L 7 SO 3752/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 100/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3752/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Oktober 2019 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Abänderung des Bescheids vom 7. August 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Dezember 2018 Hilfe zur Pflege für Juni 2018 in Höhe von 540,39 Euro, für Juli 2018 in Höhe von 736,72 Euro, für August 2018 in Höhe von 709,52 Euro und für September 2018 in Höhe von 727,30 Euro zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen sowie im Widerspruchsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme nicht gedeckter Pflegekosten für die Zeit vom 27. Februar 2018 bis zum 30. September 2018 streitig.

Die 1932 geborene, verwitwete Klägerin ist pflegebedürftig und in Pflegegrad 4 eingestuft (Pflegegutachten vom 30. März 2017). Sie bezog eine Witwenrente mit einem laufenden Zahlbetrag ab 1. Juli 2017 von monatlich 754,61 Euro, ab 1. Juli 2018 von monatlich 778,91 und eine Altersrente ab 1. Juli 2017 von monatlich 644,11 Euro, ab 1. Juli 2018 von monatlich 664,85 Euro. Für eine private Haftpflichtversicherung zahlte sie jährlich 102,76 Euro. Bis zum Februar 2017 wohnte sie in der Hauptstr. 109, 69214 E. im Landkreis des Beklagten. Im Februar 2017 befand sie sich zur Kurzzeitpflege im Pflegeheim, seit dem 16. März 2017 wohnt sie im Pflegeheim Seniorenzentrum L.-Haus in H., einer vertragsgebundenen stationären Pflegeeinrichtung. Die Pflegekasse gewährte der Klägerin im streitigen Zeitraum Pflegesachleistungen in vollstationären Einrichtungen i.H.v. 1.775,00 Euro sowie eine Monatspauschale für zusätzliche Betreuungsleistung gem. § 43b Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) i.H.v. 173,09 Euro monatlich.

Das Pflegeheim stellte – entsprechend der Vergütungsvereinbarung – der Klägerin ab Februar 2018 monatlich 2.333,51 Euro in Rechnung (Gesamtbetrag 4.281,60 Euro ./. Anteil Pflegekasse 1.948,09 Euro <Heimkosten 1.775,00 Euro und zusätzliche Betreuungsleistung 173,09 Euro>).

Einen ersten am 23. Juni 2017 gestellten Antrag auf Leistungen zur stationären Pflege nach §§ 61, 65 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und zum weiteren notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen nach § 27b Abs. 2 SGB XII sowie der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 41 ff. SGB XII lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22. November 2017 ab mit der Begründung, die Klägerin könne ihren sozialhilferechtlichen Bedarf aus ihrem Vermögen decken. Das Vermögen von 17.440,00 Euro überschreite den Freibetrag von 5.000,00 Euro um 12.440,00 Euro.

Am 27. Februar 2018 stellte die Klägerin bei dem Beklagten erneut einen Antrag auf Leistungen der Hilfe zur Pflege, zum weiteren notwendigen Lebensunterhalt in einer Einrichtung und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Hierzu legte sie u.a. Kontoauszüge vor.

Die Wohngeldbehörde lehnte mit Bescheid vom 28. Februar 2018 die Gewährung von Wohngeld für die Zeit ab dem 1. Februar 2018 ab.

Am 10. April 2018 erwarb die Klägerin von der Stadt E. das Nutzungsrecht für 25 Jahre an einer Urnenwahlgrabstätte, wofür sie ausweislich des Gebührenbescheids vom 10. April 2018 eine Gebühr von 1.217,00 Euro zu entrichten hatte. Am 15. Mai 2018 erfolgte die Überweisung dieses Betrags an die Stadt E..

