Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren noch die höhere Erstfeststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mehr als 40.
Sie ist 1970 geboren, hat die Wirtschaftsschule mit der mittleren Reife abgeschlossen und den Beruf der Bürokauffrau gelernt. In ihrem erlernten Beruf war sie zuletzt mit einer Teilzeitstelle von 12 Stunden die Woche tätig und seit dem 7. Oktober 2013 krankgeschrieben, die Aussteuerung erfolgte 2015. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) gewährte rückwirkend zum 1. Mai 2014 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung (Erstbescheid vom 31. Oktober 2016), die verlängert wurde. Sie lebt zusammen mit ihrem Sohn in einer 55 qm großen Wohnung im Haus ihrer Eltern. Ihr Lebensgefährte arbeitet nach einem Herzinfarkt, der Implantation von sieben Stents und einer verbliebenen Herzleistung von 40 Prozent ebenfalls nicht mehr. Er versorgt in erster Linie den Haushalt und, unterstützt von ihrer Mutter, kocht auch. Die Klägerin liest, hört Musik und schaut fern. Zu den Eltern, die im Haus gegenüber wohnen, hat sie, ebenso wie zur Schwester, die ebenfalls gegenüber wohnt, guten und regelmäßigen Kontakt (Anamnese H).
Am 21. April 2016 beantragte sie bei dem Landratsamt R (LRA) erstmals die Feststellung des GdB. Vorgelegt wurde der Befundbericht des B über die ambulante Untersuchung vom 9. Juli 2014. Dieser beschrieb, dass es im Oktober letzten Jahres zum Auftreten von Lumboischialgien in L4/L5 mit einem Taubheits- und Schwächegefühl gekommen sei. Unter konservativer Behandlung habe sich keine Besserung gezeigt. Die Kernspintomographie (MRT) der Lendenwirbelsäule (LWS) habe keine wesentlichen Änderungen zur Voruntersuchung im Oktober 2013 gezeigt. Es bestünden Bandscheibenprotusionen L4/5 und ein Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts sowie ein relativ enges Neuroforamen rechts ohne eindeutige Wurzelkompression. Eine klare radikuläre Symptomatik sei nicht nachzuweisen.
- Weiter gab sie den Entlassungsbericht der Fachklinik E über die vom 28. Juli bis 9. August 2014 durchgeführte stationär Behandlung zur Akte. Darin wurden ein Finger-Boden-Abstand (FBA) bis zur Kniehöhe bei Beugeschmerzangabe beschrieben. Die Rotation der Wirbelsäule sei nach links 30° und rechts 20° möglich gewesen, die Seitneigung bis 30° beidseits. Die Beinstellung sei achsengerecht, die Muskulatur seitengleich und alle Gelenke der unteren Extremität hätten sich frei und schmerzlos beweglich gezeigt. Die Klägerin sei psychisch stabil mit rechts schonhinkendem Gangbild und gleichzeitiger Einnahme einer beugeschonenden Entlastungshaltung entlassen worden sei. Die Hüftgelenksbeweglichkeit sei schmerzfrei gewesen. Sensomotorische Defizite hätten sich keine gezeigt.
Im Befundbericht des K aufgrund ambulanter Untersuchung vom 3. Dezember 2014 wurde eine therapieresistente Ischialgie rechts bei fast nicht mehr möglichem freien Gehen angegeben. Sensible Störungen hätten nicht bestanden. Eine substanzielle Schädigung der S1-Wurzel bestehe noch nicht, sodass durch eine operative Entfernung der beiden Vorfälle begründete Aussichten auf eine dauerhafte Besserung bestünden.
Aus dem Ambulanzbrief des Klinikums S1 über die ambulante Vorstellung am 21. Januar 2016 ergab sich, dass die Klägerin angegeben habe, dass es über die Feiertage zu Hause turbulent gewesen sei. Ab April 2016 bekomme sie von der Arbeitsagentur keine Leistungen mehr, sie hänge total in der Luft und werde von einen zum anderen geschickt. Unklar bleibe, ob ein Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt worden sei. Sie sei bewusstseinsklar und zum Teil affetklabil gewesen. Auffassung und Merkfähigkeit seien subjektiv herabgesetzt, formale oder inhaltliche Denkstörungen hätten nicht bestanden. Es sei ein Wiedervorstellungstermin vereinbart worden, um beim Rentenantrag zu helfen.
F sah versorgungsärztlich jeweils einen Teil-GdB von 20 für degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und für eine Depression/ein chronisches Schmerzsyndrom. Der Bluthochdruck sei mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten, es ergäbe sich ein Gesamt-GdB von 30. Gestützt hierauf stellte das LRA mit Bescheid vom 9. Juni 2016 einen GdB von 30 seit dem 21. April 2016 fest.
