L 9 SO 29/16

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 37 SO 249/14
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 29/16
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck

vom 25. April 2016 wird zurückgewiesen.

 

Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger sind auch für

das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

 

T a t b e s t a n d

 

Streitig ist zwischen den Beteiligten einerseits die Übernahme der Kosten für die stationäre Betreuung des Klägers zu 3 in einer heilpädagogischen Wohngruppe für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Juli 2014 und andererseits die Heranziehung der Kläger zu 1 und 2 zu einem Kostenbeitrag für die Zeit vom 1. August 2014 bis zum 31. Juli 2015.

 

Der im November 1999 geborene Kläger zu 3 ist der leibliche Sohn des Klägers zu 1 und der Klägerin zu 2, die miteinander verheiratet sind.

Beim Kläger zu 3 besteht eine ausgeprägte geistige Behinderung mit einem erheblich verzögerten kognitiven Entwicklungsstand, einer Bewegungsunruhe und Rastlosigkeit sowie eine symptomatische Epilepsie mit erheblicher Sprachentwicklungsverzögerung. Festgestellt ist ein Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen G, H und B.

Der Kläger zu 1 erzielte ein durchschnittliches Einkommen aus einer unselbstständigen Tätigkeit in Höhe von 3.350,14 EUR brutto monatlich (Stand Dezember 2013). Die Klägerin zu 2 ist auf Dauer voll erwerbsgemindert. Sie ist aufgrund einer Multiple Sklerose - Erkrankung erblindet und hat einen Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen, H, B, RF und Bl. Sie bezog eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von 781,68 EUR (Stand Juli 2013) und eine Betriebsrente in Höhe von 152,50 EUR (Stand Juli 2013) und zudem Landesblindengeld.

Für den Kläger zu 3 erhielten die Kläger zu 1 und zu 2 Kindergeld.

Der Kläger zu 3 besuchte seit seiner Einschulung im Schuljahr 2006/2007 und auch im streitgegenständlichen Zeitraum die W_______-Schule in A_______, ein Förderzentrum mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung in der Trägerschaft des Kreises Stormarn.

Am 10. September 2010 stellten der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 beim Beklagten einen Antrag auf Kostenübernahme ab Oktober 2010 für die stationäre Unterbringung in der heilpädagogischen Wohngruppe für Kinder mit Behinderungen in SA______, deren Trägerin die Lebenshilfewerk S_______ gGmbH ist. Sie begründeten den Antrag damit, dass es ihnen insbesondere aufgrund der Behinderung der Klägerin zu 2 unmöglich sei, ihren Sohn in seiner Entwicklung adäquat zu fördern, ohne sich selbst zu überlasten. In der Wohngruppe würden ihm diejenigen Hilfen, Anleitungen und Unterstützungen geboten, die notwendig seien, um die für eine eigenständigere Lebensgestaltung erforderlichen Fähigkeiten zu verbessern und zu erweitern.

Für die stationären heilpädagogischen Wohngruppen der Lebenshilfewerk S_______ gGmbH bestand mit Datum vom 26. April 2005 eine unbefristete Leistungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), mit dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Hol­stein.

 

Am 9. Oktober 2010 wurde der Kläger zu 3 in die Wohngruppe aufgenommen.

Am 24. November 2010 fand ein Hilfeplangespräch statt. Als Ergebnis wurde in einer Stellungnahme des Beklagten vom 30. November 2010 festgehalten, dass die Betreuung in einer heilpädagogischen Wohngruppe angemessen und notwendig sei, um dem Kläger zu 3 eine qualifizierte Förderung und pädagogisch notwendige Strukturierung zu geben.

Mit Bescheid vom 1. März 2011 bewilligte der Beklagte die Übernahme der Kosten für die stationäre Betreuung des Klägers zu 3 in der heilpädagogischen Wohngruppe der Lebenshilfe S_______ in SA_______ für die Zeit vom 9. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011. Der Bescheid enthielt die Regelung, dass die Leistung nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes jeweils für einen Monat weiterbewilligt werde, sofern sich keine Änderung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers zu 3 ergebe, längstens zunächst bis zum 31. Dezember 2012. Gegenüber dem Kläger zu 1 und der Klägerin zu 2 wurde ein Kostenbeitrag für ersparte Aufwendungen im häuslichen Lebensunterhalt in Höhe von monatlich 200,80 EUR festgesetzt. Auf den Weiterbewilligungsantrag der Kläger bewilligte der Beklagte nach eingeholter Stellungnahme durch seinen Bereich der sozialpädagogischen Hilfeplanung vom 27. Dezember 2012 die Leistungen mit Bescheid vom 1. Februar 2013 weiter für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2013. Der monatliche Kostenbeitrag des Klägers zu 1 und der Klägerin zu 2 für ersparte Aufwendungen betrug für diesen Zeitraum 204,00 EUR monatlich.

Gegen jene Bewilligungsbescheide wurden keine Rechtsmittel eingelegt.

 

Für die Weiterbewilligung ab dem 1. Januar 2014 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass sich die Rechtslage zum Einkommens- und Vermögenseinsatz bei stationär betreuten Kindern und Jugendlichen geändert habe und daher das Einkommen und Vermögen des Klägers zu 1 und der Klägerin zu 2 geprüft werden müsse.

Auf der Basis der eingereichten Unterlagen der Kläger berechnete der Beklagte den Kostenbeitrag ab dem 1. Januar 2014 neu. Mit Schreiben vom 16. April 2014 hörte er die Kläger zu einem Einsatz von Einkommen und Vermögen ab dem 1. Januar 2014 an. Als einzusetzendes Einkommen hatte er einen Betrag von 850,50 EUR monatlich ermittelt. Zudem hatte er vorrangig einzusetzendes Vermögen in Höhe von 17.010,37 EUR festgestellt.

