Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.12.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Krankenhausbehandlung in Form einer adipositaschirurgischen Operation als Sachleistung streitig.
Die am 13.03.1981 geborene Klägerin ist bei der beklagten Krankenkasse krankenversichert. Am 01.08.2018 beantragte sie bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine Magenverkleinerungsoperation in der S Klinik B S1. Schon seit frühester Kindheit leide sie unter extremem Übergewicht. Unzählige Versuche mit immer wieder neuen Diäten, um ihr Übergewicht zu verringern, seien fehlgeschlagen. Selbst eine Abnahme unter ärztlicher Aufsicht mit Medikamenten habe nicht zum Erfolg geführt. Auch Bemühungen im Fitnessstudio, Fahrradfahren auf dem eigenen Hometrainer und Nordic-Walking hätten keine langfristigen Erfolge gebracht. Jährlich steige ihr Gewicht. Mittlerweile liege ihr Höchstgewicht bei 106 kg (BMI von 40,4 kg/m²). Aufgrund ihres Übergewichts leide sie an diversen Folgeerkrankungen wie zB Gelenkschmerzen, Rückenleiden und einem HWS-Syndrom. Aus ihrer Sicht habe sie alle konservativen Methoden ausgeschöpft und sehe einen chirurgischen Eingriff als letzte Chance, ihr Übergewicht zu verringern. Sie legte eine Stellungnahme des R, der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie der S Klinik B S1, sowie der R1 vor. Dort werden die Diagnosen morbide Adipositas Grad III (BMI 40,4 kg/m², 162 cm, 106 kg), Hypercholesterinämie, Steatosis hepates (Fettleber), Nikotinabusus, Narkolepsie, HWS-Syndrom, Gonarthrose beidseits und Lumbago genannt.
Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein und teilte dies der Klägerin mit (Schreiben vom 06.08.2018). Der MDK gelangte im sozialmedizinischen Gutachten vom 24.08.2018 zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für die begehrte Leistung nicht erfüllt seien. Zwar liege bei der Klägerin ein BMI über 40 kg/m² vor. Jedoch seien die konservativen Behandlungsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft. Dies setze nach Maßgabe der einschlägigen Leitlinien voraus, dass eine multidisziplinäre konservative Behandlung nach definierten Qualitätskriterien stattgefunden habe. Qualitätsgesicherte ambulante Adipositas-Programme seien ohne Dokumentation des koordinierenden Arztes nicht denkbar. Daher sei die Vorlage der Dokumentation des koordinierenden Arztes mit Beschreibung des Ablaufs des Therapieprogrammes mit Angabe der Beratungszeiträume und Termine und konkreten Beratungsinhalten zu fordern. Das multidisziplinäre Therapiekonzept müsse Ernährungstherapie, Bewegungstherapie und Verhaltensmodifikation umfassen. Die Behandlung müsse mindestens sechs Monate andauern.
Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 24.08.2018 ab.
Am 24.09.2018 legte die Klägerin Widerspruch gegen die Ablehnungsentscheidung ein. Ausweislich eines Aktenvermerks vom 24.09.2018 teilte die Klägerin ua mit, dass sie sich wahrscheinlich in einem Adipositaszentrum zur multimodalen Therapie vorstellen werde. Am 27.12.2018 unterrichtete sie die Beklagte, dass sie noch kein multimodales Programm durchgeführt habe. Dies werde sie im nächsten Jahr beginnen. Auf die Bitte der Klägerin stellte die Beklagte die Entscheidung über den Widerspruch zunächst zurück. Ausweislich des Aktenvermerks der Beklagten vom 29.05.2019 teilte die Klägerin mit, dass sie im April 2019 entbunden habe, und bat um eine weitere Aufschiebung für sechs Monate. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 05.06.2019 darauf hin, dass die leistungsrechtlichen Voraussetzungen bislang nicht erfüllt seien. Nachweise bezüglich eines durchgeführten multimodalen Behandlungskonzeptes lägen nicht vor. Sie regte die Rücknahme des Widerspruchs und ggf einen Neuantrag an. Die Klägerin hielt mit Schreiben vom 08.07.2019 an ihrem Widerspruch fest. Sie werde ab dem 01.08.2019 mit dem multimodalen Behandlungskonzept beginnen und dieses bei Abschluss nachweisen.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.2019 als unbegründet zurück. Das Bundessozialgericht (BSG) habe festgestellt, dass eine chirurgische Therapie als bariatrischer Eingriff nur als Ultima Ratio nach Erschöpfung sämtlicher konservativer Behandlungsmöglichkeiten in Betracht komme. Der MDK habe in seinem Gutachten vom 24.08.2018 festgestellt, dass bisher nicht alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft worden seien.
