1. Wird einem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs nachgezahlt, ändern sich die Verhältnisse im Hinblick auf die Höhe des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts im Rahmen des Bemessungsentgelts zu dessen Gunsten, so dass das Arbeitslosengeld gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X neu zu bemessen ist.
2. Der weitergehende Zahlungsanspruch für das über den zuvor gezahlten Betrag hinausgehende Arbeitslosengeld wird mit dem Zufluss der Nachzahlung aus dem Vergleich beim Arbeitnehmer fällig, so dass ein Anspruch auf Verzinsung nach § 44 Abs. 1 SGB I nach Ablauf eines Kalendermonats besteht, sofern sechs Kalendermonate seit dem Eingang des ursprünglichen Antrags auf Arbeitslosengeld bereits verstrichen sind (§ 44 Abs. 2 SGB I). Auch wenn in der ursprünglichen Arbeitsbescheinigung nur das geringere Arbeitsentgelt bescheinigt war, lag deshalb kein unvollständiger Antrag auf Arbeitslosengeld vor.
I. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.05.2020 und der Bescheid der Beklagten vom 25.09.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2021 werden abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, den Nachzahlungsbetrag von 12.037,50 € auch für die Zeit vom 01.07.2016 bis 31.12.2016 mit 4% p.a. zu verzinsen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger 1/10 seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Streitig ist die Verzinsung einer Nachzahlung von Arbeitslosengeld (Alg).
In der Zeit vom 01.08.2009 bis 30.10.2010 bezog der Kläger von der Beklagten Alg i.H.v. 28,40 € täglich (Bescheide vom 03.09.2009 und 20.01.2010). Als Bemessungsentgelt wurden die Angaben der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers, der H GmbH (H), in der Arbeitsbescheinigung zugrunde gelegt. Abweichende Angaben hierzu machte der Kläger nicht.
Am 26.08.2013 beantragte der Kläger die Neufestsetzung seines Alg. Er habe gegenüber H eine Forderung wegen "Equal-Pay" geltend gemacht. Die endgültige Höhe der Forderung werde erst mit rechtskräftigem Abschluss des laufenden Arbeitsgerichtsverfahrens feststehen. Bis dahin solle der Antrag ruhen. Den (auch) als Überprüfungsantrag ausgelegten Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.10.2013 ab. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Bis zum Abschluss des Verfahrens gegen H hätte das Widerspruchsverfahren ausgesetzt werden müssen. Es bestehe ein "Equal-Pay-Anspruch". Bei einem nachträglich abgerechneten und ausbezahlten beitragspflichtigen Arbeitsentgelt sei die vorgenommene Bemessung des Alg nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zu korrigieren. Mit Beschluss vom 13.04.2016 (4 AZR 995/13) stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) das Zustandekommen eines Vergleichs zwischen dem Kläger und H fest. Danach verpflichtete sich H zur Abgeltung der Lohnnachzahlungsansprüche einen Betrag i.H.v. 117.575,36 € brutto und einen Fahrtkostenersatz i.H.v. 2.096,00 € netto an den Kläger zu zahlen. Eine entsprechende Entgeltabrechnung wurde von H am 25.04.2016 erteilt. Der Betrag von 64.758,86 € ging am 13.05.2016 auf dem Konto des Klägers ein. Am 02.06.2016 teilte der Kläger das Ergebnis des Vergleichs mit H der Beklagten mit. Nach Eingang einer korrigierten Arbeitsbescheinigung der H bewilligte die Beklagte Alg für die Zeit vom 01.08.2009 bis 30.10.2010 i.H.v. 55,15 € täglich (Bescheide vom 15.05.2018) und leistete eine entsprechende Nachzahlung i.H.v. 12.037,50 €.
Einen Antrag auf Verzinsung der Nachzahlung vom 12.06.2018 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.07.2018 ab. Der Leistungsanspruch sei innerhalb von sechs Monaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags erfüllt worden. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Maßgeblich für die Zinsberechnung sei sein Antrag auf Alg im Jahr 2009. Die Beklagte hob mit Bescheid vom 25.09.2018 ihren Bescheid vom 26.07.2018 wieder auf und bewilligte mit weiterem Bescheid vom 25.09.2018 Zinsen i.H.v. 641,92 €. Der vollständige Leistungsantrag habe im Juni 2016 vorgelegen, so dass die Nachzahlung für die Zeit vom 01.01.2017 bis 30.04.2018 mit 4% verzinst werde. Dem Widerspruch sei damit in vollem Umfang abgeholfen worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2021 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den "Bescheid vom 26.07.2018 in der Fassung des Bescheides vom 25.09.2018" zurück. Der für die Verzinsung maßgebliche Leistungsantrag sei vollständig, wenn der Leistungsträger durch den Antrag in die Lage versetzt werde, den geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe festzustellen und die begehrte Leistung zu bewilligen. Dies sei erst im Juni 2016 durch die Vorlage der Unterlagen zum Abschluss des Vergleichs vom 13.04.2016 vor dem BAG der Fall gewesen. Eine Verzinsung habe daher frühestens ab Januar 2017 zu erfolgen.