 

Hierzu nahmen die Kläger am 6. Juni 2014 durch ihre Prozessbevollmächtigte Stellung. Sie machten im Wesentlichen geltend, dass die Aufnahme des Klägers zu 3 in die Wohngruppe zur Sicherstellung seines Schulbesuchs und zur Begleitung und Förderung seines schulischen Werdegangs erfolgt sei. Ohne die Struktur, die ihm die stationäre Wohngruppe vermittle, die intensive Betreuung und die Maßnahmen in Bezug auf den Umgang mit Hilfsmitteln zur Verständigung wie dem „Go-Talker“ wäre die weitere erfolgreiche Beschulung erheblich gefährdet.

Der Beklagte holte eine sozialpädagogische Stellungnahme aus dem Bereich der sozialpädagogischen Hilfeplanung vom 17. Juli 2014 ein. Hierin wurde ausgeführt, dass bisher kein Bedarf des Klägers zu 3 an Schulbegleitung oder an schulspezifischen Therapien bestanden habe. Der soziale Entwicklungsprozess, der im außerschulischen Bereich in der Wohngruppe gefördert werden könne, sei keine Voraussetzung für die Teilnahme am täglichen Schulbesuch im Förderzentrum. Sein Schulbesuch sei auch nicht davon abhängig, dass er im außerschulischen Rahmen mit dem „Go-Talker“ arbeite, wenngleich dies vorteilhaft sein könne. Zum Beginn der stationären Unterbringung und auch danach habe es keine Informationen darüber gegeben, dass diese im Zusammenhang mit der schulischen Versorgung des Klägers zu 3 stehe. Eine Erhöhung seiner lebenspraktischen Fähigkeiten könne sein Leben und damit auch den Lebensbereich Schule zwar erleichtern. Sie erhöhe aber nicht seine individuelle Lernfähigkeit, weil sie keinen Einfluss auf seine Fähigkeiten habe, die Kulturtechniken wie Schreiben, Lesen und Rechnen zu erlernen.

Die entwicklungsfördernde Betreuung und den engagierten Austausch mit der Schule könnten grundsätzlich auch Eltern erbringen.

 

Mit Bescheid vom 18. Juli 2014 bewilligte der Beklagte den Klägern die Kostenübernahme für die stationäre Betreuung des Klägers zu 3 ab dem 1. August 2014 zunächst für einen Monat. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes werde die Leistung jeweils für einen Monat weiter bewilligt, sofern sich keine Änderung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ergebe, längstens jedoch bis zum 31. Juli 2015. Beginnend ab August 2014 sei von den Klägern zu 1 und zu 2 ein Kostenbeitrag in Höhe von monatlich 850,50 EUR zu leisten. Dieser ergebe sich aus der durchgeführten Einkommensberechnung, nach der ein zu berücksichtigendes Einkommen über der Einkommensgrenze in Höhe von monatlich 2.466,51 EUR bestehe. Bei der Prüfung, in welchem Umfang der Einkommenseinsatz angemessen sei, seien Schuldverpflichtungen aus Krediten für den behindertengerechten Umbau des Bades und zur Erneuerung der Heizungsanlage in Höhe von monatlich 207,98 EUR als besondere Belastung berücksichtigt worden. Weiterhin würden als besondere Belastung die Beiträge zur privaten Kranken-und Pflegeversicherung in Höhe von monatlich 132,28 EUR berücksichtigt. Da die Klägerin zu 2 blind im Sinne des § 72 SGB XII sei, könnten nur 40 v.H. des einzusetzenden Einkommens als Kostenbeitrag gefordert werden. Daraus ergebe sich ein Kostenbeitrag in Höhe von monatlich 850,50 EUR.

Des Weiteren sei eine Vermögensprüfung vorzunehmen gewesen. Bei den Klägern zu 1 und zu 2 habe Vermögen in Form von Guthaben auf drei Girokonten und in Form eines Guthabens eines Bausparvertrages und eines Guthabens eines Sparvertrages in Höhe von insgesamt 20.480,37 EUR bestanden. Geschützt gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 1b der Verordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII sei ein Betrag von 3.470,00 EUR. Der darüber hinaus gehende Betrag von 17.010,37 EUR sei vorrangig zur Bedarfsdeckung einzusetzen. Aus diesem Grund könnten die Kosten der stationären Betreuung des Klägers zu 3 in der heilpädagogischen Wohngruppe erst ab dem 1. August 2014 übernommen werden.

Zur weiteren Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Unterbringung des Klägers zu 3 in der Wohngruppe nicht vordergründig dem Ziel diene, den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern. Die Unterbringung wäre vielmehr auch unabhängig vom Alter bzw. der Schulpflicht erforderlich, um ihm eine altersgemäße Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und ein höheres Maß an Selbstständigkeit zu ermöglichen. Ein direkter Bezug zum Schulbesuch bestehe nicht. Aus sozialpädagogischer Sicht sei dem Kläger zu 3 eine Teilhabe am schulischen und sozialen Leben möglich, wenngleich er besonderer Bedingungen und einer Aufsicht bedürfe, die nicht seinem kalendarischen Alter entspreche. Eine Erhöhung seiner lebenspraktischen Kompetenzen könne sein Leben und damit auch den Lebensbereich Schule erleichtern, da er weniger auf Hilfe angewiesen sei. Es erhöhe allerdings nicht seine individuelle Lernfähigkeit, weil sie keinen Einfluss auf seine Fähigkeiten habe, Kulturtechniken zu erlernen. Es lägen keine Hinweise für eine drohende Unbeschulbarkeit durch die Schule vor. Aus diesen Gründen könne die Kostenübernahme nicht im Rahmen der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung gemäß §§ 53, 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Eingliederungshilfeverordnung (EinglHVO) erfolgen.

