L 9 U 170/19

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 30 U 197/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 170/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1) Eine rechtzeitig nach § 28a Abs. 1 Nr. 1 SGB IV erstattete Regelmeldung macht die Sofortmeldung nach § 28a Abs. 4 SGB IV nicht entbehrlich. Ebenso wenig ersetzt umgekehrt die Sofortmeldung  die Regelmeldung. Die Sofortmeldung ist zusätzlich zu erstatten.

2) An der rechtlichen Qualifizierung als ein Unternehmen des Baugewerbes ändert die Einbindung von Subunternehmen in die Auftragsabwicklung nichts (Fortführung BSG vom 27.05.2008 - B 2 U 11/07 R).  Entscheidend ist, welche Tätigkeiten dem Unternehmen das Gepräge geben und ob nach der Verkehrsanschauung, also dem nach außen tretenden Gesamteindruck der Firma, Bauleistungen oder baufremde Verrichtungen erbracht werden. 

I.    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. Juli 2019 wird zurückgewiesen.

II.    Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 110 Abs. 1a Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). Die Klägerin wendet sich gegen die von der Beklagten verlangte Erstattung von Aufwendungen in Höhe von 73.580,54 Euro, die sie für Verletztengeld und Heilbehandlung des Arbeitnehmers der Klägerin C. C. (Versicherter) erbracht hat, der am 9. November 2013 beim Reparieren eines Daches einer Lagerhalle aus drei Meter Höhe durch das Dach hindurch auf einen gepflasterten Bodenbelag gefallen war. 

Nachdem die Beklagte durch den Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. D. vom 18. Dezember 2013 von dem Arbeitsunfall Kenntnis erlangt hatte, stellte sie Ermittlungen zu dem Versicherungsverhältnis des Versicherten bei der Klägerin an. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Hessen teilte der Beklagten dazu unter dem 24. April 2014 mit, dass Herr C. vom 23. April 2012 bis 30. September 2013 durch die Klägerin als geringfügig Beschäftigter, seit dem 1. Oktober 2013 im Rahmen eines voll sozialversicherungspflichtigten Beschäftigungsverhältnisses gemeldet sei. Die DRV Bund teilte der Beklagten auf deren Anfrage vom 19. Dezember 2013 mit Mail vom 15. Januar 2014 mit, dass eine Sofortmeldung des Beschäftigungsverhältnisses nach § 28a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) nicht vorliege. Für den Versicherten seien überhaupt keine Sofortmeldungen vorhanden.

Den von der Beklagten am 30. November 2013 angeforderten Lohnnachweis für das Jahr 2013 legte die Klägerin nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von sechs Wochen nach Ablauf des Kalenderjahres (§ 165 Abs. 1 SGB VII) vor. Nach Anhörung der Klägerin erfolgte mit Beitragsbescheid vom 25. April 2014 eine Schätzung der Umlagen für das Jahr 2013 gemäß § 165 Abs. 3 SGB VII auf 1.156,80 Euro.

Die AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen – teilte der Beklagten mit Schreiben vom 29. Januar 2015 mit, dass von der Klägerin eine Entgeltmeldung für den Versicherten vom 1. Oktober 2013 bis 21. Dezember 2013 in Höhe von 6.359,00 Euro bei 210 Arbeitsstunden erfolgt sei. 

Nach Anhörung der Klägerin erließ die Beklagte unter dem 24. Juli 2015 einen Bescheid wegen Haftung auf Erstattung der Aufwendungen nach § 110 Abs. 1a SGB VII und verpflichtete die Klägerin, ihr als zuständigem Unfallversicherungsträger für den Versicherungsfall des Versicherten vom 9. November 2013 die bis zum 26. Juni 2015 entstandenen und verauslagten Aufwendungen in Höhe von 73.580,54 Euro und auch die weiteren zukünftig entstehenden Aufwendungen zu erstatten. Durch die nicht erfolgte Sofortmeldung nach § 28a SGB IV habe die Klägerin Schwarzarbeit gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) erbracht, da die Klägerin als Unternehmerin die sich ihr aufgrund der Dienst- bzw. Werkleistung ergebende sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht nicht erfüllt habe. Des Weiteren werde gemäß § 110 Abs. 1a Satz 2 SGB VII aufgrund der nicht rechtzeitigen Sofortmeldung kraft Gesetz vermutet, dass Beiträge nach dem 6. Kapitel des SGB VII, d. h. zur gesetzlichen Unfallversicherung, nicht, nicht in der richtigen Höhe oder nicht rechtzeitig entrichtet worden seien. Nach § 110 Abs. 1a SGB VII sei die Klägerin verpflichtet, den Unfallversicherungsträgern die Aufwendung, die diesen infolge von Versicherungsfällen bei Schwarzarbeit entstanden sind, zu erstatten. Aufgrund des Versicherungsfalles des Versicherten seien bisher Aufwendungen in Höhe von 73.580,54 Euro entstanden. Der sich aus § 110 Abs. 1a SGB VII ergebende Regressanspruch beziehe sich auf Erstattung der bisherigen und auch zukünftigen Aufwendungen. Mit Schreiben vom 10. September 2015 forderte die Beklagte die Klägerin unter Hinweis auf die eingetretene „Rechtskraft“ des Bescheides vom 24. Juli 2015 zur Begleichung der Forderung bis zum 18. September 2015 auf. Unter Beifügung eines ärztlichen Attestes und auch einer eidesstaatlichen Versicherung des Geschäftsführers E. vom 28. September 2015 erhob der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin unter dem 28. September 2015 „Einspruch“ gegen den Bescheid vom 24. Juli 2015 und beantragte unter Hinweis auf die ärztlich dokumentierte Herzerkrankung des Geschäftsführers der Klägerin mit stationärem Krankenhausaufenthalt vom 2. Juli 2015 bis 10. Juli 2015 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung des Rechtsbehelfs wurde eine ordnungsgemäße Meldung des Versicherten bei der Rentenversicherung behauptet und als Nachweis die Lohnabrechnung für den Monat November 2013 vorgelegt. 

