L 7 SO 3867/20 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 3952/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3867/20 ER-B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 23. November 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren L 7 SO 3867/20 ER-B wird abgelehnt.

 

Gründe

 

I.

Die Antragstellerin bezog bis zum 31. Oktober 2020 Leistungen der Eingliederungshilfe sowie der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) vom Bezirk S.. Ab dem 1. November 2020 ist die Antragsgegnerin zuständiger Leistungsträger.

Mit Bescheid vom 20. Oktober 2020 bewilligte die Antragsgegnerin der Klägerin Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII für die Zeit vom 1. November 2020 bis 30. April 2021. Darin enthalten waren u.a. Mehrkosten für ein externes Mittagessen (monatlich 115,60 €) und ein Mehrbedarf Warmwasser (monatlich 9,94 €). Vom einzusetzenden Einkommen (Erwerbsunfähigkeitsrente monatlich 114,58 €, Niederländische Rente monatlich 632,49 €) setzte die Antragsgegnerin einen Betrag in Höhe von 33,95 € für die Kfz-Haftpflichtversicherung ab.

In einem bereits am 7. Oktober 2020 beim Sozialgericht F. (SG) anhängig gemachten Eilverfahren (S 9 SO 3489/20 ER) machte die Antragstellerin höhere Kosten für die Teilnahme am Mittagstisch, die Kfz-Haftpflichtversicherung sowie für dezentrale Warmwasserbereitung geltend. Mit Beschluss vom 4. November 2020 lehnte das SG den Antrag ab. Die hiergegen erhobene Beschwerde (L 7 SO 3866/20 ER-B), mit der nur noch die Gewährung höherer Kosten für den Mittagstisch geltend gemacht wurde, hat der Senat mit Beschluss vom 21. Januar 2021 zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom 26. Oktober 2020 (Bl. 125 Verwaltungsakten Eingliederungshilfe) bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin für die Zeit vom 1. November 2020 bis 30. April 2021 Eingliederungshilfe in Form von Leistungen zur sozialen Teilhabe (Assistenzleistungen außerhalb einer besonderen Wohnform) nach §§ 113 Abs. 2 Nr. 2, 78 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) durch die Leistungserbringerin Frau Dr. M. S., Schloßplatz X, XXXXX B. im Umfang von vier Stunden wöchentlich. Weiter wurden Fahrtkosten zur qualifizierten Assistenz durch Dr. S. vorläufig in Höhe von 6,69 € für jede Hin- und Rückfahrt bis zu einem Betrag von monatlich 140,40 € übernommen. Die einfache Entfernung zwischen der Wohnung der Antragstellerin und der Leistungserbringerin betrage 27 km. Nach der Pauschale in § 3 Abs. 6 Nr. 2 a DVO zu § 82 SGB XII sei ein Betrag von 5,20 € pro vollem Entfernungskilometer und Monat anzusetzen.

Mit Bescheid vom 26. Oktober 2020 (Bl. 131 Verwaltungsakten Eingliederungshilfe)  bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin für die Zeit vom 1. November 2020 bis zum 30. April 2021 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form von Leistungen zur sozialen Teilhabe (Assistenzleistungen außerhalb einer besonderen Wohnform) nach §§ 113 Abs. 2 Nr. 2, 78 SGB IX durch die Leistungserbringerin Frau K. S., Vaubanallee XX, XXXXX F. im Umfang von wöchentlich einer Stunde. Weiter sagte sie die Übernahme von Fahrtkosten zur qualifizierten Assistenz durch Frau S. vorläufig nach der gleichen Berechnungsmethode wie bei Dr. S. in Höhe von 2,97 € pro Hin- und Rückfahrt bis zu einem Betrag von monatlich 62,40 € (einfache Entfernung zwischen der Wohnung der Antragstellerin und den Räumen von Frau S. 12 km) zu.

