L 7 R 3334/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 2086/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 3334/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind Kosten eines Vorverfahrens streitig.

Am 23. Juni 2017 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 24. Januar 2018 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. Juni 2017 bis zum 30. November 2018. Hiergegen erhob der Kläger am 8. Februar 2018 sowohl hinsichtlich der Rentenart als auch der Befristung Widerspruch. Nachdem der Kläger zwischenzeitlich eine Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben hatte (S 4 R 2865/18) und sich der Kläger geweigert hatte, an einer weiteren Begutachtung im Widerspruchsverfahren teilzunehmen, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 14. November 2018 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. Juni 2017 bis zum 31. Mai 2020.

Hiergegen erhob der Kläger am 3. Dezember 2018 Widerspruch und trug wörtlich vor: „Sie haben mit Bescheid o.g. Datums dem Widerspruch gegen den früheren Rentenbescheid, der eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nur vorsah, abgeholfen und zwar vollumfänglich.

Sie haben ferner dem Weitergewährungsantrag stattgegeben.

Ich sehe keine Veranlassung, hier am Ende des Widerspruchsverfahrens erst über die Widerspruchskosten zu entscheiden.... Sie sind daher gehalten, die Kosten des Verfahrens vollumfänglich zu tragen.“

Mit Bescheid vom 7. Dezember 2018 traf die Beklagte eine Kostengrundentscheidung dahingehend, die durch das Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen in vollem Umfang zu erstatten.

Mit Schreiben vom 15. Januar 2019 legte der Kläger eine Vergütungsrechnung über den Gesamtbetrag von 795,22 € vor. Weiter beantragte er, den Bescheid vom 14. November 2018 abzuändern und Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.

Mit Bescheid vom 24. Juni 2019 nahm die Beklagte den Bescheid vom 17. Dezember 2018 bezüglich der Kostengrundentscheidung nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurück. Nachdem gegen den Bescheid vom 14. November 2018 Widerspruch mit dem Antrag auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer statt auf Zeit eingelegt worden sei, sei das Widerspruchsverfahren nicht in vollem Umfang erledigt und deshalb eine Kostengrundentscheidung noch nicht zu treffen. Dieser Bescheid werde Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens. Eine Kostengrundentscheidung werde am Ende des Widerspruchsverfahrens getroffen.

Hiergegen erhob der Kläger am 8. Juli 2019 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, der Bescheid vom 14.November 2018 sei ein Ausführungsbescheid. Mit diesem sei das seinerzeitige Widerspruchsverfahren vollumfänglich erledigt gewesen. Der Bescheid vom 14. November 2018 habe eine neue rechtliche Beschwer enthalten, da nur eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bewilligt worden sei. Diese sei nicht Gegenstand eines irgendwie gearteten anhängigen Widerspruchsverfahrens gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2019 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. Januar 2018 zurück, soweit ihm nicht durch Bescheid vom 14. November 2018 abgeholfen worden war. Die durch das Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen würden auf Antrag zur Hälfte erstattet (Kostengrundentscheidung).

Bereits am 16. Mai 2019 hatte der Kläger Klage zum SG erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, über die mit Datum des 15. Januar 2019 zugereichte Widerspruchskostenrechnung Nr. 00001519 eine Abrechnung vorzunehmen.

Mit Gerichtsbescheid vom 15. Oktober 2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, weil der Kläger das Bestehen eines unmittelbar auf Leistung gerichteten Anspruchs behaupte. Die Klage sei jedoch nicht begründet. Anspruchsgrundlage sei die Kostengrundentscheidung vom 17. Dezember 2018. Diese sei mit Bescheid vom 24. Juni 2019 aufgehoben worden. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung des Anspruchs sei bei Leistungsklagen der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung. Somit bestehe kein Anspruch. Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 24. Juni 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2019 erfolge in dem noch anhängigen Klageverfahren S 6 R 4995/20.