Dagegen hat die Klägerin am 30.09.2019 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Die konservativen Therapien seien ausgeschöpft, die Voraussetzungen der Leitlinien der Fachgesellschaften und der höchstrichterlichen Rechtsprechungen seien erfüllt. Sie - die Klägerin - werde auf herkömmlichem, dh nicht-chirurgischem Wege nicht signifikant und nachhaltig an Gewicht verlieren. Sowohl der Langzeiterfolg der chirurgischen Therapien als auch der langfristige Misserfolg herkömmlicher Therapien sei bei adipösen Patienten ab BMI 40 auch in strukturierten Programmen hervorragend nachgewiesen. Ihr weitere konservative Therapien vorzuschreiben, hieße eine im Ergebnis erfolglose symptomatische Medizin zur Anwendung zu bringen. Bei ihr bestehe eine Ultima-Ratio-Situation im Sinne der Leitlinien der Fachgesellschaft und der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat erwidert, dass eine Ausschöpfung der konservativen Behandlungsmöglichkeiten nicht belegt sei. Eine multidisziplinäre konservative Behandlung gemäß den in den S3-Leitlinien definierten Qualitätskriterien habe nicht stattgefunden.
Auf Anfrage des SG (Schreiben vom 18.03.2020) hat die Klägerin ausgeführt, dass es ihr aufgrund von Schwangerschaft und Geburt nicht möglich gewesen sei, ein multimodales Behandlungskonzept zu beginnen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16.12.2020 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.09.2019 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Gewährung einer adipositaschirurgischen Maßnahme. Rechtsgrundlage für die Gewährung einer entsprechenden Behandlung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung sei die Regelung des § 27 Abs 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach hätten Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dieser Anspruch umfasse auch die Krankenhausbehandlung. Nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich sei, da das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden könne. Maßgeblich seien hierbei allein medizinische Gründe, dh die Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung richte sich allein nach den medizinischen Erfordernissen. Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung nach dem SGB V unterliege hierbei den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasse nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich seien und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprächen. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die medizinische Notwendigkeit der geltend gemachten chirurgischen Adipositasbehandlung in Form einer Magenverkleinerungsoperation lasse sich nicht feststellen. Hierbei sei zunächst festzuhalten, dass der Magen der Klägerin als solcher gesund sei. Den medizinischen Unterlagen lasse sich diesbezüglich keinerlei Funktionsstörung entnehmen. Die Magenverkleinerungsoperation solle danach als mittelbare Krankenbehandlung zur Gewichtsreduktion dienen. Dieses Ziel könne auf verschiedenen Wegen erreicht werden, sodass es für einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Gewährung dieser Behandlung maßgeblich darauf ankomme, ob eine vollstationäre chirurgische Behandlung unter Berücksichtigung der Behandlungsalternativen (diätische Therapie, Bewegungstherapie, medikamentöse Therapie, Psychotherapie) medizinisch notwendig und wirtschaftlich sei. Nach den Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften (zB Leitlinien der Deutschen Adipositas-Gesellschaft) komme eine Magenoperation als chirurgische Behandlung der extremen Adipositas nur als Ultima Ratio und nur bei Patienten in Betracht, die eine Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung erfüllten (BMI > 40 oder 35 kg/m² mit erheblichen Begleiterkrankungen, Erschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten, tolerables Operationsrisiko, ausreichende Motivation, keine manifeste psychiatrische Erkrankung, Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung; Hinweis auf Landessozialgericht <LSG> Baden-Württemberg 01.03.2011, L 11 KR 35/06; BSG 19.02.2003, B 1 KR 1/02 R). Im vorliegenden Fall bestehe bei der Klägerin eine