B 6 KA 15/20 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Hannover (NSB)
Aktenzeichen
S 20 KA 6/16
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 3 KA 31/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 15/20 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Ein Vertragsarzt darf einen Vertreter oder einen Entlastungsassistenten bis zu einer Dauer von 36 Monaten einsetzen, wenn er ein Kind erzieht, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

2. Ein Anspruch auf Vertretung oder Entlastungsassistenz besteht für jedes Kind für die Dauer von 36 Monaten, wobei Zeiten der gemeinsamen Erziehung von Kindern jedem der drei Kinder zugerechnet werden und nicht übertragbar sind.

 

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

 

G r ü n d e :

I

1

Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Genehmigung einer Entlastungsassistentin während Zeiten der Kindererziehung hat.

2

Die Klägerin ist seit 1999 als Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Ihren Antrag vom 16.7.2015, ihr wegen der Erziehung ihres am 1999 geborenen Adoptivsohnes E. bis Ende September 2017 die Beschäftigung von Frau A. als Entlastungsassistentin zu genehmigen, lehnte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) mit der Begründung ab, dass E. bereits das 15. Lebensjahr erreicht habe (Bescheid vom 31.8.2015). Dagegen genehmigte sie der Klägerin auf ihren Antrag vom 14.9.2015 Frau A. wegen der Erziehung ihres am 2005 geborenen Adoptivsohnes S. in der Zeit vom 1.10.2015 bis zum 30.9.2018 im Umfang von 20 Wochenstunden als Entlastungsassistentin in ihrer Praxis zu beschäftigen (Bescheid vom 28.9.2015). Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 31.8.2015 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2015 zurück. Dabei ließ sie offen, ob sie den Widerspruch angesichts der erfolgten Bewilligung für zulässig erachtete; jedenfalls sei der Widerspruch unbegründet, da der ältere Sohn der Klägerin mittlerweile 16 Jahre alt sei. Nach § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte‑ZV) dürfe ein Vertragsarzt einen Assistenten während der Erziehung von Kindern beschäftigen. In Abgrenzung zum Begriff des Jugendlichen handele es sich in Anlehnung an § 1 Abs 1 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) nur bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres um ein Kind. Dem Ziel der Regelung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern, werde hierdurch ausreichend Rechnung getragen, zumal weitere zulassungsrechtliche Möglichkeiten bestünden, etwa die Anstellung eines Job-Sharers.

3

Während des anschließenden Klageverfahrens hat die Beklagte den Bescheid vom 28.9.2015 aufgehoben, nachdem Frau A. ihre Tätigkeit zum 30.9.2017 gekündigt hatte (Bescheid vom 12.10.2017). Mit Bescheid vom 6.4.2018 hat sie der Klägerin die Beschäftigung einer weiteren Entlastungsassistenz für die Zeit vom 1.4.2018 bis zum 31.3.2019 im Umfang von 20 Wochenstunden genehmigt. Den erneuten Antrag der Klägerin auf Genehmigung eines Entlastungsassistenten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des jüngeren Sohnes hat die Beklagte abgelehnt, da nunmehr auch der zweite Sohn der Klägerin das 14. Lebensjahr vollendet habe (Bescheid vom 7.2.2020; Widerspruchsbescheid vom 18.6.2020; Klage hiergegen anhängig beim SG Hannover).

4

Das SG hat festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 31.8.2015 rechtswidrig ist (Urteil vom 26.2.2020). Die Klage sei unter dem Aspekt der Wiederholungsgefahr als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Die Beklagte habe den Antrag der Klägerin zu Unrecht abgelehnt. Der Anspruch auf Genehmigung der Beschäftigung eines Assistenten nach § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte-ZV sei nicht auf die Erziehung von Kindern bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt.

5

Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 28.10.2020). Der Ablehnungsbescheid vom 31.8.2015 habe sich durch die mit Bescheid vom 28.9.2015 erteilte Genehmigung und durch Zeitablauf erledigt. Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag sei auch statthaft, wenn sich der betreffende Verwaltungsakt ‑ wie vorliegend ‑ vor Klageerhebung erledige. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 28.9.2015 bestehe wegen Wiederholungsgefahr. Die Gefahr, dass die Beklagte auch weiterhin die Genehmigung von Assistenten wegen einer ihrer Ansicht nach in § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV enthaltenen Altersbegrenzung ablehnen würde, habe sich bereits realisiert, da die Beklagte den erneuten Antrag der Klägerin mit der Begründung abgelehnt habe, dass nun auch ihr jüngerer Sohn das 14. Lebensjahr vollendet habe. Zwar sei die Höchstdauer von 36 Monaten durch die bisher genehmigten Assistenzzeiten ausgeschöpft, die Beklagte könne diesen Zeitraum jedoch nach § 32 Abs 2 Satz 4 Ärzte‑ZV verlängern.

6

Die Beklagte hätte der Klägerin die beantragte Genehmigung einer Assistenztätigkeit der Ärztin A. erteilen müssen, auch wenn ihr älterer Sohn im Zeitpunkt der Antragstellung bereits 15 Jahre alt gewesen sei. Eine ausdrückliche Altersbegrenzung enthalte § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV nicht. Eine Altersbeschränkung ergebe sich weder daraus, dass eine Genehmigung höchstens für 36 Monate erteilt werden könne noch aus dem Begriff "Kind". Hierunter könne einerseits in Abgrenzung zum Jugendlichen ein junger Mensch (etwa bis zum Eintritt der Geschlechtsreife) verstanden werden, andererseits eine von einem anderen Menschen abstammende Person, die auch in höherem Alter noch "Kind" ihrer Eltern sei. Der Gesetzgeber gebrauche den Begriff in beiden Bedeutungen. Eine Altersbeschränkung sei aus der Regelung lediglich abzuleiten, soweit sie auf die "Erziehung von Kindern" abstelle. Hierunter fielen nur Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, da nach § 1626 Abs 1 Satz 1 BGB Eltern die Personensorge für das minderjährige Kind hätten, welche ua die Pflicht und das Recht umfasse, das Kind zu erziehen (§ 1631 Abs 1 BGB). Eine einschränkende Auslegung, dass die "Erziehung von Kindern" nicht den gesamten Zeitraum bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres umfassen solle, lasse sich nicht aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift ableiten. Diese diene ausweislich der Gesetzesbegründung der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wenn sich die Beklagte demgegenüber auf § 1 Abs 1 Nr 1 JuSchG berufe, übersehe sie die von § 32 Ärzte‑ZV abweichende Zielsetzung des JuSchG, welches dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gefahren in der Öffentlichkeit und in Medien diene. Auch die Kinder- und Jugendhilfe des SGB VIII habe eine andere Zielrichtung, sodass § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII hier nicht einschlägig sei. Ebenso wenig könne § 15 Abs 2 Satz 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) zur Elternzeit herangezogen werden. Dieser gelte nur für Arbeitnehmer und diene dem Ausgleich der Interessen von Beschäftigten und Arbeitgebern. Dem Grundsatz, dass eine Assistenz nur zur Behebung eines vorübergehenden Entlastungsbedarfs möglich sei, werde bereits durch die Begrenzung auf einen Zeitraum von 36 Monaten Rechnung getragen, mit dem pauschal die Erziehung auch mehrerer Kinder abgegolten werde. Assistenzzeiten von 36 Monaten pro Kind wären mit dem Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung nicht zu vereinbaren. Besonderen familiären Belastungssituationen könne in anderer Weise Rechnung getragen werden, etwa durch ein Job‑Sharing, das (teilweise) Ruhen der Zulassung oder eine Beschränkung des Versorgungsauftrags.

7

Mit ihrer Revision macht die Beklagte eine Verletzung des § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV geltend. Diese Vorschrift stelle eine Ausnahme von dem Grundsatz der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung nach § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte‑ZV dar, welcher der Sicherung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung diene und Ausfluss und Wesensmerkmal der Freiberuflichkeit des Vertragsarztes sei. Vor dem Hintergrund ihres Ausnahmecharakters sei die Vorschrift eng auszulegen. Nach ihrem Wortlaut sei die Beschäftigung von Assistenten während Zeiten der Erziehung von "Kindern" möglich. Der Wortlaut werde konkretisiert durch die Gesetzesbegründung. Sinn und Zweck der Regelung sei demnach die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Vertragsärztinnen und Vertragsärzten solle damit auch nach der Geburt eines Kindes eine bessere, an den jeweiligen Erfordernissen ausgerichtete Balance zwischen ihrer freiberuflichen Tätigkeit und ihrer Familie ermöglicht werden. Dies lasse nur den Rückschluss zu, dass der Gesetzgeber tatsächlich Kinder und nicht Jugendliche, jedenfalls junge Menschen, die noch der Betreuung bedürften, im Blick gehabt habe. Aus dem JuSchG und § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII folge ein allgemeiner Rechtsgrundsatz in der deutschen Rechtsordnung, wonach typischerweise in "Kind" (noch nicht 14 Jahre alt) und "Jugendlicher" (14 Jahre, aber noch nicht 18 Jahre alt) unterteilt werde. Die Regelungen trügen dem allgemeinen deutschen Sprachgebrauch Rechnung und berücksichtigten die entwicklungspsychologischen Stufen von jungen Menschen. Zu Unrecht gehe das LSG im Gegensatz hierzu davon aus, dass nicht an den Begriff "Kind", sondern an die "Erziehung von Kindern" anzuknüpfen sei und damit ausgehend von den familienrechtlichen Vorschriften des BGB Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres unter § 32 Abs 2 Satz 2 Ärzte‑ZV fielen. Der Gesetzgeber habe ausweislich der Gesetzesbegründung jedoch nicht die elterliche Sorge, sondern die Betreuung von Kindern im Blick. Zudem folge auch aus § 1626 Abs 2 BGB, wonach Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem Handeln zu berücksichtigen haben, dass eine gewisse Altersreife in der Erziehung Relevanz habe. Wolle man auf familienrechtliche Vorschriften zurückgreifen, seien nach ihrer Zielrichtung die Regelungen betreffend die Unterhaltsberechtigung von Ehegatten wegen der Betreuung von Kindern im Falle der Trennung (§§ 1570 ff BGB) hier eher passend. Nach der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bedürften Kinder ab einem bestimmten Alter keiner durchgehenden Betreuung mehr. Es werde von einem gestuften Übergang hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit ab dem dritten Lebensjahr des Kindes ausgegangen, wobei dem betreuenden Elternteil eine Verpflichtung zur Ausübung einer Vollzeittätigkeit nicht vor Vollendung des 14. Lebensjahres des Kindes auferlegt werde. Auch § 45 Abs 1 SGB V, der Krankengeld nur für die Betreuung eines erkrankten Kindes bis zum Alter von zwölf Jahren gewähre, liege eine ähnliche Wertung zugrunde. Darüber hinaus solle nach dem Gesetz ein Entlastungsassistent nur beschäftigt werden, wenn der Vertragsarzt vorübergehend daran gehindert sei, seinen vertragsärztlichen Pflichten in vollem Umfang nachzukommen. Folglich dürfe sie die Beschäftigung eines Entlastungsassistenten nur zur Behebung eines vorübergehenden Zustandes gestatten. Dem liefe es zuwider, wenn die Erziehungszeiten uneingeschränkt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres verlängert werden könnten, wenn ein entsprechender Bedarf bestünde.

