§ 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII regelt nur die örtliche Zuständigkeit für vollstationäre Leistungen; er umfasst nicht teilstationäre Leistungen in Form des betreuten Wohnens.
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. August 2019 aufgehoben. Die Beigeladene wird verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 1. Juni 2017 bis 4. April 2018 Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt unter Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beigeladene hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Instanzen und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten in beiden Instanzen zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Kläger auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit eines Frauenhausaufenthaltes, insbesondere die örtliche Zuständigkeit hierfür, streitig.
Die 1982 geborene Klägerin Ziff. 1 und ihr 2008 geborener Sohn, der Kläger Ziff. 2, lebten zunächst in einer Wohnung in B., H. ...
Vom 11. bis 22. November 2016 hielten sich die Kläger im Frauenhaus in C. auf. Am 5. Januar 2017 suchten sie das Frauenhaus in T. auf. Mit dem Frauen helfen Frauen e.V. T. schloss die Klägerin Ziff. 1 unter dem 5. Januar 2017 einen Mietvertrag über ein Zimmer zu einer Kaltmiete von 14,40 EUR täglich zuzüglich Nebenkostenpauschale von 6,20 EUR täglich.
Zwischen dem Landratsamt T. und dem Träger des Frauenhauses Frauen helfen Frauen e.V., T. wurde unter dem 4. Dezember 2012 eine Vereinbarung folgenden Inhalts geschlossen:
§ 1 Art des Leistungsangebotes
Der oben genannte Träger betreibt in T. ein ambulantes Angebot in Form eines Frauenhauses. Das Frauenhaus verfügt über 8 Zimmer mit insgesamt 20 Plätzen.
§ 2 Ziel des Leistungsangebotes,
- Das Frauenhaus dient als Schutzraum für Zufluchtssuchende und von psychischer und physischer Gewalt verletzte oder bedrohte Frauen und ihre Kinder. Es werden Frauen aufgenommen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Landkreis T. haben. Im Frauenhaus können auch Frauen und ihre Kinder aufgenommen werden, deren gewöhnlicher Aufenthalt außerhalb des Landkreises bzw. der Stadt T. liegt.
- Das Frauenhaus bietet den Frauen und deren Kindern Unterstützung beim Aufbau eines selbständigen Lebens. Entsprechend der Konzeption und der Leistungsbeschreibung des Trägers ist die Beratung und persönliche Hilfe durch das Fachpersonal Hilfe zur Selbsthilfe.
§ 3 Zusammenarbeit
- Der Träger arbeitet zur Erfüllung seiner Aufgaben mit den sozialen und beratenden Diensten, der Verwaltung des Landkreises sowie mit der gemeinsamen Einrichtung (gE) Jobcenter Landkreis T. zusammen. Leistungen auf der Grundlage des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II) gewährt die gE Jobcenter Landkreis T..
- Für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) ist das Landratsamt T., Abteilung Soziales, zuständig.
- Der Träger unterstützt die Frauen bei der Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II und SGB XII.
- Entwicklungen, die für die Arbeit des Trägers von Bedeutung sind und die finanzielle Auswirkungen auf die Höhe des Tagessatzes haben könnten, werden rechtzeitig mit dem Kostenträger abgestimmt.
§ 4 Finanzierung
- Die während des Aufenthaltes anfallenden Kosten für die psychosoziale Betreuung werden über den Tagessatz finanziert.
- Der vereinbarte Tagessatz (Anlage 1) beträgt für die psychosoziale Betreuung pro Person (je Frau und je Kind) 35,80 EUR.
- Anrechenbar sind sowohl Aufnahme- als auch Entlasstag. Der Entlasstag darf nicht angerechnet werden, wenn direkt im Anschluss an den Aufenthalt im Frauenhaus T. die Aufnahme in einem anderen Frauenhaus erfolgt.
§ 5 Laufzeit und Kündigung
[...]
§ 6 Statistik
[...]
Das Jobcenter Landkreis T. bewilligte den Klägerin für die Zeit vom 5. Januar 2017 bis 30. Juni 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Bescheid vom 17. Januar 2017). Einen vom Jobcenter T. bei der Beigeladenen angemeldeten Erstattungsanspruch lehnte diese ab, weil die Kläger vor Aufnahme in das Frauenhaus nicht in T., sondern im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gewohnt hätten (Schreiben vom 17. Januar 2017)
Weil die Klägerin Ziff. 1 bereits am 1. Juni 2016 einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung gestellt hatte, beantragten die Kläger am 3. Februar 2017 beim Beklagten Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII, nachdem sie von der Beigeladenen mangels deren Zuständigkeit für die Leistungen an den Beklagten verwiesen wurden.