Mit Bescheid vom 7. August 2018 lehnte der Beklagte den Antrag vom 27. Februar 2018 ab. Am 1. Juli 2018 habe die Klägerin über Vermögen i.H.v. 6.490,91 Euro verfügt. Da das Nutzungsrecht für das Urnenwahlgrab erworben worden sei, als bereits ein Antrag auf Sozialhilfe gestellt gewesen sei, könne nicht eindeutig ausgeschlossen werden, dass der Erwerb des Urnenwahlgrabes ohne die Absicht geschlossen worden sei, eine sozialhilferechtliche Bedürftigkeit herbeizuführen. Der Wert des Urnenwahlgrabes i.H.v. 1.217,00 Euro sei daher nicht geschützt und vorab zur Heimkostendeckung einzusetzen. Das einzusetzende Vermögen überschreite die Vermögensgrenze von 5.000,00 Euro um 1.490,91 Euro. Hiermit und mit dem monatlichen Einkommen sei die Klägerin in der Lage, ihren sozialhilferechtlichen Bedarf selbst zu decken.

Dagegen erhob die Klägerin am 17. August 2018 Widerspruch mit der Begründung, das Urnengrab gehöre zum Schonvermögen. Es sei gekauft worden, weil das jetzige Tiefgrab um 25 Jahre hätte verlängert werden müssen und die Kosten hierfür doppelt so hoch geworden wären. Das Vermögen sei seit dem 30. April 2018 aufgebraucht.

Mit Teilabhilfebescheid vom 20. Dezember 2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII für Oktober 2018 i.H.v. 972,45 Euro, für November 2018 i.H.v. 984,92 Euro, für Dezember 2018 i.H.v. 1.010,64 Euro und ab Januar 2019 bis längstens 30. September 2021 i.H.v. 1.014,33 Euro monatlich. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2018 wies er den Widerspruch im Übrigen zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 9. Januar 2019 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Im Erörterungstermin vom 23. Juli 2019 hat die Klägerin ihren Antrag auf die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege für die Zeit vom 27. Februar 2018 bis zum 30. September 2018 beschränkt. Mit Urteil vom 8. Oktober 2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe im streitigen Zeitraum auch ohne Berücksichtigung der Kosten des Urnenwahlgrabes als zu berücksichtigendes Vermögen über Vermögen verfügt, das den Vermögensschonbetrag von 5.000,00 Euro übersteige, so dass Hilfebedürftigkeit nicht vorgelegen habe. Einkommen, welches in einem Kalendermonat zugeflossen und im laufenden Monat nicht vollständig verbraucht worden sei, wachse im Folgemonat dem Vermögen zu. Dies gelte selbst dann, wenn der Einkommenszufluss – wie vorliegend die Rentenzahlungen – erst am Schluss des Monats erfolgt sei. So ergebe sich exemplarisch für den Monat Juli 2018 ein den Vermögensschonbetrag übersteigendes Restvermögen von 273,91 Euro. Dies habe zur Folge, dass ein denkbarer Sozialhilfeanspruch für diesen Monat vollständig entfalle.

Gegen das am 15. Oktober 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6. November 2019 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Oktober 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr unter Abänderung des Bescheids vom 7. August 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Dezember 2018 für die Zeit vom 27. Februar 2018 bis zum 30. September 2018 Hilfe zur Pflege in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Klägerin hat eine Bescheinigung der Stadt E. vom 26. Oktober 2018 vorgelegt, wonach dem Antrag der Klägerin auf Abräumung der Grabstätte ihres Ehemannes zugestimmt wird und das Nutzungsrecht an der Grabstätte am 26. Oktober 2018 endet. Weiter vorgelegt worden ist eine Rechnung vom 28. November 2018 über die Kosten des Abbaus der Grabanlage am 28. November 2018.

Die Stadt E. hat mitgeteilt, das Nutzungsrecht für das Tiefgrab sei nach Ablauf der Ruhefrist von H.E. (gest. 1990) im Jahr 2015 bis zum 22. September 2018 verlängert worden. Die Kosten für eine weitere Verlängerung des Nutzungsrechts hätten bei Belegung für 25 Jahre (Ruhefrist) 2.364,00 Euro betragen.