Nachdem eine von der DRV Hessen im November 2015 durchgeführte Betriebsprüfung ergeben hatte, dass für das Jahr 2013 von der Klägerin Entgelte in Höhe von 46.023,00 Euro zu wenig berücksichtigt worden waren, änderte die Beklagte die von der Klägerin für das Jahr 2013 zu zahlenden Beiträge mit Beitragsbescheid vom 21. Dezember 2015 und setzte diese neu auf 4.190,99 Euro fest. 

Mit Bescheid vom 22. Januar 2016 gewährte die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In der Sache ließ die Klägerin noch ergänzend vortragen, dass der Versicherte am Unfalltag angemeldet und versichert gewesen sei und keine Schwarzarbeit, weder am Firmengelände noch irgendwo anders, erbracht habe, weshalb die erhobenen Regressansprüche nicht berechtigt seien und jeglicher Grundlage entbehrten. 

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2016 zurück. Das Vorbringen im Widerspruchsverfahren ändere an der Rechtslage nichts. Die vorgelegte Lohnabrechnung für den Monat November 2013 führe nicht zu einer Vermutungswiderlegung, da sich hieraus keine Erkenntnisse dahingehend ableiten ließen, dass die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung rechtzeitig und in richtiger Höhe abgeführt worden seien. Entscheidende Bedeutung komme dem Umstand zu, dass die Klägerin den Lohnnachweis 2013 nicht eingereicht habe und ihr Beitrag für das Jahr 2013 mit Bescheid vom 25. April 2014 habe eingeschätzt werden müssen. Es müsse daher bei der Vermutung verbleiben, dass Beiträge nicht, nicht rechtzeitig oder nicht in richtiger Höhe abgeführt worden seien. Weder der bisherige Vortrag der Klägerin noch die durchgeführten Ermittlungen hätten ein anderes Bild ergeben. Unschlüssig bleibe insbesondere, dass die AOK Hessen mit Schreiben vom 29. Januar 2015 mitgeteilt habe, dass die Klägerin für den Versicherten im Zeitraum vom 1. November 2013 bis 21. Dezember 2013 ein Unfallversicherungsentgelt in Höhe von 6.359,00 Euro bei 210 Arbeitsstunden als Meldung nach § 28a Abs. 2 SGB IV abgegeben habe (= 30,28 pro Stunde), während auf der von der Klägerin eingereichten Lohnabrechnung für November 2013 ein Stundenlohn von 13,90 Euro ausgewiesen sei.

Mit Klage vom 20. Oktober 2016 hat sich die Klägerin gegen den Aufwendungsersatzanspruch gewandt. Warum die Beklagte von Schwarzarbeit ausgehe, sei nicht erklärlich. Die erforderliche Sofortmeldung sei abgegeben worden. Die angeblich anderslautende Mitteilung der DRV Bund sei nicht nachvollziehbar. Zur Bekräftigung ihres Vorbringens legte die Klägerin die Lohnabrechnungen des Versicherten aus dem Jahre 2013 und einen Versicherungsverlauf der DRV Hessen vom 10. November 2016 vor, aus dem sich eine geringfügige Beschäftigung des Versicherten vom 23. April 2012 bis 31. Dezember 2012, ein reguläres sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vom 1. Januar 2013 bis 21. Dezember 2013 und der Bezug von Entgeltersatzleistungen ab dem 22. Dezember 2013 ergeben. 

Im Kammertermin hat die Beklagte eine Kostenaufstellung gemäß § 110 SGB VII über ihre im Zeitraum vom 9. November 2013 bis 26. Juni 2015 erbrachten Aufwendungen für den Versicherten vorgelegt, darüber hinaus eine Abschrift des Urteils des Amtsgerichts Rüsselsheim vom 25. September 2018 (Az.: 21 Ds - 600 Js 50419/13) gegen den Geschäftsführer der Klägerin, durch das dieser wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelten in fünf Fällen für schuldig befunden und deswegen zu einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 50,00 Euro bei zudem Einziehung eines Betrages von 21.691,41 Euro der A. GmbH als Wertersatz des Erlangten verurteilt wurde. 