morbide Adipositas Grad III mit einem BMI von 40,4 kg/m². Daneben bestehe eine Hypercholesterinämie sowie eine Steatosis hepatis. Dass diese Erkrankungen ein erhebliches Ausmaß im Sinne der oben dargestellten Leitlinien erreichten, lasse sich dem medizinischen Sachverhalt nicht entnehmen. Sonstige Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus oder arterielle Hypertonie lägen bei der Klägerin nicht vor. Abnutzungsbedingt bestünden Beschwerden im Bereich der Kniegelenke (Gonarthrose) sowie der Wirbelsäule. Obwohl in der Person der Klägerin damit die erste Voraussetzung der og Leitlinien und der Rechtsprechung, ein BMI von über 40 kg/m², erfüllt sei, komme die Gewährung einer adipositaschirurgischen Behandlung vorliegend nicht in Betracht. Hierfür fehle es an der Erfüllung der weiteren Voraussetzung, namentlich der Ausschöpfung sämtlicher alternativer Behandlungsmöglichkeiten. Hierzu zähle die Teilnahme über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten an einem ärztlich koordinierten und geleiteten Gesamttherapiekonzept, das Diätmaßnahmen, eine Schulung des Ess- und Ernährungsverhaltens, eine Bewegungstherapie, ggf pharmakologisch-ärztliche Behandlung und eine kombinierte psychotherapeutische Intervention umfasse. Als Langzeitbehandlung müsse diese konsequent und nachhaltig durchgeführt und dokumentiert werden. Die Durchführung eines solchen Gesamtkonzepts durch die Klägerin über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten ergebe sich weder aus ihrem Vortrag noch aus dem ermittelten medizinischen Sachverhalt. Die Durchführung zahlreicher einzelner Diäten sowie die Teilnahme an einem online angebotenen Kurs reichten hierfür nicht aus. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der im Rahmen der Klagebegründung angeführten sozialgerichtlichen Rechtsprechung. Soweit darin ausgeführt werde, eine Magenverkleinerungsoperation sei krankenversicherungsrechtlich auch dann zu bewilligen, wenn die hinreichend glaubhaften und ernsthaften eigeninitiativen Bemühungen des Versicherten zur Gewichtsreduktion nicht den strengen Vorgaben zu einem sechs- bis zwölfmonatigen multimodalen und ärztlich begleiteten bzw überwachten Therapiekonzept entsprächen (Hinweis auf Bayerisches LSG 04.12.2018, L 20 KR 191/18), fehle es vorliegend an hinreichend glaubhaften und ernsthaften eigeninitiativen Bemühungen der Klägerin.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 29.12.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26.01.2021 Berufung zum SG eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Gerügt werde ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht. Da medizinische Fragen streitig seien, hätte das SG ein unabhängiges Sachverständigengutachten einholen müssen. Das SG hätte auch nicht durch Gerichtsbescheid entscheiden dürfen. § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) setze voraus, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise. Das vorliegende Verfahren sei von überdurchschnittlicher Schwierigkeit. Weiterhin sei Voraussetzung, dass der Sachverhalt geklärt sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.12.2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.09.2019 zu verurteilen, der Klägerin eine adipositaschirurgische Operation als Sachleistung zu gewähren,
hilfsweise den Gerichtsbescheid des SG vom 16.12.2020 aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das SG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer adipositaschirurgischen Maßnahme. Das SG habe die Klage zu Recht abgewiesen. Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht liege nicht vor. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei im konkreten Fall nicht erforderlich gewesen, da sich weder aus dem klägerischen Sachvortrag noch aus dem ermittelten medizinischen Sachverhalt ergeben habe, dass die Klägerin sämtliche alternativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft habe. Die Beklagte hat weiter mitgeteilt, dass das mit Bescheid vom 14.03.2019 verfügte Leistungsruhen ab dem 22.03.2019 wegen Beitragsrückständen nach Ausgleich der offenen Beitragsforderungen am 02.08.2021 beendet worden ist.