 

Hiergegen erhoben die Kläger am 23. Juli 2014 Widerspruch. Zur Begründung wiederholten und vertieften sie ihren Vortrag aus dem Anhörungsverfahren. Ergänzend führten sie aus, dass auch die Höhe des Kostenbeitrages aus dem Einkommen und der Vermögenseinsatz falsch ermittelt worden seien.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass gemäß § 92 Abs. 1 SGB XII bei einer Behinderung die Leistungen für eine stationäre Einrichtung auch dann in vollem Umfang zu erbringen seien, wenn den in § 19 Abs. 3 SGB XII genannten Personen die Aufbringung der Mittel zu einem Teil zuzumuten sei. In Höhe dieses Teils hätten der Hilfeempfänger bzw. seine Eltern zu den Kosten der Hilfe beizutragen. Um eine solche Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft handele es sich bei der stationären Betreuung des Klägers zu 3. Die Vermittlung von Schulbildung sei primär Aufgabe der Schule. Wenn Art und Schwere der Behinderung keine Beschulung an einer Regelschule möglich machten, sei eine Beschulung an einem passenden Förderzentrum, wie im Fall des Klägers zu 3, möglich. Der Kläger zu 3 besuche bereits seit mehreren Jahren die W_______-Schule. Diese besondere Schule halte qualifizierte Sonderschulkräfte und ergänzendes Zusatzpersonal vor, um dem Personenkreis, dem der Kläger zu 3 angehöre, eine individuelle und geeignete Förderung angedeihen zu lassen. Es gehöre zum Bildungsauftrag dieser Schule, ausschließlich körperlich und geistig schwerstbehinderte Schülerinnen und Schüler mit einem besonders intensiven sonderpädagogischen Förderungsbedarf mittels eines kleinschrittigen Unterrichts in kleinen Klassen überhaupt erst zu befähigen, bestimmte Lerninhalte vor dem Hintergrund ihrer Beeinträchtigungen zu erfassen. Der Schwerpunkt liege auf pädagogischem Gebiet und gehe weit über die eigentliche Wissensvermittlung hinaus. Die Förderung von lebenspraktischen Fähigkeiten, von Kommunikationsfähigkeit und von angemessenen Verhaltensweisen gehöre bei der Woldenhorn- Schule zu den gewöhnlichen Unterrichtszielen. Der Kläger zu 3 besuche diese Schule seit seiner Einschulung. An seiner Beschulung habe sich durch den Einzug in die Wohngruppe nichts geändert. Eine fachgerechte Versorgung des Klägers zu 3 zu Hause bei den Eltern könne aufgrund der Erkrankung der Klägerin zu 2 und des Schichtdienstes des Klägers zu 1 nicht geleistet werden. Die Unterbringung des Klägers zu 3 in der heilpädagogischen Wohngruppe diene damit nicht vordergründig dem Ziel, den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern, sondern wäre auch unabhängig vom Alter oder der Schulpflicht erforderlich.

Hinsichtlich der Berechnung des einzusetzenden Einkommens und Vermögens wiederholte der Beklagte seine Ausführungen aus dem angefochtenen Bescheid vom 18. Juli 2014.

 

Hiergegen haben die Kläger am 19. Dezember 2014 Klage beim Sozialgericht Lübeck erhoben.

Zuvor hatten sie am 7. August 2014 zum Aktenzeichen S 37 SO 150/14 ER beim Sozialgericht Lübeck einen Eilantrag gestellt. Diesen Antrag hatte das Sozialgericht mit Beschluss vom 3. November 2014 abgelehnt. Es hatte den Antrag dahin ausgelegt, dass für den jetzigen Kläger zu 3 die Übernahme der Kosten für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Juli 2014 und für die jetzigen Kläger zu 1 und zu 2 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Festsetzung eines Kostenbeitrags und des Einsatzes von Vermögen begehrt wurde. Der Antrag des jetzigen Klägers zu 3 war wegen fehlenden Anordnungsgrundes abgelehnt worden, der Antrag der jetzigen Kläger zu 1 und zu 2 wegen der zugunsten des jetzigen Beklagten ausfallenden Interessenabwägung. Die dagegen am 10. November 2014 zum Aktenzeichen L 9 SO 202/14 B ER erhobene Beschwerde der jetzigen Kläger hatte der Senat mit Beschluss vom 12. Dezember 2014 zurückgewiesen.

 

In dem Klageverfahren beim Sozialgericht Lübeck haben die Kläger zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, Anlass der Aufnahme des Klägers zu 3 in die heilpädagogische Wohngruppe sei gewesen, dass er zuvor in der Schule erhebliche Verhaltensauffälligkeiten in Form einer starken Verweigerungshaltung gezeigt habe. Die Aufnahme in die Wohngruppe sei daher zur Sicherstellung des Schulbesuchs und der Begleitung und Förderung seines schulischen Werdegangs erfolgt. Durch die Struktur und die engmaschige Betreuung in der Wohngruppe habe sich die schulische Situation des Klägers zu 3 in der Weise entscheidend verbessert, dass er sich länger konzentrieren könne und sich aktiv am Unterricht beteilige. Dies ergebe sich auch aus dem Kurzbericht der Sonderschullehrerin der W_______-Schule vom 14. Mai 2014. Darin beschreibe diese, dass in Bezug auf die Verweigerungshaltung und das fehlende Gefahrenverständnis des Klägers zu 3 eine enge Zusammenarbeit zwischen stationärer Wohngruppe und Schule erforderlich sei und es zudem notwendig sei, dass die Lernziele in der Schule und in der Wohngruppe aufeinander abgestimmt seien. Die intensive tägliche Zusammenarbeit mit der Schule sei auch ausdrücklich in der Leistungsvereinbarung des Lebenshilfewerks S______ vom 26. April 2005 vorgesehen. Bei Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung einschließlich der Vorbereitung hierzu regele § 92 Abs. 2 Ziff. 2 SGB XII, dass den in § 19 Abs. 3 SGB XII genannten Personen die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten sei. Der Begriff der Schulbildung sei dabei weit zu verstehen und nicht auf den eigentlichen Schulbesuch beschränkt.

Vorsorglich werde auch die konkrete Berechnung des Kostenbeitrages der Höhe nach bestritten. Ermessen habe der Beklagte bei der Prüfung, welcher Einkommenseinsatz oberhalb der Einkommensgrenze angemessen sei, nicht nachvollziehbar ausgeübt. Sie – die Kläger – hätten darauf vertraut, dass die bisherigen Grundlagen der Einkommensbemessung unverändert fortbestünden. Zunächst habe der Beklagte die Leistungen ohne den Einsatz von Einkommen und Vermögen gewährt.