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. Juli 2019 abgewiesen. Unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 14. April 2015 (Az.: VI ZB 50/14) hat es zunächst den Rechtsweg zu der Sozialgerichtsbarkeit für eröffnet erachtet. Die Klage sei jedoch unbegründet, die Voraussetzungen für den Regressanspruch nach § 110 Abs. 1a SGB VII lägen vor. Bei der Klägerin handele es sich um einen Betrieb des Baugewerbes, so dass die Pflicht zur Sofortmeldung nach § 28a Abs. 4 SGB IV bestehe. Ausweislich der Auskunft der DRV Bund habe die Klägerin jedoch für den verunfallten Arbeitnehmer C. C. keine Sofortmeldung abgegeben. Ob die Klägerin hinsichtlich der unterbliebenen Sofortmeldung ein Verschulden treffe, sei nicht relevant. Aufgrund des Meldeverstoßes greife der Vermutungstatbestand der nicht ordnungsgemäßen Beitragsentrichtung ein. Die spätere Überprüfung im Rahmen des Klageverfahrens habe ergeben, dass die Klägerin die Beiträge auch tatsächlich nicht rechtzeitig in der richtigen Höhe erbracht habe, sodass die Vermutung der Schwarzarbeit nicht habe widerlegt werden können. Die Klägerin habe entgegen ihrer Verpflichtung aus § 165 Abs. 1 SGB VII den Lohnnachweis für 2013 nicht bis zum 11. Februar 2014 eingereicht. Das von der Beklagten daraufhin nach § 165 Abs. 3 SGB VII geschätzte Entgelt habe 11.000,00 Euro betragen. Basierend auf dieser Schätzung habe die Beklagte zunächst den Bescheid vom 25. April 2014 erlassen und einen Gesamtbeitrag in Höhe von 1.156,80 Euro festgesetzt, der bis zum 15. Mai 2014 fällig gewesen sei. Der geänderte Beitragsbescheid für das Jahr 2013 vom 21. Dezember 2015 sei ergangen, nachdem die Beklagte durch ein Schreiben der DRV vom 21. Dezember 2015 Kenntnis von einer Betriebsprüfung bei der Klägerin erhalten habe, bei der u. a. festgestellt worden sei, dass für das Jahr 2013 Entgelte in Höhe von 46.023,00 Euro zu wenig berücksichtigt worden seien. Hätte die Klägerin die Entgelte in Höhe von 57.023,00 Euro pflichtgemäß bis zum 11. Februar 2014 gemeldet, wäre der Gesamtbeitrag in Höhe von 4.190,99 Euro bereits mit Bescheid vom 25. April 2014 festgesetzt worden. Damit sei bewiesen, dass die Klägerin die Beiträge für das Jahr 2013 im Jahr 2014 nicht in der richtigen Höhe und nicht rechtzeitig erbracht habe. Die nachgeholten Zahlungen beziehungsweise die vorliegend durch das Hauptzollamt eingetriebenen Beiträge auf den geänderten Beitragsbescheid ließen die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1a SGB VII nicht entfallen. 

Gegen die ihr am 26. September 2019 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 18. Oktober 2019 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht angebracht. Zur Begründung rügt sie die fehlerhafte Rechtsanwendung bzw. eine Rechtsverletzung. Das erstinstanzliche Gericht gehe unzutreffend davon aus, dass keine erforderliche Sofortmeldung bezüglich des Versicherten abgegeben worden sei und Schwarzarbeit vorliege. Die Klägerin sei ihrer sozialversicherungsrechtlichen Meldeverpflichtung nachgekommen. Die Rentenversicherung bestätige jedoch seine lückenlose Anmeldung. Schwarzarbeit liege demnach nicht vor. Auch habe die Klägerin die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung ordnungsgemäß bezahlt, auch für den verunfallten Arbeitnehmer. Nicht gewürdigt worden sei zudem, dass der Anmeldung bei der Einzugsstelle gemäß § 28a Abs. 1 SGB IV nachgekommen worden sei. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich nicht geregelt, dass diese Meldung nicht gleichzeitig auch als Meldung nach § 28a Abs. 4 SGB IV gelten könne, was tatsächlich der Fall sei. Eine Sofortmeldung diene dem Zweck der Erfassung von neuen Beschäftigungsverhältnissen und erledige sich, sobald die Meldungen an die Einzugsstelle rechtzeitig erfolgt sei. Bestritten werde im Übrigen, dass die Klägerin den „Lohnnachweis“ nicht bis zum 11. Februar 2014 eingereicht habe und daher eine „Einschätzung“ nach § 165 Abs. 3 SGB VII „hinsichtlich des Arbeitnehmers“ habe erfolgen müssen. Auch handle es sich bei dem Gewerbe der Klägerin um keinen Betrieb des Baugewerbes im Sinne von § 101 Abs. 2 SGB Drittes Buch. Im Streitjahr 2013 habe die Klägerin mit ihrem Betrieb arbeitszeitlich nicht überwiegend baugewerbliche Leistungen erbracht. Es sei mit mehr als 50 % die Durchführung von Werkverträgen durch verschiedene Subunternehmen zu kontrollieren gewesen. Es habe sich insoweit um baufremde Tätigkeiten gehandelt. Bestritten werde schließlich auch die Forderung der Höhe nach; auch werde die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. Juli 2019 und den Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das angefochtene Urteil lasse keine fehlerhafte Rechtsanwendung bzw. Rechtsverletzung erkennen. Eine Sofortmeldung nach § 28a Abs. 4 SGB IV sei nach der Mitteilung der DRV Bund nicht erfolgt. Schwarzarbeit sei gemäß § 110 Abs. 1a Satz 2 SGB VII zu vermuten. Die Vermutung könne die Klägerin nicht widerlegen. Durch die Bescheide vom 25. April 2014 und vom 21. Dezember 2015 sei bewiesen, dass die Beiträge für das Unfalljahr nicht in der richtigen Höhe und nicht rechtzeitig erbracht worden seien. Die Klägerin verkenne, dass die Meldung nach § 28a Abs. 1 SGB IV nicht die Sofortmeldung nach § 28a Abs. 4 SGB IV ersetze. Unter Hinweis auf diverse die Klägerin betreffende Unterlagen, u. a. Auszüge aus dem Handelsregister, Gewerbeanmeldungen, Gesellschaftsverträge und Baustellenbegehungen durch Mitarbeiter ihrer Präventionsabteilungen im September, Oktober und Dezember 2013 geht die Beklagte weiterhin davon aus, dass die Klägerin entsprechend der mit Bescheid vom 8. Juni 2011 erfolgten unangefochten Veranlagung nach der Gefahrtarifstelle 100, Gewerbezweig „Errichten von Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus“ überwiegend Bauleistungen erbracht hat und es sich bei ihr um ein Unternehmen des Baugewerbes handelt. Hierfür sprächen auch die Ermittlungen des Hauptzollamtes Darmstadt (Schlussbericht vom 7. Juli 2017). Auch habe eine Betriebsprüfung der Beklagten im Steuerbüro der Klägerin für den Zeitraum von Januar und Februar 2014 ergeben, dass diverse Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten in Rechnung gestellt worden seien. Hinweise darauf, dass die Tätigkeit der Klägerin sich von 2013 bis 2014 und in den Folgejahren geändert habe, ergeben sich nicht. Schließlich sei auch die Vermutungsregelung des § 101 Abs. 3 SGB III zu beachten. 