Mit Beschluss vom 30. Juli 2020 hat der Senat die A. B. gemeinnützige Pflege- und Betreuungsdienste GmbH als Träger der Pflegeeinrichtung gem. § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Verfahren beigeladen. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 SGG), ist im tenorierten Umfang erfolgreich. Im Übrigen ist die Berufung nicht begründet.

1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG); die Berufungsausschlussgründe des § 144 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGG greifen nicht ein.

2. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 7. August 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Dezember 2018 (§ 95 SGG), soweit der Beklagte Leistungen für die Zeit vom 27. Februar 2018 bis zum 30. September 2018 abgelehnt hat. Der Teilabhilfebescheid vom 20. Dezember 2018, mit dem der Beklagte Leistungen ab dem 1. Oktober 2018 bewilligt hat, ist von der Klägerin mit der Klage nicht angefochten und deshalb auch nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Klägerin verfolgt ihr Begehren zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG).

Der Sache nach zielt das Begehren der Klägerin auf einen Schuldbeitritt des Beklagten zu seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Einrichtungsträger (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2008 – B 8 SO 22/07 R – juris Rdnr. 22 ff.; BSG, Urteil vom 20. April 2016 – B 8 SO 20/14 R – juris Rdnr. 13; Senatsurteil vom 25. September 2019 – L 7 SO 4349/16 – juris Rdnr. 31). Der Einrichtungsträger war daher nach § 75 Abs. 2 SGG notwendig beizuladen (BSG, Urteil vom 28. Oktober 2008 – B 8 SO 22/07 R – juris Rdnr. 13 ff.; BSG, Urteil vom 20. April 2016 – B 8 SO 20/14 R – juris Rdnr. 14); nachdem das SG dies unterlassen hatte, hat der Senat dies mit Beschluss vom 30. Juli 2020 nachgeholt, was zulässig ist (vgl. zur Beiladung im Revisionsverfahren BSG, Urteil vom 20. April 2016 – B 8 SO 20/14 R – juris Rdnr. 17).

3. Der beklagte Landkreis ist richtiger Gegner des Verfahrens. Denn er ist der für die allein streitigen Leistungen der Hilfe zur Pflege sachlich zuständige Träger (§ 97 Abs. 1 und 3 Nr. 2 SGB XII i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB XII, § 1 Abs. 1, § 2 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII in der Fassung des Art. 122 des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes – VRG – vom 1. Juli 2004 <GBl. S. 469, 534>, § 42 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX <in der Fassung bis 31. Dezember 2017 durch das Gesetz vom 19. Juni 2001 <BGBl. I S. 1046> mit nachfolgenden Änderungen <zu diesem Gesetz i.F.: a.F.>, § 63 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX <in der Fassung ab 1. Januar 2018 durch das BTHG> <zu diesem Gesetz i.F.: n.F.>). Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten für die Hilfe zur Pflege ist ebenfalls gegeben; diese beruht auf § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII, wonach für die stationäre Leistung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt haben. Vor ihrem Umzug in das im Stadtkreis H. gelegene Pflegeheim hatte die Klägerin ihren Wohnsitz in E. im Landkreis des Beklagten.

4. Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch bilden § 19 Abs. 3 SGB XII und § 61 Satz 1 SGB XII in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung. Gem. § 19 Abs. 3 SGB XII wird u.a. Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches (§§ 82 ff. SGB XII) nicht zuzumuten ist. Gem. § 61 Satz 1 SGB XII haben Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a SGB XII sind, Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels aufbringen.