Sämtlicher Vortrag aus dem gerichtlichen Eilverfahren S 37 SO 150/14 ER und L 9 SO 202/14 B ER werde zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht.

Im vorgenannten Verfahren hatten die Kläger unter anderem einen undatierten Bericht der Wohneinrichtung zur individuellen Hilfeplanung und den Sonderpädagogischen Förderplan der Schule für die Zeit von Januar 2014 bis Januar 2015 übersandt.

 

Die Kläger haben beantragt,

 

den Beklagten unter Abänderung seines Bescheids vom 18. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2014 zu verurteilen, die Kosten für die Betreuung des Klägers zu 3 in der Wohneinrichtung Heilpädagogische Wohngruppe für Kinder der Lebenshilfe in S______ in SA____ auch für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. Juli 2015 ohne Einkommens- und Vermögenseinsatz unter Berücksichtigung lediglich des Betrages für häusliche Ersparnis zu übernehmen.

 

Der Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Er hat zur Begründung auf seine Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und in den Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz verwiesen. Ergänzend hat er angemerkt, es sei bemerkenswert, dass im Rahmen des gerichtlichen Eilverfahrens Berichte zum Gegenstand gemacht worden seien, die stärker den schulischen Förderbedarf heraushöben, die aber zum Zeitpunkt der Bedarfsfeststellung bei ihm
– dem Beklagten – nicht vorgelegen hätten.

 

Das Sozialgericht Lübeck hat mit Urteil vom 25. April 2016 den Bescheid des Beklagten vom 18. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2014 dahingehend abgeändert, dass die Kläger (zu 1 und zu 2) für die Kosten der Betreuung des Klägers zu 3 in der Wohneinrichtung Heilpädagogische Wohngruppe für Kinder der Lebenshilfe S_______ in SA_____ für den Zeitraum vom 1. August 2014 bis zum 31. Juli 2015 einen Kostenbeitrag lediglich in Höhe von 646,34 EUR monatlich zu leisten haben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

 

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beklagte dem Grunde nach auf Grundlage des § 92 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB XII i.V.m. §§ 19 Abs. 3, 82, 85, 87 SGB XII berechtigt gewesen sei, gegenüber den Klägern zu 1 und zu 2 einen Kostenbeitrag zu den Kosten der Betreuung des Klägers zu 3 in der heilpädagogischen Wohngruppe festzusetzen, weil § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nicht einschlägig sei. Bei der stationären Betreuung des Klägers zu 3 in der heilpädagogischen Wohngruppe der Lebenshilfe S_______ handele es sich vorrangig um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe in Form von Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX), und nicht um Leistungen zu einer angemessenen Schulbildung nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII.  Unzutreffend sei jedoch die ermittelte Höhe des von den Klägern monatlich zu leistenden Kostenbeitrags.

Der Kläger (zu 3) gehöre unstreitig zum leistungsberechtigten Personenkreis im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und §§ 1 Nr. 6, 2 der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung – EingliederungshilfeVO). Er habe neben dem Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auch Anspruch auf Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung. Die Abgrenzung der einzelnen Maßnahmen voneinander erfolge in Anwendung der vom Bundessozialgericht entwickelten Grundsätze (BSG, Urteil vom 19. Mai 2009, B 8 SO 32/07 R – juris, Rdn. 17). Bei Unteilbarkeit der Leistung sei auf den primären Zweck der Maßnahme abzustellen. Könne im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden, dass die Maßnahme als eine Art Nebeneffekt auch den Schulbesuch erleichtere, stehe aber der Eingliederungszweck der Maßnahme, die den Leistungen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zuordnen sei, (eindeutig) im Vordergrund, so sei die Maßnahme allein der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zuzuordnen. Ein Privilegierungsfall nach § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII liege nur vor, wenn der Schwerpunkt der zu erbringenden Leistung zumindest gleichwertig bei den von ihr verfolgten beruflichen, schulischen, ausbildungsbezogenen und medizinischen Zielen liege. Die bloße mittelbare Förderung der Schulausbildung genüge nicht. Vielmehr müsse die Leistung unmittelbar mit einer konkreten (Bildungs-) Maßnahme bzw. dem Schulbesuch verknüpft sein und allein dieser spezifischen Fördermaßnahme dienen (BSG, Urteil vom 20. September 2012. B 8 SO 15/11 – juris, Rdn. 21).

Dies sei weder nach der vorliegenden Leistungsvereinbarung der heilpädagogischen Wohngruppe noch nach den individuellen Hilfeplänen der Fall. Die intensive Zusammenarbeit der Wohneinrichtung mit der Schule begründe das nicht. Es handele sich vielmehr um die übliche von der Schule unterstützte Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern, an deren Stelle in diesem Fall die Wohneinrichtung trete.

In keinem der vorliegenden Entwicklungsberichte fänden sich Anhaltspunkte, dass zu irgendeinem Zeitpunkt die weitere Beschulbarkeit des Klägers zu 3 infolge seiner Verweigerungshaltung oder aus sonstigen Gründen gefährdet gewesen wäre.

In den Entwicklungsberichten sei vielmehr festgestellt worden, dass der Kläger zu 3 in allen Lebensbereichen weitestgehende Unterstützung und Anleitung benötigt habe. Als vorrangiges Eingliederungsziel der Maßnahme sei seine umfassende Förderung im lebenspraktischen Bereich herausgestellt worden.

Dafür spreche auch, dass die Kläger zu 1 und zu 2 in ihrem Erstantrag und auch in den Folgeanträgen stets die eigene Überforderung und die Ermöglichung einer altersgemäßen Teilhabe des Klägers zu 3 am Leben in der Gemeinschaft und ein höheres Maß an Selbstständigkeit genannt hätten. Die Probleme des Klägers zu 3 beim Schulbesuch nunmehr in den Vordergrund zu stellen, sei widersprüchlich. Der Beklagte habe die Maßnahme zu Recht durchgehend als eine solche der Förderung der Teilhabe des Klägers zu 3 am Leben in der Gemeinschaft eingeordnet.