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zu dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und auf die Gerichtsakten Bezug genommen. 


Entscheidungsgründe

Gestützt auf den Beschluss des BGH vom 14. April 2015 (Az.: VI ZB 50/14) geht auch der Senat davon aus, dass es sich bei § 110 Abs. 1a SGB VII um einen öffentlich-rechtlichen Regressanspruch handelt, für den der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG gegeben ist. Mit Blick auf die Rechtswegbindung nach § 202 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 17a Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) kommt es hierauf jedoch nicht an.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und auch mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2016 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung ihrer bisher aufgrund des Arbeitsunfalles vom 9. November 2013 für den Versicherten erbrachten Aufwendungen in Höhe von 73.580,54 Euro und auch der zukünftig noch entstehenden Aufwendungen hierfür.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 110 Abs. 1a SGB VII. Nach dieser Vorschrift haben Unternehmer, die Schwarzarbeit nach § 1 SchwarzArbG erbringen und dadurch bewirken, dass Beiträge nach dem 6. Kapitel nicht, nicht in der richtigen Höhe oder nicht rechtzeitig entrichtet werden, den Unfallversicherungsträgern die Aufwendungen zu erstatten, die diesen infolge von Versicherungsfällen bei Ausführung der Schwarzarbeit entstanden sind. Eine nicht ordnungsgemäße Beitragsentrichtung wird vermutet, wenn die Unternehmer die Personen, bei denen die Versicherungsfälle eingetreten sind, nicht nach § 28a SGB IV bei der Einzugsstelle oder der Datenstelle der Träger der Rentenversicherung angemeldet hatten. 

Schwarzarbeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 SchwarzArbG liegt bei der Nichterfüllung von sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflichten vor. Eine nicht ordnungsgemäße Beitragsabführung und damit das Vorliegen von Schwarzarbeit wird nach § 110 Abs. 1a Satz 2 SGB VII vermutet, wenn die nach § 28a SGB IV vorgeschriebene Meldung unterblieben ist. Ob den Unternehmer ein Verschulden trifft, ist dabei jedenfalls bezüglich des Unterlassens der Meldung ohne Belang (Hillmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 110 SGB VII - Stand: 15.03.2014 -, Rn. 23).

§ 28a SGB IV normiert eine Vielzahl von Meldepflichten. Nach dem dortigen Abs. 1 hat ein Arbeitgeber oder ein anderer Meldepflichtiger innerhalb der sich aus § 28c Abs. 1 Nr. 1 SGB IV i. V. m. §§ 6 ff. der Verordnung über die Erfassung und Übermittlungen von Daten für die Träger der Sozialversicherung (DEÜV) ergebenden Fristen Meldungen zu erstatten, die gesetzlich Versicherte in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung bzw. nach dem Recht der Arbeitsförderung betreffen (sog. Regelmeldung). Die Meldepflicht betrifft dabei sowohl Beschäftigte (§ 7 SGB IV), die kraft Gesetzes der Versicherungs- oder Beitragspflicht in den vorbezeichneten Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung unterliegen (§ 3 DEÜV), als auch geringfügig Beschäftigte (§ 13 DEÜV). Dass die Klägerin der Meldeverpflichtung nach § 28a Abs. 1 SGB IV nachgekommen ist, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. 

Verletzt hat die Klägerin jedoch die sich für sie darüber hinaus - zusätzlich - aus § 28a Abs. 4 SGB IV ergebende, inhaltlich strengere weitere Meldeverpflichtung. Nach dieser am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Regelung sind Arbeitgeber bestimmter Wirtschaftsbereiche oder -zweige verpflichtet, den Tag des Beginns eines Beschäftigungsverhältnisses bei dessen Aufnahme an die Datenstelle der Träger der Rentenversicherung zu melden. Die Meldung hat gem. § 28a Abs. 4 Satz 1 SGB IV sofort zu erfolgen, spätestens bei der Aufnahme der Beschäftigung (§ 7 DEÜV). Ziel dieser so genannten Sofortmeldung ist es, Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung zu bekämpfen, eine fehlende Sofortmeldung gilt als Indiz für Schwarzarbeit (BT-Drs. 16/10488, S. 15). 

