Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 4. November 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erstfeststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit 50 statt 30 ab dem 25. September 2019.
Er ist deutscher Staatsangehöriger und 1990 geboren. Beschäftigt ist er in der Galvanik im Bereich der Produktion (vgl. Bericht des R).
Am 25. September 2019 beantragte der Kläger erstmals beim Landratsamt E (LRA) die Feststellung des GdB. Als zu berücksichtigende Gesundheitsstörung gab er eine „OP Halswirbel“ an.
Zur Vorlage kam der Bericht des Uklinikums H, Neurochirurgische Klinik, über seinen stationären Aufenthalt vom 23. bis zum 31. Juli 2017, der als Diagnosen ausgedehnte Neurofibrome auf der Höhe der Halswirbelkörper (HWK)1 beidseits mit Rückenmarkskompression, multiple spinale Neurinome im Bereich der Nervenwurzeln und einen V. a. Neurofibromatose Typ I aufführte. Als Therapie war eine Resektion der Neurofibrome Höhe HWK1 am 24. Juli 2017 erfolgt. Der Kläger habe sich aufgrund von intermittierenden Dysästhesien sowie einem Einschlafgefühl im Bereich beider Hände vorgestellt. Fokale Paresen hätten nicht bestanden. In einer aktuellen Magnetresonanztomographie(MRT)-Bildgebung hätten sich multiple Neurofibrome im Bereich der Nervenwurzelabgänge gezeigt, im Bereich der Neuroformina auf Höhe HWK1 seien diese bereits nach intradural durchgebrochen gewesen und hätten das Rückenmark zangenartig komprimiert gehabt. Der Kläger sei wach und voll orientiert, ohne sensomotorische Defizite oder Blasen-Mastdarmstörungen bei regelrechter Koordination und Feinmotorik gewesen. Postoperativ seien keine neurologischen Defizite aufgetreten, die Mobilisation unter physiotherapeutische Anleitung sei problemlos, der Kläger wäre auf Stationsebene selbständig mobil gewesen. Aus der histopathologischen Untersuchung des Operationsresektats habe sich die Diagnose eines Neurofibroms WHO Grad I ergeben. Bei Verdacht auf eine Neurofibromatose Typ I als Grunderkrankung sei die Vorstellung des Klägers im Institut für Humangenetik erfolgt. Die Wundverhältnisse hätten stets trocken und reizlos imponiert.
Es folgte vom 3. bis zum 14. August 2017 in der Uklinik H, Neurochirurgische Klinik, ein weiterer stationärer Aufenthalt aufgrund der Diagnose einer Liquorfistel bei Z. n. Operation von ausgedehnten Neurofibromen auf Höhe HWK1 beidseits Ende Juli, multiplen spinalen Neurinomen im Bereich der Nervenwurzeln und eines V. a. Neurofibromatose Typ I. Als Therapie wurde eine mehrtägige Liquordrainierung über eine lumbale Touhy-Drainage durchgeführt. Nach der erfolgreichen Operation der Neurofibrome habe sich nach der Entfernung des Nahtmaterials der Ausfluss von klarer Flüssigkeit diffus aus dem Bereich der Wunde gezeigt, so dass eine stationäre Behandlung erforderlich gewesen sei. Unter der mehrtägigen lumbalen Drainage mit begleitender antibiotischer Abdeckung sei die Wunde trocken geblieben, dies sei auch nach mehrtägiger Beobachtung nach Entfernung der Drainage der Fall gewesen. Der Kläger sei wach, adäquat, zu allen Qualitäten orientiert, ohne Meningismus, mit regelrechtem Hirnnervenstatus, seitengleich auslösbaren mittellebhaften Muskeleigenreflexen und ohne pathologische Reflexe, Pyramidenbahnzeichen oder sensomotorischen Defiziten bei regelrechter Koordination und Feinmotorik gewesen.