Mit Bescheid vom 26. April 2017 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund der Klägerin Ziff. 1 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Januar 2017 befristet bis zum 31. August 2018 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 566,53 EUR, die für die Zeit ab dem 1. Juni 2017 laufend monatlich gezahlt werde.
Die Beigeladene teilte der Klägerin Ziff. 1 mit Schreiben vom 16. Mai 2017 mit, dass für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in der Regel die Kommune oder der Landkreis, in dem der letzte gewöhnliche Aufenthalt vor Aufnahme gewesen sei, zuständig sei. Die Rechtsgrundlage sei § 98 Abs. 5 SGB XII, wozu sie auf das Gemeinsame Rundschreiben Nr. R 14422/2009 des Städtetages und Nr. 45/2009 des Landkreistages Baden-Württemberg vom 19. Januar 2009 verwies.
Auf Nachfrage der Klägerin Ziff. 1 teilte der Beklagte dieser mit, dass die Beigeladene für die Leistungsgewährung zuständig sei. Der Beigeladenen teilte der Beklagte mit, dass die Kläger aufgrund der lediglich befristet gewährten Rente wegen Erwerbsminderung zum Personenkreis der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII gehörten. Der Empfehlung des Städte- und Landkreistages Baden-Württemberg im Rundschreiben R 14422/2009 und 45/2009 werde nicht gefolgt. Auch die Anwendung des § 98 Abs. 5 SGB XII komme nicht zum Tragen.
Dem Jobcenter Landkreis T. teilte der Beklagte auf dessen geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch mit, dass eine Erstattung der Frauenhauskosten längstens bis zum 31. Mai 2017 erfolge. Die Klägerin Ziff. 1 habe mit dem Verursacher des Frauenhausaufenthaltes nicht in einer Bedarfsgemeinschaft gelebt. Es sei somit möglich gewesen, über einen Wohnungswechsel und eine entsprechende Auskunftssperre der Gefahrensituation zu entgehen. Bereits vor der Aufnahme ins Frauenhaus sei die Klägerin Ziff. 1 in psychologischer Behandlung gewesen. Die Aufarbeitung ihrer bisherigen Probleme sei zum Zeitpunkt der Aufnahme in das Frauenhaus bereits sichergestellt gewesen. Diese sei deshalb auch nach Verlassen des Frauenhauses weiterhin gesichert. Für die Sicherstellung einer Unterkunft könnten ab dem 1. Juni 2017 keine Frauenhauskosten übernommen werden.
Auf einen von der Klägerin Ziff. 1 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (S 4 SO 1245/17 ER) verpflichtete das SG mit Beschluss vom 6. Juni 2017 und Ergänzungsbeschluss vom 8. Juni 2017 den Beklagten, dieser für die Zeit vom 1. Juni 2017 bis zur bestandskräftigen Entscheidung über den Antrag vom 3. Februar 2017 längstens jedoch bis zum 30. November 2017 Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren und umgehend 458,08 EUR auszuzahlen.
Vom 14. Juni 2017 bis 12. Juli 2017 befanden sich die Kläger in einer stationären Maßnahme in der Fachklinik P. in S.
Mit Bescheid vom 23. Juni 2017 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt ab. Die Zuständigkeit für die Gewährung der Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt sei nicht gegeben. Gemäß § 98 Abs. 1 SGB XII sei für die Gewährung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt die Beigeladene als örtlicher Sozialhilfeträger zuständig, nachdem sich die Kläger tatsächlich in T. bis 14. Juni 2017 aufgehalten hätten. Ausweislich der Vereinbarung des Landkreises T. mit dem Träger des Frauenhauses T. vom 4. Dezember 2012 sei eindeutig geklärt, dass für die Leistungen nach dem SGB XII das Landratsamt T., Abteilung Soziales zuständig sei. Die Stadt T. als Delegationsnehmerin des Landkreises müsse sich diese Vereinbarung zurechnen lassen. Bei dem Frauenhaus handele es sich weder um eine vollstationäre Einrichtung noch um eine teilstationäre Einrichtung noch um ein ambulant betreutes Wohnen nach § 98 Abs. 5 SGB XII. Der tatsächliche Aufenthalt der Leistungsberechtigten sei maßgeblich. Bedürftigkeit für die Zeit vom 1. Juni 2017 bis 13. Juni 2017 liege nicht vor. Die Kläger hätten einen sozialhilferechtlichen Bedarf in Höhe von 324,60 EUR. Das sozialhilferechtlich anrechenbare Einkommen bestehe aus Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 245,50 EUR sowie Kindergeld in Höhe von 83,20 EUR.