Mit weiterem Bescheid vom 26. Oktober 2020 (Bl. 161 Verwaltungsakten Eingliederungshilfe) bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin für die Zeit vom 1. November 2020 bis 30. April 2021 Leistungen zur sozialen Teilhabe (Assistenzleistungen außerhalb einer besonderen Wohnform) nach §§ 113 Abs. 2 Nr. 2, 78 SGB IX durch den Träger F. - Ambulante Begleitung, Betreuung und Beratung gGmbH, Schneeburgstraße X, XXXXX F.. Umfang und Leistung entsprächen der Form des bis zum 31. Dezember 2019 angebotenen sog. ambulant betreuten Wohnens. Weiter bewilligt wurden Fahrtkosten zur qualifizierten Assistenz nach der vorstehenden Berechnungsmethode in Höhe von monatlich 67,60 €. Mit diesem Leistungserbringer wurde eine Einzelvereinbarung nach § 123 Abs. 5 SGB IX abgeschlossen (Bl. 199 Verwaltungsakten Eingliederungshilfe).

Unter dem 9. November 2020 (Bl. 225 Verwaltungsakten Eingliederungshilfe) teilte Dr. S. der Antragsgegnerin mit, ab November 2020 werde sie die Antragstellerin wöchentlich nur noch zwei Stunden betreuen. Die Antragstellerin habe ihr mitgeteilt, dass Frau A. R in Zukunft die psychosoziale Begleitung für die anderen zwei Stunden pro Woche übernehmen werde, was sie befürworte.

Mit Schreiben vom 11. November 2020 (Bl. 227 a Verwaltungsakten Eingliederungshilfe) teilte die Antragstellerin der Klägerin mit, da der Verein F. nicht für sie tätig werde, habe sich Frau R. bereit erklärt, für sie Assistenzdienstleistungen zu erbringen, allerdings lediglich für eine Stunde pro Woche.

Am 28. Oktober 2020 (Bl. 243 Verwaltungsakten Eingliederungshilfe) beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin u.a. die Übernahme von Fahrtkosten zu verschiedenen, regelmäßig verordneten Therapien (Psychotherapie, Logopädie, Physiotherapie, Funktionstherapie in B. K. sowie Osteopathie) und außerdem Fahrtkosten zur sozialen bzw. gesellschaftlichen Teilhabe an wöchentlichen Porträtzeichentreffen (mittwochs), an wöchentlicher Teilnahme bei der inklusiven Musikband „TonRaum“ (dienstags) und an Gasthörerseminaren an der Musikhochschule F. (mittwochs und freitags) sowie Musikunterricht einmal wöchentlich im Rahmen der Eingliederungshilfe.

Mit Bescheid vom 16. November 2020 (Bl. 367 Verwaltungsakten Eingliederungshilfe) lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Übernahme von Fahrtkosten zur sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe ab. Zur Begründung führte sie aus, die Kosten für Fahrten zur sozialen und kulturellen Teilhabe stellten einen vom Regelbedarf umfassten Bedarf dar und seien deshalb aus dem Regelsatz zu bestreiten. Mit weiterem Bescheid vom 16. November 2020 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Budgetassistenz ab (Bl. 369 Verwaltungsakten Eingliederungshilfe).

Mit Bescheid vom 14. Dezember 2020 (Bl. 559 Verwaltungsakten Eingliederungshilfe) hob die Antragsgegnerin den Bescheid vom 26. Oktober 2020 über die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form von Leistungen zur sozialen Teilhabe durch den Träger F. gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2020 auf. Zur Begründung führte sie aus, der Träger F. habe mitgeteilt, von der Antragstellerin nicht mehr als Dienstleister in Anspruch genommen zu werden.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2020 (Bl. 589 Verwaltungsakten Eingliederungshilfe) lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Übernahme der Kosten für eine wöchentliche Therapiestunde im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX ab. Bei einer isolierten ambulanten Psychotherapie handele es sich um eine Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und um keine Rehabilitationsleistung. Ambulante Krankenbehandlungen seien nicht Teil des Leistungsspektrums der Eingliederungshilfe.

