L 7 AS 462/21 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 AS 23/21 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 462/21 ER-B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Januar 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers ist zwar unter Beachtung des § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg; denn das Begehren des Antragstellers auf einstweiligen Rechtsschutz ist mittlerweile unstatthaft geworden.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund).

Die hier erstrebte Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kommt nicht mehr in Betracht. Denn der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Antrags. Erst dann ist zu prüfen, ob der Antrag begründet ist, nämlich ob ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund bestehen und hinreichend glaubhaft gemacht sind (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Beschluss vom 13. Juni 2007 – L 7 AS 2050/07 ER-B – juris Rdnr. 3; Binder in Berchtold, SGG, 6. Aufl. 2021, § 86b Rdnr. 32). Maßgebend für die Beurteilung der Zulässigkeit und Begründetheit des Eilantrags sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen im Zeitpunkt des Erlasses der vorliegenden Entscheidung nicht mehr vor. Denn das Begehren des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz ist nicht mehr statthaft. Der Antragsgegner hat über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an den Antragsteller für die Zeit vom 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021 (zuletzt) mit Bescheid vom 18. Dezember 2020 entschieden, wobei er Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht berücksichtigt, somit konkludent abgelehnt hat. In der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 18. Dezember 2020 ist der Antragsteller darauf hingewiesen worden, dass gegen den Bescheid innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift der im Briefkopf genannten Stelle eingelegt werden kann. Den Verwaltungsakten ist zwar kein Hinweis auf den Zeitpunkt des Versands des Bescheides an den Antragsteller zu entnehmen, weshalb ein Bekanntgabezeitpunkt nicht gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gilt, zu ermitteln ist. Allerdings hat der Antragsteller unter Verweis auf den Bescheid vom 18. Dezember 2020 und unter Vorlage des dem Bescheid beigefügten Berechnungsbogens unter dem 3. Januar 2021 den am 4. Januar 2021 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) eingegangenen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, so dass der Bescheid dem Antragsteller jedenfalls am 3. Januar 2021 bekannt gegeben war. Damit endete die Widerspruchsfrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Bescheides (§ 84 Abs. 1 SGG) gemäß § 64 Abs. 2 SGG spätestens mit Ablauf des 3. Februar 2021. Ein Widerspruch ist jedoch beim Antragsgegner nicht eingegangen. Auf den Hinweis des Senats, dass es an der Einlegung des Widerspruchs fehlen dürfte, hat der Antragsteller nicht reagiert. Als Widerspruch kann auch nicht der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim SG angesehen werden, da es sich insofern nicht um ein Überprüfungsbegehren handelt, sondern es das Ziel des Antragstellers dabei ist, eine vorläufige Regelung mit Hilfe des Gerichts zu erreichen. Eine Auslegung als Widerspruch scheidet damit aus (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 1. August 2011 – L 10 AL 164/11 B ER – juris Rdnr. 12).

Ist der dem Rechtsschutzverlangen zugrundeliegende ablehnende Bescheid zwischenzeitlich unanfechtbar und damit bestandskräftig geworden, mangelt es bereits an einem streitigen Rechtsverhältnis, bezüglich dessen mit dem Eilantrag eine vorläufige Regelung erstrebt werden sollte. Denn nur wenn (noch) Streit über ein Rechtsverhältnis besteht, kommt eine Regelungsanordnung überhaupt in Betracht. Ist der Verwaltungsakt bestandskräftig geworden, so liegt schon eine endgültige Klärung vor; das Rechtsverhältnis steht nicht mehr im Streit und ist daher auch keiner vorläufigen Regelung mehr zugänglich (Binder, a.a.O.). Dies ist hier in Anbetracht der zwischenzeitlich eingetretenen Unanfechtbarkeit des Bescheids vom 18. Dezember 2020 der Fall. Die Bestandskraft dieses Bescheides hat der Senat – unabhängig davon, dass die Bestandskraft noch durch einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X durchbrochen werden könnte – zu beachten, so dass er an einer Prüfung der übrigen Anordnungsvoraussetzungen (Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund) gehindert ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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