Pflegebedürftig im Sinne von § 61a Abs. 1 SGB XII sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Pflegebedürftige Personen im Sinne des Satzes 1 können körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen. Die Klägerin, die im streitigen Zeitraum in den Pflegegrad 4 eingestuft war (zur Bindungswirkung der Entscheidung der Pflegekasse vgl. § 62a SGB XII), erfüllt diese Voraussetzungen. Bei ihr liegen auch die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Pflege in stationären Einrichtungen vor (§ 65 SGB XII), da aufgrund der Folgen einer zerebrovaskulären Krankheit und einer Demenz häusliche oder teilstationäre Pflege nicht mehr möglich ist. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

a. Der Bedarf der Klägerin ergibt sich aus dem von ihr der stationären Einrichtung auf Grundlage des Heimvertrages geschuldeten Entgelt, dessen Höhe sich nach der im Einvernehmen mit dem örtlichen Sozialhilfeträger zwischen dem Einrichtungsträger und den Pflegekassen geschlossenen Vergütungsvereinbarung bestimmt (§ 75 Abs. 5 SGB XII in der bis zum 25. April 2019 geltenden Fassung) sowie dem Barbetrag zur persönlichen Verfügung i.S.d. § 27b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XII. Die Klägerin hatte im streitigen Zeitraum Gesamteinrichtungskosten i.H.v. monatlich 4.281,60 Euro zu tragen. Beim Bedarf der Klägerin ist weiter der Barbetrag i.H.v monatlich 112,32 Euro zu berücksichtigen, wie der Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt hat, so dass ein Gesamtbedarf von 4.393,92 Euro vorgelegen hat. Hiervon abzusetzen sind die der Klägerin von der Pflegekasse gewährten Leistungen i.H.v. monatlich 1.948,09 Euro. Danach besteht ein Gesamtbedarf der Klägerin von monatlich 2.445,83 Euro,

b. Von diesem Bedarf ist zunächst das Einkommen der Klägerin abzusetzen. Nach § 82 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB XII gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Einkünfte aus Rückerstattungen, die auf Vorauszahlungen beruhen, die Leistungsberechtigte aus dem Regelsatz erbracht haben, sind kein Einkommen. Einkommen in diesem Sinne ist alles, was jemand in dem Bedarfszeitraum wertmäßig dazu erhält, während Vermögen das ist, was er in der Bedarfszeit bereits hat. Mittel, die der Hilfesuchende also erst in der Bedarfszeit erhält – hier die Rentenzahlungen –, sind regelmäßig als Zufluss in der Bedarfszeit Einkommen. Mittel, die der Hilfesuchende früher, wenn auch erst in einer vorangegangenen Bedarfszeit, als Einkommen erhalten hat, sind, soweit sie in der aktuellen Bedarfszeit noch vorhanden sind, Vermögen (Senatsbeschluss vom 26. Juni 2019 – L 7 SO 3204/17 – n.v.; vom 11. November 2019 – L 7 SO 1282/18 – n.v.). Für die Frage, wann etwas zufließt, ist grundsätzlich vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, soweit nicht normativ ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt wird (modifizierte Zuflusstheorie; BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 35/07 R – juris Rdnr. 14; vgl. Bundesverwaltungsgericht <BVerwGE> 108, 296 ff.; ebenso für das Recht des SGB II: BSG, Urteile vom 30. Juli 2008 – B 14 AS 26/07 R – und vom 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R –, SozR 4-4200 § 11 Nr. 15, sowie – B 4 AS 57/07 R).

Der Beklagte hat danach auch zutreffend die Renten der Klägerin im Zuflussmonat als Einkommen und das auf den Konten noch vorhandene Guthaben im Folgemonat als Vermögen berücksichtigt. Als Einkommen anzusetzen sind danach die von der Klägerin bezogene Witwenrente i.H.v. 754,61 Euro (ab 1. Juli 2018: 778,91 Euro) sowie ihre Altersrente i.H.v. 644,11 Euro (ab 1. Juli 2018: 664,85 Euro), somit insgesamt 1.398,72 Euro (ab 1. Juli 2018: 1.443,76 Euro). Hiervon abzusetzen sind gem. § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII die Kosten für eine Haftpflichtversicherung i.H.v. monatlich 8,56 Euro. Danach verbleibt ein ungedeckter monatlicher Bedarf von 1.055,67 Euro bzw. ab 1. Juli 2018 von 1.010,63 Euro.

c) Weiter zu berücksichtigen ist das Vermögen der Klägerin. Gem. § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen, wobei die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden darf vom Einsatz oder von der Verwertung kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte, dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII). Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1b der Verordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII sind kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte für jede volljährige Person 5.000,00 Euro.