Die Berechnung des vorrangig einzusetzenden Vermögens der Kläger durch den Beklagten begegne keinen Bedenken.

 

Unzutreffend habe er jedoch die Höhe des aus dem Einkommen der Kläger zu 1 und zu 2 zu leistenden Kostenbeitrages ermittelt.

Bei der Prüfung, welcher Umfang des Einkommenseinsatzes angemessen sei, seien gemäß § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII insbesondere die Art des Bedarfs, die Art oder Schwere der Behinderung oder der Pflegebedürftigkeit, die Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie besondere Belastungen der nachfragenden Person und ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen zu berücksichtigen. Bei schwerstpflegebedürftigen Menschen und blinden Menschen im Sinne des § 72 SGB XII sei ein Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze in Höhe von mindestens 60 v.H. nicht zuzumuten. Da die Klägerin zu 2 diese Voraussetzungen erfülle, seien mindestens 60 v.H. des Einkommens über der Einkommensgrenze freizulassen. Bezugsgröße hierfür sei der Einkommensüberhang bezogen auf die Einkommensgrenze des § 85 SGB XII. Aus den vom Beklagten zutreffend ermittelten die Einkommensgrenze überschreitenden monatlichen Einkünften der Kläger ergebe sich demnach ein maximal einzusetzendes Einkommen in Höhe von 986,04 EUR. Sodann seien besondere Belastungen zu berücksichtigen, im Fall der Kläger die Schuldverpflichtungen aus Krediten in Höhe von insgesamt 207,98 EUR sowie Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von monatlich 132,28 EUR. Insgesamt errechne sich so ein Kostenbeitrag von 646,34 EUR.

Vertrauensschutz der Kläger dahingehend, dass für einen unbeschiedenen zukünftigen Zeitraum keine Änderungen eintreten dürften und eine einmal getroffene Entscheidung für alle Zeiten unveränderlich gelte, komme nicht in Betracht.

 

Die Kläger haben gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 20. Mai 2016 zugestellte Urteil am 8. Juni 2016 Berufung eingelegt.

Sie nehmen vollinhaltlich Bezug auf ihren gesamten erstinstanzlichen Vortrag und führen ergänzend aus, es sei nicht zutreffend, dass der Schwerpunkt der zu erbringenden Leistungen zumindest gleichwertig bei den von ihnen verfolgten beruflichen, schulischen, ausbildungsbezogenen und medizinischen Zielen liegen müsse. Ausreichend sei vielmehr, dass die Leistungen zu einer Erleichterung des Schulbesuchs führen könnten. Dies sei hier der Fall. Konkrete Ermittlungen in Bezug auf die einzelnen Maßnahmen und ihre Auswirkungen habe das Sozialgericht nicht angestellt. Es werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.

 

Die Kläger beantragen,

 

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 25. April 2016 aufzuheben, soweit ein Kostenbeitrag monatlich in Höhe von 646,34 EUR festgelegt und soweit die Klage im Übrigen abgewiesen worden ist, und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 18. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2016 zu verurteilen, die Kosten für die Betreuung des Klägers zu 3 in der Wohneinrichtung Heilpädagogische Wohngruppe für Kinder der Lebenshilfe S_______ in SA_____ auch für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Juli 2015 ohne Einkommens- und Vermögenseinsatz unter Berücksichtigung lediglich des Betrages für häusliche Ersparnis zu übernehmen,

hilfsweise für den Fall, dass die Berufung zurückgewiesen wird,
ein Sachverständigengutachten einzuholen, wie im Schriftsatz vom 25. No­vember 2019 im Einzelnen ausgeführt.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er nimmt Bezug auf sein erstinstanzliches Vorbringen. Neue Erkenntnisse ergäben sich auch nicht nach nochmaliger Überprüfung der Sachlage unter Berücksichtigung der Berufungsbegründung.

 

Für den Zeitraum vom 1. August 2014 bis zum 31. Juli 2015 hat der Beklagte gegenüber der Wohneinrichtung zunächst die vollen Kosten übernommen. Die Kläger zu 1 und zu 2 haben weiterhin den Kostenbeitrag für häusliche Ersparnis an den Beklagten in Höhe von 204,00 EUR monatlich gezahlt.

Auf Nachfrage des Gerichts haben die Kläger am 19. November 2019 mitgeteilt, dass für die Zeit von Januar 2014 bis Juli 2014 eine Forderung der Einrichtungsträgerin in Höhe von 22.179,94 EUR offen sei.

Die Kläger zu 1 und zu 2 hätten als gesetzliche Vertreter des Klägers zu 3 mit Erklärung vom 13. Dezember 2017 gegenüber dem Lebenshilfe S_______ e.V. anerkannt, diesen Betrag nebst Zinsen seit dem 1. Februar 2015 zu schulden, und auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Die entsprechende Erklärung haben sie dem Gericht am 19. November 2019 übersandt.  

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte zu den Verfahren S 37 SO 150/14 ER und L 9 SO 202/14 B ER und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Die nach §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet.

 

Zu Recht hat das Sozialgericht die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) gegen den Bescheid des Beklagten vom 18. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2016 abgewiesen, soweit sie Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Juli 2014 und Leistungen für die Zeit vom 1. August 2014 bis zum 31. Juli 2015 unter Berücksichtigung eines niedrigeren Kostenbeitrages als 646,34 EUR betraf; denn der angefochtene Bewilligungsbescheid ist nach der Abänderung durch das Sozialgericht rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

Gegenstand des Verfahrens sind der Leistungsanspruch des Klägers zu 3 für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Juli 2014 einerseits (1) und die gegenüber den Klägern zu 1 und zu 2 festgesetzte Kostenbeitragsforderung für die Zeit vom 1. August 2014 bis zum 31. Juli 2015 andererseits (2). In Bezug auf den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Juli 2014 enthält der Bewilligungsbescheid eine Ablehnungsentscheidung gegenüber dem Kläger zu 3, in Bezug auf den Zeitraum vom 1. August 2014 bis zum 31. Juli 2015 enthält er eine Kostenbeitragsverfügung gegenüber den Klägern zu 1 und zu 2.