8

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 28.10.2020 sowie des SG Hannover vom 26.2.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Lediglich soweit das LSG die Auffassung vertrete, dass der Anspruch auf Beschäftigung eines Assistenten insgesamt, auch bei Erziehung mehrerer Kinder, auf 36 Monate begrenzt sei, könne dem nicht gefolgt werden. Eine solche Beschränkung wäre weder mit Art 6 GG noch mit Art 3 GG vereinbar. Dies würde zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung kinderreicher Familien führen. So gingen etwa auch andere KÄVen davon aus, dass für jedes Kind eine Entlastungsassistenz von jeweils 36 Monaten in Anspruch genommen werden könne.

II

11

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Klägerin im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage verlangen kann festzustellen, dass der Bescheid vom 31.8.2015 rechtswidrig ist.

12

A. Die von der Klägerin erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs 1 Satz 3 SGG) ist zulässig. Der ablehnende Bescheid vom 31.8.2015 hat sich noch vor Klageerhebung erledigt (dazu 1). Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben (dazu 2).

13

1. Der ursprünglich gestellte Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag auf Genehmigung der Beschäftigung von Frau A. als Entlastungsassistenz hat sich durch die mit Bescheid vom 28.9.2015 für die Zeit vom 1.10.2015 bis zum 30.9.2018 erteilte Genehmigung "durch Zurücknahme" iS des § 131 Abs 1 Satz 3 Alt 1 SGG erledigt. Da eine Genehmigung ‑ wie alle statusrelevanten Regelungen ‑ nicht rückwirkend, sondern nur mit Wirkung für die Zukunft erteilt werden kann (vgl BSG Urteil vom 28.3.2007 ‑ B 6 KA 30/06 R ‑ SozR 4‑2500 § 98 Nr 4 RdNr 11 ff; vgl zuletzt BSG Urteil vom 12.2.2020 ‑ B 6 KA 1/19 R ‑ BSGE 130, 53 = SozR 4‑5525 § 32 Nr 3, RdNr 11 zum Vorbereitungsassistenten; vgl allg zu Statusentscheidungen im Vertragsarztrecht: BSG Urteil vom 24.10.2018 ‑ B 6 KA 45/17 R ‑ SozR 4‑2500 § 135 Nr 28 RdNr 42 mwN; vgl auch § 32 Abs 2 Satz 5 Ärzte‑ZV, der ausdrücklich eine "vorherige Genehmigung" verlangt), ist es ohne Bedeutung, dass der Zeitabschnitt ab Eingang des Antrags bei der Beklagten bis zum 30.9.2015 von der Bewilligung nicht umfasst ist. Insofern ist durch Zeitablauf Erledigung eingetreten (vgl zum umgekehrten Fall einer erteilten Genehmigung, die für die Vergangenheit nicht mehr aufgehoben werden kann: BSG Urteil vom 3.4.2019 ‑ B 6 KA 64/17 R ‑ SozR 4‑5540 Anl 9.1 Nr 14 RdNr 26).

14

Das Rechtsinstitut der Fortsetzungsfeststellungsklage ist auf Verpflichtungsklagen entsprechend anzuwenden (stRspr, vgl zB BSG Urteil vom 8.12.1993 ‑ 14a RKa 1/93 ‑ BSGE 73, 244, 246 = SozR 3‑1500 § 88 Nr 1 S 3 = juris RdNr 15 mwN; BSG Urteil vom 28.9.2005 ‑ B 6 KA 73/04 R ‑ SozR 4‑2500 § 75 Nr 3 RdNr 16; vgl zuletzt BSG Urteil vom 13.5.2020 ‑ B 6 KA 11/19 R ‑ SozR 4-2500 § 103 Nr 30 RdNr 18). Dabei steht ‑ wie das LSG zutreffend entschieden hat ‑ der Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage grundsätzlich nicht entgegen, dass sich die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage bereits vor Klageerhebung erledigt hat. Auch in diesem Fall ist § 131 Abs 1 Satz 3 SGG entsprechend anwendbar (vgl BSG Urteil vom 12.3.2013 ‑ B 1 A 2/12 R ‑ BSGE 113, 114 = SozR 4‑1500 § 54 Nr 33, RdNr 13; BSG Urteil vom 29.11.2017 ‑ B 6 KA 34/16 R ‑ BSGE 124, 294 = SozR 4-2500 § 34 Nr 20, RdNr 29, jeweils mwN; zur doppelt analogen Anwendung vgl auch BVerwG Urteil vom 4.12.2014 ‑ 4 C 33.13 ‑ BVerwGE 151, 36 RdNr 21).

15

2. Nach der stRspr des BSG ist ein berechtigtes ‑ rechtliches, ideelles oder wirtschaftliches ‑ Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheides unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben, wenn die zu entscheidende Rechtsfrage für das Verhältnis der Beteiligten weiterhin relevant ist, weil sie sich bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen mit einiger Wahrscheinlichkeit zwischen den Beteiligten erneut stellen wird (vgl BSG Urteil vom 17.6.2009 ‑ B 6 KA 25/08 R ‑ BSGE 103, 269SozR 4‑1500 § 54 Nr 16, RdNr 14; BSG Urteil vom 12.10.2016 ‑ B 11 AL 6/15 R ‑ BSGE 122, 79 = SozR 4‑7815 § 2 Nr 1, RdNr 23, jeweils mwN; vgl zuletzt BSG Urteil vom 13.5.2020 ‑ B 6 KA 11/19 R ‑ SozR 4-2500 § 103 Nr 30 RdNr 18). Dabei ist maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung des Feststellungsinteresses der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (und zwar ‑ da es sich um eine Sachurteilsvoraussetzung handelt ‑ der Revisionsinstanz, vgl BSG Urteil vom 12.9.2012 ‑ B 3 KR 17/11 R ‑ USK 2012-155 = juris RdNr 22; BVerwG Beschluss vom 30.4.1999 ‑ 1 B 36/99 ‑ Buchholz 310 § 113 Abs 1 VwGO Nr 6; BVerwG Urteil vom 27.3.1999 ‑ 4 C 14.96 ‑ BVerwGE 106, 295 = juris RdNr 20; Keller in Meyer‑Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 131 RdNr 10, 10i sowie Senatsurteil vom 25.3.2015 ‑ B 6 KA 9/14 R ‑ BSGE 118, 164 = SozR 4‑2500 § 73b Nr 1, RdNr 57, 90 zur Feststellungsklage).

16

Hier ist eine wesentliche Änderung der maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände dadurch eingetreten, dass die Klägerin bereits eine Entlastungsassistenz im Umfang von 36 Monaten für die gemeinsame Erziehung ihrer beiden Söhne erhalten und damit die in § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV für diesen Fall vorgesehene Höchstdauer ausgeschöpft hat (vgl zu diesem Aspekt im Einzelnen unter B 2 d). Eine weitere Genehmigung kann nur noch nach § 32 Abs 2 Satz 4 Ärzte‑ZV erteilt werden, wonach die KÄV die in § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 und 3 Ärzte‑ZV genannten Zeiträume verlängern kann. Angesichts des Wortlauts ("Zeiträume verlängern") ist zwar nicht erforderlich, dass eine laufende Vertretung oder Entlastungsassistenz verlängert werden soll. Wie sich aus der Formulierung "kann" ergibt, handelt es sich jedoch um eine Ermessensentscheidung; einen Anspruch auf eine Verlängerung hat die Klägerin nicht (vgl dagegen RdNr 20 zum Anspruch auf Entlastungsassistenz aus § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV).

17

Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch dann besteht, wenn trotz veränderter Verhältnisse zumindest eine auf gleichartigen Erwägungen beruhende Entscheidung zu erwarten ist, weil die Behörde eine entsprechende Absicht zu erkennen gegeben hat (BSG Urteil vom 24.7.1996 ‑ 7 KlAr 1/95 ‑ BSGE 79, 71SozR 3‑4100 § 116 Nr 4 = juris RdNr 47; BVerwG Urteil vom 24.2.1983 ‑ BVerwG 3 C 56.80 ‑ Buchholz 310 § 113 VwGO Nr 129 = juris RdNr 15 mwN; BVerwG Urteil vom 25.8.1993 ‑ 6 C 7.93 ‑ DVBl 1994, 168, 169 = juris RdNr 17). Dies gilt erst recht für den Fall, dass ‑ bei veränderten Verhältnissen ‑ eine gleichartige Entscheidung schon ergangen ist (vgl BSG Urteil vom 25.10.1989 ‑ 7 RAr 148/88 ‑ SozR 4100 § 91 Nr 5 = juris RdNr 22).

18

So liegt es hier. Die Beklagte hat den erneuten Antrag der Klägerin auf Genehmigung einer Entlastungsassistenz mit der Begründung abgelehnt, dass auch ihr jüngerer Sohn bereits das 14. Lebensjahr vollendet hat. Zu Recht hat das LSG daher eine Wiederholungsgefahr bejaht, da sich die Gefahr, dass die Beklagte auch weiterhin die Genehmigung von Assistenten wegen einer ihrer Ansicht nach gegebenen Altersbegrenzung der Kinder iS von § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV ablehnen würde, bereits realisiert hat (vgl auch BSG Urteil vom 11.12.2002 ‑ B 6 KA 32/01 R ‑ BSGE 90, 207, 209 = SozR 3‑1500 § 54 Nr 47 S 103 = juris RdNr 22; BSG Urteil vom 3.4.2019 ‑ B 6 KA 64/17 R ‑ SozR 4‑5540 Anl 9.1 Nr 14 RdNr 27; Keller in Meyer‑Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 131 RdNr 10b; Hauck in Hennig, SGG, Stand März 2020, § 131 RdNr 82). Trotz Erschöpfung des Höchstanspruchs von hier insgesamt 36 Monaten (bei gemeinsamer Erziehung beider Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des älteren Kindes) durch die Klägerin ist die erstrebte gerichtliche Entscheidung damit geeignet, die Position der Klägerin zu verbessern (vgl zu diesem Aspekt BSG Urteil vom 25.10.1989 ‑ 7 RAr 148/88 ‑ SozR 4100 § 91 Nr 5 = juris RdNr 22 mwN, stRspr). Denn damit wäre zwischen den Beteiligten geklärt, dass die Beklagte den Antrag auf Verlängerung der Zeiten für die Beschäftigung einer Entlastungsassistenz nicht mit der Begründung ablehnen durfte, dass schon die Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, weil ihr Adoptivsohn bereits das 14. Lebensjahr vollendet hat. Vielmehr hätte die Beklagte eine Ermessensentscheidung treffen müssen.