Das Guthaben der Klägerin auf ihrem Girokonto Nr. 000 bei der Sparkasse H. hat am 28. Februar 2018 3.116,85 Euro, am 1. März 2018 3.866,47 Euro, am 1. April 2018 3.168,02 Euro, am 1 Mai 2018 1.903,06 Euro, am 1. Juni 2018 1.713,03 Euro, am 1. Juli 2018 1.471,03 Euro, am 1. August 2018 1.498,86 Euro und am 1. September 2018 1.481,08 Euro betragen. Das Guthaben der Klägerin auf ihrem Sparkonto Nr. 001bei der Sparkasse H. hat am 28. Februar 2018, 1. März 2018 und 1. April 2018 jeweils 5.002,02 Euro und am 1. Juni 2018, 1. Juli 2018, 1. August 2018 und am 1. September 2018 jeweils 1.217,00 Euro betragen. Das Guthaben der Klägerin hat sich danach insgesamt am 28. Februar 2018 auf 8.118,87 Euro, am 1. März 2018 auf 8.869,22 Euro, am 1 April 2018 auf 8.170,77 Euro, am 1. Mai 2018 auf 6.905,81 Euro, am 1. Juni 2018 auf 5.515,28 Euro, am 1. Juli 2018 auf 5.273,91 Euro, am 1. August 2018 auf 5.301,11 Euro und am 1. September 2018 auf 5.283,33 Euro belaufen. Damit war sie bis zum 31. Mai 2018 auch nach Abzug des Freibetrags von 5.000,00 Euro in der Lage, ihren Bedarf i.H.v. monatlich 1.055,67 Euro zu decken. Insoweit ist die Berufung nicht begründet.

Der Wert des Urnenwahlgrabs i.H.v. 1.217,00 Euro, das die Klägerin im April 2018 erworben und am 15. Mai 2018 bezahlt hat, stellt ab dem Monat Juni 2018 keinen anrechenbaren Vermögenswert mehr dar. Bereits das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte dem Wunsch des Menschen, für die Zeit nach seinem Tod durch eine angemessene Bestattung und Grabpflege vorzusorgen, Rechnung getragen und Vermögen aus einem Bestattungsvorsorgevertrag sowohl für eine angemessene Bestattung als auch für eine angemessene Grabpflege als Schonvermögen im Sinne der Härtefallregelungen angesehen (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 – 5 C 84.02FEVS 56, 302 ff.). Dem hat sich das BSG angeschlossen (BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06 R – juris Rdnr. 22) und darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung eine Gesetzesinitiative des Bundesrates, mit der die ausdrückliche Privilegierung eines Bestattungsvorsorgevertrages im Gesetz vorgesehen war, mit der Begründung abgelehnt hat, die vorgesehene Regelung sei nicht erforderlich, weil bereits nach geltendem Recht mit der Härtefallregelung in § 90 Abs. 3 SGB XII sowie mit der Vorschrift des § 74 SGB XII eine menschenwürdige Bestattung für Sozialhilfeempfänger sichergestellt sei (BT-Drucks. 16/239, Art. 3 Nr. 4, S. 10, 15 und 17). Diese Erwägungen sind auch auf die Kosten für die Anschaffung eines Urnenwahlgrabes übertragbar. Denn auch diese zielt darauf, für die Bestattung vorzusorgen.