Der Kläger hat beim Sozialgericht Nürnberg (SG) Klage erhoben. Die Nachzahlung des Alg sei auch für die Zeit vom 01.03.2010 bis 31.12.2016 zu verzinsen. Die vollständigen Unterlagen zum Antrag auf Alg hätten bereits mit der ursprünglichen Antragstellung 2009 vorgelegen. Für den Beginn der Zinsberechnung sei der ursprünglich gestellte Antrag und nicht der Zeitpunkt des Überprüfungsantrages bzw. der Einreichung der berichtigten Gehaltsnachweise maßgeblich. Der Zinsanspruch sei eine akzessorische Nebenleistung, die das rechtliche Schicksal des Hauptanspruchs teile. Ein Verschulden der Beklagten sei nicht maßgeblich. Es spiele daher keine Rolle, dass bei Erlass der Ausgangsbescheide die Unrichtigkeit des zugrunde gelegten Bemessungsentgelts noch nicht bekannt gewesen sei. Mit Urteil vom 19.05.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe ausgehend von den Angaben der H seinerzeit zutreffend Alg bewilligt. Eine andere Beurteilung der Höhe des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts sei mangels ausreichender Darstellung und Bewertung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger nicht möglich gewesen. Zwar sei im Antrag vom 26.08.2013 angegeben worden, es würden erhebliche Gehaltsnachzahlungen erwartet, nicht aber deren konkrete Höhe, so dass eine Neuberechnung noch nicht möglich gewesen sei. Der Kläger habe selbst das Ruhen des Widerspruchsverfahrens angeregt. Erst mit der Mitteilung des Ergebnisses des Vergleichs am 03.06.2016 habe der Nachzahlungsbetrag berechnet werden können. Ein vollständiger Leistungsantrag setze voraus, dass alle Tatsachen angegeben und der Sachverhalt vollständig dargelegt sei. Wenn nach der ursprünglichen Bewilligung der Leistung neue und bisher unbekannte Unterlagen vorgelegt würden, die eine rückwirkende Neufeststellung erforderlich machten, sei der ursprünglich vollständige Leistungsantrag rückschauend unvollständig gewesen. Damit beginne die Frist von sechs Kalendermonaten für die Verzinsung erst mit Eingang der neuen Unterlagen. Sofern der erforderliche Sachverhalt noch gar nicht bekannt sei, sei der Leistungsträger nicht mit den typischen Verzugsfolgen der Zinszahlung zu belasten. Dies entspreche auch dem Normzweck. Für die Dauer der Bestandskraft habe sich die Beklagte rechtstreu verhalten. Eine vom Kläger zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.12.2014 (B 8 SO 17/13 R) betreffe einen anderen Sachverhalt.