In formaler Hinsicht ist der Bescheid ordnungsgemäß ergangen. Bedenken hinsichtlich der Verknüpfung der verschiedenen Regelungsbestandteile bestehen nicht. Insbesondere ist der Kostenbeitragsbescheid, der in dem an die Kläger zu 1 und zu 2 als gesetzliche Vertreter des Klägers zu 3 adressierten Bewilligungsbescheid enthalten ist, auch hinsichtlich der unmittelbar an diese als Adressaten gerichteten Verfügung hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X).

Zwar findet sich die entsprechende Regelung erst auf Seite drei des ansonsten an den Kläger zu 3 adressierten Bescheides; aber der Verfügungssatz ist durch Fettdruck hervorgehoben und sowohl als hoheitliche Regelung erkennbar als auch inhaltlich eindeutig gegenüber den Klägern zu 1 und zu 2 gefasst. Es geht zweifelsfrei daraus hervor, dass der Beklagte die Kläger zu 1 und zu 2 an dieser Stelle selbst als Adressaten zur Zahlung eines Kostenbeitrags in Höhe von 850,50 EUR ab dem 1. August 2014 verpflichtet.

 

(1) Der Kläger zu 3 hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für seine Betreuung in der Wohneinrichtung der Lebenshilfe S________ in SA______ für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Juli 2014.

Der Beklagte hat zu Recht für diesen Zeitraum aufgrund vorrangig einzusetzenden Vermögens der Eltern des Klägers zu 3 gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII keine Kostenübernahme für seine stationäre Betreuung in der heilpädagogischen Wohngruppe bewilligt.

Der Senat kann es im Ergebnis offenlassen, ob der Kläger dadurch überhaupt beschwert ist. Denn er hat während des gesamten Zeitraumes vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Juli 2014 die Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der stationären Betreuung in der heilpädagogischen Wohngruppe weiter erhalten. Mit einer Zahlungspflicht in Bezug auf die für die Betreuung zu zahlende Vergütung wäre er nur dann noch belastet, wenn die Einrichtungsträgerin die entsprechende Forderung trotz am 31. Dezember 2018 insgesamt eingetretener Verjährung nach § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegen ihn durchsetzen könnte. Der Kläger zu 3 hat bisher die Einrede der Verjährung gegenüber der Lebenshilfewerk S_______ gGmbH noch nicht erklärt, und es ist zumindest zweifelhaft, ob er darauf als Maßnahme der zumutbaren Selbsthilfe verwiesen werden kann (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Oktober 2015 – L 20 SO 255/12 -, juris, Rdn. 125 f.).

 

Er hat aber keinen Anspruch auf Erbringung der Leistungen für die stationäre Wohn­einrichtung ohne Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen gemäß § 92 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII. Danach sind die in § 92 Abs. 2 Satz 1 zu den Nummern 1. bis 8. genannten Leistungen, u.a. die in Nr. 2 geregelte Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung einschließlich der Vorbereitung hierzu, insoweit privilegiert, als sie ohne Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen zu erbringen sind.

 

Das Sozialgericht hat die Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe und für die Abgrenzung der einzelnen Maßnahmen voneinander zutreffend dargestellt. Auch nach dem zeitlich nach der Entscheidung des Sozialgerichts Lübeck ergangenen Urteil des Bundessozialgerichts vom 6. Dezember 2018 zu einem außerunterrichtlichen schulischen Nachmittagsangebot in Form der Offenen Ganztagsschule (B 8 SO 7/17 R – juris) sind für die Abgrenzung der Hilfen zur angemessenen Schulbildung und der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die mit der konkreten Maßnahme verfolgten Ziele und ihre konkrete Ausgestaltung maßgebend.

Dies gilt nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (a.a.O.) dann, wenn die stationäre Betreuung des Klägers zu 3 in der heilpädagogischen Wohngruppe in einen Teil "Hilfe zur angemessenen Schulbildung" sowie in einen weiteren Teil "Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft" aufgeteilt werden kann. Entscheidend ist in dem Fall, ob im Hinblick auf den konkret beim Kläger bestehenden sonderpädagogischen Förderbedarf spezifische Fördermaßnahmen in der stationären Betreuung darauf abzielen, die im Sonderpädagogischen Förderplan der Schule für den Zeitraum Januar 2014 bis Januar 2015 genannten sonderpädagogischen Förderschwerpunkte zu unterstützen und so dem behinderten Kläger zu 3 den Schulbesuch zu ermöglichen oder zu erleichtern, § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfe-VO (BSG, a.a.O., Rdn. 19).

Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel daran, dass in der stationären Betreuung des Klägers in der heilpädagogischen Wohngruppe, die an die Stelle der außerschulischen Betreuung im Elternhaus getreten ist, ein abtrennbarer Teil der Hilfe zur angemessenen Schulbildung enthalten ist. Er ist vielmehr wie das Sozialgericht davon überzeugt, dass es sich bei den sich aus der Leistungsvereinbarung der Wohneinrichtung ergebenden einzelnen heilpädagogischen Leistungen um Anleitungen und Hilfen bei sämtlichen Verrichtungen des alltäglichen Lebens und um die Gestaltung des Zusammenlebens mit anderen und der Freizeit handelt.

Selbst wenn man im Wege einer sehr weiten Auslegung von einem innerhalb der Wohneinrichtung erbrachten abtrennbaren Teil der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung ausginge, würde dies aber nicht zu einer Privilegierung der stationären Betreuungsleistungen als Hilfe zur angemessenen Schulbildung führen.