Dem steht auch nicht entgegen, dass durch den Kauf des Urnenwahlgrabes Hilfebedürftigkeit eingetreten ist.  Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Klägerin das Urnenwahlgrab in der Absicht (direkter Vorsatz) erworben hätte, ihre Hilfebedürftigkeit herbeizuführen (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII), nicht jedoch dann, wenn sie ihre Hilfebedürftigkeit nur grob fahrlässig oder vorsätzlich (einfacher Vorsatz) herbeigeführt hätte (BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06 R – juris Rdnr. 23). Die Klägerin hat jedoch das Urnenwahlgrab nicht erworben, um Sozialhilfe zu erhalten. Hiergegen spricht zum einen schon der Umstand, dass sie sich bereits seit dem 15. März 2017 im Pflegeheim befand, ein erster Antrag auf Hilfe zur Pflege mit Bescheid vom 22. November 2017 abgelehnt worden war und die Klägerin die Kosten der Heimpflege zunächst aus ihrem Vermögen bestritten hat. Gegen eine vorsätzliche Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit spricht zudem maßgeblich der zeitliche Zusammenhang mit einer anstehenden Verlängerung eines Tiefgrabes. Nachdem dieses bereits im Jahr 2015 für drei Jahre verlängert worden war, hätte im Jahr 2018 eine weitere Verlängerung angestanden. Hierfür wären ausweislich der Auskunft der Stadt E. vom 30. April 2020 Kosten i.H.v. mindestens 2.364,00 Euro entstanden. Zur Überzeugung des Senats war danach der Entschluss der Klägerin, das Tiefgrab wegen der damit verbundenen Kosten aufzugeben, maßgeblich für den Kauf des Urnenwahlgrabs.

Obwohl sich das Vermögen der Klägerin durch die Überweisung der Gebühr für die Urnengrabwahlstätte am 15. Mai 2018 vermindert hatte, besteht kein anteiliger Anspruch für den Monat Mai 2018. Anders als für Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gilt jedenfalls für die Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII keine taggenaue Betrachtung des zu berücksichtigenden Vermögens (vgl. zum SGB II BSG, Urteil vom 20. Februar 2020 - B 14 AS 52/18 R - juris Rdnr. 34). Maßgeblich bleibt vielmehr das zu Beginn des jeweiligen Monats im Bedarfszeitraum maßgebliche Vermögen. Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn auf den Zeitpunkt der Entstehung des Bedarfs abgestellt wird. Denn die Rechnung für den Abrechnungszeitraum 1. Mai 2018 bis 31. Mai 2018 datiert vom 2. Mai 2018, die Zahlung der Klägerin hierauf ist gleichfalls am 2. Mai 2018, erfolgt und damit noch vor der Zahlung auf das Urnenwahlgrab am 15. Mai 2018.

Damit hat das verwertbare Vermögen der Klägerin nach Abzug des Vermögensfreibetrags von 5.000,00 Euro im Juni 2018 515,28 Euro, im Juli 2018 273,91 Euro, im August 2018 301,11 Euro und im September 2018 283,33 Euro betragen und ist auf ihren – nach Anrechnung des Einkommens – ungedeckten Bedarf im Juni 2018 von 1.055,67 Euro und von Juli bis September 2018 von 1.010,63 Euro anzurechnen. Danach ergibt sich ein Anspruch für Juni 2018 i.H.v. 540,39 Euro, für Juli 2018 i.H.v. 736,72 Euro, für August 2018 i.H.v. 709,52 Euro und für September 2018 i.H.v. 727,30 Euro.