Auf die von dem Beklagten zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Beschwerde (L 2 SO 2226/17 ER-B), hob das LSG den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 6. Juni 2017 insoweit auf, als der Beklagte zur Leistungserbringung ab 1. Juli 2017 bis längstens 30. November 2017 verpflichtet worden war und lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insoweit ab.
Gegen den Bescheid des Beklagten vom 23. Juni 2017 erhoben die Kläger am 20. Juli 2017 Widerspruch und machten insbesondere den Anfall von Kosten für Unterkunft und Heizung geltend.
Bei dem Beklagten und der Beigeladenen beantragten die Kläger am 20. Juli 2017 die Übernahme von (nicht bezifferten) Pensionskosten bzw. Kosten für eine Ferienwohnung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. August 2017 wies der Beklagte den Widerspruch vom 20. Juli 2017 gegen den Bescheid vom 23. Juni 2017 unter Verweis auf seine nicht bestehende örtliche Zuständigkeit zurück.
Mit Bescheid vom 18. September 2017 lehnte der Beklagte eine Kostenübernahme für eine Pension/Ferienwohnung wegen nicht bestehender örtlicher Zuständigkeit ab. Auch dagegen erhoben die Kläger Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2018 zurückwies.
Am 5. April 2018 bezogen die Kläger eine eigene Wohnung in T.
Bereits am 13. September 2017 haben die Kläger Klage gegen den Bescheid vom 23. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2017 zum SG erhoben.
Mit Gerichtsbescheid vom 30. August 2019 hat das SG den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom „20. Juli 2017“ (gemeint 17. August 2017) verurteilt, den Klägern Leistungen nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Die Zuständigkeit des Beklagten für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII richte sich nach § 98 Abs. 5 SGB XII. Beim Frauenhaus handele es sich nicht um eine stationäre oder teilstationäre Form des Wohnens, sondern um eine geschützte Wohnung. Die dort zur Verfügung gestellten vorgenommenen Betreuungsleistungen stellten sich damit als ambulante Betreuungsmaßnahmen in der gewählten Wohnform dar.
Gegen den ihm am 4. September 2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 23. September 2019 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt. Die Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII richte sich auch in den Fällen des Aufenthalts im Frauenhaus nach § 98 Abs. 1 SGB XII. Daher sei örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhielten. Für die Gewährung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt sei daher die Beigeladene als Delegationsnehmer des Landkreises T. und für die Betreuungskosten der Landkreis T. örtlich zuständig. Bei einem Frauenhaus handele es sich nicht um eine ambulante Wohnform im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII. Frauenhäuser dienten als Zufluchtsstätte für Hilfesuchende von psychischer und physischer Gewalt verletzte oder bedrohte Frauen und deren Kinder. Ein Aufenthalt dort sei von nur vorübergehender Natur und nur für die Dauer der Schutzbedürftigkeit, auch bei eventueller Gewährung persönlicher Beratung im niederschwelligen Bereich. Ziel eines ambulant betreuten Wohnens sei jedoch, dem Leistungsberechtigten eine weitgehend eigenständige Lebensführung in der eigenen Wohnung und im sozialen Umfeld zu eröffnen und zu erhalten. Die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft solle gefördert und bewahrt werden. Das ambulant betreute Wohnen finde vor allem aufsuchend in der Wohnung des Leistungsberechtigten statt und werde im direkten sozialen Umfeld durchgeführt. Die Betreuung erfolge regelmäßig und gleichbleibend durch einen Bezugsbetreuer und in intensiver Zusammenarbeit werde versucht, die im individuellen Hilfeplan vereinbarten Ziele zu