukunft die Versorgung mit Cannabisarzneimitteln. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin sich während des Verfahrens Cannabisarzneimittel selbst beschafft und ihr hierfür Aufwendungen entstanden sind, deren Erstattung sie verlangen könnte (vgl § 99 Abs 3 Nr 3 SGG; ferner zB Bundessozialgericht <BSG> 26.02.2019, B 1 KR 24/18 R, BSGE 127, 240, juris Rn 8), bestehen nicht. Die Klägerin hat während des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens zu keiner Zeit Aufwendungen für die Beschaffung von Cannabisarzneimitteln beziffert oder gar belegt und ausdrücklich die Versorgung mit Cannabisarzneimitteln nach entsprechender ärztlicher Verordnung begehrt.

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Der Senat lässt offen, ob die vom SG in dem angefochtenen Gerichtsbescheid gegebenen Begründung die Klageabweisung trägt (vgl LSG Baden-Württemberg 19.09.2017, L 11 KR 3414/17 ER-B; LSG Baden-Württemberg 26.11.2018, L 11 KR 3464/18 ER-B; zustimmend Bichofs in BeckOK Sozialrecht, Stand 01.06.2021, § 31 Rn 96a; Wagner in Krauskopf, Stand Mai 2021, § 31 Rn 48 einerseits und LSG Rheinland-Pfalz 06.03.2018, L 5 KR 16/18 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen 25.02.2019, L 11 KR 240/18 B ER; Bayerische LSG 29.04.2019, L 20 KR 67/19 B ER). Das SG hat einen Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit Cannabisarzneimitteln im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Der Bescheid vom 21.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2020 stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Versorgung mit Cannabisarzneimitteln.

Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 31 Abs 6 SGB V (eingefügt durch Gesetz vom 06.03.2017 mWv 10.03.2017, BGBl I, Seite 403) in Betracht. Gemäß § 31 Abs 6 Satz 1 SGB V haben Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung

a) nicht zur Verfügung steht oder

b) im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,

2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.

Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist (§ 31 Abs 6 Satz 2 SGB V).

Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin nicht gegeben. Zwar liegt bei der Klägerin eine schwerwiegende Erkrankung vor, wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen. Jedoch sind die Voraussetzungen des § 31 Abs 6 Satz 1 Nr 1 SGB V nicht erfüllt, weil zur Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung, Depression, Angststörung, Schlafstörungen, des Stress-Syndrom, der Rückenschmerzen und des chronischen Schmerzsyndroms eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung steht und auch im vorliegenden Einzelfall zur Anwendung kommen kann.

Die Voraussetzung des Fehlens einer Standardtherapie knüpft an die Vorschrift des § 2 Abs 1a SGB V an (BT-Drs 18/8965, S 24). Insoweit ist für die Beurteilung des Vorhandenseins einer dem medizinischen Standard entsprechenden Leistung auf die Grundsätze zur evidenzbasierten Medizin abzustellen. Die Voraussetzung (Fehlen einer Standardtherapie) ist nur dann erfüllt, wenn eine Standardtherapie tatsächlich nicht zur Verfügung steht oder sie der Versicherte nachgewiesenermaßen nicht verträgt (zB LSG Baden-Württemberg 30.03.2021, L 11 KR 436/20 juris Rn 39; LSG Baden-Württemberg 16.10.2020, L 4 KR 813/19, juris Rn 42). Das BVerfG hat in diesem Zusammenhang bestätigt, dass mit Blick auf die Ähnlichkeit der Normstruktur der §§ 31 Abs 6 und 2 Abs 1a SGB V es nicht willkürlich (Art 3 Abs 1 Grundgesetz <GG>) ist, wenn sich die Fachgerichte bei der Auslegung des § 31 Abs 6 SGB V an die Rechtsprechung zu § 2 Abs 1a SGB V anlehnen (BVerfG 26.06.2018, 1 BvR 733/18, juris Rn 6; ferner Axer in Becker/Kingreen, 7. Aufl 2020, § 31 Rn 66; Wagner in Krauskopf, Stand Mai 2021, § 31 Rn 48). Der MDK hat seinen Gutachten vom 01.04.2020 und 26.05.2020 - unter Bezugnahme auf die S1-Leitlinie „Chronischer Schmerz“ (Stand 30.09.2013, gültig bis 30.09.2018), die S1-Leitlinie „Diagnose und nichtinterventionelle Therapie neuropathischer Schmerzen“ (Stand 01.05.2019, gültig bis 30.04.2024), die S3-Leitlinie „Posttraumatische Belastungsstörung“ (Stand 30.04.2019, gültig bis 29.04.2024) sowie die S3-Leitlinie „Unipolare Depression“ (Stand 16.11.2015, gültig bis 15.11.2020) - zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Vielzahl von Standardtherapien, ua auch ambulante fachärztliche Behandlung, medikamentöse Therapie, Heilmittel, Psychotherapie, zur Behandlung dieser Erkrankungen zur Verfügung stehen. Die Klägerin und der VertragsT, der der Klägerin Cannabisarzneimittel auf Privatrezept verordnet hat, behaupten selbst nicht, dass eine allgemein anerkannte, dem medizinische Standard entsprechende Leistung zur Behandlung nicht zur Verfügung steht. Sie machen vielmehr geltend, dass diese nach einer begründeten Einschätzung des Vertragsarztes nicht zur Anwendung kommen könne.