Gegen den am 19. Oktober 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22. Oktober 2020 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Die Beklagte sei verpflichtet, aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Klage S 6 R 4995/20 gegen den Bescheid vom 24. Juni 2019 abzurechnen und den dann abgerechneten Geldbetrag auszukehren.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Oktober 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über die mit Datum des 15. Januar 2019 zugereichte Widerspruchskostenrechnung Nr. 00001519 eine Abrechnung vorzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung nach § 144 Abs.1 Satz 1 SGG, da der Kläger Kosten des Vorverfahrens in Höhe von insgesamt 795,22 € und damit eine Geldleistung von mehr als 750,00 € geltend macht.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist die Verpflichtung der Beklagten, über die am 15. Januar 2019 vorgelegte Widerspruchskostenrechnung zu entscheiden. Diesen Antrag verfolgt der Kläger zulässig im Wege der Verpflichtungsklage. Mit der Klage hat der Kläger beantragt, den Sozialleistungsträger zu verurteilen, über die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu entscheiden und damit, einen Verwaltungsakt zu erlassen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rdnr. 6; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 12. Dezember 2019 – B 14 AS 48/18 R – Juris Rdnr. 9). Eine Leistungsklage hat der Kläger nicht erhoben, da sein Antrag nicht auf Auszahlung eines bestimmten Betrages, sondern lediglich auf Erteilung einer Abrechnung gerichtet ist. Der Bescheid vom 24. Juni 2019, mit dem die Kostengrundentscheidung im Bescheid vom 17. Dezember 2018 zurückgenommen worden ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden. Eines entsprechenden Rücknahmebescheides bedurfte es auch nicht, da die Kostengrundentscheidung aufgrund der Fortsetzung des Vorverfahrens sich auf sonstige Weise gemäß    § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hat (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 50/15 R – juris Rdnr. 15) und damit gegenstandslos geworden ist.

Eine Kostenerstattung nach § 63 SGB X kann nur bei sogenannten isolierten Vorverfahren erfolgen. Schließt sich an das Widerspruchsverfahren ein Klageverfahren an, erledigt sich die im Widerspruchsbescheid enthaltene Kostenentscheidung. Über die Kosten des Vorverfahrens wird dann im Rechtsstreit nach § 193 Abs. 1 SGG entschieden (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. November 2017 – L 5 AS 628/16 – juris Rdnr. 17; Feddern in jurisPK-SGB X, Stand 3. November 2020, § 63 Rdnr. 18.1). Gleiches gilt für eine Kostengrundentscheidung in einem teilweisen Abhilfebescheid, wenn sich daraufhin das Widerspruchsverfahren nicht erledigt, sondern fortgesetzt wird. Aufgrund des Vorrangs der gerichtlichen Kostenentscheidung ist der Anwendungsbereich von § 63 SGB X auf die sogenannten isolierten Vorverfahren beschränkt (Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 04/20, § 63 Rdnr. 13a m.w.N.). Wird gegen einen Widerspruchsbescheid, der dem Widerspruch teilweise abhilft und eine für den Widerspruchsführer teilweise positive Kostengrundentscheidung nach § 63 SGB X enthält, wegen des nicht abhelfenden Teils in der Hauptsache Klage erhoben, so besteht kein Anspruch auf eine Kostenfestsetzung nach § 63 Abs. 3 SGB X hinsichtlich dieser Kostengrundentscheidung. Durch die Klageerhebung erledigt sich diese Kostengrundentscheidung nach § 39 Abs. 2 SGB X, weil § 63 SGB X nur Kostenentscheidungen für sogenannte isolierte Vorverfahren regelt, an die sich keine Klageverfahren in der Hauptsache anschließen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 5/15 R – juris Rdnr.15).

Nachdem der Kläger gegen den Rentenbescheid vom 14. November 2018 Widerspruch eingelegt hatte, war das Widerspruchsverfahren noch nicht beendet. Der Kläger hatte am 23. Juni 2017 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragt. Gegen den Bescheid vom 24. Januar 2018, mit dem ihm eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit bewilligt und ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung abgelehnt worden war, erhob der Kläger am 8. Februar 2018 Widerspruch, und zwar (mit seinen Worten) gegen die Rentenart und gegen die Befristung. Auch gegen den nachfolgenden Abhilfebescheid vom 14. November 2018 erhob der Kläger am 3. Dezember 2018 Widerspruch, mit dem er ausweislich seiner Widerspruchsbegründung vom 15. Januar 2019 die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer geltend gemacht hat. Damit war das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen. Es hatte deshalb auch noch keine Entscheidung über die Kosten des Vorverfahrens zu ergehen. Das Vorverfahren ist vielmehr erst dann abgeschlossen, wenn dem Widerspruch in vollem Umfang abgeholfen ist oder wenn ein Teilabhilfebescheid ergeht und dieser nicht angefochten, vielmehr bestandskräftig wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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