erreichen. Diese Voraussetzungen seien bei einem Frauenhaus gerade nicht gegeben. Der Aufenthalt im Frauenhaus sei von vornherein nur als vorübergehend geprägt, es handele sich gerade nicht um ein Wohnumfeld, wie es im ambulant betreuten Wohnen angesetzt sei, sondern um eine Zufluchtsstätte. Die Betreuung, welche in einem Frauenhaus stattfinde, sei niederschwelliger Natur. Die Grenze, damit eine Betreuung entsprechend einem ambulant betreuten Wohnen erreicht werde, werde in einem Frauenhaus nie erreicht. In der Vereinbarung zum Herkunftsprinzip, der alle Stadt- und Landkreise in Baden-Württemberg beigetreten seien, sei explizit aufgeführt, bei welchen Fallkonstellationen das Herkunftsprinzip anzuwenden sei. Unter der Überschrift „Frauenhaus“ sei gerade ausdrücklich festgestellt, dass Frauenhäuser nicht unter diese Vereinbarung zum Herkunftsprinzip fielen und darüber hinaus auch ausdrücklich ausgeführt, dass es sich bei Frauenhäusern um keine ambulant betreuten Wohnmöglichkeiten handele. Dies entspreche auch der gängigen Praxis der Sozialhilfeträger, wonach der Standortlandkreis, vorliegend der Landkreis T., die Betreuungskosten übernehmen und gegebenenfalls Kostenerstattung beim Herkunftslandkreis anmelde. Auch vom Landkreis T. seien die Betreuungskosten bis 31. Mai 2017 als Standortlandkreis an das Frauenhaus T. gewährt worden. Der Landkreis T. habe auch mit dem Träger des Frauenhauses am 4. Dezember 2012 eine Vereinbarung dahingehend abgeschlossen, dass das Landratsamt T. für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII für Frauenhausbewohnerinnen zuständig sei.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. August 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, den Klägern Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt einschließlich der tatsächlichen Kosten der Unterkunft nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 1. Juni 2017 bis 4. April 2018 zu bewilligen.
Es könne im vorliegenden Verfahren dahinstehen, ob es sich bei Frauenhäusern um stationäre oder teilstationärer Einrichtungen oder um eine Form ambulanten Wohnens handele. Im Fall der Kläger sei es jedenfalls schon lange so, dass beide auf Leistungen in ambulant betreuten Wohnformen angewiesen seien. Daher hätten sie ja bereits vor Eintritt ins Frauenhaus Leistungen dieser Form erhalten und auch danach. Völlig unabhängig von der Frage, ob das Frauenhaus in T. möglicherweise vereinzelt anderen Frauen Wohnungen mit geringfügiger persönlicher Betreuung anbiete, seien die Kläger im Sinne eines ambulant betreuten Wohnens betreut und bei der Alltagsbewältigung unterstützt worden.
Mit Beschluss vom 2. März 2020 hat der Senat die Universitätsstadt T. zum Verfahren beigeladen.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Der Landkreis T. habe zwar die Frauenhauskosten im Zeitraum vom 4. Januar 2017 bis 31. Mai 2017 gezahlt, dies jedoch im Rahmen des SGB II-Bezuges. Da die Kläger von der Beklagten vor dem 4. Januar 2017 Eingliederungsleistungen erhalten hätten, im Frauenhaus eine analoge Betreuung stattgefunden habe und die Kläger nach dem Frauenhausaufenthalt nahtlos im ambulant betreuten Wohnen in T. erneut Eingliederungshilfe vom Beklagten erhielten, sei es rechtlich statthaft, dass § 98 Abs. 5 SGB XII anzuwenden sei.
Der Beklagte hat mitgeteilt, dass den Klägern vor Aufnahme ins Frauenhaus keine Eingliederungshilfeleistungen gewährt worden seien.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG; denn der Wert des Beschwerdegegenstands beträgt mehr als 750,00 EUR. Die Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG den Beklagten zu Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII verurteilt. Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 1. Juni 2017 bis 4. April 2018 gegen die Beigeladene.
Streitgegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 23. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2017 (§ 95 SGG), mit dem der Beklagte die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt abgelehnt hat. Zwar haben die Kläger den zu Grunde liegenden Leistungsantrag beim Beklagten bereits am 3. Februar 2017 gestellt. Nachdem die Kläger jedoch bis zum 31. Mai 2017 Leistungen vom Jobcenter T. bezogen haben, begehren sie noch Leistungen ab 1. Juni 2017. Grundsätzlich erstreckt sich bei einer vollständigen Leistungsversagung der streitige Leistungszeitraum zwar bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (BSG, Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS 28/06 R – SozR 4‑4200 § 7 Nr. 8, juris Rdnr. 20). Nachdem der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 19. Juli 2018 jedoch für die Zeit ab 5. April 2018 Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt bewilligt hat, ist der streitige Zeitraum vom 1. Juni 2017 bis 4. April 2018 begrenzt (BSG, Urteil vom 1. Juni 2010 – B 4 AS 67/09 R – SozR 4-4200 § 11 Nr. 28, Rdnr. 13). Daran ändert sich nichts dadurch, dass der Beklagte in der Begründung zum Bescheid vom 23. Juni 2017 auf einen tatsächlichen Aufenthalt in T. bis 14. Juni 2017 abgestellt und eine Bedürftigkeit lediglich für die Zeit vom 1. Juni 2017 bis 13. Juni 2017 verneint hat. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte über den – zeitlich nicht begrenzten – Leistungsantrag der Kläger nur teilweise entscheiden wollte und für die Zeit ab 14. Juni 2017 eine gesonderte Entscheidung getroffen hätte. Dementsprechend hat der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 17. August 2017 einen Leistungsanspruch der Kläger auch ohne Begrenzung auf die Zeit bis 13. Juni 2017 unter Hinweis auf die nach seiner Ansicht nicht bestehende örtliche Zuständigkeit insgesamt abgelehnt. Gegen den Bescheid vom 23. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2017 haben sich die Kläger mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG) gewandt, die zulässigerweise auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs. 1 SGG) gerichtet war. Gegen die Verurteilung zur Erbringung von Leistungen nach dem SGB XII (dem Grunde nach) durch das SG mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 30. August 2019 wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung und begehrt die Abweisung der Klage.
Die Kläger erfüllen die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 1. Juni 2017 bis zum 4. April 2018.
Ein Anspruch der Klägerin Ziff. 1 auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß §§ 19 Abs. 2, 41 Abs. 1 und 3 SGB XII kommt nicht in Betracht, weil die Klägerin Ziff. 1 nicht dauerhaft voll erwerbsgemindert ist. Ihr wurde von der Deutschen Rentenversicherung Bund auch nur eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit gewährt. Für die Kläger besteht auch keine gegenüber den Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt vorrangige (vgl. § 21 Satz 1 SGB XII) Leistungsberechtigung nach dem SGB II. Da die Klägerin Ziff. 1 auf absehbare Zeit außerstande es, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II), ist sie nicht erwerbsfähig und daher nicht leistungsberechtigt gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Auch der Kläger Ziff. 2, der das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB II), ist nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II, so dass eine Leistungsberechtigung der Klägerin Ziff. 1 auch nicht aus einer Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft mit dem Kläger Ziff. 2 folgen kann (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGB II).
Gemäß §§ 19 Abs. 1, 27 Abs. 1 SGB XII ist Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Diese Voraussetzungen liegen bei den Klägern dem Grunde nach im streitigen Zeitraum vom 1. Juni 2017 bis 4. April 2018 vor. Die Kläger können den gemäß § 27a Abs. 1 Satz 1 SGB XII für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendigen Lebensunterhalt, der insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile, persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie Unterkunft und Heizung umfasst, nicht aus dem nach §§ 82 ff. SGB XII zu berücksichtigenden und dem nach § 90 SGB XII einzusetzenden Vermögen decken. Die Bedarfe der Kläger setzen sich jedenfalls aus den jeweiligen Regelbedarfen gemäß § 28 SGB XII und den Kosten der Unterkunft und Heizung, die die Kläger aufgrund des Mietvertrages vom 5. Januar 2017 gegenüber dem Träger des Frauenhauses schulden, sowie einem zusätzlichen Mehrbedarf der Klägerin Ziff. 1 wegen Alleinerziehung gemäß § 30 Abs. 3 SGB XII zusammen. Über nach § 90 SGB XII einzusetzendes Vermögen verfügen die Kläger nicht. Das nach § 82 Abs. 1 SGB XII auf den Bedarf des Klägers Ziff. 2 anzurechnende Kindergeld (§ 82 Abs. 1 Satz 3 SGB XII) und dass auf den verbleibenden Bedarf des Klägers Ziff. 2 und auf den Bedarf der Klägerin Ziff. 1 anzurechnende Einkommen aus Rente wegen Erwerbsminderung der Klägerin Ziff. 1 (vgl. § 27 Abs. 2 Satz 3 SGB XII) reicht für die Deckung der Bedarfe der Kläger nicht aus, so dass die Kläger hilfebedürftig und damit leistungsberechtigt sind.