Denn im Sinne einer personenzentrierten Betrachtungsweise können nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (a.a.O., Rdn. 22) der Leistungspflicht des Beklagten im Rahmen der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung zwar sowohl unterrichtsbegleitende als auch sonstige pädagogische Maßnahmen, die nur unterstützenden Charakter haben, sowie nicht-pädagogische Maßnahmen unterfallen. Dies gilt aber nur, wenn sie geeignet und erforderlich sind, den jeweiligen individuellen Eingliederungszweck zu erreichen. Entscheidend ist dabei als Ausgangspunkt, wie sich die vorhandenen Beeinträchtigungen des Klägers zu 3 auf seinen Schulbesuch ausgewirkt haben.

Angesichts der Tatsache, dass es weder bei der Installation der stationären Betreuung in der Wohngruppe im September / Oktober 2010 noch in der folgenden Zeit und im streitgegenständlichen Zeitraum Anhaltspunkte dafür gegeben hat, dass die Beschulbarkeit des Klägers zu 3 in dem Förderzentrum, dessen Schwerpunkte die geistige, körperliche, motorische, emotionale und seelische Entwicklung sind und auf die es dementsprechend ausgerichtet ist, gefährdet war, kann von einer Erforderlichkeit der Betreuung in der Wohngruppe für den Schulbesuch des Klägers zu 3 nicht ausgegangen werden. Belege dafür, dass die Initiative zum Einzug des Klägers zu 3 in die heilpädagogische Wohngruppe, wie von ihm vorgetragen, von der Schule ausgegangen wäre, finden sich in den gesamten vorliegenden Unterlagen nicht. Die Begründung des Erstantrages durch die Kläger zu 1 und zu 2 vom 10. September 2010 stellt allein auf die – plausible und nachvollziehbare – Überforderung in der häuslichen Situation ab. Dass die Betreuungsleistungen und die Zusammenarbeit der Wohneinrichtung mit der Schule wie die ansonsten durch die Eltern erfolgende Betreuung in der Familie und der Austausch und die Kommunikation mit der Schule daneben geeignet waren, den Schulbesuch und die niedrigschwelligen Förderziele des Klägers zu 3 zu unterstützen, bezweifelt der Senat nicht. Dies ist aber für eine Qualifizierung der Leistung als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung nicht ausreichend. Die Erforderlichkeit lässt sich nur an den individuell zu erreichenden Zielen messen. Es ist daher nicht jede einzelne von der Wohneinrichtung erbrachte Leistung im Hinblick auf allgemeine Teilhabeziele und eine abstrakte Erleichterung eines Schulbesuchs zu bewerten, sondern nur qualifiziert in Bezug auf die für den Kläger zu 3 konkret benannten schulischen Förderziele. Aus dem Sonderpädagogischen Förderplan der Schule für den Zeitraum Januar 2014 bis Januar 2015 gehen als Förderschwerpunkte die Förderung der Eigeninitiative und der Anstrengungsbereitschaft des Klägers zu 3 sowie die Förderung der konkreten lebenspraktischen Fähigkeiten „Rucksack absetzen“, „Jacke allein ausziehen“ und „Mitteilungsheft abgeben“ hervor. Der Senat ist davon überzeugt, dass diese Ziele bereits durch die Förderung durch das besonders qualifizierte Personal innerhalb der Schule verwirklicht werden konnten und es der Betreuungsleistungen durch die Wohneinrichtung für diese ganz konkrete Zielerreichung nicht bedurft hätte. Dann aber fehlt der für eine Privilegierung der Hilfe nach § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII erforderliche Bezug zu den beim Kläger zu 3 verfolgten schulischen Zielen.

 

Im Übrigen wird auf die sehr ausführlichen und zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.

 

Die nach alledem gemäß §§ 92 Abs. 1 SGB XII, 19 Abs. 3 SGB XII i.V.m. § 90 SGB XII vorzunehmende Vermögensprüfung hat der Beklagte zutreffend durchgeführt. Insbesondere unterfallen die am 1. Januar 2014 vorhandenen Vermögenswerte in Form von Guthaben auf drei Girokonten und in Form eines Guthabens eines Bausparvertrages und eines Guthabens eines Sparvertrages in Höhe von insgesamt 20.480,37 EUR neben dem gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 1b der Verordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII zu berücksichtigenden Schonvermögensbetrag von zum damaligen Zeitpunkt 3.470,00 EUR hinaus keinem weiteren Schontatbestand des § 90 Abs. 2 SGB XII. Für die Annahme einer Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII hat der Senat keine Anhaltspunkte. Der über den Schonbetrag hinausgehende Betrag von 17.010,37 EUR war damit vorrangig zur Bedarfsdeckung einzusetzen. Ob unter Zugrundelegung eines fiktiven, rechnerischen Vermögensverbrauchs ab dem 1. August 2014 ein Anspruch des Klägers zu 3 auf Übernahme der Kosten für die stationäre Betreuung bestanden hat, bedarf keiner Überprüfung durch den Senat, weil der Beklagte ab diesem Datum wieder Leistungen gewährt hat und lediglich die Höhe von deren Ersatz durch die Kläger zu 1 und zu 2 noch im Streit steht.

 

(2) Der Kläger zu 3 ist für den Zeitraum vom 1. August 2014 bis zum 31. Juli 2015 nicht gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, weil der Beklagte ab dem 1. August 2014 ihm gegenüber mit dem Bescheid vom 18. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2014 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für seine stationäre Betreuung im Umfang des vollen täglichen Vergütungssatzes von zu dem Zeitpunkt 110,50 EUR und eines monatlichen Barbetrages in Höhe von 37,00 EUR bewilligt und die Leistungen in dieser Höhe auch an die Einrichtungsträgerin ausgezahlt hat. Insoweit hat der Beklagte dem Antrag des Klägers zu 3 vollumfänglich entsprochen. Der Kläger hat von der Einrichtung die begehrte Wohn- und Betreuungsleistung als Sachleistung erhalten. Soweit der Bewilligungsbescheid seinen Eltern gegenüber die Festsetzung eines Kostenbeitrages beinhaltet, entfaltet dies keine Wirkung gegenüber dem Kläger zu 3.