Mit Verfügung vom 28.09.2021 hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage - auch nach Ende des Ruhens des Leistungsanspruchs - die Voraussetzungen für die begehrte Leistung nicht gegeben sein dürften. Dabei werde davon ausgegangen, dass die Klägerin entgegen ihren Ankündigungen bisher keine multimodale konservative Therapie durchgeführt habe (Hinweis auf S 3-Leitlinie zur „Prävention und Therapie der Adipositas“, 2. Auflage 2014). Die Beklagte habe bereits im Verwaltungsverfahren die Unterstützung bei der Suche nach einem geeigneten Adipositaszentrum angeboten. Ermittlungen von Amts wegen seien derzeit nicht beabsichtigt.
Daraufhin hat die Klägerin sich zur Sache nicht geäußert, sondern ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erteilt. Auch die Beklagte hat ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Einen Antrag der Klägerin auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens hat der Senat mit Beschluss vom 17.11.2021 abgelehnt, weil er die Anordnung des Ruhens des Verfahrens als nicht zweckmäßig angesehen hat.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat im Haupt- und Hilfsantrag keinen Erfolg.
Die nach §§ 143, 144, 151 Abs 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG), ist statthaft und zulässig. Dabei ist das am 28.10.2021 seitens der Klägerin erteilte Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung nicht verbraucht. Nach Abgabe ihres Einverständnisses hat sich die bisherige Tatsachen- und Rechtsgrundlage und damit die Prozesssituation nicht wesentlich geändert. Eine solche wesentliche Änderung liegt nicht in dem Antrag der Klägerin vom 13.11.2021 auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens. Denn die Voraussetzungen für ein Ruhen lagen und liegen mangels Zweckmäßigkeit nicht vor, wie der Senat in seinem Beschluss vom 17.11.2021, dem Bevollmächtigten der Klägerin am gleichen Tag zugestellt, im Einzelnen dargelegt hat (vgl zB BSG 17.12.2015, B 2 U 132/15 B; Hübschmann in BeckOGK, § 124 Rn 115).
Den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits bildet der Bescheid vom 24.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.09.2019 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Gewährung einer adipositaschirurgischen Maßnahme als Sachleistung abgelehnt hat. Dagegen wendet sich die Klägerin statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs 1 und 4, 56 SGG).
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 24.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.09.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zwar steht einem Anspruch der Klägerin ein Ruhen des Leistungsanspruchs nach § 16 Abs 3a Satz 2 SGB V nicht (mehr) entgegen, nachdem sie alle rückständige Beitragsanteile an die Beklagte gezahlt hat. Jedoch hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine Krankenbehandlung in Form einer adipositaschirurgischen Operation als Sachleistung. Das SG hat die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch zutreffend dargestellt (vgl BSG 16.12.2008, B 1 KR 2/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 20, juris, Rn 23; BSG 19.02.2003, B 1 KR 1/02 R, BSGE 90, 298; LSG Baden-Württemberg 01.03.2011, L 11 KR 3560/09) und unter Würdigung des Vorbringens der Klägerin sowie der medizinischen Unterlagen über die Klägerin zutreffend verneint, weil - was die Klägerin selbst eingestanden hat - sie bisher hinsichtlich der Erkrankung Adipositas Grad III keine multimodale konservative Therapie mit einer Dauer von 6 Monaten durchgeführt hat und damit keine Indikation für eine chirurgische Therapie der Adipositas besteht. Der Senat nimmt insoweit auf die Begründung des SG in dem angefochtenen Urteil Bezug und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs 2 SGG).