19

B. Die Fortsetzungsfeststellungsklage hat auch Erfolg. Entgegen der Auffassung der Beklagten lagen die Voraussetzungen für die Genehmigung der Beschäftigung von Frau A. als Entlastungsassistenz bereits bei der ersten Antragstellung der Klägerin vor. Der Bescheid vom 31.8.2015 war rechtswidrig.

20

1. Rechtsgrundlage für die Genehmigung der Beschäftigung eines Vertreters bzw eines Assistenten ist § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte-ZV (hier in der seither unveränderten Fassung durch Art 9 Nr 11 Buchst b DBuchst aa GKV-Versorgungsstrukturgesetz <GKV-VStG> vom 22.12.2011, BGBl I 2983 mWv 1.1.2012). Danach darf der Vertragsarzt einen Vertreter oder einen Assistenten mit vorheriger Genehmigung der KÄV (§ 32 Abs 2 Satz 5 Ärzte-ZV) beschäftigen während Zeiten der Erziehung von Kindern bis zu einer Dauer von 36 Monaten, wobei dieser Zeitraum nicht zusammenhängend genommen werden muss. Gesetzliche Ermächtigungsgrundlage dafür ist § 98 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Nr 13 SGB V. Hiernach regelt die Ärzte-ZV das Nähere zu den Voraussetzungen, unter denen nach den Grundsätzen der Ausübung eines freien Berufes die Vertragsärzte ua Vertreter in der vertragsärztlichen Versorgung beschäftigen dürfen. Auf die Erteilung der Genehmigung besteht, soweit deren Voraussetzungen vorliegen, ein Rechtsanspruch (so bereits BSG Urteil vom 21.11.1958 ‑ 6 RKa 21/57 ‑ BSGE 8, 256, 262 f; vgl auch Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte-ZV, Zahnärzte‑ZV, 2008, § 32 RdNr 45; Ladurner, Ärzte‑ZV, Zahnärzte‑ZV, 2017, § 32 Ärzte-ZV RdNr 52). "Vertreter" meint hierbei denjenigen Arzt, der bei Verhinderung ‑ also Abwesenheit ‑ des Vertragsarztes in dessen Namen die Praxis weiterführt (vgl Harwart/Thome in Schallen, Zulassungsverordnung, 9. Aufl 2018, § 32 Ärzte‑ZV RdNr 14; Pawlita, jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 95 RdNr 795), während "Assistent" ein Arzt ist, der unter (An‑)Leitung und Aufsicht des Vertragsarztes gleichzeitig mit diesem oder neben diesem tätig wird (vgl Harwart/Thome in Schallen, aaO RdNr 78; vgl auch Bedei in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, 6. Aufl, Stand September 2020, E 32‑4; Kremer/Wittmann, Vertragsärztliches Zulassungsverfahren, 3. Aufl 2018, RdNr 1471; Ladurner, Ärzte‑ZV, Zahnärzte‑ZV, 2017, § 32 Ärzte-ZV RdNr 43).

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2. Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, dass § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV keine ausdrückliche Altersbeschränkung hinsichtlich der zu erziehenden Kinder zu entnehmen ist. Eine ‑ indirekte ‑ Altersgrenze enthält die Regelung nur insoweit, als die Pflicht und das Recht der Eltern, für ihr Kind zu sorgen (elterliche Sorge), und damit auch das Erziehungsrecht der Eltern mit der Volljährigkeit des Kindes (§ 2 BGB) endet (vgl § 1626 Abs 1 Satz 1 und 2 iVm § 1631 Abs 1 BGB; vgl auch zum Erlöschen der Erziehungsbefugnisse der Eltern aus Art 6 Abs 2 Satz 1 GG mit der Volljährigkeit des Kindes: BVerfG Urteil vom 9.2.1982 ‑ 1 BvR 845/79 ‑ BVerfGE 59, 360, 382 = juris RdNr 77; BVerfG Beschluss vom 18.6.1986 ‑ 1 BvR 857/85 ‑ BVerfGE 72, 122, 137 = juris RdNr 50). Insbesondere bezieht sich die Formulierung "bis zu einer Dauer von 36 Monaten" ersichtlich nicht auf das Lebensalter des Kindes, sondern auf den Zeitraum (die "Dauer"), für den eine Vertretung oder Entlastungsassistenz beansprucht werden kann, was sich zudem aus dem folgenden Halbsatz erschließt, dass "dieser Zeitraum nicht zusammenhängend genommen werden muss" und damit auch nach der Vollendung des dritten Lebensjahres durch das Kind liegen kann (vgl LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 27.2.2013 ‑ L 11 KA 8/13 B ERMedR 2013, 560, 562 = juris RdNr 37). Der Beklagten ist zuzugeben, dass nach der Zielsetzung des § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV in erster Linie die Belastungen ausgeglichen werden sollen, die mit der Betreuung von Kindern in den ersten Lebensjahren verbunden sind. Dennoch lässt sich ‑ über die Begrenzung auf minderjährige Kinder hinaus ‑ eine Beschränkung des Vertretungs- bzw Assistenzanspruchs auf Zeiten der Erziehung eines jüngeren Kindes, etwa bis zur Vollendung des achten oder ‑ wie die Beklagte meint ‑ bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres, weder dem Wortlaut (dazu a) noch dem Sinn und Zweck der Vorschrift unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte entnehmen (dazu b). Auch eine analoge Anwendung der Vorschriften des BEEG kommt nicht in Betracht (dazu c). Eine zeitliche Begrenzung erfolgt allein durch die Höchstdauer von 36 Monaten pro Kind, in denen eine Vertretung bzw eine Entlastungsassistenz während der Erziehung von minderjährigen Kindern in Anspruch genommen werden kann (dazu d). Weitere Voraussetzungen müssen nicht erfüllt sein. Namentlich kommt es nicht darauf an, ob andere Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (dazu e).

22

a) Zeiten der "Erziehung von Kindern" iS des § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV umfassen nach dem Wortlaut der Vorschrift grundsätzlich den gesamten Zeitraum, in denen die Eltern ‑ oder ein Elternteil ‑ aufgrund der Personensorge (§ 1626 Abs 1 Satz 1 und 2 iVm § 1631 Abs 1 BGB) die Verantwortung für die Erziehung eines oder mehrerer minderjähriger Kinder haben, wie das LSG zutreffend gesehen hat. § 32 Ärzte‑ZV spricht ausdrücklich nicht von "Betreuung", was möglicherweise auf ein jüngeres Alter des Kindes hinweisen könnte (vgl dagegen § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 3, § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BEEG), sondern allein von "Erziehung". Weder dem Begriff der "Erziehung" (dazu aa) noch dem Begriff des "Kindes" (dazu bb) wohnt ohne ausdrückliche Regelung ‑ über die Beschränkung auf den Zeitraum bis zur Volljährigkeit des Kindes hinaus ‑ ein zeitlich begrenzendes Element inne.

23

aa) Die Ärzte‑ZV erläutert nicht selbst, was sie unter "Erziehung" versteht. Erziehung im Sinne der Sorge für die seelische und geistige Entwicklung des Kindes und um die Vermittlung von Wissen und Wertorientierung (vgl Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl 2020, Art 6 RdNr 42) ist im weitesten Sinne Wahrnehmung der Elternverantwortung (vgl zum Erziehungsrecht der Eltern aus Art 6 Abs 2 Satz 1 GG: BVerfG Urteil vom 16.1.2003 ‑ 2 BvR 716/01 ‑ BVerfGE 107, 104, 117; BVerfG Urteil vom 1.4.2008 ‑ 1 BvR 1620/04 ‑ BVerfGE 121, 69, 92) und ist grundsätzlich nicht an ein Zusammenleben des Elternteils mit dem Kind gebunden (vgl BVerfG Urteil vom 1.4.2008 ‑ 1 BvR 1620/04 ‑ BVerfGE 121, 69, 94 f zum Umgangsrecht; vgl auch BVerfG Beschluss vom 9.4.2003 ‑ 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 ‑ BVerfGE 108, 52, 81 zum Umgangsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils). Es liegt auf der Hand, dass § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte-ZV mit der Bezugnahme auf "Zeiten der Erziehung von Kindern" Erziehung nicht in diesem weiten Sinne verstanden wissen will. Der Senat muss nicht abschließend entscheiden, ob für die Bestimmung des Begriffs auf andere Vorschriften des Vertragsarztrechts (vgl § 95a Abs 2 Satz 2 und 3 SGB V ‑ Voraussetzung für die Eintragung in das Arztregister für Vertragsärzte) oder auf §§ 1, 15 BEEG zurückgegriffen werden kann. Beide Vorschriften setzen neben dem Erziehen des Kindes ausdrücklich voraus, dass der Arzt bzw der Elternteil mit dem Kind in einem Haushalt lebt (§ 95a Abs 2 Satz 2 und 3 SGB V; § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und 3, § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 BEEG). Dagegen wird etwa für die Anrechnung von Kinderziehungs- oder Berücksichtigungszeiten nur verlangt, dass der Versicherte "sein Kind erzogen hat" (§ 56 Abs 2 Satz 1, § 57 Satz 1 SGB VI; ebenso § 46 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI für die große Witwen- oder Witwerrente), wobei in der Rechtsprechung des BSG geklärt ist, dass dies nicht die Erziehung des Kindes im eigenen Haushalt verlangt (vgl BSG Urteil vom 29.3.1978 ‑ 5 RJ 4/77 ‑ SozR 2200 § 1265 Nr 32 S 95 f mwN; vgl auch BSG Urteil vom 30.8.1967 ‑ 4 RJ 43/67 ‑ BSGE 27, 139 = SozR Nr 9 zu § 1268 RVO betreffend den Anspruch auf erhöhte Witwenrente infolge Erziehung eines Kindes; vgl dagegen zur Frage, wer das Kind "überwiegend" iS des § 56 Abs 2 Satz 8 <früher Satz 9> SGB VI erzogen hat: BSG Urteil vom 17.4.2008 ‑ B 13 R 131/07 R ‑ SozR 4‑2600 § 56 Nr 5 = juris RdNr 15). Da die Klägerin bei Antragstellung mit ihren beiden Adoptivsöhnen in einem Haushalt lebte, kann offenbleiben, ob Erziehung iS des § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV in jedem Fall einen gemeinsamen Haushalt von Vertragsarzt und Kind voraussetzt. Dieser ist aber andererseits ausreichend, ohne dass es auf einen konkreten Erziehungsbeitrag ankäme.