Entgegen der Auffassung der Klägerin macht eine rechtzeitig nach § 28a Abs. 1 Nr. 1 SGB IV erstattete Regelmeldung die Sofortmeldung dabei nicht entbehrlich: Ebenso wenig ersetzt umgekehrt die Sofortmeldung nach Absatz 4 a. a. O die Regelmeldung. Die Sofortmeldung ist vielmehr zusätzlich zu erstatten (BT-Drucks. 16/10488 S. 15; Sehnert in: Hauck/Noftz, SGB, 12/19, § 28a SGB IV, Rn. 20). Dies ergibt sich neben der Gesetzesbegründung auch daraus, dass die Meldeverpflichtungen nach den Meldeinhalten, den Mitteilungsempfängern, den Rechtsfolgen und auch in zeitlicher Hinsicht differieren (so auch OLG Köln vom 14. August 2015 – III-1 RBs 219/15). Die mitteilungspflichtigen Daten für die Regelmeldung nach § 28a Abs. 1 SGB IV ergeben sich aus Abs. 3 der Vorschrift. Sie sind umfassender als diejenigen des Abs. 4 a. a. O. und haben gegenüber der Einzugsstelle zu erfolgen. Erst auf ihrer Grundlage werden sozialversicherungspflichtige Beiträge erhoben. Die Meldung nach § 28a Abs. 4 SGB IV betrifft dagegen lediglich bestimmte, erfahrungsgemäß von Schwarzarbeit besonders betroffene Wirtschaftszweige und dient der (Erst-)Erfassung der Beschäftigungsverhältnisse. Sie hat gem. § 6 DEÜV gegenüber der Datenstelle der Träger der Rentenversicherung zu erfolgen, damit der Eintrag in die dortige Stammsatzdatei erfolgen kann. Gem. § 6 DEÜV ist der Beginn einer versicherungspflichtigen Beschäftigung (erst) mit der ersten folgenden Lohn- und Gehaltsabrechnung, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach ihrem Beginn, zu melden ist. Die Sofortmeldung hat gem. § 7 DEÜV indes spätestens bei Beschäftigungsaufnahme zu erfolgen. 

Bei der Klägerin handelt es sich um eine im Baugewerbe tätige Firma, die nach § 28a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IV der Sofortmeldeverpflichtung unterliegt. Nach § 101 Abs. 2 Satz 1 SGB III ist ein Betrieb des Baugewerbes ein Betrieb, der gewerblich überwiegend Bauleistungen auf dem Baumarkt erbringt. Bauleistungen sind dabei alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen (Satz 2 a. a. O.). Die Bautätigkeit überwiegt, wenn mehr als die Hälfte der betrieblichen Tätigkeit auf Bauleistungen entfällt. 

Nach dem Willen des Gesetzgebers ist der Begriff der Bauleistung umfassend zu verstehen (BT-Drs. VI/2689 S. 11; BSG vom 15. Februar 2000 - B 11 AL 41/99 R). Zu den Bauleistungen gehören alle Arbeiten, die herkömmlich vom Baugewerbe verrichtet werden (BSG vom 22. März 1979 - 7/12 RAr 51/77) und die „zur bestimmungsgemäßen Nutzung eines Bauwerks erforderlich sind“ (BSG vom 15. Februar 2000 - B 11 AL 41/99 R). Angesichts der Vielfalt der im Baugewerbe anfallenden Arbeiten und der ständigen Weiterentwicklung der Bautechnik ist für die Qualifizierung einer Arbeit als Bauleistung auch die Verkehrsanschauung, insbesondere die Auffassung der Tarifpartner des Baugewerbes zu berücksichtigen (Gagel/Bieback, 78. EL Mai 2020, SGB III § 101 Rn. 34 m. w. N.). Der Begriff des Baugewerbes wird durch § 1 Abs. 2 Baubetriebe-Verordnung (BaubetrV) durch Bezeichnung der einzelnen (nach § 101 Abs. 1 SGB III förderungsfähigen) „Zweige des Baugewerbes“ konkretisiert (Gagel/Bieback, 78. EL Mai 2020, SGB III § 101  Rn. 30).

Ausweislich des Gesellschaftervertrages vom 18. Januar 2011 und des Handelsregisterauszuges vom 8. April 2011 (Projektplanung und -entwicklung im Bauwesen, soweit keine besondere Genehmigung erforderlich ist; ferner der Ankauf, die Bebauung und der Verkauf von Immobilien) sowie der Gewerbeanmeldung vom 4. Februar 2011 (Hochbau und Dachausbau) bietet die Firma der Klägerin diverse hierunter fallende Arbeiten an. Mit bestandskräftig gewordenem Veranlagungsbescheid vom 8. Juni 2011 wurden rückwirkend ab dem 18. Januar 2011 als Unternehmensteil „Hochbau aller Art“ und Gewerbezweig „Errichten von Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus“ festgestellt. Ebenfalls bestandskräftig erfolgte mit Bescheid vom 25. November 2011 nach Verlegung des Geschäftssitzes von F-Stadt nach A-Stadt ab dem 1. Januar 2012 die Veranlagung unter dem Gewerbezweig „Bauwerksbau“; bei der dortigen Gewerbeanmeldung wurde der Gewerbegegenstand mit „Zimmerer und Dachausbau (im Dachausbau ohne handwerkliche Arbeiten), Dachdeckerarbeiten“ bezeichnet. 

Soweit die Klägerin mit der Begründung, im Jahr 2013 arbeitszeitlich nicht überwiegend baugewerbliche Leistungen erbracht zu haben, bestreitet, ein Betrieb des Baugewerbes zu sein, vermochte sich der Senat hiervon nicht zu überzeugen. Der Senat stellt dabei nicht in Abrede, dass die Klägerin neben den vorerwähnten Bauleistungen auch andere Leistungen (Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung von Werkverträgen durch verschiedene Subunternehmer) erbracht hat.