Die Antragstellerin hat gegen alle Bescheide Widerspruch eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.

Bereits am 12. November 2012 hat die Klägerin den vorliegend streitigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim SG gestellt und sinngemäß Leistungen in der zuvor durch den Bezirk S. bewilligten Höhe geltend gemacht.

Mit Beschluss vom 23. November 2020 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antrag betreffend den verkürzten Bewilligungszeitraum und die Gewährung höherer Kosten für Warmwasserbereitung und auswärtigen Mittagstisch sei bereits unzulässig, da dies Gegenstand des weiteren einstweiligen Rechtsschutzverfahrens S 9 SO 3489/20 ER sei. Hinsichtlich des Antrags, die Vorgabe aufsuchender Assistenz durch Frau S. aufzuheben, fehle es am Rechtsschutzbedürfnis, denn die Antragsgegnerin habe im entsprechenden Bewilligungsbescheid auch Fahrtkosten zum Aufsuchen der Hilfe bewilligt und in ihrer Antragserwiderung noch einmal klargestellt, dass eine Vorgabe zur aufsuchenden Hilfe in der Häuslichkeit der Antragstellerin nicht bestehe. Auch soweit der Antrag zulässig sei, sei er nicht begründet. Für die Begehren einer Fahrtkostenerstattung für November 2020 sowie Übernahme der Fahrtkosten zu Ärzten und Therapeuten sowie von Fahrtkosten zur Assistenz fehle es mangels substantiierter Darlegung und Glaubhaftmachung tatsächlich entstandener Kosten am Anordnungsanspruch. Auch soweit eine Ermessensfehlerhaftigkeit der Bewilligungsbescheide geltend gemacht werde, lasse sich hieraus kein konkretes höheres Leistungsbegehren ablesen.

Gegen den am 25. November 2020 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 3. Dezember 2020 Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, die Antragsgegnerin weiche von der bisherigen Leistungsbewilligung durch den vormals zuständigen Träger ab. Dieser habe einen Bedarf an Fahrtkosten zu Frau Dr. S. in Höhe von monatlich 135,20 € vorab bewilligt. Es fielen weiter wöchentliche Fahrten von durchschnittlich 138,6 km zu Ärzten und Therapeuten an, weshalb unter Berücksichtigung eines Kilometerbetrages von 0,30 € bei vier Wochen pro Monat ein Fahrtkostenbetrag von 166,32 € zu berücksichtigen sei. Insoweit bestehe auch ein Anordnungsanspruch. Die besondere Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass es ihr nicht zugemutet werden könne, die Kosten für die Fahrten zu den Ärzten, Therapeuten und zur Assistenz vorzustrecken. Die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe müsse in der Weise erfolgen, dass die Leistungen auch tatsächlich in Anspruch genommen werden könnten. Dies sei hier nicht der Fall, da durch die nachträgliche Bewilligung der Fahrtkosten die bewilligten Leistungen zur sozialen Teilhabe in Gestalt der Assistenzleistungen außerhalb einer besonderen Wohnform faktisch nicht in Anspruch genommen werden könnten.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr ab dem 1. November 2020 für Fahrten zu Ärzten und Therapeuten einen pauschalen Betrag in Höhe von mindestens monatlich 166,32 € zu bewilligen,
  2. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr ab dem 01. November 2020 für Fahrten zu den Assistenzdienstleistern einen pauschalen Betrag in Höhe von mindestens monatlich 135,20 € zu bewilligen.
     

Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten.

 

II.

Die nach §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Dabei haben sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache zu orientieren (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 13. April 2010 - 1 BvR 216/07 - juris Rdnr. 64; BVerfG, Beschluss vom 6. August 2014 - 1 BvR 1453/12 - juris Rdnr. 9). Eine Folgenabwägung ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn eine Prüfung der materiellen Rechtslage nicht möglich ist (BVerfG, Beschluss vom 14. September 2016 - 1 BvR 1335/13 - juris Rdnr. 20; Beschluss des Senats vom 31. Juli 2017 - L 7 SO 2557/17 ER-B - juris Rdnr. 21; Beschluss des Senats vom 22. Dezember 2017 - L 7 SO 4253/17 ER-B - juris Rdnr. 3; Beschluss des Senats vom 3. Dezember 2018 - L 7 SO 4027/18 ER-B - juris Rdnr. 19; Beschluss des Senats vom 14. März 2019 - L 7 AS 634/19 ER-B - juris Rdnr. 3).