Im Widerspruchsverfahren holte das LRA den Befundschein des S ein, der ein chronisches Schmerzsyndrom beschrieb, dass sich auf Basis eines Bandscheibenvorfalls bei Lumboischialgie rechts entwickelt habe. Es seien bereits intensivste konservative Therapiemaßnahmen erfolgt, sodass diese als ausgeschöpft anzusehen seien. Mehrere Rehabilitationsmaßnahmen hätten ebenso zu keiner Beschwerdelinderung geführt. Von orthopädischer Seite sei die Klägerin austherapiert, die Beschwerdesymptomatik sei als Verselbstständigung des chronischen Schmerzsyndroms zu werten. Ergänzend legte er den Entlassungsbericht der M Klinik B1 über die stationäre Behandlung vom 9. bis 30. Juni 2015 vor. In diesem wurde ein vollschichtiges Leistungsvermögen für die letzte berufliche Tätigkeit als Bürokauffrau sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gesehen. Es sollten nur Tätigkeiten ohne häufiges und schweres Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten verrichtet werden. Die Wegefähigkeit mit Wegstrecken deutlich über 500 Meter einfacher Strecke viermal täglich sei erhalten. Psychisch sei die Klägerin bewusstseinsklar und in allen Qualitäten orientiert, die Stimmung leicht zum depressiven Pol verschoben gewesen. Formale oder inhaltliche Denkstörungen hätten sich nicht gezeigt. Durch die Therapie habe eine leichte Beschwerdebesserung erzielt werden können, es persistierten jedoch ein Lumbalschmerz bei Belastung und rezidivierende Krämpfe im Bereich des rechten Fußes mit Taubheitsgefühl der Zehen. Es bestehe eine Einschränkung durch einen Drehschwindel und einer derzeitigen mittelgradigen depressiven Episode. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien nicht erforderlich, Einschränkungen der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bestünden nicht.
Der P, Klinikum S1, Psychiatrische Institutsambulanz (PI), beschrieb in seinem Befundschein vom 17. November 2016, dass die Klagen über Rückenschmerzen und die daraus folgenden Einschränkungen in der Mobilität ganz im Vordergrund der Beschwerdeschilderung gestanden hätten. Psychopathologisch habe ein meist niedergestimmter Affekt imponiert, die Klägerin habe sich affektlabil gezeigt und sei dabei immer wieder fordernd und latent vorwurfsvoll gewesen. Die psychiatrische Behandlung habe aus stützenden/beratenden Gesprächen im Abstand von circa drei Monaten und der antidepressiven Behandlung mit Duloxetin (Cymbalta) zuletzt mit 30 mg bzw. Mirtazapin 7,5 bis 15 mg bei Bedarf bestanden. Eine ambulante Psychotherapie sei ihr nahegelegt und die Behandlung in der PI im Juli 2016 beendet worden.
S2 hielt versorgungsärztlich an der bisherigen Einschätzung fest, da weitreichende Überschneidungen bestünden und die Bewertungen bereits hoch erfolgt seien. Die Schwerbehinderteneigenschaft lasse sich nicht begründen.
Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2017 zurück. Die Auswertung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass die vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen in vollem Umfang und angemessen berücksichtigt worden seien. Mit einem Teil-GdB von 20 seien die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und der Bandscheibenschaden zutreffend bemessen. Die Depression ohne Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sei ebenfalls mit einem Teil-GdB von 20 zu berücksichtigen, sodass sich kein höherer Gesamt-GdB als 30 ergebe.
Am 28. Februar 2017 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und das psychiatrische Gutachten des A aufgrund ambulanter Untersuchung vom 23. Mai 2016 sowie des S3 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 8. Juni 2016, beide erstellt für die DRV, vorgelegt.
A hat beschrieben, dass die Stimmungslage der Klägerin herabgedrückt und der Antrieb etwas reduziert gewesen sei. Die Denkvorgänge hätten negative Denkeinengungen mit Krankheits- und Bewältigungsängsten wie auch nicht bewältigbaren Schmerzerlebnisweisen gezeigt. Es habe sich weiterhin eine bedrohte Erwerbsfähigkeit gezeigt, die aktuell noch so weitreichend sei, dass eine Indikation für eine eigene psychosomatische Rehabilitationsbehandlung mit Integration von Schmerzbewältigungstechniken wie auch Bewältigungstechniken für die affektive Störung indiziert sei. Es werde empfohlen, den Rentenantrag umzuwandeln, aus psychiatrischer Sicht bestehe die günstige Aussicht, die Erwerbsfähigkeit zu erhalten. Es seien qualitative Leistungseinschränkungen hinsichtlich Konfliktbewältigungsfähigkeit, Belastbarkeit unter Zeitvorgaben, Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit zu beschreiben, unter deren Berücksichtigung die letzte Tätigkeit als Bürokauffrau wie auch sonstige leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten seien.
S3 hat ausgeführt, dass im Vordergrund ein massives Nervenwurzelkompressions-Syndrom bei unbehandeltem großen sequestiertem Bandscheibenvorfall L4/5 und L5/S1 stehe, sodass eine absolute Operationsindikation gegeben sei. Die Klägerin müsse psychotherapeutisch auf den notwendigen Eingriff hingeführt und fachlich kompetent begleitet werden. Die Vorstellung in einem Wirbelsäulenzentrum werde empfohlen, eine nennenswerte Belastungsfähigkeit bestehe weder in der letzten Tätigkeit, noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Der Beklagte hat ein Vergleichsangebot auf Feststellung eines GdB von 40 unterbreitet und die versorgungsärztliche Stellungnahme des W vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, dass aufgrund des Rentengutachtens des A der Teil-GdB auf psychischem Fachgebiet auf 30 erhöht werden könne, wobei die psychischen und physischen Auswirkungen einer somatoformen Schmerzstörung mit berücksichtigt würden. Dieser GdB entspreche einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Weiter könne der Teil-GdB für das Wirbelsäulenleiden auf 30 erhöht und damit eine schwere Funktionsminderung der Wirbelsäule berücksichtigt werden. Ein Gesamt-GdB von 50 sei nicht zu begründen, da zwei Teil-GdB-Werte von 30 nur dann einen Gesamt-GdB von 50 ergäben, wenn eine gegenseitige Verstärkung vorliege, die vorliegend nicht zu begründen sei.