An der rechtlichen Qualifizierung der Firma der Klägerin als ein Unternehmen des Baugewerbes ändert die Einbindung von Subunternehmen in die Auftragsabwicklung nichts. Wenn auch in rechtlich anderem Kontext zu § 28e Abs. 3a Satz 1 SGB IV hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 27. Mai 2008 (Az.: B 2 U 11/07 R) ausgeführt, dass für die Qualifizierung eines Unternehmens als ein solches des Baugewerbes die eigene Erbringung von Bauleistungen nicht erforderlich ist. Erfasst würden auch Unternehmer, die ausschließlich andere Unternehmerleistungen für sich ausführen ließen und bei denen dies wesentlicher Gegenstand ihrer unmittelbaren geschäftlichen Betätigung sei. Für diese Sichtweise spricht die nach der Rechtsprechung vorzunehmende, vorerwähnte umfassende Auslegung des Begriffes der Bauleistungen, nach der es keinen Unterschied machen kann, ob ein (Vor-)Arbeiter auf einer Baustelle die Durchführung von Bauarbeiten der eigenen oder einer fremden Firma kontrolliert. Entscheidend ist, welche Tätigkeiten dem Unternehmen das Gepräge geben und ob nach der Verkehrsanschauung, also dem nach außen tretenden Gesamteindruck der Firma, Bauleistungen oder baufremde Verrichtungen erbracht werden. Die Klägerin ist ihren eigenen Angaben zufolge ausschließlich in der Baubranche tätig. Aufträge zur Errichtung von Bauten oder zu deren Ausbau und Fertigstellung erbringt sie durch Einsatz eigener Mitarbeiter und Beauftragung von Subunternehmern, die mit der Erstellung einzelner Leistungen oder Gewerke befasst werden. Letztverantwortlich für das Gesamtprojekt bleibt die Klägerin dabei selbst. Nach außen tritt die Klägerin damit als ein Unternehmen des Baugewerbes in Erscheinung. Auch der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung gebietet im Übrigen ein einheitliches Verständnis, eine einheitliche Auslegung dessen, was unter einem „Betrieb des Baugewerbes“ zu verstehen ist, jedenfalls für den Bereich des Sozialrechts. Maßgeblich ist insoweit die vom BSG in dem vorzitierten Urteil vorgenommene inhaltliche Ausgestaltung.  

Aber auch selbst wenn man die unternehmerische Qualifikation - der Argumentation der Klägerin folgend - von Arbeitszeitanteilen und der Annahme eines so genannten Mischbetriebes abhängig machen wollte, ergäbe sich fallbezogen kein anderes Ergebnis: 

Bei der Feststellung, welche Art der Tätigkeit einem Mischbetrieb das „Gepräge“ gibt, ist eine Arbeitszeitsaldierung vorzunehmen. Die Bauleistungen überwiegen, wenn sie im Vergleich zu den übrigen Tätigkeiten mehr als 50 % der Arbeitsstunden beanspruchen (BSG vom 4. März 1999 - B 11/10 Al 6/98 R; BSG vom 15.  Februar 2000 - B 11 Al 41/99 R; Scholz in: Hauck/Nofts, SGB, 11/15, § 101 SGB III, Rn. 39). Bei schwankenden arbeitszeitlichen Einsätzen der Arbeitnehmer ist auf den Jahreszeitraum abzustellen (BSG vom 11. März  1987 - 10 RAr 5/85). Die Tatsache, dass Bauleistungen am Gesamtvolumen der erbrachten Leistungen nicht überwiegen, ist nachgewiesen, wenn diese mit an Sicherheit grenzender, keine vernünftigen Zweifel zulassender Wahrscheinlichkeit feststeht (Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III § 101 Rn. 33, 54, 55, beck-online). Geeignet, den Nachweis zu erbringen, sind mangels diesbezüglicher gesetzlicher Vorgaben alle Mittel des Freibeweises. Wenngleich die Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen - sowohl für die Behörde (§§ 20, 21 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch < SGB X > als auch für das Gericht (§ 103 SGG) - besteht, kommt dem Arbeitgeber, in dessen Sphäre die nachzuweisenden Umstände liegen, ob seines Erkenntnisvorsprunges eine besondere Mitwirkungsobliegenheit zu (Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, Sozialgesetzbuch III, SGB III § 101 Rn. 57, beck-online; Scholz in: Hauck/Nofts, SGB, 11/15, § 101 SGB III, Rn. 39). Dem Betrieb obliegt es insoweit, die einzelnen Tätigkeiten unter Angabe des arbeitszeitlichen Aufwands genau darzustellen (Tätigkeitsbeschreibung und Arbeitsplatzaufschlüsselung) und Nachweise darüber zu erbringen (Müller-Grune in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl., § 101 SGB III (Stand: 16.12.2019), Rn. 42, 44, 45).
Gelingt bei einem Mischbetrieb die abschließende Klärung nicht, z. B. weil Beweismittel nicht oder nicht ausreichend vorgelegt werden, wird die überwiegende Tätigkeit und damit die Zugehörigkeit zu einem Betrieb des Baugewerbes nach § 101 Abs. 3 Satz 1 SGB III vermutet. 