Für die Erbringung der Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt ist jedoch nicht der Beklagte, sondern die Beigeladene örtlich zuständig.
Gemäß §§ 3 Abs. 1 und 2, 97 Abs. 1 SGB XII, §§ 1 Abs. 1, 2 Gesetz zur Ausführung des SGB XII in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung des Art. 122 des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes vom 1. Juli 2004 (AGSGB XII) sind als örtliche Träger der Sozialhilfe sowohl der Beklagte als auch die Beigeladene, auf die der Landkreis T. als Träger der Sozialhilfe die ihm obliegenden Aufgaben der Hilfe zum Lebensunterhalt übertragen hat (§ 3 Abs. 1 AGSGB XII, § 1 Abs. 1 der Satzung über die Durchführung von sozialen Aufgaben nach dem SGB XII im Landkreis T. vom 6. Mai 2009) grundsätzlich sachlich zuständig.
Die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers ergibt sich aus der Bestimmung des § 98 SGB XII, die im Zwölften Kapitel verortet ist. Nach § 98 Abs. 1 Satz 1 (in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27. Dezember 2003 [BGBl. I S. 3022]) ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Sonderregelungen hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit bestehen u.a. für stationäre Leistungen (vgl. § 98 Abs. 2 SGB XII in der seit 1. Januar 2005 unverändert geltenden Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 a.a.O.) und für Leistungen des ambulanten betreuten Wohnens (vgl. § 98 Abs. 5 SGB XII in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006, BGBl. I S. 2670 [a.F.]).
Die Kläger haben sich im streitigen Zeitraum in der Universitätsstadt T. und somit im Bereich der Beigeladenen tatsächlich aufgehalten, so dass diese nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII örtlich zuständig ist. Eine örtliche Zuständigkeit des Beklagten nach Sonderregelungen besteht nicht. Insbesondere liegen die Voraussetzungen von § 98 Abs. 2 und Abs. 5 SGB XII a.F. nicht vor.
Mit der Unterbringung der Kläger im Frauenhaus T. haben diese keine stationäre Leistung erhalten, für die gemäß § 98 Abs. 2 Satz 1 der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig wäre, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung gehabt haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Der Einrichtungsbegriff des § 98 Abs. 2 SGB XII ist bundesrechtlich anhand von § 13 Abs. 2 SGB XII zu bestimmen. Eine Einrichtung gemäß § 13 Abs. 2 SGB XII ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und bei der der Einrichtungsträger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Leistungsberechtigten übernimmt (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 41/19 R – SozR 4-3500 § 98 Nr. 3, Rdnr. 18). Das Angebot von ambulanten oder teilstationären Leistungen erfüllt demgegenüber den Begriff der stationären Leistungen im Sinne des § 98 Abs. 2 SGB XII nicht (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juli 2015 – B 8 SO 7/14 R – juris Rdnr. 15). Die Zielrichtung des Angebots eines Frauenhauses ist primär die Abschottung gegenüber einer Bedrohung aus dem persönlichen Umfeld der dort Unterkunft suchenden Frauen und Kinder und eine auf diese Zielgruppe ausgerichtete Beratung und Unterstützung. Das Angebot ist entsprechend nicht auf die „Versorgung“ der Frauen innerhalb der Räumlichkeiten, sondern den nach außen gerichteten Schutz angelegt. Dem entspricht die Ausrichtung des Frauenhauses T.. Mit diesem hatte die Klägerin Ziff. 1 einen „Mietvertrag zur vorübergehenden Nutzung“ abgeschlossen, dessen Gegenstand allein die Überlassung eines Zimmers im Frauenhaus war. Für ihre Versorgung waren die Kläger vollständig selbst verantwortlich. Nach § 1 der Vereinbarung zwischen dem Landratsamt T. und dem Träger des Frauenhauses „Frauen helfen Frauen“ e.V. vom 4. Dezember 2012 hat der Träger das Frauenhaus auch nur als ambulantes Angebot zur Verfügung gestellt, wobei das Frauenhaus nach § 2 Nr. 1 als Schutzraum für Zufluchtssuchende und von psychischer und physischer Gewalt verletzte oder bedrohte Frauen und ihre Kinder dienen soll. Die daneben angebotene Unterstützung beim Aufbau eines selbstständigen Lebens (§ 2 Nr. 2 der Vereinbarung) ist angesichts der Zielrichtung des Angebots des Trägers des Frauenhauses nicht geeignet, das ambulante Angebot zu einer stationären Einrichtung zu machen. Eine Gesamtverantwortung für die Lebensführung der Bewohner, hier der Kläger, wurde durch den Träger des Frauenhauses hierdurch nicht übernommen.