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Die genannten Rechtsvorschriften zu Zeiten der Erziehung von Kindern können jedenfalls nicht fruchtbar gemacht werden, um in den in § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte-ZV benutzten Begriff der "Erziehung" (über die Begrenzung auf die Zeit bis zur Volljährigkeit des Kindes hinaus) ein zeitliches Element hineinzulesen. Vielmehr enthalten diese Vorschriften ‑ neben der Bezugnahme auf die Erziehungsleistung und ggf weiteren Anforderungen ‑ jeweils ausdrückliche Regelungen zu dem maßgeblichen Lebensalter des Kindes, die sich an der konkreten Rechtsmaterie und den diesem Rechtsgebiet zugrunde liegenden gesetzgeberischen Entscheidungen orientieren. So verweist § 95a Abs 2 Satz 2 SGB V auf die ersten drei Lebensjahre des Kindes. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben ebenfalls grundsätzlich Anspruch auf Elternzeit bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes, jedoch kann mittlerweile ein Anteil von bis zu 24 Monaten zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes in Anspruch genommen werden (§ 15 Abs 2 Satz 1 und 2 BEEG). Kindererziehungszeiten werden aktuell in der gesetzlichen Rentenversicherung für die ersten drei Lebensjahre eines Kindes angerechnet, wobei bei gleichzeitiger Erziehung weiterer Kinder die Kindererziehungszeit für die weiteren Kinder um die Anzahl der Kalendermonate der gleichzeitigen Erziehung verlängert wird (§ 56 Abs 1 Satz 1, Abs 5 Satz 1 und 2 SGB VI; vgl dagegen § 249 SGB VI für ein vor dem 1.1.1992 geborenes Kind: 30 Monate). Darüber hinaus werden Berücksichtigungszeiten wegen der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr anerkannt (§ 57 Satz 1 SGB VI). Ein "allgemeiner Rechtsgedanke", bis zu welchem Alter begrifflich von der "Erziehung" eines Kindes auszugehen ist, lässt sich diesen völlig unterschiedlichen Regelungen nicht entnehmen.

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Für die mit der Volljährigkeit gezogene zeitliche Grenze der Erziehung eines Kindes ist im Übrigen ohne Bedeutung, dass die Eltern bei der Erziehung die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem verantwortungsbewussten Handeln zu berücksichtigen haben (§ 1626 Abs 2 BGB). Dass sich der Inhalt der Personensorge mit wachsendem Alter und sich entwickelnder Reife des Kindes verändert, ändert nichts daran, dass die Erziehungsverantwortung erst mit der Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes endet. Es kann zudem nicht unterstellt werden, dass der Verordnungsgeber den Anspruch auf Entlastungsassistenz nach § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV von der persönlichen Reife des zu erziehenden Kindes abhängig machen wollte. Es spricht vielmehr viel dafür, dass er die Beurteilung, ob es für die Erziehung des Kindes notwendig ist, mehr Zeit zur Verfügung zu haben, dem Vertragsarzt bzw den Eltern gemeinsam überlassen wollte.

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bb) Das eben Gesagte gilt entsprechend für den in § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV verwendeten Begriff des Kindes, der dort ebenfalls nicht definiert wird.

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(1) Zutreffend verweist das LSG darauf, dass die Wortlautbedeutung des Begriffs "Kind" nicht eindeutig bestimmt ist. Einerseits wird der Begriff gebraucht für einen "Mensch, der sich noch im Lebensabschnitt der Kindheit befindet (etwa bis zum Eintritt der Geschlechtsreife), noch kein Jugendlicher ist; noch nicht erwachsener Mensch" (Bedeutung 1b gemäß www.duden.de/rechtschreibung/Kind), andererseits für eine "von jemandem leiblich abstammende Person; unmittelbarer Nachkomme" (Bedeutung 1c, aaO). Der Gesetzgeber gebraucht den Begriff im SGB V zumindest dann, wenn das Vorhandensein eines Kindes für Ansprüche der Versicherten oder Vertragsärzte von Bedeutung ist und es damit letztlich um eine "Zuordnung" des Kindes geht, regelmäßig in letzterem, nicht auf das Alter des Kindes bezogenen Sinne. Dies ist etwa der Fall, wenn er im Rahmen der Familienversicherung von den "Kinder von Mitgliedern" spricht (§ 10 Abs 1 Satz 1 SGB V; vgl zum weiten Kinderbegriff, der ua auch Stief- und Pflegekinder sowie Kinder, die mit dem Ziel der Annahme als Kind in die Obhut des Annehmenden aufgenommen sind, umfasst § 10 Abs 4 SGB V) oder in § 45 Abs 1 Satz 1 SGB V (Krankengeld bei Erkrankung des Kindes) bezogen auf die Versicherten von der Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege "ihres" erkrankten und versicherten Kindes (zur entsprechenden Anwendung des § 10 Abs 4 SGB V auch hier vgl § 45 Abs 1 Satz 2 SGB V; dagegen verlangt der Anspruch auf Haushaltshilfe nach § 38 Abs 1 Satz 2 SGB V lediglich, dass "im Haushalt ein Kind lebt"; hier erfolgt die Zuordnung über den gemeinsamen Haushalt, ein Verwandtschaftsverhältnis zum Versicherten ist nicht erforderlich, vgl Ricken in Eichenhofer/v Koppenfels-Spies/Wenner, SGB V, 3. Aufl 2018, § 38 RdNr 5). Auch § 95a Abs 2 Satz 2 SGB V stellt maßgeblich darauf ab, wer die Personensorge für das Kind hat. Um eine Zuordnung zum Versicherten handelt es sich ebenfalls, wenn § 5 Abs 2 Satz 3 SGB V regelt, dass auf die nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V erforderliche Mitgliedszeit "für jedes Kind, Stiefkind oder Pflegekind" eine Zeit von drei Jahren angerechnet wird, gemäß § 240 Abs 5 SGB V bei der Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder Abzüge für "jedes gemeinsame unterhaltsberechtigte Kind" erfolgen oder wenn im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens bei der Bewerberauswahl ua zu berücksichtigen ist, ob der Bewerber "ein Kind des bisherigen Vertragsarztes" ist (§ 103 Abs 4 Satz 5 Nr 5 SGB V).

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Ebenso verhält es sich soweit ‑ außerhalb des SGB V ‑ § 15 BEEG Ansprüche für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regelt, die "mit ihrem Kind" in einem Haushalt leben (§ 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V; vgl auch § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BEEG: "mit seinem Kind in einem Haushalt lebt"; vgl auch Wiegand in Wiegand, BEEG, Januar 2019, § 1 RdNr 14, der darauf hinweist, dass das BEEG selbst keine Definition des Begriffs des Kindes enthält), gemäß § 56 Abs 2 Satz 1 SGB VI eine Erziehungszeit dem Elternteil zuordnet, der "sein Kind" erzogen hat oder § 46 Abs 2 Nr 1 SGB VI für die große Witwer‑ bzw Witwenrente darauf abstellt, dass Hinterbliebene "ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten" erziehen. Altersgrenzen werden daneben ‑ soweit vom Gesetzgeber für erforderlich gehalten ‑ jeweils ausdrücklich und bereichsspezifisch geregelt und unterscheiden sich zum Teil deutlich. So stellt etwa § 45 Abs 1 Satz 1 SGB V auf die Vollendung des 12. Lebensjahres ab, während für den Teilzeit- oder Urlaubsanspruch von Bundesbeamten wegen Kindererziehung gemäß § 92 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst a Bundesbeamtengesetz (BBG; ebenso § 44b Abs 3 Satz 1 Nr 1 Beamtenrechtsrahmengesetz in der bis 31.3.2009 geltenden Fassung für Landesbeamte sowie aktuell zB § 62 Abs 1 Satz 1 Niedersächsisches Beamtengesetz, § 62 Abs 1 Satz 1 Bremisches Beamtengesetz zur Teilzeitbeschäftigung und Urlaub aus familiären Gründen) sowie die Hinterbliebenenrente gemäß § 46 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI ausreicht, dass das Kind das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

29

Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Begriff der "Kinder" in § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV nicht ebenfalls (allein) in diesem Sinne einer Zuordnung zu dem antragstellenden Vertragsarzt gemeint ist. Dabei kann der Senat hier offenlassen, inwieweit die Wertungen aus § 10 Abs 4 SGB V, § 2 Bundeskindergeldgesetz oder §§ 115 BEEG herangezogen werden könnten, um einen Anspruch auf Genehmigung einer Entlastungsassistenz für die Erziehung etwa eines Stief- oder Pflegekindes zu begründen (vgl hierzu Ladurner, Ärzte-ZV, Zahnärzte‑ZV, 2017, § 32 Ärzte‑ZV RdNr 47, der zudem in Anlehnung an § 15 Abs 1 Nr 1 BEEG dem Begriff "Kind" eine gewisse Altersgrenze entnehmen will, die beim vollendeten achten Lebensjahr des Kindes liegen soll; zum Rückgriff auf § 7 Abs 3, 4 Pflegezeitgesetz für die Tatbestandsmerkmale "pflegebedürftig" und "naher Angehöriger" in § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 3 Ärzte‑ZV vgl Harwart/Thome in Schallen, Zulassungsverordnung, 9. Aufl 2018, § 32 Ärzte‑ZV RdNr 58; Ladurner, Ärzte-ZV, Zahnärzte‑ZV, 2017, § 32 Ärzte-ZV RdNr 48). Denn die Adoptivsöhne der Klägerin haben mit der Annahme durch die Klägerin und ihren Ehegatten die gleiche rechtliche Stellung erhalten wie ein leibliches Kind (vgl § 1754 BGB).

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(2) Soweit demgegenüber in anderen Gesetzen, in denen es maßgeblich um den Schutz des heranwachsenden Kindes geht, der Begriff des Kindes ‑ insbesondere in Abgrenzung zum Begriff des Jugendlichen ‑ für einen jungen Menschen eines bestimmten Alters gebraucht wird (vgl insbesondere die vom Beklagten zitierten § 7 Abs 1 Satz 1 SGB VIII und § 1 Abs 1 Nr 1 JuSchG, ebenso § 176 StGB zum sexuellen Missbrauch von Kindern, die Kind als jemanden definieren, der noch nicht 14 Jahre alt ist, sowie § 1 Abs 2 Jugendgerichtgesetz zur Definition des "Jugendlichen"; vgl aber auch § 2 Abs 2 Jugendarbeitsschutzgesetz, der die Grenze vom Kind zum Jugendlichen bei 15 Jahren zieht, und § 36 Abs 1 Satz 1 SGB I, der das handlungsfähige Alter im Sozialrecht auf die Vollendung des 15. Lebensjahres festgelegt), führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Auch unter Berücksichtigung dieser Vorschriften kann dem Tatbestandsmerkmal "Kind" keine Altersgrenze entnommen werden (so aber Bedei in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, 6. Aufl, Stand September 2020, E 32‑13, E 32‑83; Harwart/Thome in Schallen, Zulassungsverordnung, 9. Aufl 2018, § 32 Ärzte‑ZV RdNr 57; noch weitergehender Ladurner, Ärzte‑ZV, Zahnärzte‑ZV, 2017, § 32 Ärzte‑ZV RdNr 47 unter Bezugnahme auf § 15 BEEG). Vielmehr handelt es sich hier um bereichsspezifische Definitionen des Kindesbegriffs (vgl ausdrücklich § 7 Abs 1 Satz 1 SGB VIII sowie § 1 Abs 1 Nr 1 JuSchG: "Im Sinne dieses Gesetzes sind …"; wobei sich "dieses Gesetzes" in § 7 Abs 1 Satz 1 SGB VIII nicht auf das SGB in seiner Gesamtheit, sondern allein auf das SGB VIII bezieht, vgl Bieritz-Harder in Hauck/Noftz, SGB VIII, 05/16, § 7 RdNr 1). Dies folgt für das SGB VIII im Übrigen schon daraus, dass § 7 Abs 3 SGB VIII (in der ab dem 10.6.2021 geltenden Fassung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes vom 3.6.2021, BGBl I 1444; zuvor Abs 2) den Kindesbegriff für § 1 Abs 2 SGB VIII (Pflege und Erziehung der "Kinder" als natürliches Recht der Eltern) abweichend definiert als jemand, der noch nicht 18 Jahre alt ist (vgl auch § 7 Abs 5 SGB VIII <bis 9.6.2021 Abs 4>, wonach die Bestimmungen dieses Buches, die sich auf die Annahme als Kind beziehen, nur für Personen gelten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben). Selbst dem SGB VIII liegt damit kein einheitlicher Kindesbegriff zugrunde. Auch andere Gesetze, die die Eltern-Kind-Beziehung schützen, stellen für den Begriff des Kindes auf den Eintritt der Volljährigkeit ab, etwa § 32 Abs 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zum Kindernachzug des minderjährigen ledigen Kindes (vgl aber auch § 32 Abs 3 AufenthG).