Das Vergleichsangebot hat die Klägerin abgelehnt und das Sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 20. Juni 2017 zur Frage eines langfristigen Behandlungsbedarfs im Sinne des § 32 Abs. 1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vorgelegt. Danach bestehe eine Radikulopathie bei Bandscheibenschädigung ohne Hinweis auf motorische Paresen. Bei chronischem Schmerzsyndrom und funktionseinschränkender Schmerzsymptomatik sei ein intermittierender Heilmittelbedarf nachvollziehbar. Eine Anleitung zu Eigenübungen und Schmerzbewältigungsstrategien sei zu empfehlen. Ein dauerhafter Behandlungsbedarf von mindestens einem Jahr sei nicht ersichtlich, vielmehr sei von möglichen Therapiepausen auszugehen.
Zur weiteren Sachaufklärung hat das SG sodann die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen angehört.
Die B2 hat einen Diabetes Typ 2 mit Insulinresistenz beschrieben. Die Adipositas sei behandelbar, zeige aber in den letzten sieben Monaten keine Verbesserung. Weiter hat sie auf ihre Befundberichte verwiesen, in denen sie über eine noch ausreichend gute Blutzuckereinstellung ohne Hinweise auf eine diabetische Nephropathie berichtet hat.
Der S hat bekundet, eine Chronifizierung der Beschwerdesymptomatik zu sehen, die derzeit die Hauptproblematik sei. Das rein orthopädische Problem sei eher zweitrangig und als mittelgradig anzusehen.
Der K1 hat den Verdacht auf eine rezidivierende Migräne, ein Karpaltunnelsyndrom sowie eine Polyneuropathie beschrieben. Im Jahr 2016 hätten Beschwerden an der Wirbelsäule im Vordergrund gestanden, eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme habe nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Seit Oktober 2016 habe ein depressiver Verstimmungszustand bestanden, sodass seit 2017 eine medikamentöse Behandlung mit Mirtazapin 15 mg und Duloxetin 30 mg erfolge. Die Klägerin sei nur in der Lage, sich mit zwei Gehstützen fortzubewegen. Es bestehe eine ausgeprägte chronifizierte Schmerzsymptomatik, die durch intensive physikalische und medikamentöse Therapie mit Schmerzmitteln nur unzureichend behandelt werden könne. Der depressive Verstimmungszustand verstärke die Schmerzsymptomatik. Die Schwingungsfähigkeit sei eingeschränkt und es bestünden Schlafstörungen und eine ausgeprägte Schmerzstörung, sodass von einer mittelgradigen Störung auszugehen und diese mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten sei.
Der P vom zfp W1 hat dargelegt, dass eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei vorbeschriebenen degenerativen Wirbelsäulenveränderungen bestehe und daneben eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig mittelgradiger Episode bei familiärer Belastung; Antrieb und allgemeine Belastbarkeit reduziert. Die Empfehlungen zu einer ambulanten Psychotherapie und Vorstellung bei einem Schmerztherapeuten seien nicht umgesetzt worden. Er schließe sich der versorgungsärztlichen Einschätzung an.
B2 führte versorgungärztlich aus, dass der Diabetes nicht behandelt werde, sodass hieraus kein Teil-GdB folge. Nach den nervenärztlichen Unterlagen liege eine seelische Störung ohne Nachweis einer sozialen Anpassungsstörung mit leichtgradigen Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen bei nicht gestörtem Gedächtnis, Orientierung und inhaltlichen Denkstörungen vor. In Kombination mit dem chronischen Schmerzsyndrom sei der Teil-GdB von 30 weiterhin sachgerecht, beim Teil-GdB von 30 für die Wirbelsäule seien mittel- bis schwergradige funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten berücksichtigt. Es werde deswegen weiter ein Gesamt-GdB von 40 empfohlen.