 

Die Kläger zu 1 und zu 2 sind durch die ihnen gegenüber festgesetzte Kostenbeitragsforderung zwar beschwert. Sie haben aber keinen Anspruch auf Aufhebung der Kostenbeitragsforderung für die Zeit vom 1. August 2014 bis zum 31. Juli 2015 in der vom Sozialgericht festgesetzten und vom Beklagten nicht mit Berufung oder Anschlussberufung angegriffenen Höhe.

Da die in der heilpädagogischen Wohngruppe erbrachten Eingliederungshilfeleistungen nach den obigen Ausführungen nicht gemäß § 92 Abs. 2 SGB XII privilegiert sind, kann der Beklagte die Forderung des Kostenbeitrages gegenüber den Klägern zu 1 und zu 2 als in § 19 Abs. 3 SGB XII genannte Personen auf § 92 Abs. 1 SGB XII stützen.

Ihr über der Einkommensgrenze liegendes Einkommen ist in angemessenem Umfang ebenso einzusetzen wie ihr Vermögen. Das Sozialgericht hat die Höhe des von den Klägern zu 1 und zu 2 zu leistenden Kostenbeitrags auf der Grundlage der §§ 82, 85 und 87 Abs. 1 SGB XII zutreffend korrigiert.

Dabei hat es die einzelnen Einkommensbeträge in richtiger Höhe zugrunde gelegt und zutreffend entschieden, dass sich für die blinde Klägerin zu 2 die von § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zwingend vorgeschriebene Freilassung von 60 v.H. des Einkommens über der Einkommensgrenze an dem Differenzbetrag zwischen dem nach § 82 ermittelten Einkommen und der Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII bemisst. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist dies die Bezugsgröße, auf die § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII abstellt.

Auch insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

 

Auf Vertrauensschutz dahin, dass der ihnen gegenüber bisher festgesetzte Betrag für die häusliche Ersparnis für die gesamte Zeit der stationären Betreuung des Klägers zu 3 gelte, können sich die Kläger zu 1 und zu 2 nicht berufen. Der Beklagte hat mit der Festsetzung des streitgegenständlichen Kostenbeitrags nicht in eine bestehende Rechtsposition der Kläger eingegriffen, sondern eine Regelung für einen bis dahin nicht beschiedenen Zeitraum getroffen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte die Leistungsbewilligung ab dem 1. August 2014 zwar als erweiterte Hilfe gemäß § 92 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 19 Abs. 3 SGB XII angelegt, mit der dann tatsächlich gewählten Praxis aber zumindest nicht im Einklang mit dem Regelungszweck und – inhalt von § 92 Abs. 1 SGB XII gehandelt hat.
Sinn und Zweck des hier geregelten – von der sonstigen Sozialhilfegewährung abweichenden – Bruttoprinzips ist es, in dem Fall, dass den in § 19 Abs. 3 SGB XII genannten Personen die Aufbringung der Mittel nicht vollständig, aber zu einem Teil zuzumuten ist, behinderten Menschen zeitnah u.a. stationäre Leistungen erbringen zu können, ohne vorab eine aufwändige Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse durchführen zu müssen. Der Nachrang der Sozialhilfe wird sodann erst im Wege des nachträglichen Kostenbeitrags hergestellt (BSG, Urteil vom 20. April 2016 – B 8 SO 25/14 R – juris, Rdn. 20).

Hätte der Beklagte danach verfahren, hätte er im Wege des Bruttoprinzips die Leistungen ab dem 1. Januar 2014 weiter gewährt und sodann nach Abschluss der Einkommens- und Vermögensprüfung der Kläger einen Kostenbeitragsbescheid an die Kläger zu 1 und zu 2 erlassen.

Stattdessen hat er die Leistungsgewährung ausgesetzt, die Prüfung durchgeführt und dann mit dem Bescheid vom 18. Juli 2014, als alle Informationen vorlagen, gleichwohl gemäß § 92 Abs. 1 SGB XII die Leistungen bewilligt.

Da der Zweck der erweiterten Hilfe aber nicht ist, die Personen nach § 19 Abs. 3 SGB XII, deren Einkommen (und Vermögen) einzusetzen ist, zu schützen, können die Kläger zu 1 und zu 2 hieraus keine Rechtsposition ableiten.  

 

Der Hilfsantrag der Kläger, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob es sich bei den streitgegenständlichen Leistungen um Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung handelt und ob die außerhalb der Schule erbrachten Leistungen darauf zielen, dem Kläger zu 3 eine im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht erreichbare Bildung zu ermöglichen und ihm den Schulbesuch zu ermöglichen oder zu erleichtern, ist ebenfalls abzulehnen.

Neuer Sachvortrag, aufgrund dessen es geboten wäre, dem Beweisantrag der Kläger im Berufungsverfahren zu folgen, ist nicht erfolgt. Die in Bezug auf den Einsatz von Einkommen und Vermögen der Kläger zu 1 und zu 2 streitentscheidende Frage der Abgrenzung und Zuordnung der einzelnen Eingliederungshilfeleistungen im Konzept einer ganzheitlichen Förderung ist eine Rechtsfrage. Die Sachinformationen, auf deren Basis das Gericht selbst die Abgrenzung vornehmen muss, liegen vollumfänglich vor.

 

Die Kostenentscheidung orientiert sich am Ausgang des Verfahrens und folgt für alle Beteiligten einheitlich aus § 193 Abs. 1 SGG, auch wenn die Kläger zu 1 und zu 2 nicht zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis gehören.

Denn wenn mehrere Beteiligte, von denen einer zum kostenrechtlich begünstigten Personenkreis des § 183 SGG gehört und ein anderer nicht, Rechtsmittel einlegen, so richtet sich die Kostenentscheidung im Rechtszug für alle Beteiligten einheitlich nach § 193 SGG; § 197a SGG findet keine Anwendung (BSG, Beschluss vom 29. Mai 2006, B 2 U 391/05 B; so auch Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, L 5 SF 114/15 B E – juris, Rdn. 7 f.).

 

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 1 SGG gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG durch den Senat zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

Rechtskraft
Aus
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