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht isoliert nebeneinander; es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt (Beschluss des Senats vom 31. Juli 2017 - L 7 SO 2557/17 ER-B - juris Rdnr. 22; Beschluss des Senats vom 22. Dezember 2017 - L 7 SO 4253/17 ER-B - juris Rdnr. 4; Beschluss des Senats vom 3. Dezember 2018 - L 7 SO 4027/18 ER-B - juris Rdnr. 20; Beschluss des Senats vom 14. März 2019 - L 7 AS 634/19 ER-B - juris Rdnr. 4; vgl. Beschluss des Senats vom 29. Januar 2007 - L 7 SO 5672/06 ER-B - juris Rdnr. 2; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 - L 15 AS 365/13 B ER - juris Rdnr. 18). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist (Beschluss des Senats vom 31. Juli 2017 - L 7 SO 2557/17 ER-B - juris Rdnr. 22; Beschluss des Senats vom 22. Dezember 2017 - L 7 SO 4253/17 ER-B - juris Rdnr. 4; Beschluss des Senats vom 3. Dezember 2018 - L 7 SO 4027/18 ER-B - juris Rdnr. 20; Beschluss des Senats vom 14. März 2019 - L 7 AS 634/19 ER-B - juris Rdnr. 4; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 - L 15 AS 365/13 B ER - juris Rdnr. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Februar 2007 - L 9 AS 254/06 ER - juris Rdnr. 4). Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. Auch dann kann aber nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden (Beschluss des Senats vom 31. Juli 2017 - L 7 SO 2557/17 ER-B - juris Rdnr. 22; Beschluss des Senats vom 22. Dezember 2017 - L 7 SO 4253/17 ER-B - juris Rdnr. 4; Beschluss des Senats vom 3. Dezember 2018 - L 7 SO 4027/18 ER-B - juris Rdnr. 20; Beschluss des Senats vom 14. März 2019 - L 7 AS 634/19 ER-B - juris Rdnr. 4; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 - L 15 AS 365/13 B ER - juris Rdnr. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Februar 2007 - L 9 AS 254/06 ER - juris Rdnr. 4).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Beschwerde nicht begründet.

1. Soweit Fahrtkosten für Assistenzdienstleistungen geltend gemacht werden, können hiervon zwar grundsätzlich auch Fahrtkosten umfasst sein. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin Leistungen zur Sozialen Teilhabe in Form von Assistenzleistungen außerhalb einer besonderen Wohnform gem. §§ 113 Abs. 2 Nr. 2, 78 SGB IX bewilligt. Sind mit der Assistenz nach § 78 Abs. 1 SGB IX notwendige Fahrtkosten oder weitere Aufwendungen des Assistenzgebers, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles notwendig sind, verbunden, werden diese gem. § 78 Abs. 4 SGB IX als ergänzende Leistungen übernommen. Vom Gesetzeswortlaut umfasst sind danach nur die notwendigen Fahrtkosten der Personen, die die Assistenzleistungen erbringen (Winkler in Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Jabben, SGB IX, 14. Aufl. 2020, § 78 Rdnr. 13). Dahingestellt bleiben kann, ob auch - wie vorliegend - über den Gesetzeswortlaut hinaus die Kosten für Fahrten des Leistungsberechtigten zu den Leistungserbringern übernommen werden können. Denn die Antragsgegnerin hat entsprechende Leistungen bewilligt, und zwar für Fahrten zu Frau Dr. S. in Höhe von 6,69 € pro Hin- und Rückfahrt und für Fahrten zu Frau S. in Höhe von 2,97 € pro Hin- und Rückfahrt. Leistungen durch den Träger F. werden nicht mehr erbracht, so dass insoweit auch keine Fahrtkosten anfallen. Der Antragstellerin ist es auch jedenfalls bis zur Entscheidung in der Hauptsache zumutbar, ihre Fahrtkosten in der von der Antragsgegnerin bewilligten Weise abzurechnen, zumal Dr. S. mitgeteilt hat, sie werde die Antragstellerin nur noch zwei Stunden pro Woche betreuen und dementsprechend auch weniger Termine wahrgenommen worden sind.