Dagegen hat der Kläger Berufung beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Das von der Beklagten zur Verfügung gestellte Antragsformular sei am 01.08.2009 vollständig ausgefüllt worden und er habe sich am 01.07.2009 persönlich arbeitslos gemeldet. Im Formular sei nicht nach dem Bemessungsentgelt gefragt worden. Auch würden damit keine weiteren Unterlagen angefordert. Eine Arbeitsbescheinigung zähle nicht zu den Voraussetzungen für einen vollständigen Leistungsantrag. 2009 sei diese zunächst unzutreffend gewesen und 2018 von H berichtigt worden. Aus dem dem Antrag 2013 beigefügten Aussetzungsbeschluss des Landesarbeitsgerichts (LAG) habe sich die konkrete Forderungshöhe gegen H und die Zweifel an der Tarifzuständigkeit des DGB ergeben. Dies hätte eine Amtsermittlungspflicht ausgelöst. Auf die Entscheidung des BSG im Verfahren B 8 SO 15/19 R werde Bezug genommen. Die Fälligkeit des Hauptanspruchs richte sich nach dem Entstehen des materiellen Anspruchs und nicht nach dem Zeitpunkt der Behördenentscheidung. Die Anspruchsvoraussetzungen hätten bereits in der Zeit von August 2009 bis Oktober 2010 vorgelegen. Die Änderungsbescheide vom 15.05.2018, die aufgrund deren Bestandskraft nicht mehr zu prüfen seien, seien ersetzend an die Stelle der Bescheide vom 03.09.2009 und 20.01.2010 getreten. Mit diesen seien rückwirkend höhere Leistungen bewilligt worden. Der Anspruch auf Alg sei daher ab 01.08.2009 fällig gewesen. Zinsen seien als unselbständige Nebenleistung akzessorisch zur Hauptleistung, so dass deren Fälligkeit letztlich maßgeblich sei. Ein Zinsanspruch folge auch aus Art. 3 Grundgesetz (GG), denn es dürfe keine Schlechterstellung erfolgen, wenn das Alg zunächst rechtswidrig vorenthalten und später nachgezahlt werde. Das Zuflussdatum der Lohnzahlung sei nicht maßgeblich. Ein Verschulden der Beklagten sei nicht maßgeblich. Für die Verzinsung komme es lediglich auf den Zeitablauf an. Im Widerspruchsbescheid vom 12.05.2021 sei der Sachverhalt unvollständig dargestellt worden. Bei ordnungsgemäßer Sachverhaltsfeststellung wäre die Beklagte zu einer für ihn günstigeren Entscheidung gelangt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.05.2020 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25.09.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2021 zu verurteilen, das mit Änderungsbescheiden vom 15.05.2018 für die Zeit vom 01.08.2009 bis 30.10.2010 bewilligte Arbeitslosengeld in Höhe der Differenz zwischen 55,15 € täglich und 28,40 € täglich auch für die Zeit vom 01.10.2010 bis 31.12.2016 mit 4% p.a. zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die von der Beklagten übersandten Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetzt -SGG-) und teilweise begründet. Soweit dem Kläger ein Anspruch auf Verzinsung auch für die Zeit vom 01.07.2016 bis 31.12.2016 zusteht, hat das SG die Klage zu Unrecht abgewiesen. Insoweit ist der Bescheid der Beklagten vom 25.09.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2021 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Soweit der Kläger eine darüberhinausgehende Verzinsung des Nachzahlungsbetrages begehrt, hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 25.09.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2021, soweit die Beklagte darin eine Verzinsung des Nachzahlungsbetrages von 12.037,50 € für die Zeit vor dem 01.01.2017 abgelehnt hat. Der Bescheid vom 26.07.2018 ist dagegen nicht mehr Gegenstand des Verfahrens, denn dieser wurde mit dem weiteren Bescheid vom 25.09.2018 vollständig aufgehoben. Nachdem zwischenzeitlich auch ein Widerspruchsbescheid am 12.05.2021 ergangen ist, mit dem das Vorverfahren abgeschlossen wurde, wendet sich der Kläger zulässigerweise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) gegen die Entscheidung der Beklagten.
Der Kläger hat einen Anspruch auf die Verzinsung des Nachzahlungsbetrages i.H.v. 12.037,50 € auch für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis 31.12.2016.
Nach § 44 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v.H. zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt dabei frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung (§ 44 Abs. 2 SGB I). Bei der Nachzahlung, der ein höherer Anspruch auf Alg für die Zeit vom 01.08.2009 bis 30.10.2010 zugrunde liegt, handelt es sich um einen solchen Anspruch auf Geldleistungen. Die Beklagte hat eine entsprechende Verzinsung auch ab dem 01.01.2017 vorgenommen.
Für den Beginn der Verzinsung ist vorliegend jedoch bereits auf den 01.07.2016 abzustellen. Soweit dem Kläger für den Zeitraum vom 01.08.2009 bis 30.10.2010 nicht nur kalendertäglich Alg i.H.v. 28,40 € sondern i.H.v. 55,15 € zu zahlen war, bestand eine Fälligkeit in Bezug auf den erhöhten Leistungssatz erst am 13.05.2016 mit dem Zufluss des aufgrund des Vergleichs vor dem BAG vom 13.04.2016 nachgezahlten Arbeitsentgelts.