In der Zeit vom 16. August bis zum 20. September 2017 schloss sich in den S Kliniken B eine stationäre Behandlung an. Es wurden die Diagnosen Dysästhesien beider Hände bei Neurofibrome auf der Höhe HWK1 mit Myelonkompression, Resektion am 24. Juli 2017, (ICD-10 R20.8), multiple Neurinome im Bereich der Nervenwurzeln (ICD-10 D36.1) und V. a. Neurofibromatose Typ I (ICD-10 Q85.0) gestellt. Die Entlassung erfolgte regulär und arbeitsunfähig, ohne eine Medikation. Als Therapie wurde eine regelmäßige Kontrolle der kardiovaskulären Risikofaktoren, eine erneute Vorstellung in der neurochirurgischen Ambulanz des Uklinikums H mit einer MRT-Kontrolle drei Monate postoperativ, eine weitere Kräftigung der HWS-Muskulatur, eine hausärztliche und neurologische Weiterbetreuung, eine ambulante Physiotherapie sowie Krankengymnastik zur weiteren Verbesserung der Gehstrecke und eine Ergotherapie zur Verbesserung der Sensibilitätsstörungen der Hände beidseits empfohlen.
Aus dem MRT der Halswirbelsäule (HWS) vom 27. November 2018 ergaben sich ein kompletter Rückgang des ehemals vorbeschriebenen Seromes in den Weichteilen in Höhe des kraniozervikalen Übergangs dorsal im Vergleich zu den Voraufnahmen von November 2017, reizlose narbige Veränderungen in gleicher Höhe, eine winzige Gliose zentral im Myelon in Höhe des Bandscheibenfachs HWK1/2 von circa 3x3 mm Größe ohne Progredienz im Verlauf und im Übrigen ein konstanter Befund im Vergleich zu den Voraufnahmen mit mehreren, nahezu alle Neuroforamen betreffenden fibromatösen Raumforderungen.
Das MRT der HWS vom 5. September 2019 beschrieb bei bekannter Neurofibromatose einen weitgehenden konstanten Befund der multisegmentalen intersegmentären Neurofibrome an der HWS und der oberen Brustwirbelsäule (BWS), einen minimalen Progress in Höhe C6/7 rechts, kein Rezidiv am kraniozervikalen Übergang und eine bekannte Myaelopathie/Gliose in Höhe C1/2.
Der R1 führte aus, der Kläger leide unter einer Neurofibromatose von Recklinghausen. Einzelne Fibrome hätten die Nervenwurzeln tangiert und Schmerzen ausgelöst, mittlerweile sei operiert worden, weitere Wucherungen seien zu erwarten und müssten dann gegebenenfalls wieder operativ entfernt werden (Bericht vom 17. November 2019).
Aus dem Bericht des R vom 17. September 2019 über die Vorstellung des Klägers am 16. September 2019 ergaben sich die Diagnosen eines chronischen Zervikalsyndroms und einer Neurofibromatose Typ I (Operation Juli 2017). Anamnestisch habe der Kläger von einem stabilen Zustand berichtet, manchmal würden die Finger „pelzig“. Wenn er Erschütterungen gehabt oder nachts auf dem Rücken gelegen habe, käme es zu Schmerzen im Schulter-Nacken-Bereich. Er müsse auf der Seite schlafen. Medikamente nehme er keine ein. Im neurologischen Befund sei der Kläger wach, klar, ohne hirnorganische Ausfälle und im Kontakt freundlich zugewandt gewesen. Die Hirnnerven seien intakt gewesen, es hätten Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich bestanden, eine radikuläre Schmerzausstrahlung oder Paresen hätten nicht vorgelegen, die Muskelreflexe seien schwach bis mittellebhaft auslösbar bei regelrechter Sensibilität und Koordination gewesen. Das chronische Zervikalsyndrom führe zu wechselnd ausgeprägten Schmerzen in der HWS, manchmal komme es zu Taubheitsgefühlen in der rechten Hand (C6 und C7) infolge des Neurinoms in Höhe HWK6/7, welches etwas gewachsen sei. Der weitere Verlauf müsse beobachtet werden, Erschütterungen der HWS sollten vermieden werden, eine Verlaufskontrolle des MRT sei in einem Jahr empfehlenswert.
Die D bewertete eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (WS), Neurofibrome, multiple spinale Neurinome/Resektion im Bereich der zervikalen Spinalnervenwurzel mit einem Einzel-GdB von 30, der dem Gesamt-GdB entsprach.