Ergänzend zur Berufungsbegründung weist der Senat darauf hin, dass nach der Interdisziplinären S 3-Leitlinie zur „Prävention und Therapie der Adipositas“ (2. Auflage 2014) die Indikation für eine adipositaschirurgische Maßnahme bei einer Adipositas Grad III (BMI > 40 kg/m²) gegeben ist, wenn die konservativen Behandlungsmöglichkeiten erschöpft sind. Nach der medizinischen Leitlinie kann eine chirurgische Therapie auch primär ohne eine präoperative konservative Therapie durchgeführt werden, wenn die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist oder der Gesundheitszustand des Patienten keinen Aufschub eines operativen Eingriffs zur Besserung durch Gewichtsreduktion erlaubt. Dies ist gegeben bei einer besonderen Schwere von Begleit- und Folgekrankheiten der Adipositas, einem BMI > 50 kg/m² oder persönlichen psychosozialen Umständen, die keinen Erfolg einer Lebensstiländerung in Aussicht stellen. Eine Fallgestaltung, in der ausnahmsweise von dem Erfordernis einer präoperativen konservativen Therapie abgesehen werden kann, liegt nicht vor. Die Klägerin weist keinen BMI von mehr als 50 kg/m² auf, sondern von ca 40 kg/m². Weiterhin liegen bei der Klägerin keine besonders schweren Begleit- und Folgeerkrankungen der Adipositas oder besondere psychosoziale Umstände vor, solche hat die Klägerin auch nicht geltend gemacht. Dies entnimmt der Senat den Berichten des R vom 18.05.2018, der R1 vom 16.05.2018 und des K vom 24.05.2018 sowie dem Gutachten des MDK vom 24.08.2018. Für den Senat bestehen keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes der Klägerin, solche hat sie auch nicht geltend gemacht. Damit kommt eine Indikation für eine adipositaschirurgische Maßnahme bei der vorliegenden Adipositas Grad III (BMI > 40 kg/m²) nur in Betracht, wenn die konservativen Behandlungsmöglichkeiten erschöpft sind. Dies ist aber nicht der Fall, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Zwar hat die Klägerin im September 2018 die Vorstellung in einem Adipositaszentrum zur Durchführung einer multimodalen Therapie angekündigt, jedoch hat sie eine solche bis heute nicht abgeschlossen. Die Klägerin hat im Dezember 2018 und April 2020 ausdrücklich eingestanden, dass sie kein multimodales Programm durchgeführt hat. Sie hat den Beginn einer entsprechenden Therapie mehrmals angekündigt (mit Schreiben vom 12.12.2018 für das Jahr 2019, mit Schreiben vom 08.07.2019 zum 01.08.2019, mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 25.04.2020: „jetzt“), jedoch zu keiner Zeit realisiert. Erst mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 12.11.2021 hat sie behauptet, sie habe einen konservativen Therapieversuch über 6 Monate, bestehend aus den Modulen Ernährungsberatung und Sport, begonnen, der bis Ende Mai 2022 andauere. Damit hat sie die erforderliche konservative Therapie mit einer Dauer von mindestens 6 Monaten im maßgeblichen Zeitpunkt nicht absolviert.
Schließlich kann sich die Klägerin nicht auf die Entscheidungen des Bayerischen LSG (Urteil vom 04.12.208, L 20 KR 191/16) und des Hessischen LSG (Urteil vom 05.07.2016, L 1 KR 116/15; Urteil vom 22.05.2014, L 8 KR 7/11) berufen. Darin haben diese Gerichte es für angemessen erachtet, wenigstens in den Sonderfällen, in denen der BMI im oberen Bereich liegt und den Wert von 40 kg/m² deutlich überschreitet, eine Magenverkleinerungsoperation krankenversicherungsrechtlich auch dann zu bewilligen, wenn die hinreichend glaubhaften und ernsthaften eigeninitiativen Bemühungen des Versicherten zur Gewichtsreduktion nicht den strengen Vorgaben zu einem sechs- bis zwölfmonatigen multimodalen und ärztlich geleiteten bzw überwachten Therapiekonzept entsprechen. Ein solcher Fall liegt bei der Klägerin aber gerade nicht vor, weil sie einen BMI von ca 40 kg/m² aufweist und dieser gerade den Wert von 40 nicht deutlich überschreitet.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Diese haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO).
Auch der Hilfsantrag hat keinen Erfolg. Nach § 159 Abs 1 Nr 2 SGG, der vorliegend allein in Betracht kommt, kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Weder ist dem SG ein Verfahrensfehler unterlaufen noch ist eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig. Das SG war berechtigt, nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, nachdem die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtliche Art aufweist und der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt war (§ 105 Abs 1 SGG). Im Hinblick auf die aktenkundigen medizinischen Unterlagen sowie die Angaben der Klägerin, dass die konservativen Behandlungsmöglichkeiten bisher nicht ausgeschöpft wurden, bestand und besteht kein Anlass für weitere medizinische Ermittlungen. Somit ist auch keine aufwändige Beweisaufnahme notwendig. Insofern kommt eine Zurückverweisung an das SG nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.