31

Rückschlüsse auf eine Altersgrenze aufgrund des Begriffs des "Kindes" in § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV können daher aus diesen Regelungen ebenso wenig gezogen werden wie aus der Benutzung des Kindesbegriffs in anderen Vorschriften etwa im SGB V, in denen es um eine den Bedürfnissen und dem Entwicklungsstand von Kindern und Jugendlichen angepasste medizinische Behandlung bzw Prävention geht (vgl zB § 23 Abs 1 Nr 2 SGB V ‑ Medizinische Vorsorgeleistungen für Kinder; § 26 SGB V ‑ Gesundheitsuntersuchungen für Kinder und Jugendliche; § 37b Abs 1 Satz 6 bzw § 132d SGB V ‑ spezialisierte ambulante Palliativversorgung, § 43 Abs 2 Satz 1 SGB V ‑ sozialmedizinische Nachsorgemaßnahmen für chronisch kranke oder schwerstkranke Kinder oder § 43a ‑ nichtärztliche sozialpädiatrische Leistungen, vgl hierzu auch Welti in Becker/Kingreen, SGB V, 7. Aufl 2020, § 43a RdNr 3: anders als in § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII keine feste Altersgrenze von 14 Jahren). Diese einer völlig anderen Zielsetzung dienenden Altersstufen, die zudem kein einheitliches Bild ergeben, können nicht auf die Regelungen zur Vertretung bzw zum Einsatz eines Assistenten im Vertragsarztrecht übertragen werden.

32

b) Auch aus Sinn und Zweck der Regelung zur Beschäftigung eines Vertreters oder eines Assistenten während Zeiten der Kindererziehung unter Beachtung der gesetzlichen Entwicklung folgt keine Altersbegrenzung.

33

Gemäß § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV hat der Vertragsarzt die vertragsärztliche Praxis persönlich in freier Praxis auszuüben (zur Bedeutung dieser Pflicht zur Sicherung der hohen Qualität der vertragsärztlichen Versorgung vgl BSG Urteil vom 21.3.2012 ‑ B 6 KA 22/11 R ‑ BSGE 110, 269 = SozR 4‑2500 § 95 Nr 24, RdNr 37 mwN). Als Ausnahme von der Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung sieht § 32 Ärzte‑ZV ‑ neben der Beschäftigung eines Vorbereitungsassistenten nach § 3 Abs 3 Ärzte‑ZV aF ‑ für Zeiten der Verhinderung seit jeher die Möglichkeit vor, bei Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung befristet und genehmigungsfrei bis zur Dauer von drei Monaten innerhalb von zwölf Monaten einen Vertreter oder ‑ nach vorheriger Genehmigung durch die KÄV und ebenfalls befristet ‑ aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung einen Vertreter oder Assistenten zu beschäftigen (vgl bereits § 32 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Zulassungsordnung für Kassenärzte ‑ ZO‑Ärzte ‑ vom 28.5.1957, BGBl I 572). Spezifische Regelungen für den Fall der Schwangerschaft einer Vertragsärztin sowie für Zeiten unmittelbar nach der Entbindung ("Mutterschutz") oder der Kindererziehung enthielt die Vorschrift lange nicht, weswegen in der Regel auf eine genehmigungspflichtige Vertretung aus Sicherstellungsgründen nach § 32 Abs 2 Ärzte-ZV zurückgegriffen werden musste (vgl LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 21.8.1997 ‑ L 5 Ka 41/96 ‑ juris RdNr 18 ff; Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte‑ZV, Zahnärzte‑ZV, 2008, § 32 RdNr 19 für Schwangerschaft und RdNr 64 für Kinderziehung; vgl auch Kamps, DMW 1998, 336, 337, der eine verfassungskonforme Auslegung des § 32 Abs 1 Ärzte-ZV befürwortete; dazu, dass die Beschäftigung eines Vertreters bzw Assistenten "aus Gründen der Sicherstellung" kein besonderes öffentliches Bedürfnis voraussetzt, sondern einen Vertretungsbedarf des jeweiligen Vertragsarztes vgl bereits BSG Urteil vom 21.11.1958 ‑ 6 RKa 21/57 ‑ BSGE 8, 256, 261 f; vgl auch BSG Urteil vom 29.6.2011 ‑ B 6 KA 17/10 R ‑ SozR 4‑2500 § 85 Nr 66 RdNr 20). Dabei ist die Dauer der genehmigungspflichtigen Beschäftigung eines Vertreters oder Sicherstellungsassistenten zwar grundsätzlich zu befristen (§ 32 Abs 2 Satz 6 Ärzte‑ZV), vom Verordnungsgeber erfolgen jedoch keine Zeitvorgaben. Unstreitig darf es sich nur um einen vorübergehenden, nicht aber um einen zeitlich unabsehbaren oder gar auf Dauer angelegten Bedarf handeln (vgl LSG Baden-Württemberg Urteil vom 14.2.1996 ‑ L 5 Ka 1790/95 ‑ MedR 1996, 315; Thüringer LSG Beschluss vom 9.9.1999 ‑ L 4 KA 388/99 ER ‑ juris RdNr 27; Schleswig-Holsteinisches LSG Beschluss vom 7.5.2001 ‑ L 6 B 28/01 KA ER ‑ juris RdNr 21; LSG Niedersachsen-Bremen Urteile vom 31.3.2004 ‑ L 3 KA 37/02 ‑ juris RdNr 25 und vom 26.5.2010 ‑ L 3 KA 69/09 ‑ juris RdNr 18; Bedei in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, 6. Aufl, Stand September 2020, E 32‑80; Harwart/Thome in Schallen, Zulassungsverordnung, 9. Aufl 2018, § 32 Ärzte-ZV RdNr 63: keine Vertretung "ad infinitum"; Ladurner, Ärzte‑ZV, Zahnärzte‑ZV, 2017, § 32 Ärzte‑ZV RdNr 43; Pawlita, jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 95 RdNr 799.1; vgl auch BSG Urteil vom 29.10.1963 ‑ 6 RKa 7/61 ‑ BSGE 20, 52, 54 = SozR Nr 3 zu § 368c RVO = juris RdNr 20 "nur … vorübergehende Bedürfnisse des Kassenzahnarztes nach Entlastung"). Grundsätzlich hängt die konkrete Dauer der Befristung von den Umständen des Einzelfalls ab, wobei als zulässiger Vertretungszeitraum der Zeitraum angesehen wird, in dem davon ausgegangen werden kann, dass der verhinderte Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit noch (im Umfang des ihm erteilten Versorgungsauftrags) ausüben will (vgl Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte‑ZV, Zahnärzte‑ZV, 2008, § 32 RdNr 61; Harwart/Thome in Schallen, Zulassungsverordnung, 9. Aufl 2018, § 32 Ärzte‑ZV RdNr 63, 112; vgl auch Hessisches LSG Urteil vom 15.3.2006 ‑ L 4 KA 29/05 ‑ juris RdNr 20 zur Frist zur Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in § 95 Abs 5 SGB V). In der Literatur wird dabei regelmäßig ein Zeitraum von zwei Jahren zugrunde gelegt (vgl Bäune, aaO; Harwart/Thome in Schallen, aaO RdNr 63 unter Hinweis auf § 81 Abs 5 Satz 2 SGB V, vgl dort aber auch RdNr 96: auch längerer Zeitraum ggf zu akzeptieren bei geplanter Übernahme; Ladurner, Ärzte‑ZV, Zahnärzte‑ZV, 2017, § 32 Ärzte‑ZV RdNr 54; vgl auch Pawlita, jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 95 RdNr 803 unter Hinweis auf die zum Ruhen entwickelten Grundsätze). Inwiefern dies auf die Situation einer Vertretung bzw Assistenz wegen Kindererziehung übertragen werden konnte, war ungeklärt. Während einerseits eine Orientierung der Befristung an der (früheren) zivilrechtlichen Rspr zur Zumutbarkeit einer Berufstätigkeit im Rahmen des nachehelichen Unterhalts und damit ein Bedarf für die Erziehung von Kindern unter acht Jahren befürwortet wurde (vgl LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 21.8.1997 ‑ L 5 Ka 41/96 ‑ juris RdNr 29; zustimmend Pawlita, jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 95 RdNr 828 zur heutigen Verlängerungsmöglichkeit nach § 32 Abs 2 Satz 4 Ärzte‑ZV), wurde andererseits mit genau dem gleichen Argument ‑ wenn auch nur im Rahmen eines Obiter Dictums ‑ die Auffassung vertreten, dass bei der Erziehung von Kindern schon nicht von einem nur vorübergehenden, sondern von einer langen unabsehbaren Zeitdauer hinsichtlich des Hilfebedarfs auszugehen sei (vgl Schleswig-Holsteinisches LSG Beschluss vom 7.5.2001 ‑ L 6 B 28/01 KA ER ‑ juris RdNr 22 f; vgl auch SG Marburg Gerichtsbescheid vom 18.3.2008 ‑ S 12 KA 262/07 ‑ juris RdNr 18, welches zumindest die Darlegung verlangt hat, weshalb der Erziehungsbedarf im konkreten Fall nur vorübergehend sei; krit hierzu Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV, 2008, § 32 RdNr 64), sodass letztlich die Genehmigung einer Entlastungsassistenz von vornherein abzulehnen wäre.