Gestützt hierauf stellte das LRA durch Bescheid vom 2. Dezember 2019 einen GdB von 30 seit dem 24. Juli 2017 und die dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommenssteuergesetz (EStG) fest. Gesundheitliche Merkmale (Merkzeichen) als Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen im Sinn des § 152 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) könnten, da die Schwerbehinderteneigenschaft nicht vorläge, nicht festgestellt werden. Zur Begründung führte das LRA aus, beim Kläger lägen als Funktionsbeeinträchtigungen eine Funktionsbehinderung der WS, Neurofibrome und multiple spinale Neurinome/Resektion im Bereich der zervikalen Spinalnervenwurzel vor. Die Auswirkungen dieser Funktionsbeeinträchtigungen seien mit dem festgestellten GdB angemessen bewertet.
Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch, zu dessen Begründung er geltend machte, er sei mit einem GdB von 30 nicht einverstanden. Er bitte, die Unterlagen nochmals zu überprüfen und gegebenenfalls ein ärztliches Gutachten einzuholen.
Versorgungsärztlich führte Z aus, eine Abhilfe sei nicht möglich. Der Befund sei stabil gewesen, die intermittierenden Taubheitsgefühle der rechten Hand seien mitberücksichtigt und weitere sensomotorische Defizite nicht beschrieben. Häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkungen und häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte WS-Syndrome seien bereits anerkannt.
Der Beklagte wies den Widerspruch daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2020 zurück. Die angefochtene Entscheidung sei unter Würdigung des Vorbringens des Klägers sowie einer erneuten versorgungsärztlichen Stellungnahme überprüft worden und nicht zu beanstanden. Die Auswertung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass die vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mit der angefochtenen Entscheidung in vollem Umfang erfasst und unter Berücksichtigung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit einem GdB von 30 angemessen bewertet seien.
Mit der am 24. Februar 2020 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage hat der Kläger die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von 50 ab Antragstellung verfolgt.
Der Kläger hat die bereits im Verwaltungsverfahren zur Kenntnis gekommenen Berichte des R1, des Uklinikums H, Neurochirurgische Klinik, über den stationären Aufenthalt vom 23. bis zum 31. Juli 2017 und des R vorgelegt. Darüber hinaus hat er das ärztliche Attest des R1 vom 8. März 2019 zur Vorlage gebracht, wonach er unter einer Neurofibromatose – einer gutartigen, jedoch nicht heilbaren und voranschreitenden Krankheit – leide. Die Wucherungen hätten bereits zu Einengungen von Nervenwurzeln geführt, was eine Operation notwendig gemacht habe. Der weitere Verlauf sei nicht vorhersehbar, insofern sollten Überkopfarbeiten und das Tragen schwerer Lasten vermieden werden. Aus einem weiteren ärztlichen Attest des R vom 23. Februar 2020 hat sich ebenso ergeben, dass der Kläger krankheitsbedingt dauerhaft keine Überkopfarbeiten ausführen könne.
Mit Verfügung vom 17. Juli 2020 hat das SG darauf hingewiesen, dass – insbesondere unter Berücksichtigung des Berichts des R vom 17. September 2019 – die versorgungsärztliche Bewertung des chronischen Zervikalsyndroms und der Neurofibromatose schlüssig und nachvollziehbar erscheine. Zugleich hat es die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Durch Gerichtsbescheid vom 4. November 2020 hat das SG daraufhin die Klage abgewiesen. Für die beim Kläger vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen sei ein Gesamt-GdB von 30 angemessen. Aus dem neurologischen Bericht des R vom 17. September 2019 gehe hervor, dass der Gesundheitszustand insgesamt stabil sei, wobei manchmal die Finger an der rechten Hand pelzig würden. Auch komme es beim Liegen auf dem Rücken oder nach erlittenen Erschütterungen zu Schmerzen im Schulter-Nacken-Bereich; dann müsse der Kläger auf der Seite schlafen. Medikamente müsse er trotz des Leidens nicht einnehmen. Neurologische Auffälligkeiten würden im genannten Bericht ausgeschlossen, relevante Bewegungseinschränkungen nicht mitgeteilt. Die spärlichen funktionellen Einschränkungen, welche allein für die Bemessung des GdB relevant seien, erstreckten sich nicht auf zwei oder mehr Wirbelsäulenabschnitte und führten zweifelsfrei auch nicht zu besonders schweren funktionellen Auswirkungen, die mit einer Versteifung großer Teile der WS oder einer anhaltenden Ruhigstellung von drei Wirbelsäulenabschnitten durch eine Rumpforthese vergleichbar wären. Insoweit sei das chronische Zervikalsyndrom mit wechselnd ausgeprägten Schmerzen und gelegentlichen Taubheitsgefühlen in den Händen als Folge des leicht gewachsenen Neurinoms HWK6/7 mit einem Einzel-GdB von 30 bereits großzügig eingeschätzt, eine höhere Bewertung scheide aus. Dieser Einzel-GdB entspreche in Ermangelung weiterer Funktionseinschränkungen dem Gesamt-GdB.