Daraufhin hat das SG das orthopädische Sachverständigengutachten der B3 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 20. April 2018 erhoben, die einen GdB von 20 auf orthopädischem Fachgebiet angenommen hat. Bei der Überprüfung der Beweglichkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule seien Schmerzen angeben worden. Der Finger-Boden-Abstand habe 50 cm betragen, das Zeichen nach Schober sei mit 10:13 cm normal, das Zeichen sei Ott mit 30:31 cm deutlich eingeschränkt gewesen. Es seien keine ausstrahlenden Schmerzen in die Arme angegeben worden, die Sensibilität in beiden Ober- und Unterarmen sowie in den Händen sei seitengleich normal gewesen. Motorische Ausfälle hätten nicht festgestellt werden können, die Beweglichkeit der Hände und Finger sei unauffällig gewesen bei normaler grober Kraft. Im Bereich der unteren Extremitäten hätten sich bei der grob-neurologischen Untersuchung keine Auffälligkeiten gezeigt. Der Zehen- und Fersenstand seien problemlos möglich gewesen, die Sensibilität habe sich in sämtlichen Dermatomen von L3 bis S1 seitengleich ausgebildet gezeigt. Der Reflexstatus habe einen unauffälligen Patellar- und Achillessehnenreflex auf beiden Seiten ergeben, die Reflexe seien beidseits gut auslösbar gewesen. Beim Gehen sei der Bewegungsablauf normal mit normaler Schrittgröße und einem Hinken auf der rechten Seite gewesen. Der Einbeinstand sei beidseits problemlos gelungen, das Heruntergehen in die Kniebeuge sei erst nur angedeutet durchgeführt worden, die Klägerin habe aber noch tiefer in die Hocke gehen könne und das Aufstehen sei sicher gelungen. Im Bereich der Kniegelenke habe sich keine Schwellung und keine Ergussbildung gezeigt, die Muskulatur sei seitengleich ausgebildet, die Beweglichkeit frei gewesen. Die Klägerin habe ohne Gehstöcke laufen können und über Schmerzen im Bereich der LWS geklagt. Die Entfaltbarkeit der Wirbelsäule sei vorwiegend im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS) eingeschränkt gewesen und es habe sich nur eine gering eingeschränkte Entfaltbarkeit der LWS gezeigt. Schmerzen im Bereich der BWS seien keine angegeben worden. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule (HWS) sei auf beiden Seiten eingeschränkt gewesen, Nervenwurzelreizungen hätten nicht vorgelegen, die Nackenmuskulatur sei nicht verspannt gewesen. Die Röntgenaufnahme der HWS in zwei Ebenen habe degenerative Veränderungen im Bereich der kleinen Wirbelgelenke gezeigt. Beschwerden im Bereich der LWS seien nachvollziehbar, jedoch lasse sich die Diskrepanz bei der Untersuchung und der anschließenden Röntgendiagnostik orthopädisch nicht erklären. Die zu sichernden orthopädischen Befunde erklärten die ausgeprägte Schmerzhaftigkeit nicht. Das Gehen mit Unterarmstützen zur Entlastung der Schmerzen lasse sich anhand der Befunde ebenfalls nicht eindeutig erklären. Eine neurologische Abklärung sei erforderlich. Beschwerden von Seiten der degenerativen Veränderungen im Bereich der HWS seien nachvollziehbar, jedoch bestehe hier ebenfalls eine deutliche Diskrepanz zwischen den klinischen Untersuchungsbefunden, die orthopädisch nicht erklärbar sei. Orthopädisch lägen keine mittel- bis schwergradigen funktionellen Auswirkungen zweier Wirbelsäulenabschnitte vor, sodass nur ein GdB von 20 auf orthopädischem Fachgebiet anzunehmen sei. Das chronische Schmerzsyndrom sei bereits unter der neurologisch-psychiatrischer Diagnose mitbeurteilt. Die Beurteilung des behandelnden Neurologen sei nicht nachvollziehbar, insbesondere sei die Klägerin durchaus in der Lage, sich ohne Unterarmgehstützen fortzubewegen.
Weiter hat das SG das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten des H vom Klinikum am W2 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 13. Juni 2018 erhoben, der einen Teil-GdB von 40 gesehen hat. Er hat ausgeführt, dass sich im neurologischen Befund beim Beinhalteversuch ein Absinken beidseits bei Angabe von Schmerzen im Bereich der LWS ins rechte Bein ziehend gezeigt habe. Die Muskeleigenreflexe seien allseits untermittelstark auslösbar gewesen, es hätten keine Atrophien oder trophische Störungen bestanden und bei der Prüfung der groben Kraft keine Paresen. Es sei eine Hypästhesie des gesamten rechten Beines mit Schwerpunkt an der Außenseite an der Fußsohle angeben worden, das Gangbild sei sicher und flüssig gewesen. Im psychischen Befund sei die Klägerin bewusstseinsklar und allseits orientiert gewesen, Auffassung und Konzentration hätten fluktuierend leicht vermindert gewirkt, das Durchhaltevermögen habe keine Einschränkungen gezeigt. Bei zähflüssigem Bericht hätten sich keine mnestischen Störungen, weder im Hinblick auf die Merkfähigkeit noch auf das Kurz- oder Langzeitgedächtnis, gezeigt. Der formale Gedankengang sei geordnet, nicht verlangsamt und ohne inhaltliche Denkstörungen gewesen. Die Stimmungslage sei über weite Strecken mäßig gedrückt gewesen, themenbezogen sei es zu einer gewissen Auflockerung gekommen. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei deutlich reduziert gewesen bei ausreichend lebendiger Psychomotorik. Der Antrieb sei leicht- bis mittelgradig reduziert gewesen. Neurologisch hätten sich keine relevanten funktionellen Leistungseinschränkungen gezeigt, sodass es keiner weitergehenden elektrophysiologischen Diagnostik bedurft habe. Auf psychiatrischem Fachgebiet seien die Kriterien für das Vorliegen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung erfüllt. Die vorherrschenden Beschwerden seien andauernde, schwere und quälende Schmerzen, die durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung nicht vollständig erklärt werden könnten. Im Übrigen liege eine mittelgradige depressive Episode vor. Anhaltspunkte für die Annahme eines phasenhaften Krankheitsverlaufs hätten sich nicht ergeben, eine Angsterkrankung sei ebenso wenig nachweisbar gewesen, wie eine posttraumatische Belastungsstörung, eine wahnhafte Störung oder eine psychotische Erkrankung. Die Diagnosen ließen sich nicht trennen, sondern beeinträchtigten die Klägerin in allen Lebensbereichen deutlich, sodass eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vorliege, die im oberen Bereich zu bewerten sei. Der Gesamt-GdB sei daher mit 50 zu bemessen.