34

Mit Wirkung zum 1.1.2004 wurde durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) erstmals eine spezifische Regelung dieses Sachverhalts getroffen, indem § 32 Abs 1 Ärzte-ZV um einen Satz 3 ergänzt wurde, der es Vertragsärztinnen ermöglichte, sich in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer Entbindung bis zu einer Dauer von sechs Monaten vertreten zu lassen, wobei die Vertretungszeiten allerdings zusammen mit den Vertretungszeiten nach Satz 2 (also insbesondere bei Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung) innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten sechs Monate nicht überschreiten durften. Der Verordnungsgeber wollte hiermit für Vertragsärztinnen bessere rechtliche Rahmenbedingungen "zur Realisierung ihres Kinderwunsches" schaffen (vgl Begründung zum Entwurf eines GMG, BT‑Drucks 15/1525 S 158; soweit der Verordnungsgeber dort die Auffassung vertritt, es handele sich um eine Klarstellung <"Es wird klargestellt, dass im Zusammenhang mit einer Entbindung eine Vertretung in Anspruch genommen werden kann, ohne dass dies wie bisher als 'Urlaub' oder 'Krankheit' deklariert werden muss.">, ist dies allerdings zweifelhaft). Die bessere langfristige Vereinbarkeit einer vertragsärztlichen Tätigkeit mit der Gründung einer Familie durch die Beschäftigung eines Vertreters oder Assistenten stand bei dieser Regelung ersichtlich nicht im Fokus. Diese konnte, ohne ein Ruhen oder eine Reduzierung des Versorgungsauftrags oder die Anstellung (iS der Begriffsbestimmung des § 1a Nr 8 Bundesmantelvertrag-Ärzte <BMV-Ä>) eines Arztes, weiterhin nur über den Einsatz eines Sicherstellungsassistenten nach § 32 Abs 2 Ärzte-ZV verwirklicht werden, wenn nicht "weiche Lösungen" ‑ etwa durch kollegiale Vertretung innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft oder die faktische Reduzierung des Umfangs der vertragsärztlichen Tätigkeit (vgl hierzu BSG Urteil vom 17.11.1999 ‑ B 6 KA 15/99 R ‑ BSGE 85, 145SozR 3‑5525 § 20 Nr 1 = juris RdNr 28: Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit im "üblichen Umfang" ausreichend, Einsatz der vollen Arbeitskraft nicht erforderlich) ‑ gefunden wurden.

35

Erst durch das GKV-VStG wurde mit Wirkung zum 1.1.2012 nicht nur die Frist in § 32 Abs 1 Satz 3 Ärzte-ZV für eine ‑ genehmigungsfreie ‑ Vertretung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer Entbindung von sechs auf zwölf Monate erhöht sowie auf eine Anrechnung anderer genehmigungsfreier Vertretungsfälle verzichtet, sondern auch die ‑ an eine vorherige Genehmigung durch die KÄV gebundene ‑ Möglichkeit für die Beschäftigung eines Vertreters bzw Entlastungsassistenten für die Erziehung von Kindern für bis zu 36 Monate, die ggf durch die KÄV verlängert werden können, geschaffen (§ 32 Abs 2 Nr 2 Satz 2 und 3 Ärzte‑ZV). Beide Maßnahmen sollten ‑ so die Gesetzesbegründung ‑ einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf dienen (vgl BT‑Drucks 17/6906 S 105, zu Nr 11 zu Buchst a und Buchst b). Weshalb gerade ein Zeitraum von 36 Monaten gewählt wurde, hat der Verordnungsgeber nicht besonders begründet. Es liegt allerdings nahe, dass ihm ‑ zumindest im Hinblick auf die Dauer ‑ dabei andere Regelungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf wie die dreijährige Elternzeit (§ 15 Abs 2 Satz 1 BEEG), der Anspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem dritten Lebensjahr (§ 24 Abs 1 Satz 1 SGB VIII; seit 1.8.2003 Abs 3; vgl jetzt zum Betreuungsanspruch bereits ab dem ersten Lebensjahr § 24 Abs 2 SGB VIII, neugefasst durch Bekanntmachung vom 11.9.2012, BGBl I 2022, idF durch Art 1 Nr 7 des Kinderförderungsgesetzes vom 10.12.2008, BGBl I 2403, mWv 1.8.2013) oder die Anerkennung von drei Jahren Kindererziehungszeit in der Rentenversicherung (§ 56 SGB V) vor Augen standen.

36

Dass der Verordnungsgeber damit auch die in diesen Gesetzen geregelten Altersgrenzen, insbesondere die Begrenzung der Übertragung eines Teils der 36 Monate auf die Zeit bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes in § 15 Abs 2 Satz 2 BEEG (vgl auch § 4 Abs 1 Satz 3, § 15 Abs 2 Satz 5 BEEG zur Möglichkeit des Elterngeldbezuges bzw der Inananspruchnahme von Elternzeit bis zum vollendeten achten Lebensjahr bei einem angenommenen Kind) übernehmen wollte, ist aus der Begründung der Vorschrift nicht ersichtlich und erst recht nicht ‑ etwa im Wege einer Altersgrenze ‑ aus der Regelung selbst (zum Erfordernis, dass der gesetzgeberische Wille auch im Text Niederschlag gefunden hat: BVerfG Urteil vom 16.2.1983 ‑ 2 BvE 1/83, 2 BvE 2/83, 2 BvE 3/83, 2 BvE 4/83 ‑ BVerfGE 62, 1, 45 = juris RdNr 124 mwN; BFH Urteil vom 25.7.2012 ‑ I R 101/10 ‑ BFHE 238, 362BStBl II 2013, 165 = juris RdNr 22 mwN; vgl zu diesem Aspekt auch BSG Urteil vom 15.5.2019 ‑ B 6 KA 5/18 R ‑ BSGE 128, 125 = SozR 4‑2500 § 103 Nr 27, RdNr 48 zur Konzeptbewerbung; für einen Rückgriff auf das BEEG aber Ladurner, Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV, 2017, § 32 Ärzte-ZV RdNr 47).

37

Die Altersgrenze von acht Jahren wurde bei der Einführung des BEEG zum 1.7.2007 aus § 15 Abs 2 Satz 4 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) übernommen (vgl BT-Drucks 16/1189 S 27) und bei der Einführung im BErzGG zum 1.1.2001 im Wesentlichen mit der Möglichkeit, das Kind im ersten Schuljahr zu betreuen sowie den unterschiedlichen Zeitpunkten des Schulbeginns begründet (vgl Begründung zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des BErzGG, BT‑Drucks 14/3553 S 2, 21). Auch die bereits bestehende Regelung zur Inanspruchnahme von Erziehungszeit bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres bei einem angenommenen Kind oder einem Kind in Adoptionspflege (§ 15 Abs 1 Satz 2 BErzGG in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung) wurde entsprechend angepasst und der Zeitrahmen auf acht Jahre erhöht (§ 15 Abs 2 Satz 2 BErzGG idF des Dritten Gesetzes zur Änderung des BErzGG vom 12.10.2000, BGBl I 1426; ab 2.1.2001 neugefasst durch das Gesetz zur Änderung des Begriffs "Erziehungsurlaub" vom 30.11.2000, BGBl I 1638, seither "Elternzeit" anstelle von "Erziehungsurlaub"). Selbst wenn der Wunsch der besseren Begleitung des Kindes in der Phase des Schulbeginns möglicherweise in vielen Fällen (mit)bestimmend sein sollte, wenn ein Vertragsarzt eine Entlastungsassistenz für sein Kind über die Kleinkindphase hinaus in Anspruch nehmen will, hat dieser Aspekt ‑ anders als beim BEEG ‑ keinen Weg in die Regelung des § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte-ZV oder auch nur in die Gesetzesbegründung gefunden.

38

Auch soweit die Gesetzesbegründung in Bezug auf die Neuregelung in § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte-ZV von der Zeit "nach der Geburt" spricht (BT‑Drucks 17/6906 S 105), kann nicht von einer beabsichtigten Begrenzung auf die ersten Lebensjahre (oder gar auf die ersten 36 Lebensmonate, vgl hierzu erneut LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 27.2.2013 ‑ L 11 KA 8/13 B ERMedR 2013, 560, 562 = juris RdNr 43) ausgegangen werden. Vielmehr knüpft die Formulierung, wie das LSG zu Recht ausführt, ersichtlich an die Ausführungen zur Vertretungsmöglichkeit in unmittelbaren Zusammenhang mit einer Entbindung in § 32 Abs 1 Satz 3 Ärzte-ZV an, die auf zwölf Monate verlängert werde, um "den individuellen Bedürfnissen und Erfordernissen der Vertragsärztin vor und nach der Geburt eines Kindes besser zu begegnen" (BT‑Drucks, aaO). Letztendlich wird von dem Zeitraum "nach der Geburt" lediglich in Abgrenzung zur (genehmigungsfreien) Vertretung in Zusammenhang mit der Entbindung, die auch Zeiträume vor der Geburt umfassen kann (vgl Ladurner, Ärzte‑ZV, Zahnärzte-ZV, 2017, § 32 Ärzte‑ZV RdNr 29 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung; Scholz in BeckOK Sozialrecht, § 32 Ärzte‑ZV RdNr 20 will § 3 Abs 2 MuSchG analog anwenden), gesprochen. Eine Altersgrenze ‑ sei es bei der Vollendung des achten oder des 14. Lebensjahres ‑ lässt sich der Vorschrift daher unabhängig davon nicht entnehmen, dass eine zeitliche Nähe dieser Altersstufen zur Geburt ohnehin nicht besteht. Der bereits angeführte § 92 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst a BBG, der für Bundesbeamte eine familienbedingte Teilzeit oder Beurlaubung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres eines Kindes zulässt, verdeutlicht zudem, dass das Merkmal "Kind" auch im Kontext der Doppelbelastung von Familie und Beruf unterschiedlich verstanden werden kann.

39

c) Eine Begrenzung auf die im BEEG geregelte Zeit bis zum vollendeten achten Lebensjahr des Kindes erschließt sich auch nicht aus anderen Gründen. Eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 15 Abs 2 Satz 2 BEEG auf die genehmigungspflichtige Vertretung nach § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte-ZV setzt eine unbewusste planwidrige Regelungslücke und eine Gleichartigkeit der zu regelnden Sachverhalte voraus (vgl zuletzt BSG Urteil vom 27.1.2021 ‑ B 6 KA 27/19 R ‑ juris RdNr 33 mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4‑2500 § 103 Nr 31 vorgesehen). Beides fehlt hier.