Nach § 40 SGB I entstehen Ansprüche auf Sozialleistungen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Soweit die besonderen Teile dieses Gesetzbuches keine Regelungen enthalten, werden Ansprüche auf Sozialleistungen mit ihrem Entstehen fällig (§ 41 SGB I). Beim Anspruch auf Alg handelt es sich um einen gebundenen Anspruch im Sinne von § 38 SGB I, so dass dieser nach § 40 Abs. 1 SGB I entsteht, sobald die im Gesetz bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Dazu müssen alle materiell-rechtlichen Tatbestandsmerkmale der Anspruchsgrundlage erfüllt seien, wobei verfahrensrechtliche Prämissen unerheblich sind, so dass es für das Entstehen des Anspruchs weder auf die Kenntnis des Berechtigten noch auf die des Leistungsträgers ankommt (vgl. dazu Krott in jurisPK-SGB I, 3. Auflage, § 40 Rn. 15). Die Fälligkeit eines Anspruchs betrifft immer den konkreten einzelnen Leistungsanspruch und nicht das Stammrecht (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.06.2013 - L 8 SO 222/10 - juris).
Der Kläger hatte für die Zeit vom 01.08.2009 bis 30.10.2010 einen Anspruch auf Alg nach §§ 117, 118 SGB III in der Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848). Die Beklagte hatte für diesen Zeitraum mit Bescheiden vom 03.09.2009 und 20.01.2010 auch Alg bewilligt. Der mit den beiden Änderungsbescheiden vom 15.05.2018 festgesetzte höhere Anspruch auf Alg (55,15 € täglich statt 28,40 € täglich) und die daraus resultierende Nachzahlung i.H.v. 12.037,50 € setzten materiell-rechtlich jedoch voraus, dass dem Kläger das höhere Arbeitsentgelt tatsächlich zugeflossen ist. Nach § 131 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. (dieser entspricht § 151 Abs. 1 Satz 1 SGB III n.F.) ist Bemessungsentgelt das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hatte, gelten als erzielt, wenn sie zugeflossen oder nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen sind (§ 131 Abs. 1 Satz 2 SGB III a.F. bzw. § 151 Abs. 1 Satz 2 SGB III n.F.). Die Lohnnachzahlung ist dem Kläger erst mit der Gutschrift am 13.05.2016 im Umfang von 64.758,86 € tatsächlich zugeflossen. Auch bei einer nachträglichen Vertragserfüllung setzt eine Einbeziehung höherer Arbeitsentgelte bei der Bemessung des Alg zwingend voraus, dass die ausstehenden Beträge tatsächlich, wenn auch erst nach dem Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Beschäftigungsverhältnis, zugeflossen sind (vgl. dazu BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 7a AL 54/05 R; Urteil vom 08.02.2007 - B 7a AL 28/06 R - beide zitiert nach juris). Es findet insofern keine volle arbeitsrechtliche Überprüfung statt, ob ein Anspruch auf höheres Arbeitsentgelt bestand, so dass ein Entgelt, welches tatsächlich noch nicht zugeflossen ist, nur dann berücksichtigt wird, wenn es alleine auf der - hier nicht vorliegenden - Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers beruht (vgl. BSG a.a.O.). Es soll an das Arbeitsentgelt angeknüpft werden, das dem Arbeitslosen tatsächlich zugeflossen ist, nicht jedoch an das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose rechtlich für den Bemessungszeitraum zu beanspruchen hat, denn eine volle arbeitsrechtliche Prüfung hinsichtlich der beim Ausscheiden noch ausstehenden Arbeitsentgeltansprüche soll gerade nicht stattfinden (BSG a.a.O.). Mithin hat die Beklagte bei der Bewilligung von Alg in den Bescheiden vom 03.09.2009 und 20.01.2010 zu Recht allein auf das in der Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers bescheinigte, tatsächlich zugeflossene Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum abgestellt. Unabhängig davon, dass es seinerzeit bis zum Antrag auf Neufestsetzung am 26.08.2013 keinen Anhaltspunkt für die Beklagte gegeben hat, die bescheinigten Arbeitsentgelte seien unzutreffend, fehlte es in jedem Fall für eine Berücksichtigung eines höheren Arbeitsentgelts an dessen Zufluss beim Kläger.
Erst mit dem Zufluss der Nachzahlung des Arbeitsentgelts und der unter Berücksichtigung des zwischen H. und dem Kläger geschlossenen Vergleichs vor dem BAG erfolgten nachträglichen Vertragserfüllung haben sich die Verhältnisse insoweit - im Hinblick auf die Höhe des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts im Rahmen des Bemessungsentgelts nach § 134 Abs. 1 SGB III a.F. bzw. 151 Abs. 1 SGB III n.F. - zu Gunsten des Klägers rückwirkend geändert, so dass das Alg gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X neu zu bemessen war (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 21.03.1996 - 11 RAr 101/94 - juris; Rolfs in Gagel, SGB II/SGB III, 80. Ergänzungslieferung 12/2020, § 151 SGB III Rn. 19). Die ursprüngliche Bewilligung von Alg erfolgte rechtmäßig. Die Beklagte ist bei der Berechnung nicht von der Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers abgewichen. Die erst am 13.05.2016 gutgeschriebene Lohnnachzahlung war aufgrund des im ursprünglichen Bewilligungszeitpunkts noch nicht erfolgtem Zuflusses noch nicht zu berücksichtigen. Die Bescheide sind zunächst auch vom Kläger nicht angefochten worden, mithin bestandskräftig geworden.