Der Beklagte ist dem Sachverständigengutachten unter Vorlage der versorgungärztlichen Stellungnahme des G entgegengetreten. Dieser hat ausgeführt, dass eine massive Überlagerung zwischen der psychischen Störung und den Wirbelsäulenbeschwerden bestünde. Ein Einzel-GdB von 40 auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet lasse sich nicht rechtfertigen, dieser sei weiterhin mit 30 zu beurteilen. Dem Vorschlag eines GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden sei zu folgen, sodass ein Gesamt-GdB von 40 vorgeschlagen werde.
Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12. Dezember 2019 hat das SG den Bescheid vom 9. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2017 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, einen GdB von 40 seit dem 21. April 2016 festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Teil-GdB im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ 30 betrage. H habe die Klägerin als bewusstseinsklar und allseits orientiert beschrieben. Auffassung und Fluktuation hätten leicht vermindert gewirkt, das Durchhaltevermögen habe keine Einschränkungen gezeigt. Die Stimmungslage sei über weite Strecken mäßig gedrückt, themenabhängig sei es zu einer gewissen Auflockerung gekommen. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei deutlich reduziert bei ausreichend lebendiger Psychomotorik und leicht- bis mittelgradig reduziertem Antrieb gewesen. Der geschilderte Tagesablauf zeige, dass die Klägerin trotz ihrer Schmerzen ihren Alltag ausreichend strukturieren und zusammen mit ihrer Familie erleben und gestalten könne. Sie gehe noch Hobbys in Form von Musik hören und Schauen von Spielfilmen nach. Das Verhältnis zu ihrem Partner und ihrem Sohn sei gut. Zwar sei von einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit auszugehen, angesichts der bestehenden Fähigkeit zur Tagesgestaltung sowie der noch vorhandenen sozialen Kontakte könne der Bewertungsrahmen nicht ausgeschöpft werden. Dies entspreche der Einschätzung des behandelnden K1, P habe sogar nur einen Teil-GdB von 20 gesehen. Das Funktionssystem „Rumpf“ sei mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten, nachdem mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt gegeben seien. Schwere funktionelle Auswirkungen bestünden ebenso wenig wie mittelgradige funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten. Bei der Untersuchung habe sich lediglich im Bereich der BWS eine deutliche Einschränkung ergeben, im Bereich der LWS aber nur eine geringgradige. Der behandelnde S habe die Beeinträchtigungen ebenso eingeschätzt. Weitere Gesundheitsstörungen, die sich auf den GdB auswirkten, seien nicht gegeben.
Am 21. Januar 2020 hat die Klägerin Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Der Einschätzung des Sachverständigen H mit 40 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche sei zu folgen, da ihr Tagesablauf erheblich eingeschränkt sei. Sie lese nicht jeden Tag und auch nicht jede Woche, vielmehr könne sie nur drei bis vier Seiten lesen und sich dann nicht mehr konzentrieren. Ein Zeitungsabonnement bestehe nicht und Musik höre sie nur zur Berieselung nebenher. Manchmal lasse sie auch nur das Radio im Hintergrund laufen. Seit sie nicht mehr arbeite, habe sie nur noch eine Bekanntschaft zu einer Freundin in F1, wobei es sein könne, dass über ein Vierteljahr gar kein Kontakt bestünde. B3 berücksichtige die Einschränkungen an der HWS nicht hinreichend. Die Rente wegen Erwerbsminderung sei ohne erneute Begutachtung weitergewährt worden. Ergänzend hat sie den Befund vom 9. März 2020 über die MRT der HWS vorgelegt, aus dem sich eine minimales Bulging an HWK 3/4 und eine Protusion an HWK 6/7 jeweils ohne relevante Stenosen ergeben hat.
Die Klägerin beantragt, sachdienlich gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2019 abzuändern und den Beklagten unter weiterer Abänderung des Bescheides vom 9. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2017 zu verpflichten, bei ihr einen Grad der Behinderung von mindestens 50 seit dem 20. April 2016 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er verweist auf die angefochtene Entscheidung.
Der Senat hat die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss hingewiesen und hat an diesem Hinweis nach dem Schriftsatz vom 9. Juli 2020 festgehalten.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden, einer Zustimmung zu der Verfahrensweise bedarf es nicht (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 153 Rz. 19).
Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 12. Dezember 2019, mit dem die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) auf Feststellung eines höheren GdB als 40 unter weiterer Abänderung des Bescheides vom 9. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 31. Januar 2017 abgewiesen worden ist. Soweit das SG den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides abgeändert und den Beklagten zur Feststellung eines GdB von 40 verpflichtet hat, ist das Urteil vom Beklagten weder mit Berufung noch Anschlussberufung angegriffen worden und daher rechtskräftig. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a. a. O., § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung.
Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage im noch streitigen Umfang. Der Bescheid vom 9. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG) soweit damit kein höherer GdB als 40 festgestellt worden ist. Der Senat ist ebenso wie das SG zu der Überzeugung gelangt, dass die bestehenden Funktionseinschränkungen in den Funktionssystemen „Gehirn einschließlich Psyche“ und „Rumpf“ jedenfalls so erhebliche Überschneidungen aufweisen, dass die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nicht gerechtfertigt ist, wie dies B2 ebenfalls dargelegt hat. Das SG hat daher zu Recht nur dem Vergleichsvorschlag des Beklagten folgend einen GdB von 40 festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Der Anspruch richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (vgl. BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Soweit der Antrag sich auf den Zeitraum vor dem 1. Januar 2018 bezieht, richtet sich der Anspruch nach den in diesem Zeitraum geltenden gesetzlichen Vorgaben (vgl. §§ 69 SGB IX ff. a. F.), nach denen ebenso für die Bewertung des GdB die VersMedV und die VG die maßgebenden Beurteilungsgrundlagen waren.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSGE 82, 176 [177 f.]). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der GdB mit 40 zutreffend festgestellt ist.
Die vorwiegenden Funktionseinschränkungen bestehen bei der Klägerin im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“, welches unter Berücksichtigung der wirbelsäulenbedingten Schmerzsymptomatik, übereinstimmend mit der versorgungsärztlichen Bewertung der W und G, mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten ist.
Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 bedingen Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen in Form leichterer psychovegetativer oder psychischer Störungen einen GdB von 0 bis 20, stärkere Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 80 bis 100. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach F30.- oder F40.- ICD-10 GM handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Juli 2017 – B 9 V 12/17 B –, juris, Rz. 2). Dabei ist für die GdB-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2017 – L 6 VH 2746/15 –, juris, Rz. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine „wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der „sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher Behandlung in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris Rz. 42; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 – L 8 SB 1549/10 –, juris, Rz. 31).
Nach diesen Maßstäben liegt bei der Klägerin eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor, wobei der dafür anzunehmende Teil-GdB von 30 nur unter Berücksichtigung sowohl der depressiven Symptomatik wie des chronischen Schmerzsyndroms erreicht wird, wie W ebenfalls dargelegt hat. Insbesondere im Hinblick darauf, dass die Störungen für sich betrachtet einen GdB von 30 nicht rechtfertigen, kommt eine Ausschöpfung des Bewertungsrahmens nicht in Betracht. Die gegenteiligen Ausführungen des Sachverständigen H überzeugen nicht, da diese von den von ihm erhobenen Befunden nicht getragen werden.
Zum psychischen Befund hat bereits die M Klinik die Klägerin als bewusstseinsklar und in allen Qualitäten orientiert beschrieben, bei nur leicht zum depressiven Pol verschobener Stimmung. Formale oder inhaltliche Denkstörungen zeigten sich keine, am Therapieprogramm konnte sie motiviert teilnehmen, relevante Einschränkungen sind nicht beschrieben worden. Soweit die Rehabilitationsklinik von einer fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit ausgegangen ist, ist dies weder aufgrund der erhobenen Befunde noch anhand der Leistungseinschätzung nachvollziehbar. Der Klägerin wird nämlich – nachvollziehbar – ein vollschichtiges Leistungsvermögen für die letzte Tätigkeit wie für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bescheinigt. Daneben ist ausdrücklich festgehalten, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erforderlich sind und Einschränkungen der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht bestanden. Korrespondierend hierzu hat der Gutachter A, dessen Gutachten der Senat im Wege des Urkundsbeweises (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]) verwertet, den Antrieb der Klägerin als nur etwas reduziert bei negativen Denkeinengungen beschrieben und die Erwerbsfähigkeit nur als gefährdet angesehen. Er hat ausdrücklich die Umdeutung des Renten- in einen Rehabilitationsantrag empfohlen und ein vollschichtiges Leistungsvermögen für die letzte wie Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes gesehen.
Die Klägerin verfügt über einen geregelten Tagesablauf, mit regelmäßigem Aufstehen, regelmäßigen Mahlzeiten und ist zur Freizeitgestaltung mit Lesen und Fernsehnschauen in der Lage. Sie interessiert sich für Spielfilme und liest Romane sowie Sachbücher, daneben hört sie Querbeet Musik von Modern bis Klassik. Es besteht somit ein erhaltenes Interessenspektrum und eine uneingeschränkte Mediennutzung, wie die Erhebungen des Sachverständigen H zum Tagesablauf ergeben haben. Daneben unternimmt sie Spaziergänge und trifft die Eltern täglich und die Schwester regelmäßig. Ein relevanter sozialer Rückzug ist somit nicht zu verzeichnen, sodass es letztlich nicht entscheidend darauf ankommt, dass die Klägerin erstmals im Berufungsverfahren die von ihr selbst gegenüber H beschriebenen Bekanntschaften zu zwei guten Freundinnen und einer guten alte gemeinsame Bekannten im Bayrischen dahingehend relativiert, dass es sich nur um seltene Kontakte handele. Eine fachärztliche psychiatrische Behandlung wird alle vier bis sechs Wochen in Anspruch genommen, sodass nur eine niedrigfrequente Behandlung vorliegt, hinsichtlich derer keine Intensivierung zu erkennen ist und auch keine Ausweitung der niedrig dosierten medikamentösen Therapie. Gegen einen entsprechenden Leidensdruck spricht im Übrigen, dass Pin seiner sachverständigen Zeugenauskunft darauf hingewiesen hat, dass die Klägerin den Empfehlungen zur ambulanten Psycho- und Schmerztherapie nicht gefolgt ist.