Sofern das Frauenhaus überhaupt als teilstationäre Einrichtung eingestuft werden könnte (vgl. zu Zweifeln, ob es eine teilstationäre Form des Betreuten-Wohnens geben kann: BSG, Urteil vom 23. Juli 2015 – B 8 SO 7/14 R – SozR 4-3500 § 98 Nr. 3 Rdnr. 18), fände § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII weder unmittelbar noch analog Anwendung. § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII regelt nämlich nur die örtliche Zuständigkeit für vollstationäre Leistungen in einer Einrichtung (so auch: Söhngen in jurisPK SGB XII, 3. Auflage 2020, § 98 SGB XII Rdnr. 42; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 20. Auflage 2020, § 98 SGB XII Rdnr. 30.1; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: August 2019, § 98 Rdnr. 45). Der Begriff „stationäre Leistung“ umfasst nicht, gleichsam als Oberbegriff, vollstationäre und teilstationäre Leistungen. Dies macht die ausdrückliche Differenzierung in § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB XII und § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB XII deutlich, wonach terminologisch zwischen teilstationären und stationären Leistungen unterschieden wird (vgl. auch § 100 Abs. 1 Nr. 1 und 5 Bundessozialhilfegesetz [BSHG]). Die Zuständigkeit des Beklagten für teilstationäre Maßnahmen kann mangels Regelungslücke auch nicht auf eine analoge Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII gestützt werden. Eine Analogie, die Übertragung einer gesetzlichen Regelung auf einen Sachverhalt, der von der betreffenden Vorschrift nicht erfasst wird, ist nur geboten, wenn dieser Sachverhalt mit dem geregelten vergleichbar ist, nach dem Grundgedanken der Norm und dem mit ihr verfolgten Zweck dieselbe rechtliche Bewertung erfordert (BSG, Urteil vom 16. November 1999 – B 1 KR 16/98 R – SozR 3-2500 § 38 Nr. 2 Rdnr. 15) und eine (unbewusste) planwidrige Regelungslücke vorliegt (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 3. April 1990 – 1 BvR 1186/89 – BVerfGE 82, 6-18, juris Rdnrn. 19ff. m.w.N.; BSG, Urteil vom 23. November 1995 – 1 RK 11/95 – SozR 3‑2500 § 38 Nr. 1 Rdnr. 16; BSG, Urteil vom 16. April 2002 – B 9 VG 1/01 R – SozR 3-3800 § 1 Nr. 21 Rdnrn. 21f. m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Angesichts der bereits im BSHG angelegten (vgl. § 97 Abs. 2) Unterscheidung (vgl. dazu: Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 14. März 1991 – 5 C 8/87 – BVerwGE 88, 86-92, juris Rdnr. 10ff.; BVerwG, Urteil vom 16. Juli 1985 – 5 C 27/84 – juris) und der Änderungen, die § 98 Abs. 2 und 5 SGB XII seit seinem Inkrafttreten zum 1. Januar 2005 erfahren hat, ohne dass eine (neue) Regelung zu teilstationären Leistungen des Betreuten-Wohnens in das Gesetz aufgenommen worden ist, ist nicht von einer unbewussten Lücke auszugehen (BSG, Urteil vom 23. Juli 2015 – B 8 SO 7/14 R – SozR 4-3500 § 98 Nr. 3 Rdnrn. 15ff.).