Am 26. November 2020 hat der Kläger gegen den seiner Prozessbevollmächtigen am 10. November 2020 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.
Zur Berufungsbegründung macht er geltend, ihm stehe ein GdB von mindestens 50 zu. Das SG habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Es habe sich allein auf die Berichte des R vom 17. September 2019 und des Uklinikums H, Neurochirurgische Klinik, vom 31. März 2017 und damit veraltete ärztliche Berichte gestützt, ohne den Sachverhalt weiter medizinisch zu ermitteln.
Die Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 4. November 2020 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 2. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2020 zu verpflichten, einen Grad der Behinderung von 50 seit Antragstellung, dem 25. September 2019, festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Zur Sache hat sich der Beklagte nicht eingelassen.
Der Berichterstatter hat mit Verfügung vom 15. Dezember 2020 darauf hingewiesen, dass nach vorläufiger rechtlicher Würdigung der erstinstanzliche Gerichtsbescheid zutreffend sein dürfte, da eine höhere Bewertung der beim Kläger in einem Wirbelsäulenabschnitt vorliegenden Gesundheitsstörungen als mit einem GdB von 30 wohl nicht in Betracht komme. Es ist mitgeteilt worden, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen derzeit nicht beabsichtigt seien und die Rücknahme der Berufung wurde angeregt.
Der Kläger war zur Rücknahme der Berufung nicht bereit.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zuletzt hat der Kläger das ärztliche Attest des R1 vom 10. Februar 2021 vorgelegt, das inhaltsgleich mit dem im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Attest gewesen ist, und nochmals den Bericht des R vom 17. September 2019 sowie dessen ärztliches Attest vom 23. März 2020 – Vermeidung von Überkopfarbeiten – zur Gerichtsakte gereicht. Aus einer weiteren ärztlichen Bescheinigung des R vom 17. September 2020 hat sich ergeben, dass der Kläger aus neurologischer Sicht keine längeren Fahrten mit dem PKW (mehr als zwei Stunden) absolvieren solle.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 4. November 2020, mit dem das SG die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) des Klägers auf Feststellung eines GdB von 50 unter Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 2. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2020 (§ 95 SGG) abgewiesen hat. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der vorliegenden Klageart der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 R –, BSGE 104, 116 [124]; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung.
Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 2. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von 50 seit dem 25. September 2019. Zu Recht hat das SG demnach die Klage durch Gerichtsbescheid vom 4. November 2020 abgewiesen.
Der Anspruch des Klägers richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind nach § 2 Abs. 2 SGB IX im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (vgl. BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2, c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben.
Der GdB kann seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden, so dass beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben sind. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2, e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander (VG, Teil A, Nr. 3, a). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10, 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG, Teil A, Nr. 3, c). Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG, Teil A, Nr. 3, d).
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Einzel- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 – B 9 SB 17/97 R –, juris, Rz. 13). Der Einzel-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Einzel-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen des Klägers keinen höheren Gesamt-GdB als 30, wie ihn der Beklagte durch Bescheid vom 2. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2020 ab dem 24. Juli 2017 festgestellt hat, rechtfertigen. Zu Recht hat demnach das SG die auf Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von 50, damit der Schwerbehinderteneigenschaft, ab Antragstellung gerichtete Klage durch Gerichtsbescheid vom 4. November 2020 abgewiesen.