H hat – korrespondierend zu den Vorbefunden – zum psychischen Befund ebenfalls erhoben, dass die Klägerin bewusstseinsklar und voll orientiert gewesen ist. Auffassung und Konzentration wirkten flukturierend nur leicht vermindert, Einschränkungen im Durchhaltevermögen ergaben sich keine. Mnestische Störungen im Hinblick auf die Merkfähigkeit oder das Kurzzeitgedächtnis bestanden nicht, bei geordnetem Gedankengang. Dieser war nicht verlangsamt und es bestanden keine inhaltlichen Denkstörungen. Die Stimmungslage wird über weite Strecken als mäßig gedrückt beschrieben, mit einer themenabhängigen Auflockerung. Bei affektiv reduzierter Schwingungsfähigkeit war die Psychomotorik ausreichend lebendig, der Antrieb nur leicht- bis mittelgradig reduziert.
Neurologisch hat H keine Atrophien und keine trophischen Störungen beschrieben, die Muskeleigenreflexe waren allseits untermittelstark auslösbar, bei der Prüfung der groben Kraft ergaben sich keine Paresen. Sensomotorische Defizite sind bereits durch die Fachklinik E ausgeschlossen worden und das von der Klägerin vorgelegte, urkundsbeweislich zu verwertende, Gutachten des MDK verweist ebenfalls darauf, dass keine motorischen Paresen bestehen. Therapiepausen werden als möglich angesehen und kein langfristiger Heilmittelbedarf bestätigt. Am gesamten rechten Bein mit Schwerpunkt an der Außenseite der Fußsohle wurde gegenüber H eine Hypästhesie angegeben. Die Koordination war intakt, es zeigte sich kein Rigor und kein Tremor, das Gangbild war in seiner Untersuchung sicher und flüssig. Damit bestätigt sich die Einschätzung der M Klinik aus 2015, dass die Wegefähigkeit der Klägerin nicht eingeschränkt ist und keine wesentlichen Einschränkungen der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bestehen. Für die Angaben der Klägerin, wie insbesondere gegenüber der PI, dass eine eingeschränkte Mobilität vorliege, fehlt es somit an objektivierten Befunden. Solche ergeben sich aus den Befunden des H ebenfalls nicht und die Sachverständige B3 konnte solche aus orthopädischer Sicht nicht bestätigen. Vielmehr hat sie überzeugend darauf verwiesen, dass die Ausführungen des K1 zu der Notwendigkeit der Nutzung von zwei Gehstützen anhand der beschriebenen Befunde nicht nachvollziehbar sind und die Klägerin in der Lage ist, auch ohne Gehstützen zu laufen.
Soweit der Nervenarzt K1 in den Befundberichten wiederholt eine Migräne (vgl. VG, Teil B, Nr. 2.3) beschreibt, hat er eine solche in seiner sachverständigen Zeugenauskunft nur noch als Verdachtsdiagnose angegeben. Ein Behandlungsbedarf ist ebenso wenig ersichtlich, wie hierdurch bedingte Einschränkungen. Solche haben sich insbesondere während der stationären Rehabilitationen nicht ergeben.
Das Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ ist daher mit einem Gesamt-GdB von 30 zu bewerten, wie ihn K1 ebenfalls gesehen hat und wie er versorgungsärztlich mehrfach bestätigt worden ist. Für die Ausschöpfung des Bewertungsrahmes, wie von H angenommen, fehlt es an tragfähigen Befunden. Eine Verschlechterung im Befund hat er nicht beschrieben, sondern festgehalten, dass sich keine Anhaltspunkte für einen phasenhaften Krankheitsverlauf ergeben haben.
Daneben kommt im Funktionssystem „Rumpf“, zu dem auch die Wirbelsäule zu rechnen ist, kein höherer Teil-GdB als 20 in Betracht, wie ihn die Sachverständige B3 ebenfalls eingeschätzt hat.
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung und Minderbelastbarkeit) sowie die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu werten (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen. Bei den entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind unter Beachtung der Krankheitsentwicklung neben der strukturellen und funktionellen Einbuße die Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen.
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten „Postdiskotomiesyndrom“) primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte „Wirbelsäulensyndrome“ (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein.
Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz-dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen – oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose – sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.
Nach diesen Maßstäben liegen mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, die mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten wären, nicht vor. Dem Sachverständigengutachten der B3 entnimmt der Senat, dass sich bei der Untersuchung der HWS eine deutliche Diskrepanz in der Kopfhaltung zeigte. Während der Untersuchung wurde der Kopf normal gehalten und nur während der Röntgenuntersuchung eine Rechtsneigung demonstriert. Eine solche ist, so B3 weiter, anhand der radiologischen Aufnahmen nicht nachvollziehbar, da nur degenerative Veränderungen im Bereich der kleinen Wirbelgelenke bestehen. Ebenso ergab sich radiologisch kein Korrelat für die demonstrierten Bewegungseinschränkungen und Nervenwurzelreizerscheinungen werden ausdrücklich verneint. Bei geklagten Nackenbeschwerden zeigten sich keine Verspannungen der Muskulatur, sodass diese Beschwerden nicht zu objektivieren gewesen sind. Letztlich werden die radiologischen Befunde von denen B3 ausgegangen ist, durch den vorgelegten MRT-Befund nicht in Frage gestellt, da dieser weiterhin Stenosen ausschließt und damit kein tragfähiger Befund für die vermutete Wurzelreizung erhoben werden konnte. Dementsprechend wird auch nur ein Bulging in einem Segment und eine Protusion in einem weiteren beschrieben, sodass aus dem radiologischen Befund auch weiterhin nicht auf wenigstens mittelgradige Einschränkungen geschlossen werden kann. Abgesehen davon dient der radiologische Befund nur der Plausibilisierung der klinischen Befunde, rechtfertigt allein aber keine Erhöhung des GdB (vgl. VG, Teil B, Nr. 18.1).