2. Soweit die Übernahme der Kosten für Fahrten zu Ärzten und Therapeuten geltend gemacht wird, fehlt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin zwar nicht bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Wie für jede Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes bedarf es eines Rechtsschutzbedürfnisses auch für einen zulässigen Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG (siehe statt vieler nur Landessozialgericht [LSG] Sachsen, Beschluss vom 17. Dezember 2015 - L 3 AS 710/15 B ER - juris Rdnr. 34 f.); dies ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2009 - 1 BvR 2442/09 - juris Rdnr. 3 - BVerfGK 16, 347 [348]). Der Antragsteller muss durch die erstrebte gerichtliche Entscheidung einen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil erlangen können, den er ohne gerichtliche Hilfe nicht erlangen könnte (LSG Sachsen, Beschluss vom 17. Dezember 2015 - L 3 AS 710/15 B ER - juris Rdnr. 35 m.w.N.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b Rdnr. 7a). Das Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses ist - wie alle Zulässigkeitsvoraussetzungen - von Amts wegen zu prüfen. Am Rechtsschutzbedürfnis fehlt es grundsätzlich, wenn der Rechtsschutzsuchende sich nicht zuvor an die Behörde gewandt hat (LSG Bayern, Beschluss vom 14. Juni 2016 - L 15 SB 97/16 B ER - juris Rdnr. 13; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Januar 2012 - L 12 AS 1773/11 B ER - juris Rdnr. 18; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. April 2018 - L 23 AY 6/18 B ER - juris Rdnr. 8; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b Rn. 26b; Krodel/Feldbaum, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 4. Aufl. 2016, Rdnr. 30; Meßling in Henning, SGG, Stand Dezember 2014, § 86b Rdnr. 143). Es obliegt dem Betroffenen, einen Antrag so rechtzeitig zu stellen, dass er bei Untätigkeit der Behörde oder einer negativen Entscheidung dann in zulässiger Weise um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen kann (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. April 2018 - L 23 AY 6/18 B ER - juris Rdnr. 8; vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2009 - 1 BvR 2442/09 - juris Rdnr. 4 - BVerfGK 16, 347 [348]); Senatsbeschluss vom 24. Juni 2019 - L 7 AS 1916/19 ER-B - juris Rdnrn. 5 f.). Vorliegend ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin am 28. Oktober 2020 auch die Übernahme von Fahrtkosten „zu den verschiedenen, regelmäßig verordneten Therapien (Psychotherapie, Logopädie, Physiotherapie, Funktionstherapie in B. K. und Osteopathie) geltend gemacht hatte. Damit hatte sich die Antragstellerin vor der Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes an die Behörde gewandt (vgl. Burkiczak in jurisPK-SGG, Stand 12. Januar 2021, § 86b Rdnr. 309).

Jedoch ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Fahrtkosten zu medizinischen Behandlungen stellen keine Leistungen der Eingliederungshilfe dar. In Betracht kommt allein - soweit kein Anspruch gegen die Krankenkasse besteht - ein Anspruch auf höhere Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel SGB XII im Rahmen einer abweichenden Regelsatzfestsetzung nach § 27a Abs.  4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII. Danach wird im Einzelfall der Regelsatz abweichend von der maßgebenden Regelbedarfsstufe festgesetzt (abweichende Regelsatzfestsetzung), wenn ein durch die Regelbedarfe abgedeckter Bedarf nicht nur einmalig, sondern für eine Dauer von voraussichtlich mehr als einem Monat unausweichlich in mehr als geringem Umfang oberhalb durchschnittlicher Bedarfe liegt, wie sie sich nach den bei der Ermittlung der Regelbedarfe zugrundeliegenden durchschnittlichen Verbrauchsausgaben ergeben, und die dadurch bedingten Mehraufwendungen begründbar nicht anderweitig ausgeglichen werden können.