Der Kläger leidet im Wesentlichen unter Funktionseinschränkungen im Funktionssystem „Rumpf“, die auch zur Überzeugung des Senats mit einem Einzel-GdB von 30 ausreichend bewertet sind. Es liegen in diesem Funktionssystem ein chronisches Zervikalsyndrom und eine Neurofibromatose Typ I vor. Dies entnimmt der Senat den urkundsbeweislich verwerteten (§ 118 Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]) Berichten des R, des R1, des Uklinikums H, Neurochirurgische Klinik, und der S Kliniken B sowie den MRT der HWS vom 27. November 2018 und vom 5. September 2019. Aus dem Bericht des Uklinikums H, Neurochirurgische Klinik, ergibt sich im Weiteren, dass am 24. Juli 2017 eine Resektion der Neurofibrome Höhe HWK1 erfolgt ist.
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung, Minderbelastbarkeit) und die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicher Weise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen. Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der WS (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit Bild gebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der WS (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen.
Der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten „Postdiskotomiesyndrom“) ergibt sich nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte „Wirbelsäulensyndrome“ (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein.
Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Einzel-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der WS; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen – oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose – sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.
Orientiert an diesen Vorgaben ergibt sich für den Senat für die im Funktionssystem „Rumpf“ beim Kläger bestehenden Funktionsbehinderungen kein höherer Einzel-GdB als 30, wie ihn der Beklagte durch Bescheid vom 2. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2020 festgestellt hat. Denn es liegen bei ihm keine Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Januar 2014 – L 8 SB 2497/11 –, juris, Rz. 44) oder Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen vor, die nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 einen höheren GdB als 30 rechtfertigen. Nach der Operation am 24. Juli 2017, der Resektion der Neurofibrome Höhe HWK 1, in der Uklinik H, Neurochirurgische Klinik, haben sich nämlich keine neurologischen Defizite und eine regelrechte Koordination und Feinmotorik gezeigt. Dieser erste Eindruck hat sich im folgenden Verlauf bestätigt. Dem anschließenden Bericht über den weiteren stationären Aufenthalt vom 3. bis zum 14. August 2017 in der Uklinik H, Neurochirurgische Klinik, ist eine regelrechte Koordination und Feinmotorik ohne sensomotorische Defizite zu entnehmen. Das wird dann weiter bestätigt durch den Entlassungsbericht über die stationäre Behandlung in den S Kliniken B, der erneut keine weitergehenden funktionellen Einschränkungen beschreibt, die einen Einzel-GdB von mehr als 30 begründen. Bei der Entlassung war zudem noch nicht einmal eine Medikation erforderlich, was ein starkes Argument gegen funktionelle Einschränkungen ist, die eine Höherbewertung des GdB begründen. Soweit der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren ausgeführt hat, er sei aus dem stationären Aufenthalt in der Uklinik H, Neurochirurgische Klinik, unter eine Medikation entlassen worden (Diclotenac 75 mg 1-0-1, Pantoprazol 40 mg 1-0-0), ist diese nicht weiter verordnet worden, woraus der Senat eine Besserung seiner Beschwerden entnimmt.
Das wird durch die bildgebenden Verfahren bestätigt. So ergibt sich aus der MRT der HWS vom 27. November 2018 ein kompletter Rückgang des ehemals vorbeschriebenen Seromes in den Weichteilen in Höhe des kraniozervikalen Übergangs dorsal im Vergleich zu den Voraufnahmen von November 2017, reizlose narbige Veränderungen in gleicher Höhe, eine winzige Gliose zentral im Myelon in Höhe des Bandscheibenfachs HWK1/2 von circa 3x3 mm Größe ohne Progredienz im Verlauf und im Übrigen ein konstanter Befund im Vergleich zu den Voraufnahmen mit mehreren, nahezu alle Neuroforamen betreffenden fibromatösen Raumforderungen. Das circa ein Jahr später, am 5. September 2019, erstellte MRT der HWS hat einen weitgehend konstanten Befund der multisegmentalen intersegmentären Neurofibrome an der HWS und der oberen BWS, einen minimalen Progress in Höhe C6/7 rechts, keinen Hinweis für ein Rezidiv am kraniozervikalen Übergang und eine bekannte Myaelopathie/Gliose in Höhe C1/2 beschrieben. Mithin lässt sich den MRT-Aufnahmen – erfreulicherweise – gerade keine richtungsweisende Verschlimmerung der Funktionsbehinderungen des Klägers entnehmen.