40

aa) Es kann bereits nicht unterstellt werden, dass eine "unbewusste planwidrige Regelungslücke" vorliegt. Angesichts der präzisen ‑ und teils sehr unterschiedlichen ‑ Regelung von Altersgrenzen in sämtlichen die Erziehung von Kindern betreffenden rechtlich gestalteten Lebensbereichen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber bei Einführung des § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV schlicht "vergessen" hätte, konkrete Altersgrenzen in die Vorschrift aufzunehmen. Hiergegen spricht auch, dass er in Bezug auf die Vertretung von angestellten Ärztinnen und Ärzten in § 32b Ärzte-ZV eine gänzlich andere Regelung getroffen hat. So verweist § 32b Abs 6 Satz 1 Halbsatz 2 Ärzte‑ZV (eingefügt durch Art 14 Nr 3 GKV-Versorgungsstärkungsgesetz <GKV-VSG> vom 16.7.2015, BGBl I 1211 mWv 23.7.2015) lediglich auf eine entsprechende Anwendung der Vorschriften zur kurzfristigen genehmigungsfreien Vertretung in § 32 Abs 1 Ärzte‑ZV (sowie auf Abs 4, wonach der Vertragsarzt Vertreter und Assistenten zur Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten anzuhalten hat). Die Vertretung während einer Elternzeit wird dagegen durch Bezugnahme auf den gesetzlichen Freistellungsanspruch des Angestellten geregelt (§ 32b Abs 6 Satz 3 Ärzte‑ZV). Der Verordnungsgeber meinte also gerade nicht, in Bezug auf Vertragsärzte und angestellte Ärzte gleiche Regelungen getroffen zu haben. Zwar wird in der Begründung der Vorschrift betont, dass die Vorschriften der Ärzte‑ZV ‑ und damit auch die Regelungen zur Vertretung ‑ schon nach § 1 Abs 3 Ärzte‑ZV entsprechend Anwendung für angestellte Ärztinnen und Ärzte fänden und es sich nur um eine Klarstellung handele. Dies bezieht sich jedoch lediglich auf die entsprechende Anwendung der Abs 1 und 4 des § 32 Ärzte‑ZV, wie sich aus der weiteren Gesetzesbegründung ergibt: Denn ‑ darüber hinaus wurden nicht nur weitere Vertretungsgründe geregelt, die nur bei angestellten Ärztinnen bzw Ärzten in Betracht kommen, sondern auch die Vertretungsgründe "im Zusammenhang mit gesetzlichen Ansprüchen auf Freistellung wie zB bei Schwanger- und Mutterschaft sowie Eltern- und Pflegezeit ergänzt" (vgl Entwurf eines GKV-VSG, BT-Drucks 18/4095 S 147). Auch wenn der Verordnungsgeber eine Ergänzung der Ärzte-ZV für angestellte Ärztinnen und Ärzte möglicherweise nur in Bezug auf die Dauer des Freistellungsanspruchs für erforderlich hielt, da diese nicht nur einen Anspruch auf 36 Monate Elternzeit pro Kind haben, sondern diesen ‑ bei gleichzeitiger Erziehung von Kindern (zu diesem Aspekt bei Vertragsärzten vgl unten RdNr 47 f) ‑ auch auf einen späteren Zeitpunkt übertragen können (vgl § 15 Abs 2 Satz 1 und 4 BEEG und dazu Martens in Sponer/Steinherr, TVöD/TV‑L Gesamtausgabe, 224. Aufl Juni 2021 RdNr 21, 23), kann hieraus nicht gefolgert werden, dass er übersehen hätte, dass § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV ‑ anders als § 15 BEEG ‑ keine Altersgrenzen enthält.

41

bb) Es liegen im Übrigen auch keine vergleichbaren Sachverhalte vor. Die Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (und damit auch der angestellten Ärzte) unterscheidet sich in Bezug auf die Möglichkeiten zur Vereinbarung ihrer Berufstätigkeit mit den Anforderungen der Kindererziehung in wesentlichen Aspekten von denen der Vertragsärzte. Denn ein Vertragsarzt kann als Freiberufler den Umfang seiner persönlichen Arbeitsleistung im Grundsatz selbst bestimmen und dementsprechend Maßnahmen treffen, um seinen Wunsch nach mehr Zeit für die Familie zu verwirklichen. Demgegenüber hängt der Anspruch eines Arbeitnehmers auf (zeitlich unbegrenzte) Teilzeitarbeit davon ab, dass betriebliche Gründen nicht entgegenstehen und dass der Arbeitgeber in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt (vgl § 8 Abs 4 Satz 1, Abs 7 Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge ‑ TzBfG; für eine zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit ist sogar erforderlich, dass der Arbeitgeber in der Regel mehr als 45 Arbeitnehmer beschäftigt); zudem kommt es bei regelmäßig weniger als 200 Arbeitnehmern auch darauf an, wie viele andere Arbeitnehmer bereits ihre Arbeitszeit befristet verringert haben (vgl § 9a Abs 1 Satz 3, Abs 2 TzBfG; zum Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit vgl § 15 Abs 5 Satz 1, Abs 7 BEEG, der ebenfalls eine Mindestgröße von idR 15 Arbeitnehmern und das Fehlen entgegenstehender betrieblicher Gründe voraussetzt). § 32 Ärzte‑ZV trägt insofern allein dem Umstand Rechnung, dass Vertragsärzte ‑ anders als etwa andere freiberuflich Tätige wie Rechtsanwälte und Architekten ‑ aufgrund ihrer Einbindung in das vertragsärztliche Zulassungssystem und der hieraus resultierenden Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung (§ 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte‑ZV) sowie zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang ihres aus der Zulassung folgenden Versorgungsauftrags (vgl § 95 Abs 3 Satz 1 SGB V; vgl insofern etwa zum Mindestumfang der anzubietenden Sprechstundenzeiten § 17 Abs 1a BMV‑Ä), nicht im gleichen Maße in der Lage sind, ihren persönlichen Arbeitseinsatz frei zu gestalten (vgl zu diesem Aspekt auch LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 21.8.1997 ‑ L 5 Ka 41/96 ‑ juris RdNr 24).

42

Der Verordnungsgeber hat die Unterschiede zwischen der Gruppe der Vertragsärzte und der Gruppe der angestellten Ärzte in Bezug auf die Gestaltungsfreiheit bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch gesehen und bewusst divergierende Regelungen für diese beiden Gruppen getroffen. So ist § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV im Vergleich zu § 15 BEEG einerseits insoweit "großzügiger", als die zwölf genehmigungsfreien Monate einer Vertretung im Zusammenhang mit der Entbindung nicht auf die Höchstdauer von 36 Monaten angerechnet werden (vgl Scholz in BeckOK Sozialrecht, § 32 Ärzte-ZV RdNr 27; vgl dagegen § 15 Abs 2 Satz 3 BEEG, wonach die Zeit der Mutterschutzfrist nach § 3 Abs 2 und 3 MuSchG für die Elternzeit der Mutter auf die Begrenzung nach Satz 1 und 2 angerechnet wird; dazu auch Martens in Sponer/Steinherr, TVöD/TV‑L Gesamtausgabe, 224. Aufl Juni 2021 RdNr 19). Es ist damit grundsätzlich möglich, bereits bei einem Kind eine Zeit von insgesamt 48 Monaten mit einem Vertreter oder einem Entlastungsassistenten zu überbrücken (wobei die Erziehungsvertretung bzw Erziehungsassistenz sich nahtlos an die Entbindungsvertretung anschließen kann, aber nicht muss, vgl Ladurner, Ärzte‑ZV, Zahnärzte‑ZV, 2017, § 32 Ärzte‑ZV RdNr 29; missverständlich insofern Harwart/Thome in Schallen, Zulassungsverordnung, 9. Aufl 2018, § 32 Ärzte‑ZV RdNr 45, die von "im Anschluss" sprechen). Auch macht § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte-ZV keine Vorgaben dazu, wie die 36 Monate während der Zeiten der Kindererziehung aufgeteilt werden können (vgl Harwart/Thome in Schallen, Zulassungsverordnung, 9. Aufl 2018, § 32 Ärzte‑ZV RdNr 57: freie Stückelung, soweit Zeitraum mindestens einen Monat umfasst; ebenso Pflugmacher, Anmerkung zu LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 27.2.2013 ‑ L 11 KA 8/13 B ER, Ärztezeitung vom 3.4.2013), sondern überlässt dies ersichtlich allein der Bestimmung durch die Eltern, während das BEEG ‑ aus Rücksicht auf die Belange des Arbeitgebers ‑ nicht nur die Altersgrenze, sondern auch den Umfang der auf einen späteren Zeitpunkt übertragbaren Monate (jetzt 24, früher zwölf) genau regelt (§ 15 Abs 2 Satz 2 BEEG; vgl auch § 16 BEEG zu den erforderlichen Erklärungen und den einzuhaltenden Fristen bei Inanspruchnahme der Elternzeit). Andererseits besteht der Anspruch auf 36 Monate Vertretung bzw Assistenz für "Zeiten der Erziehung von Kindern" und damit zwar für jedes Kind erneut, es können aber ‑ anders als bei der Elternzeit (vgl § 15 Abs 2 Satz 4 BEEG) ‑ bei gemeinsamer Erziehung von Kindern nicht "unverbrauchte" Monate übertragen und damit ggf mehrere 36‑Monats-Assistenzen aneinandergereiht werden (vgl hierzu noch unter d). Vor diesem Hintergrund fehlt es an vergleichbaren Sachverhalten, die eine analoge Anwendung der Altersbegrenzung für die Inanspruchnahme von Elternzeit in § 15 BEEG auf die Beschäftigung eines Vertreters oder Assistenten im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erlauben würden.

43

Nicht ganz zutreffend ist es allerdings, wenn ‑ mit dem SG ‑ davon ausgegangen wird, dass im Rahmen der Vertretung oder Entlastungsassistenz ‑ anders als beim BEEG, welches die Interessen des Arbeitgebers in die Abwägung einzubeziehen hat, ‑ kein schutzwürdiger Dritter vorhanden sei. Zunächst sind die Belange des Assistenten zu berücksichtigen, der ‑ anders als ein angestellter Arzt ‑ nicht Mitglied der zuständigen KÄV wird (vgl § 77 Abs 3 Satz 1 SGB V, der die Vertreter und Assistenten nicht erwähnt; vgl Harwart/Thome in Schallen, Zulassungsverordnung, 9. Aufl 2018, § 32 Ärzte‑ZV RdNr 81; Kremer/Wittmann, Vertragsärztliches Zulassungsverfahren, 3. Aufl 2018, RdNr 1471; Ladurner, Ärzte‑ZV, Zahnärzte‑ZV, 2017, § 32 Ärzte‑ZV RdNr 5). In einem gesperrten Planungsbereich sind darüber hinaus die Interessen der Ärzte, die eine Zulassung oder zumindest eine Anstellung anstreben, zu beachten (vgl Bedei in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, 6. Aufl, Stand September 2020, E 32‑80: Beschäftigung eines Sicherstellungsassistenten steht in einem aufgrund von Überversorgung gesperrten Planungsbereich grundsätzlich im Konflikt zur gesetzlichen Bedarfsplanung). Dies erfasst auch den Vertreter oder Assistenten selbst, der anders als ein angestellter Arzt keine Aussicht auf vorrangige Berücksichtigung in einem eventuellen Nachbesetzungsverfahren (vgl § 103 Abs 4 Nr 6 SGB V) hat. Dabei sind für die Genehmigung nicht die Zulassungsgremien zuständig, sondern die KÄV, die allerdings in die Auswahl des Vertreters oder Assistenten nicht eingebunden ist, sondern lediglich prüft, ob die an diesen zu stellenden Voraussetzungen erfüllt sind (vgl § 3 Abs 2 iVm § 32 Abs 1 Satz 5 Ärzte‑ZV zur Eintragung in das Arztregister; vgl auch § 32 Abs 1 Satz 6, Abs 2 Satz 7 Ärzte‑ZV zur persönlichen Eignung des Vertreters/Assistenten).