Im Bereich der BWS hat die Sachverständige zwar eine eingeschränkte Beweglichkeit befundet, indessen sind von der Klägerin hier keine Schmerzen angegeben worden und die Sachverständige verweist überzeugend darauf, dass sich ein radiologisches Korrelat hierfür nicht zeigte.
Letztlich hat sie das Zeichen nach Schober für die Beweglichkeit der LWS mit 10:13 cm (Norm: 10:15 cm) befundet, sodass die Beweglichkeit nicht einmal hälftig eingeschränkt gewesen ist. Das Ausmaß der von der Klägerin geklagten Beschwerden beschreibt sie aufgrund der Befunde, insbesondere des radiologischen Bildes, als nicht nachvollziehbar. Ebenso verweist sie darauf, dass sich das Gehen mit Unterarmgehstützen anhand der Befunde nicht erklären lässt und sich während der Untersuchung zeigte, dass die Klägerin durchaus in der Lage ist, sich ohne Gehstützen fortzubewegen. Passend zum neurologischen Befund (vgl. oben) hat B3 somit ebenfalls keine Auswirkungen von Funktionseinschränkungen an der Wirbelsäule, vornehmlich an der LWS, befundet, die Auswirkungen auf das Gehvermögen hätten.
Ein höherer Teil-GdB als 20, wie von B3 vorgeschlagen und von G versorgungsärztlich bestätigt, kommt daher nicht in Betracht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass S die Klägerin als orthopädisch austherapiert und die orthopädischen Probleme als zweitrangig beschrieben hat. Dass die Schlussfolgerungen des Gutachters S3 zum beruflichen Leistungsvermögen aufgrund der zu erhebenden Befunde nicht zu überzeugen vermögen, kann dahinstehen, da aus dem beruflichen Leistungsvermögen nicht auf den GdB geschlossen werden kann. Ebenso kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, dass die DRV die Rente wegen voller Erwerbsminderung, wie die Klägerin zuletzt ausgeführt hat, ohne erneute Begutachtung, als Dauerrente weitergewährt hat. Ein neuer medizinischer Sachverhalt ergibt sich hieraus nicht und stellt die Einschätzung der B3 nicht in Frage.
Im Funktionssystem „Herz und Kreislauf“ ist kein höherer Teil-GdB als 10, wie er versorgungsärztlich angenommen worden ist, gegeben. Anhaltspunkte für eine mittelschwere Form des Bluthochdrucks mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (vgl. VG, Teil B, Nr. 9.3), der mit einem Teil-GdB von wenigstens 20 zu bewerten wäre, bestehen nicht.
Im Funktionssystem „Stoffwechsel und innere Sekretion“ ist kein Teil-GdB gegeben. Zwar wird ein Diabetes beschrieben, aber nur eine Metformin-Einnahme empfohlen. Anhaltspunkte dafür, dass eine solche tatsächlich erfolgt, bestehen hingegen nicht. Eine Therapie, die Hypoglykämien auslösen kann (vgl. VG, Teil B, Nr. 15.1), wird von der B2 in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft nicht beschrieben, eine diabetische Nephropathie verneint. Ein Teil-GdB ist daher nicht in Ansatz zu bringen.
Aus den Teil-GdB von 30 im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ und 20 im Funktionssystem „Rumpf“ ergibt sich somit kein höherer Gesamt-GdB als 40, wie ihn das SG bereits festgestellt hat. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass das Funktionssystem „Rumpf“ mit einem Teil-GdB von 30 zu berücksichtigen wäre, käme ein Gesamt-GdB von 50 nicht in Betracht, da deutliche Überschneidungen bestehen, die eine Erhöhung des Teil-GdB von 30 im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ um 20 nicht rechtfertigen. G hat versorgungsärztlich zu Recht darauf hingewiesen, dass eine massive Überlagerung der psychischen Störungen mit den Wirbelsäulenbeschwerden besteht, auf die der behandelnde S letztlich auch verweist, wenn er darauf abstellt, dass eine Verselbstständigung des chronischen Schmerzsyndroms besteht und die Klägerin orthopädisch austherapiert ist. Darauf, dass der – rechtlichen – Wertung des Versorgungsarztes W, wonach zwei Teil-GdB von 30 nur dann einen Gesamt-GdB von 50 ergeben könnten, wenn eine gegenseitige Verstärkung der Funktionseinschränkungen vorliege, nicht gefolgt werden kann, kommt es daher nicht in.
Die Berufung konnte somit keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen der Klägerin im Berufungsverfahren.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.