Auf die vom Kläger zitierten Entscheidungen des BSG (Urteil vom 03.07.2020 - B 8 SO 15/19 R - und Urteil vom 17.12.2014 - B 8 SO 17/13 R - beide zitiert nach juris) kommt es damit nicht an, denn diese betrafen eine Überprüfung nach § 44 SGB X. Im Unterschied zu den Entscheidungen ist der Anspruch auf höhere Leistungen vorliegend auch nicht von Beginn an gegeben gewesen, sondern erst mit der Gutschrift der Lohnnachzahlung am 13.05.2016. Bei den den Entscheidungen des BSG zugrundeliegenden Sachverhalten lagen aber bereits von Anfang an alle materiellen Anspruchsvoraussetzungen für den höheren Leistungsanspruch vor. Soweit der Kläger auf die Bestandskraft der Bescheide vom 15.05.2018 im Hinblick auf die Bewilligung des höheren Alg für die Zeit vom 01.08.2009 bis 30.10.2010 verweist, ist dies unerheblich, denn mit den Ansprüchen wird nicht die Fälligkeit des Anspruchs dahingehend geregelt, dass der Anspruch auf höhere Leistungen bereits 2009 bzw. 2010 fällig gewesen ist, sondern es wird mit den Bescheiden lediglich geregelt, dass der Leistungssatz für diesen Zeitraum auf 55,15 € erhöht wird. Die Regelung, für welchen Zeitraum Alg geleistet wird, ist aber von der Frage, wann der höhere Anspruch fällig ist, zu trennen. Die Verzinsung beginnt immer erst, wenn die für den jeweiligen Leistungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, so dass ein solcher Anspruch nicht rückwirkend entstehen und damit fällig werden kann, denn anderenfalls bestünde eine vom Gesetz nicht gewollte Verzinsungspflicht auch für Zeiten, in denen die erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen noch nicht vorgelegen haben (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.06.2013 - L 8 SO 222/10 - juris).
Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG liegt nicht vor, denn es handelt sich bei einem Vergleich einer späteren (teilweisen) Nachzahlung von Arbeitsentgelt zu dem Fall, dass das Arbeitsentgelt bereits vollständig gezahlt gewesen ist, um unterschiedliche Sachverhalte. Zudem liegt mit der Regelung in § 131 Abs. 1 SGB III a.F. bzw. § 151 Abs. 1 SGB III n.F. und der darin normierten Verwaltungsvereinfachung, die gerade auch im Interesse der Arbeitslosen einer schnellen Berechnung und Auszahlung des Alg dient, eine Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung der Sachverhalte vor.
Die Annahme eines späteren Verzinsungsbeginns - hier erst ab 01.01.2017 - kommt nicht in Betracht, denn der vollständige Leistungsantrag als solcher lag bereits 2009 vor. Die Beklagte hat auch aufgrund dieses Antrages Alg ab 01.08.2009 bewilligt. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass zu den gesetzlichen Voraussetzungen das Vorliegen einer Arbeitsbescheinigung, die vom Arbeitgeber zu erstellen ist, nicht gehört (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.11.2008 - L 12 AL 185/05 - juris). Damit kommt es auch nicht darauf an, dass vom Arbeitgeber erst später eine berichtigte Arbeitsbescheinigung unter Berücksichtigung der Lohnnachzahlung erstellt worden ist. Für das Entstehen des Anspruchs auf Alg selbst kommt es weder auf die Kenntnis des Berechtigten noch auf die des Leistungsträgers an (Krott in jurisPK-SGB I, 3. Auflage, § 40 Rn. 15).
Da ein vollständiger Leistungsantrag bereits vorlag, war nach § 44 Abs. 1 SGB I die Verzinsung nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt der Fälligkeit des höheren Anspruchs auf Alg mit 4 v.H. zu verzinsen. Die Beklagte war somit zur weiteren Verzinsung der Nachzahlung auch für die Zeit vom 01.07.2016 bis 31.12.2016 zu verurteilen. Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.