Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. Juni 2021 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der 1983 Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 1. November 2017.
Der 1983 geborene Kläger bezog vom Beklagten fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), zunächst mit seiner damaligen Ehefrau und den drei gemeinsamen Kindern. In der Folge machte er unter anderem geltend, nicht mehr Teil der Bedarfsgemeinschaft zu sein, weshalb er eine Vielzahl von Widersprüchen erhob und auch eine Vielzahl von Klageverfahren führte.
Am 5. Januar 2021 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und (zuletzt noch) Leistungen für die Zeit ab November 2017 inklusive Miete und Nebenkosten begehrt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16. Juni 2021 abgewiesen. Das mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehene (schriftliche) Urteil ist dem Kläger am 19. Juni 2021 zugestellt worden.
Am 28. Juli 2021 (Schreiben vom 18. Juli 2021) hat der Kläger bei dem SG Berufung eingelegt. Eine Urteilsfindung durch offensichtlich rassistisch geprägte Richter sei rechtswidrig. Seine Klagen seien willkürlich und ohne nachvollziehbaren Grund ohne Ausnahme abgelehnt worden. Er stelle gegen alle Richter des SG Befangenheitsantrag.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. Juni 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab November 2017 zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Berichterstatterin hat mit Verfügung vom 16. August 2021 (dem Kläger zugestellt am 20. August 2021) den Kläger darauf hingewiesen, dass ihm das Urteil des SG vom 16. Juni 2021, versehen mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung, am 19. Juni 2021 zugestellt worden sei, sodass die Berufungsfrist von einem Monat nach Zustellung des Urteils am 19. Juli 2021 abgelaufen sei (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Der Kläger habe am 28. Juli 2021 beim SG Berufung eingelegt, mithin nach Ablauf der Berufungsfrist. Wiedereinsetzungsgründe (§ 66 SGG) seien nicht ersichtlich. Sei die Berufung nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt, so sei sie gemäß § 158 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen. Eine inhaltliche Prüfung finde dann nicht statt. Die Berichterstatterin hat angeregt, die Berufung zurückzunehmen. Im Falle der Fortführung der Berufung hat die Berichterstatterin darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung durch Beschluss gemäß § 158 Satz 2 SGG zu verwerfen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Klägers ist unzulässig.
Nach § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt worden ist. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen (Satz 2 a.a.O.). Der Senat hat hiervon - auch unter Berücksichtigung des Gebots des fairen und effektiven Rechtsschutzes (vgl. hierzu Bundessozialgericht <BSG> SozR 4-1500 § 158 Nr. 2) - nach dem ihm eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht; er hat hierbei in seine Erwägungen mit einbezogen, dass der Kläger bereits erstinstanzlich in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 16. Juni 2021 seinen Standpunkt darlegen konnte. Die Beteiligten haben mit der richterlichen Verfügung vom 16. August 2021 im Rahmen des rechtlichen Gehörs Gelegenheit erhalten, sich zur Frage der Zulässigkeit der Berufung sowie der Möglichkeit der Verwerfung des Rechtsmittels durch Beschluss zu äußern. Einwendungen hiergegen haben sie nicht vorgebracht.
1. Zwar ist die Berufung statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und der Kläger hat sie schriftlich, mithin formgerecht, eingelegt (§ 151 Abs. 1 SGG). Jedoch ist die Berufung nicht fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG) und daher als unzulässig zu verwerfen.
Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG). Nach § 64 Abs. 1 SGG beginnt der Lauf einer Frist, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tage nach der Zustellung. Eine nach Monaten bestimmte Frist endet mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach der Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt - hier also die Zustellung - fällt (§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGG); fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 64 Abs. 3 SGG). Zugestellt wird im sozialgerichtlichen Verfahren nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO, vgl. § 63 Abs. 2 SGG).
Das Urteil vom 16. Juni 2021 war mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehen (vgl. §§ 136 Abs. 1 Nr. 7, 66 Abs. 1 SGG); dort war der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim LSG einzulegen sei, die Berufungsfrist jedoch auch gewahrt sei, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist beim SG eingelegt werde. Das Urteil ist ihm, nachdem er in der Wohnung nicht angetroffen werden konnte, ausweislich der - die inhaltlichen Anforderungen des § 182 ZPO beachtenden - Postzustellungsurkunde am 19. Juni 2021 durch Einlegen in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten wirksam zugestellt worden (vgl. § 180 Satz 1 i.V.m. § 178 Abs. 1 ZPO).
Die einmonatige Berufungsfrist hat gemäß § 64 Abs. 1 SGG am Folgetag, dem 20. Juni 2021, zu laufen begonnen. Sie hat gemäß § 64 Abs. 2 und 3 SGG mit Ablauf des 19. Juli 2021, einem Montag, geendet. Dagegen hat der Kläger am 28. Juli 2021, d.h. nach Ablauf der Berufungsfrist, beim SG Berufung eingelegt. Die Berufung des Klägers ist daher verfristet.
Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gem. § 67 Abs. 1 SGG ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Mithin ist nur im Fall einer unverschuldeten Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies setzt voraus, dass der Beteiligte diejenige Sorgfalt angewandt hat, die einem gewissenhaft Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zugemutet werden kann (BSG, Urteil vom 31. März 1993 - 13 RJ 9/92 - juris Rdnr. 15; Urteil vom 27. Mai 2008 - B 2 U 5/07 R - juris Rdnr. 14). Ein Rechtsirrtum oder mangelnde Rechtskenntnis vermag grundsätzlich eine Fristversäumnis nicht zu entschuldigen. Auch dem juristisch nicht hinreichend vorgebildeten Beteiligten obliegt es, die erforderlichen Erkundigungen einzuholen, um Kenntnis von den Frist- und Formerfordernissen bei Klageerhebung oder bei der Einlegung eines Rechtsmittels zu erlangen. Unterlässt er dies, so handelt er nicht ohne Verschulden (BSG, Beschluss vom 12. Januar 2017 - B 8 SO 68/16 B - juris Rdnr. 4; Beschluss vom 10. Februar 1993 - 1 BK 37/92 - juris Rdnr. 3). Auch juristische Laien müssen Rechtsmittelbelehrungen beachten und sich notfalls erkundigen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. März 2012 - L 19 AS 1916/11 - juris Rdnr. 26).
Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats die Berufungsfrist verschuldet versäumt. Er hat keinerlei Umstände vorgebracht, warum es ihm nicht möglich gewesen sein soll, seine Berufungsschrift innerhalb der gesetzlichen Berufungsfrist beim SG oder LSG einzureichen.
Das Fristversäumnis des Klägers beruht auch nicht auf Fehlern oder Versäumnissen des SG. Beruht die Fristversäumung auch auf einem Fehler des Gerichts oder einer anderen staatlichen Stelle, sind die Anforderungen an die Wiedereinsetzung mit „besonderer Fairness“ zu handhaben; aus solchen Fehlern dürfen dem Beteiligten grundsätzlich keine Verfahrensnachteile erwachsen (Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 2327/07 - juris Rdnr. 22; Beschluss vom 27. September 2005 - 2 BvR 172/04 - juris Rdnr. 14; Keller im Meyer-Ladewig, u.a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 67 Rdnr. 4a). Entsprechende Versäumnisse sind vorliegend weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Mithin ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren. Die Berufung war daher zwingend - ohne Sachprüfung - zu verwerfen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.