Soweit R1 ausgeführt hat, dass weitere Wucherungen zu erwarten seien, die dann operativ entfernt werden müssten, sind diese perspektivisch zu erwartenden funktionellen Einschränkungen nach der Konzeption des Schwerbehindertenrechts nicht für die Bemessung des aktuellen GdB relevant (VG, Teil A, Nr. 2, h). Darüber hinaus ergeben sich aus dessen Befunden keine Gesichtspunkte, die zu einer Höherbewertung des GdB führen.
Ebenso lassen sich aus dem Bericht des R keine, den GdB erhöhenden Funktionseinschränkungen ableiten. Es ergibt sich hieraus, dass der Kläger unter wechselnd ausgeprägten Schmerzen in der HWS und teilweise Taubheitsgefühlen in der rechten Hand leidet, insbesondere nach Erschütterungen oder wenn er nachts auf dem Rücken und nicht auf der Seite gelegen hat. Der Kläger hat anamnestisch von einem stabilen Zustand berichtet und eine Medikamenteneinnahme verneint. Es haben lediglich Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich ohne eine radikuläre Schmerzausstrahlung oder Paresen bei schwach bis mittellebhaft ausgeprägten Muskelreflexen und einer regelrechten Sensibilität und Koordination bestanden.
Dass der Kläger nach den ärztlichen Attesten des R1 und des R Überkopfarbeiten und Fahrten mit dem PKW von über zwei Stunden vermeiden soll, ist angesichts des Krankheitsbildes nachvollziehbar, begründet den hohen GdB für ein Funktionssystem, hat aber keine erhöhende Auswirkung auf den GdB, zumal der GdB grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten oder angestrebten Beruf zu beurteilen ist (VG, Teil A, Nr. 2, b).
Unter weiteren Funktionsstörungen leidet der Kläger nicht. Hierfür ergeben sich aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen und ärztlichen Meinungsäußerungen keine Anhaltspunkte. Insbesondere bestehen im Funktionssystem „Arme“ keine eigenständig zu bewertenden Funktionsbehinderungen, da die in den Händen vorliegenden Gefühlsstörungen im Funktionssystem „Rumpf“ mitberücksichtigt sind. Der im Funktionssystem „Rumpf“ bestehende Einzel-GdB von 30 entspricht somit dem nach den VG, Teil A, Nr. 3 zu bildenden Gesamt-GdB.
Weiterer Ermittlungsbedarf hat nicht bestanden, insbesondere waren die behandelnden Ärzte des Klägers nicht als sachverständige Zeugen anzuhören und auch kein Sachverständigengutachten einzuholen. Die vorliegenden medizinischen Unterlagen haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen Grundlagen vermittelt. Der Kläger hat im Berufungsverfahren die nach seiner Ansicht nicht ausreichende Sachverhaltsermittlung durch das SG lediglich pauschal unter Hinweis auf das Alter der medizinischen Unterlagen bestritten, ohne konkret darzulegen, aus welchen Gründen das SG den Sachverhalt hätte weiter ermitteln müssen. Insbesondere hat er nicht geltend gemacht, dass in dem Zeitraum, auf den sich die vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht mehr beziehen, eine wesentliche Verschlechterung seines Gesundheitszustands eingetreten sei. Im Berufungsverfahren hat der Kläger ebenso keine Gründe aufgezeigt, wegen denen sich der Senat zu einer medizinischen Beweiserhebung hätte veranlasst sehen müssen. Bei weiteren Sachverhaltsermittlungen würde es sich mithin um Ermittlungen ins Blaue hinein handeln und um eine Ausforschung des Sachverhaltes, zu der der Senat nicht verpflichtet ist (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Oktober 2018 – B 9 V 20/18 B –, juris, Rz. 19).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.