Aber auch die Voraussetzungen des § 31 Abs 6 Satz 1 Nr 1 Buchst b) SGB V, wonach Behandlungsalternativen nicht zur Anwendung kommen können, sind nicht gegeben, da es an einer begründeten Einschätzung eines Vertragsarztes fehlt, die geeignet wäre, die gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen. Unabhängig von einer gewissen Einschätzungsprärogative bzw Therapiehoheit des behandelnden Vertragsarztes (vgl LSG Baden-Württemberg 19.09.2017, L 11 KR 3414/17 ER-B, juris Rn 26; LSG Hamburg 02.04.2019, L 1 KR 16/19 B ER, juris Rn 14; LSG Berlin-Brandenburg 27.05.2019, L 9 KR 72/19 B ER, juris Rn 7; s auch BT-Drucks 18/10902 S 20) muss die ärztliche Einschätzung nach dem Gesetzeswortlaut die zu erwartenden Nebenwirkungen der zur Verfügung stehenden allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen darstellen (LSG Baden-Württemberg 27.04.2021, L 11 KR 2148/20, juris Rn 31). Ferner muss die Einschätzung den Krankheitszustand des Versicherten dokumentieren und eine Abwägung enthalten, mit der zum Ausdruck gebracht wird, ob, inwieweit und warum eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Anwendung kommen kann (LSG Baden-Württemberg 01.10.2018, L 11 KR 3114/18 ER-B, juris Rn 20). Schließlich muss die Einschätzung in sich schlüssig und nachvollziehbar sein; sie darf nicht im Widerspruch zum Akteninhalt im Übrigen stehen (vgl LSG Baden-Württemberg 30.03.2021, L 11 KR 298/20, juris Rn 28; LSG Baden-Württemberg 14.01.2021, L 11 KR 3898/20 ER-B, juris Rn 28; LSG Nordrhein-Westfalen 25.02.2019, L 11 KR 240/18 B ER, juris Rn 69 ff; LSG Schleswig-Holstein 26.06. 2019, L 5 KR 71/19 B ER, juris Rn 17; Bischofs in BeckOK, Stand 01.06.2021, § 31 Rn 92; Pitz in jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 31 Rn 126).

Unabhängig von der Frage, ob die auf den Einzelfall bezogene begründete Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes bereits im Verwaltungsverfahren vorliegen muss und nicht im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden kann (so zB LSG Nordrhein-Westfalen 25.02.2019, L 11 KR 240/18 B ER juris Rn 74; LSG Schleswig-Holstein 26.06.2019, L 5 KR 71/19 B ER, juris Rn 17; ferner LSG Berlin-Brandenburg 14.04.2021, L 9 KR 402/19, juris Rn 30), sind die Angaben des T nicht nachvollziehbar. Zunächst ist ersichtlich, dass die Klägerin im Juni 2018 um Behandlung durch den T mit dem Wunsch nach der Verordnung von Cannabis nachgesucht hat, nachdem die behandelnden psychiatrischen Fachärzte sich gegen eine Behandlung mit Cannabis ausgesprochen hatten. Der T befürwortet eine Cannabistherapie als Teil einer „Phytotherapie“ und wendet sich gegen die Erkenntnisse der evidenzbasierten Medizin, die in den oben genannten Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften Eingang gefunden haben. Dies entnimmt der Senat insbesondere der Stellungnahme des T vom 12.05.2020, in der er ua anerkannte psychische Störungen iSd der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD 10), nämlich Psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabionide (ICD F12), negiert, die Einordung von „Cannabis-Medizin“ als Betäubungsmittel (vgl § 1 Abs 1 Betäubungsmittelgesetz iVm Anlage III) als ungerechtfertigt ansieht und den psychiatrischen Fachärzten bei leitliniengerechter Behandlung „Vorurteile“ und „niedrige Beweggründe“ unterstellt. Unter diesen Umständen ist zweifelhaft, ob der T seinerseits in der Lage ist, vorurteilsfrei und ausgehend von den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin die zu erwartenden Nebenwirkungen der zur Verfügung stehenden allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen gemäß den Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften darzustellen sowie unter Würdigung des Krankheitszustandes der Klägerin abzuwägen, ob, inwieweit und warum eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Anwendung kommen kann. Dazu gehört auch, ggf bestehende Kontraindikationen abzuklären und auszuschließen (vgl LSG Baden-Württemberg 30.03.2021, L 11 KR 436/20; LSG Baden-Württemberg 17.02.2021, L 11 KR 3869/20 ER-B; ferner LSG Berlin-Brandenburg 14.04.2021, L 9 KR 402/19, juris Rn 29). Vorliegend kommt eine solche Kontraindikation in Betracht, nachdem die Klägerin - nach eigenen Angaben - regelmäßig seit 2001 Cannabis konsumiert und ihre behandelnden Psychiater die Versorgung mit Cannabis ablehnt haben. Hinzukommt, dass anlässlich einer Vorstellung der Klägerin in der Notfallambulanz der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im September 2012 ua Psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide: Abhängigkeitssyndrom (ICD 10 F12.2) diagnostiziert worden sind. Dass der T aus seiner Sicht eine solche Erkrankung nicht anerkennt, schließt eine Kontraindikation nicht aus und begründet nicht die erforderliche begründete Einschätzung. Weiterhin hat der T in seinen Schreiben vom 23.03.2020 und 12.05.2020 nicht nachvollziehbar begründet, warum vorliegend zur Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung, der Migräne und der chronischen Schmerzkrankheit eine leitliniengerechte fachpsychiatrische Behandlung, Psychotherapie (Traumatherapie), Pharmakotherapie, multimodale Schmerztherapie, konsequente Physiotherapie etc nicht zur Verfügung stehen. Soweit der T auf ein „Stress-Syndrom“, „Angststörung“ und „Schlafstörungen“ abstellt, sind dies keine eigenständigen Erkrankungen, sondern Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung. Dass die Dysmenorrhö und Hyperhidrosis eine schwerwiegende Erkrankung iSd § 31 Abs 6 Satz 1 SGB V darstellen, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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