44

d) Die fehlende Altersbegrenzung in Bezug auf das zu erziehende Kind bzw die zu erziehenden Kinder bedeutet aber nicht, dass eine Vertretung oder Entlastungsassistenz während Zeiten der Kindererziehung "unbegrenzt" beschäftigt werden könnte. Diese soll ‑ wie im Fall des Sicherstellungsassistenten nach § 32 Abs 2 Nr 1 Ärzte‑ZV ‑ keine "Dauerlösung" sein, sondern grundsätzlich lediglich eine vorübergehende Verhinderung der Vertragsärztin bzw des Vertragsarztes abdecken. Die Begrenzung erfolgt vorliegend allerdings nicht über das Alter des Kindes, das (bis zur Vollendung seines 18. Lebensjahres) erzogen wird, sondern allein über die Höchstdauer von 36 Monaten, die zwar grundsätzlich für jedes Kind in Anspruch genommen werden können (dazu aa), bei gemeinsamer Erziehung mehrerer Kinder aber auch jedem der Kinder zugeordnet und nicht übertragen werden (dazu bb). Im Übrigen ist es Sache des Normgebers, die Regelung einzuschränken, wenn er den Rahmen mit dem Eintritt der Volljährigkeit des zu betreuenden Kindes für zu weit gezogen hält.

45

aa) Nach dem Wortlaut des § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV darf der Vertragsarzt einen Vertreter oder Assistenten beschäftigen in "Zeiten der Erziehung von Kindern bis zur Dauer von 36 Monaten". Hieraus folgt jedoch nicht, dass mit der Gewährung einer Assistenz von 36 Monaten die Erziehung aller Kinder pauschal abgegolten wäre. Zwar verweist das LSG in diesem Zusammenhang zutreffend darauf, dass der Verordnungsgeber in Abs 2 Satz 2 Nr 2 von "Kindern" spricht, dagegen in Abs 2 Satz 2 Nr 3 von der Pflege "eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen". Aus der sprachlichen Differenzierung folgt jedoch nicht zwingend, dass die Zeit von 36 Monaten, für die ein Vertreter oder eine Entlastungsassistenz genehmigt werden kann, unabhängig von der Zahl der Kinder zu verstehen und damit die Höchstdauer von 36 Monaten auf die gesamte "Familienphase" eines Vertragsarztes bezogen ist. Die Unterscheidung dient zur Überzeugung des Senats vielmehr der Verdeutlichung, wie die gemeinsame Erziehung von mehreren Kindern zu berücksichtigen ist (vgl hierzu sogleich unter bb).

46

Das LSG ist, wie seinem Urteil zu entnehmen ist, zu dieser Auslegung - die erkennbar von der im Schrifttum vertretenen (vgl Harwart/Thome in Schallen, Zulassungsverordnung, 9. Aufl 2018, § 32 Ärzte‑ZV RdNr 57) und von einer Vielzahl der KÄVen praktizierten Vorgehensweise abweicht ‑ gelangt, um die als sehr lang empfundene Zeitspanne (Vollendung des 18. Lebensjahres) in ihren Auswirkungen zu begrenzen. Das ist indessen aus systematischen Gründen nicht möglich. Ebenso wie die Geburt eines weiteren Kindes einen erneuten Anspruch auf eine genehmigungsfreie Vertretung für zwölf Monate auslöst (§ 32 Abs 1 Satz 3 Ärzte‑ZV), muss einem Vertragsarzt die Möglichkeit des Einsatzes eines Entlastungsassistenten für jedes Kind zur Verfügung stehen. Es wäre nicht vertretbar, etwa einem Vertragsarzt, der bereits 24 Monate für die Erziehung des ersten Kindes in Anspruch genommen hat, nach der ‑ möglicherweise in größerem zeitlichen Abstand erfolgten ‑ Geburt des zweiten und eventuell dritten Kindes darauf zu verweisen, nur noch insgesamt zwölf Monate beanspruchen zu können. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Entlastungsassistenz lediglich eine vorübergehende Lösung ermöglichen soll, wie dies bei sämtlichen in § 32 Ärzte-ZV angesprochenen Gründen der Fall ist, sei es, weil der Vertretungs- oder Assistenzbedarf tatsächlich von vorneherein nur für eine kurze Zeit auftritt (etwa im Rahmen einer Wehrübung oder einer Fortbildung), sei es, weil der Vertragsarzt Zeit braucht, sich auf eine neue Situation einzustellen, wie etwa bei einer schwereren (möglicherweise dauerhaften) Erkrankung (vgl LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 31.3.2004 - L 3 KA 37/02 ‑ juris zu dauerhaft die Berufstätigkeit einschränkenden Wirbelsäulenbeschwerden), bei einer länger andauernden Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen oder eben bei der Erziehung von Kindern. Denn eine solche neue Situation besteht bei jeder Geburt oder der Adoption eines weiteren Kindes und dem hieraus resultierenden veränderten Betreuungsbedarf innerhalb der Familie.

47

bb) Der Grundsatz, dass die Dauer von 36 Monaten pro Kind zu verstehen ist, erfährt allerdings dadurch eine Einschränkung, dass Zeiten, in denen mehrere Kinder erzogen werden, nicht fiktiv allein einem Kind zugeordnet werden können: Hat etwa ein Vertragsarzt nach der Geburt des ersten Kindes ‑ ggf im Anschluss an eine Vertretungszeit im Zusammenhang mit der Entbindung ‑ noch nicht die gesamten 36 Monate in Anspruch genommen, wenn das zweite Kind geboren wird, stehen ihm danach noch einmal 36 Monate für das zweite Kind zu, nicht aber weitere Monate mit der Begründung, für das erste Kind gebe es noch "unverbrauchte" Monate. In § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV ist von "Kindern" die Rede. Zudem hätte es anderenfalls nahe gelegen ‑ ähnlich wie in § 15 Abs 2 Satz 4 BEEG für die Elternzeit ‑ eine ausdrückliche Regelung zu treffen, für den Fall, dass sich die Zeiträume der Kindererziehung überschneiden. Dies ist nicht geschehen, sodass für die parallele Erziehung von zwei oder mehr Kindern ‑ wie sie auch hier durch die Klägerin in Bezug auf ihre beiden Adoptivsöhne erfolgt ist ‑ der Genehmigungsanspruch nur einmal besteht.

48

Da der im Zusammenhang mit jeder Entbindung mögliche genehmigungsfreie Vertretungszeitraum von zwölf Monaten nicht auf die Höchstdauer von 36 Monaten pro Kind angerechnet wird (vgl hierzu bereits oben RdNr 42), verbleiben ‑ selbst bei einem geringen Abstand zwischen zwei Geburten oder Mehrlingsgeburten ‑ ausreichende Vertretungs- und Assistenzzeiten, während derer der Vertragsarzt nicht gezwungen ist, auf eine andere Lösung (teilweises Ruhenlassen oder Reduzierung des Versorgungsauftrags; Anstellung eines Arztes im Rahmen des Job-Sharings nach § 95 Abs 9 Satz 1 und 2 iVm § 101 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V) zurückzugreifen. Angesichts der Möglichkeit, bei der KÄV die Verlängerung des Zeitraumes von 36 Monaten zu beantragen (§ 32 Abs 2 Satz 4 Ärzte‑ZV), sollten praktische Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer längerfristigen Lösung auftreten, und der damit einhergehenden geringen Eingriffstiefe in die grundrechtlich über Art 12 Abs 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit des Vertragsarztes, ist auch ein Verstoß gegen Verfassungsrecht nicht erkennbar.

49

e) Sind die Voraussetzungen des § 32 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Ärzte‑ZV erfüllt, dh findet in der Zeit, für die eine Entlastungsassistenz beschäftigt werden soll, die Erziehung eines oder mehrerer Kinder statt, hat der Vertragsarzt Anspruch auf eine Genehmigung, ohne dass der KÄV insoweit eine Bewertung der Situation zustünde. Entscheidend ist allein der Wunsch des Vertragsarztes, während Zeiten, in denen Kinder erzogen werden, zeitlich entlastet zu werden. Ob diese Entlastung "notwendig" ist oder die Erziehung möglicherweise auf andere Art und Weise (zB Betreuung durch den anderen Elternteil oder Dritte) gewährleistet werden könnte, ist ohne Belang. Insofern spricht das Gesetz ausdrücklich von "während" Zeiten der Erziehung von Kindern, nicht "wegen" der Erziehung von Kindern (so aber etwa § 1570 Abs 1 Satz 1 BGB für den nachehelichen Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes: "wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes"; vgl auch § 1570 Abs 1 Satz 3 BGB, der auf die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung abstellt) und stellt somit allein auf einen zeitlichen und nicht einen kausalen Bezug zwischen der Vertretung bzw Assistenz und der Kinderziehung ab. Wie die Ausübung einer vertragsärztlichen Tätigkeit mit den Erziehungsverpflichtungen in Einklang gebracht wird, ist allein Sache der Eltern. Die Prüfpflicht der KÄV im Rahmen des Genehmigungsverfahrens erstreckt sich nicht auf eine Überprüfung der familiären Situation des Vertragsarztes (zu weitgehend insofern LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 21.8.1997 ‑ L 5 Ka 41/96 - juris RdNr 25 noch zur Sicherstellungsassistenz sowie Scholz in BeckOK Sozialrecht, § 32 Ärzte‑ZV RdNr 25 zur Darlegungspflicht des Vertragsarztes).

50

3. Zwischen den Beteiligten ist im Übrigen unstreitig, dass die weiteren Voraussetzungen für eine Genehmigung der Entlastungsassistenz durch Frau A. erfüllt waren, wie sich insbesondere aus der nachfolgenden Genehmigung der Beschäftigung von Frau A. durch die Beklagte für die Zeit ab dem 1.10.2015 ergibt. Da es die erste Entlastungsassistenz war, die die Klägerin für die Zeit ab Antragstellung bis zum 30.9.2017 (Vollendung des 18. Lebensjahres durch den älteren Sohn) beantragt hatte, war auch die Höchstdauer von 36 Monaten pro Kind noch nicht erschöpft.

51

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Danach hat die Beklagte die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels zu tragen.

 

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