5. Unzutreffend ist die vom SG im angefochtenen Urteil vertretene Rechtsauffassung, ein Sozialhilfeanspruch sei bereits dann ausgeschlossen, wenn das Vermögen den Schonbetrag übersteige. Anrechenbar ist vielmehr nur das den Schonbetrag im jeweiligen Bedarfszeitraum übersteigende Vermögen und mindert nur in dieser Höhe den Anspruch. Zu differenzieren ist insoweit zwischen einer zeitlichen und einer betragsmäßigen Dimension.

a) Hinsichtlich der zeitlichen Dimension kann einsetzbares Vermögen, das tatsächlich nicht für den Lebensunterhalt verbraucht worden ist, der Hilfebedürftigkeit Monat für Monat aufs Neue entgegengehalten werden; es gibt keinen „fiktiven Vermögensverbrauch“ (Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider/Legros, SGB XII, 20. Aufl. 2020, § 90 Rdnr. 17; Senatsurteil vom 20. September 2019 - L 7 SO 4349/16 - juris Rdnr. 42). Nach § 90 SGB XII zu berücksichtigendes Vermögen steht also, soweit und solange es (noch) nicht eingesetzt oder verwertet wurde, einem Bezug von Leistungen nach dem SGB XII auch dann entgegen, wenn es nicht den Bedarf für den gesamten Bedarfszeitraum gedeckt hätte (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 22. April 1999 – 12 B 97.2067 – juris Rdnr. 9; Bayerischer VGH, Beschluss vom 1. Dezember 2004 – 12 CE 04.2090 – juris Rdnr. 14) bzw. zur Deckung des Bedarfs für den gesamten Bedarfszeitraum ausgereicht hätte (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 19/10 R – juris Rdnr. 27; so bereits BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1997 – 5 C 7/96 – juris Rdnr. 33 zu §§ 11, 88 BSHG).

b) Hiervon zu unterscheiden ist die betragsmäßige Dimension. Nach § 61 SGB XII haben Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a SGB XII sind, Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen nicht zuzumuten ist, dass sie die benötigten Mittel aus dem Einkommen und dem Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels aufbringen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist ein Anspruch ausgeschlossen, soweit der Bedarf durch Einkommen und Vermögen gedeckt ist. Deshalb besteht keine Hilfebedürftigkeit, solange vorhandenes und nach Abzug der Freibeträge zu berücksichtigendes Vermögen vorliegt und den monatlichen Bedarf übertrifft (Senatsurteil vom 25. September 2019 - L 7 SO 4349/16 - juris Rdnr. 42). Reicht jedoch das den Schonbetrag übersteigende zu berücksichtigende Vermögen zur Deckung des Hilfebedarfs im jeweiligen Monat nicht aus, liegt insoweit ein ungedeckter Bedarf vor.

Soweit das BSG ausgeführt hat, dass das Vermögen so lange zu berücksichtigen ist, als es noch vorhanden und nicht bis zur Grenze des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII verbraucht wurde (BSG, Urteil vom 25. August 2011 - B 8 SO 19/10 R - juris Rdnr. 27), hat sich dies nur auf die zeitliche Dimension im Sinne einer wiederholten Berücksichtigung nicht verbrauchten Vermögens bezogen. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des BSG vom 20. September 2012 (B 8 SO 20/1 R). Dort hatte der beklagte Leistungsträger im streitigen Zeitraum Leistungen in Form der ungedeckten Heimkosten u.a. unter Berücksichtigung eines einzusetzenden Vermögensbetrags von monatlich 1.148,45 Euro bewilligt. Dies beruhte darauf, dass der Leistungsempfänger über ein Gesamtvermögen von 4.362,45 Euro verfügte, das den Vermögensfreibetrag in Höhe von 3.214 Euro um 1.148,45 Euro überschritt. Hätte allein deshalb kein Leistungsanspruch bestanden, weil den Vermögensfreibetrag übersteigendes Vermögen vorhanden war, wäre allein eine Zurückweisung der Revision in Betracht gekommen, nicht jedoch eine Zurückverweisung zur Ermittlung des ungedeckten Bedarfs.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem nur teilweisen Obsiegen der Klägerin.

7. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.

Rechtskraft
Aus
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