Schließlich ist die Zuständigkeit des Beklagten nicht durch die Vorschrift des § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII a.F. begründet. Nach dieser Vorschrift ist für die Leistungen nach dem SGB XII an Personen, die Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre. Vor Inkrafttreten dieses Buches begründete Zuständigkeiten – die hier ersichtlich nicht gegeben sind – bleiben unberührt (§ 98 Abs. 5 Satz 2 SGB XII). Erfasst von dieser Sonderregelung sind schon nach dem Gesetzeswortlaut nur ambulante Fälle, in denen Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege oder Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten tatsächlich geleistet wird (LSG für das Land Nordrhein‑Westfalen, Urteil vom 17. Juni 2010 – L 9 SO 15/09 – juris Rdnr. 29; Oberverwaltungsgericht [OVG] für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Februar 2013 – 12 A 1906/12 – juris Rdnr. 34; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand August 2019, § 98 Rdnr. 98; vgl. auch Senatsbeschluss vom 21. Oktober 2020 – L 7 SO 2772/20 ER-B – juris Rdnr. 13). Im Gegensatz zu § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII bei stationären Leistungen wird die Zuständigkeit nach § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII und damit die Schutzwürdigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers nicht allein mit dem Eintritt des oder der Leistungsberechtigten in eine ambulant betreute Wohnmöglichkeit begründet, sondern sie kommt erst dann zur Geltung, wenn Leistungen der Sozialhilfe nach dem Sechsten bis Achten Kapitel des SGB XII tatsächlich erbracht werden (OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Februar 2013 – 12 A 1906/12 – juris Rdnr. 35).
Den Klägern wurden während der Zeit des Frauenhausaufenthalts weder durch den Beklagten noch durch die Beigeladene Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel SGB XII erbracht. Es ist schon nicht ersichtlich, dass solche Leistungen für den streitigen Zeitraum überhaupt beantragt worden wären. Soweit die Kläger im Rahmen des Frauenhausaufenthalts durch den Frauen helfen Frauen e.V. psychosoziale Betreuung erhalten haben, kann es sich schon deshalb nicht um nach dem Sechsten bis Achten Kapitel SGB XII a.F. erbrachte Leistungen handeln, weil der Frauen helfen Frauen e.V. kein Leistungserbringer für diese, von einem Träger der Sozialhilfe zu erbringende Leistungen, ist. Insoweit fehlt es schon an einer entsprechenden Vereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII a.F.
Nachdem es danach für die Anwendung des § 75 Abs. 5 Satz 1 SGB XII bereits an einer Erbringung von Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel SGB XII a.F. fehlt, kommt es auf die zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen allein diskutierte Frage, ob es sich bei einem Frauenhaus um eine ambulant betreute Wohnmöglichkeit handeln kann, nicht an.
Da eine Zuständigkeit des Beklagten nicht durch eine Sonderregelung begründet ist, bleibt es bei der allgemeinen Zuständigkeit der Beigeladenen aufgrund des tatsächlichen Aufenthalts gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII.
Die Beigeladene konnte auch zur Gewährung der Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt an die Kläger verurteilt werden, obwohl sie selbst noch kein entsprechendes Verwaltungsverfahren durchgeführt hat. Nach § 75 Abs. 5 SGG kann ein Träger der Sozialhilfe nach Beiladung verurteilt werden. Einer Verurteilung der Beigeladenen stünde es lediglich entgegen, wenn diese bereits den Leistungsanspruch bindend abgelehnt hätte (vgl. BSG, Urteil vom 13. August 1981 – 11 RA 56/80 – SozR 1500 § 75 Nr. 38), was hier nicht der Fall ist. Der streitige Anspruch auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt steht auch in der erforderlichen Wechselwirkung (BSG, Urteil vom 15. November 1979 – 11 RA 9/79 – SozR 5090 § 6 Nr. 4 Rdnr. 12), da der Anspruch gegen den Beklagten und die Beigeladene inhaltsgleich sind, aufgrund der örtlichen Zuständigkeit aber entweder nur gegen die Beklagte oder nur gegen die Beigeladene in Betracht kam.
Die Beklagten war daher dem Grunde nach zur Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt unter Berücksichtigung der für das Frauenhaus tatsächlich angefallenen Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Juni 2017 bis 4. April 2018 zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.