Erstmals im Berufungsverfahren hat die Klägerin behauptet, ihre eigenen Arbeitnehmer hätten mehr als die Hälfte ihrer persönlichen Arbeitszeit mit baufremden Tätigkeiten, konkret der Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung von Werkverträgen durch verschiedene Subunternehmer, verbracht, mit dem verbleibenden Arbeitszeitanteil lediglich kleinere Rohbau-, Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten sowie anteilige kaufmännische Leistungen ausgeführt. Zum Nachweis hierfür wurde ausschließlich der Mitarbeiter G. als Zeuge benannt. Trotz Anregung der Beklagten im Schriftsatz vom 8. Juni 2020 wurden Rechnungs- und Steuerunterlagen für das Jahr 2013, nebst Verträgen mit Angaben zu den verrichteten Tätigkeiten, nicht vorgelegt.

Nach der Aussage des Zeugen G. in der mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 2020 ergibt sich für den Senat nichts Belastbares dafür, dass die Firma der Klägerin in dem streitgegenständlichen Jahr 2013 nicht überwiegend Bauleistungen erbracht hat. Die Bekundung des Zeugen G. war in weiten Teilen unbestimmt und ungenau, in ihrem Kern nicht greifbar und zur Veranschaulichung der Verhältnisse der Firma der Klägerin mangels näherer Detailangaben ungeeignet. Angaben konnte der Zeuge ohnehin nur für die Zeit ab der Aufnahme seiner Beschäftigung bei der Klägerin (Mai 2013) machen. An einzelne Bauprojekte vermochte er sich erst nach deutlichem Vorhalt seines Chefs, des Geschäftsführers der Klägerin E., zu erinnern. Den Umfang der Tätigkeit, konkret die Anzahl der durchgeführten Aufträge, wusste er ebenso wenig, wie er Anzahl und Namen der Beschäftigten der Klägerin sowie die der Subunternehmer zu benennen vermochte. Was seine eigene Tätigkeit anbelangt, hat sich der Zeuge in Widersprüche verwickelt, zu den entscheidungserheblichen Umständen fehlte ihm die Erinnerung. Einzig klar und wiederholt herausgestellt hat der Zeuge mit Bestimmtheit, dass die Mitarbeiter der Klägerin überwiegend - zu ca. 75 % - beobachtende Tätigkeiten in Bezug auf die Arbeiten der Subunternehmer auf den Baustellen verrichtet hätten. Im Zusammenspiel mit den sonstigen, sehr vagen Bekundungen des Zeugen drängt sich die Frage der Glaubhaftigkeit gerade dieser Aussage geradezu auf.

Demgegenüber ergeben sich aus den von der Beklagten mit Schriftsatz vom 8. Juni 2020 vorgelegten Unterlagen Hinweise für ein Überwiegen der Bauleistungen.

Zunächst ergeben sich aus den von der Beklagten vorgelegten Besichtigungsberichten von Baustellen der Klägerin vom 10. September 2013 und 8. Oktober 2013 (H-Stadt, H-Straße; Besichtigungen am 9. September 2013 und 2. Oktober 2013), vom 8. Oktober 2013 (J Stadt, J-Straße; Besichtigung am 7. Oktober 2013) und vom 6. Dezember 2013 (K-Stadt, K-Straße; Besichtigung am 5. Dezember 2013) keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die jeweils angetroffenen Arbeitnehmer der Klägerin für die Überwachung vermeintlicher Subunternehmer tätig gewesen sind. Anwesend waren ausweislich der Berichte der Zeuge G., ein weiterer Mitarbeiter L. und der Geschäftsführer E. selbst, der letztlich auch als Bauleiter bezeichnet wurde. Bei einer nur kontrollierenden Tätigkeit von Subunternehmen hätte es im Rahmen einer Baustellenbegehung durch die Beklagte nahegelegen, den oder die für die Einhaltung der Arbeitsschutz- und Arbeitssicherheitsmaßnahmen Verantwortlichen - allein schon unter dem Aspekt der möglichen Auferlegung eines Bußgeldes (§ 209 Abs. 1 Nr. 1, 2 SGB VII) - zu benennen. Jedenfalls für die vorgenannten Baustellen geht der Senat daher davon aus, dass es sich um eigene Bauleistungen der Klägerin gehandelt hat, die erbracht worden sind.

Gegen eine überwiegende Kontrolltätigkeit der ordnungsgemäßen Ausführung von Werkverträgen sprechen zudem die Ermittlungen des Hauptzollamtes Darmstadt ab dem 16. Juli 2013, die zu dem Strafverfahren gegen den Geschäftsführer der Klägerin vor dem Amtsgericht Rüsselsheim (Az.: 21 Ds-600 Js 50419/13) - derzeit wohl in der Berufungsinstanz - geführt haben. Aus dem Schlussbericht des Hauptzollamtes vom 7. Juli 2017 ergibt sich, dass gegen zwei auf der Baustelle der Klägerin in der J-Straße in A-Stadt arbeitende rumänische Staatsangehörige, die als Beschäftigte angesehen wurden, aufgrund der Gesamtumstände Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beschäftigungsaufnahme ohne Arbeitsgenehmigung eingeleitet worden sind.