Grundsätzlich kommt danach eine abweichende Festsetzung des Regelsatzes bei erheblichen Fahrtkosten zu medizinischen Behandlungen in Betracht (Gutzler in jurisPK-SGB XII, Stand 1. Januar 2020, § 27a Rdnr. 102 m.w.N.). Ein besonderer Bedarf ist dann gegeben, wenn die Bedarfslage eine andere ist, als die, die bei typischen Empfängern von Grundsicherungsleistungen vorliegt. Es muss daher ein Mehrbedarf im Verhältnis zum „normalen“ Regelbedarf gegeben sein (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014 - B 4 AS 4/14 R - juris Rdnr. 16). Dieser muss weiter unabweisbar, insbesondere laufend und nicht nur einmalig und nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt sein und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweichen (vgl. zur entsprechenden Regelung in § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II: LSG B.en-Württemberg, Urteil vom 18. März 2020 - L 3 AS 3212/18 - juris Rdnrn. 36 ff., wonach täglich entstehende Fahrtkosten über den „normalen“ Regelbedarf hinausgehen).

Ein entsprechender Bedarf der Antragstellerin ist nicht glaubhaft gemacht. Im Antrag vom 28. Oktober 2020 (Bl. 243 f. Verwaltungsakte Eingliederungshilfe) hat sie lediglich pauschal Fahrtkosten zu den verschiedenen regelmäßig verordneten Therapien (Psychotherapie, Logopädie, Physiotherapie, Funktionstherapie und Osteopathie) geltend gemacht, ohne Angaben zur Häufigkeit der anfallenden Fahrten. Im Beschwerdeverfahren sind nur Belege über die Kostenübernahme des vormals zuständigen Bezirks S. für Fahrten zu Dr. S. im Rahmen der Eingliederungshilfe vorgelegt worden, jedoch keine Unterlagen über Fahrtkosten zu Ärzten oder Therapeuten. Auch dem von der Antragstellerin vorgelegten „beispielhaften Verlauf einer typischen Woche“ (E-Mail vom 1. November 2020, Bl. 249 ff. Verwaltungsakten Eingliederungshilfe) ist lediglich zu entnehmen, dass die Antragstellerin am Donnerstag Physiotherapie und Logopädie durchgeführt hat, allerdings zeitlich beieinanderliegend, so dass Fahrtkosten nur einmal angefallen sein dürften, sowie am Samstag eine Funktionstherapie Vita Classica. Hierbei handelt es sich ausweislich der Homepage der Vita Classica Therme (www.B.-K.info) um eine Warmwasser- und Trocken-Gymnastik, die bei schweren Beeinträchtigungen der Beweglichkeit durch chronisch verlaufende entzündlich rheumatische Erkrankungen indiziert ist. Nachweise über eine entsprechende Erkrankung der Antragstellerin sowie über eine ärztliche Verordnung für diese Therapie liegen nicht vor. Bei danach einmal wöchentlich notwendigen Fahrten zu Ärzten und Therapeuten ist ein den durchschnittlichen Bedarf erheblich übersteigender Bedarf nicht glaubhaft gemacht, zumal zudem, worauf die Antragsgegnerin zutreffend hingewiesen hat, zu prüfen sein wird, ob es der Antragstellerin nicht zumutbar wäre, Behandlungsmöglichkeiten an ihrem Wohnort in Anspruch zu nehmen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

4. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war mangels hinR.nder Erfolgsaussichten der Beschwerde abzulehnen (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

5. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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