Gegen ein Überwiegen baufremder Tätigkeiten erachtet der Senat im Übrigen die Bestandskraft der Veranlagungsbescheide vom 8. Juni 2011 und 25. November 2011, deren Abänderung die Klägerin gemäß § 160 Abs. 2 SGB VII wegen zu hoher Gefahrklasseneinstufung (als Folge der ausschließlich angenommenen Erbringung von Bauleistungen) jedenfalls bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens nicht beantragt hatte. Über die Verminderung der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung hinaus hätte in ökonomischer Hinsicht auch die aus § 354 SGB III folgende Umlagepflicht die Klägerin zur Mitteilung veranlassen müssen, dass von ihr nicht überwiegend relevante Bauleistungen erbracht werden. Dies ist jedoch über viele Jahre hinweg nicht geschehen. Soweit der Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 2020 auf eine laufende - im Einzelnen noch streitige - Neuberechnung der Beiträge, auch für die Vergangenheit, hingewiesen hat, ist dies für dieses Verfahren ohne Bedeutung und bedurfte keiner weiteren Aufklärung.

Wenn nach alledem ein Überwiegen baufremder Tätigkeiten nicht bereits ausgeschlossen ist, verbleiben jedenfalls erhebliche Zweifel, welche Tätigkeit bei der Klägerin letztlich überwiegt. Nach der Vermutungsregelung des § 101 Abs. 3 Satz 1 SGB III wirkt sich dies zu ihren Lasten aus, weshalb (auch) von einem Baugewerbe auszugehen ist.

Eine Sofortmeldung ist für den Versicherten nach Auskunft der DRV Bund vom 15. Januar 2014 zu keinem Zeitpunkt erfolgt, weder zu der Aufnahme seiner geringfügigen Beschäftigung am 23. April 2012 noch bei seinem Wechsel in ein reguläres abhängiges Beschäftigungsverhältnis (vgl. Bl. 3 RS, 4a RS, 12, 13 RS der Verwaltungsakte der Beklagten). Aus welchem Grund die Klägerin die Sofortmeldung unterlassen hat, ist ohne Belang, auf Verschulden kommt es in dieser Hinsicht nicht an.

Soweit die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren (noch) behauptet hat, eine Sofortmeldung abgegeben zu haben, fehlt es an einem die Mitteilung der DRV Bund widerlegenden Nachweis. Die Folgen der - im Ergebnis - Nichterweislichkeit der Meldung hat die Klägerin zu tragen. Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (BSG vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90; B. Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 103 Rn. 19a).

Aufgrund des Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Sofortmeldung gilt gemäß § 110 Abs. 1a Satz 2 SGB VII die Vermutung der Schwarzarbeit. Diese Vermutung vermochte die Klägerin auch nicht zu widerlegen.

Die Widerlegung der Vermutung ist dabei zunächst möglich (§ 202 SGG i.V.m. § 292 Zivilprozessordnung <ZPO>: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/von Koppenfels-Spies, 6. Aufl. 2019, SGB VII § 110 Rn. 13), wobei die Widerlegungslast und -initiative bei den Unternehmern liegt und wegen der Gegebenheiten im Schwarzarbeitsbereich einen strengen Maßstab verlangt (KassKomm/Ricke, 106. EL September 2019, SGB VII § 110 Rn. 28). 

Im Gegenteil haben die Ermittlungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren und auch die der DRV Hessen im Rahmen der am 13. November 2015 erfolgten Betriebsprüfung bei der Klägerin eine nicht ordnungsgemäße Beitragsabführung - auch über den Fall des Versicherten hinaus - sogar bestätigt. So ist die Klägerin der sich aus § 165 Abs. 1 SGB VII ergebenden Verpflichtung, nach Ablauf eines Kalenderjahres die Arbeitsentgelte der Versicherten und die geleisteten Arbeitsstunden mit dem Lohnnachweis nach § 99 SGB IV zu melden, für das Jahr 2013 nicht bis zu dem insoweit maßgeblichen 11. Februar 2014 nachgekommen. Die daraufhin von der Beklagten vorgenommene Schätzung der Beiträge (Bescheid vom 25. April 2014 / 1.156,80 Euro), auf die die Klägerin, was die angenommene Lohnsumme von 11.000,00 Euro anbelangt, nicht reagierte, erwies sich im Nachhinein als unrichtig. Nach dem Ergebnis der Betriebsprüfung der DRV Hessen betrugen die beitragspflichtigen Arbeitsentgelte tatsächlich 57.023,00 Euro, also 46.023,00 Euro mehr, was zu einer Beitragsnachforderung für das Jahr 2013 von 3.034,19 Euro geführt hat. Dass die Klägerin für das Jahr 2013 Beiträge nicht in der richtigen Höhe und auch nicht rechtzeitig erbracht hat, steht damit über eine bloße Vermutung hinaus sogar fest. Die Begleichung der (rückständigen) Beitragsforderungen für das Jahr 2013 im Nachhinein ändert an dem der Beklagten zustehenden Regressanspruch aus § 110 Abs. 1a SGB VII im Übrigen nichts.

Nach alledem steht der Beklagten ein Regressanspruch in Höhe der geleisteten Aufwendungen zu. Die geltend gemachte Forderung von 73.580,54 Euro besteht dabei zu Recht, die einzelnen Rechnungsposten wurden von der Beklagten im Einzelnen nachgewiesen. Insoweit verweist der Senat auf deren Schriftsatz vom 3. Juli 2020 nebst Anlagen (Bl. 421 bis 586 der Gerichtsakte, Bd. II). 

Der Anspruch ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht verjährt. Gem. § 113 Satz 1 SGB VII gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 Bürgerliches Gesetzbuch < BGB >), die im Zeitpunkt der Bescheiderteilung am 24. Juli 2015 offensichtlich noch nicht verstrichen war. 

Die Berufung war insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). 

Rechtskraft
Aus
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