Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. Juni 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Kläger haben mit am 6. Oktober 2014 bei dem Sozialgericht Schleswig eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben. Das Klageverfahren wurde vor dem Sozialgericht zunächst unter dem Aktenzeichen S 16 AS 488/14 geführt.
Dabei haben sie sich gegen einen Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 2. September 2014 gewandt und die Gewährung eines Darlehens für den Einbau eines Badezimmers in der ersten Etage des von ihnen selbst bewohnten Hauses im Rahmen der von ihnen bezogenen Leistungen zur Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) begehrt.
Parallel dazu haben sie eine Untätigkeitsklage erhoben und ausgeführt, sie warteten seit November 2013 auf eine Antwort.
Das Sozialgericht hat am 9. September 2016 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. In dieser mündlichen Verhandlung haben die Kläger zu Protokoll die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt und wegen des begehrten Darlehens einen Sachantrag gestellt.
Das Sozialgericht hat die auf Gewährung eines Darlehens gerichtete Klage mit Urteil vom 9. September 2016 abgewiesen. Dieses Urteil ist den Klägern am 16. September 2016 zugestellt worden.
Die Kläger haben sich erstmals mit Schreiben vom 9. September 2016 gegen die Behandlung der Untätigkeitsklage als erledigt gewandt und nach Aufklärungsverfügung des Sozialgerichts mit weiteren Schriftsatz vom 1. Oktober 2016 ausgeführt, auch die Untätigkeitsklage habe nicht zurückgenommen werden sollen. Das Sozialgericht hat das Verfahren daraufhin unter dem Aktenzeichen S 16 AS 448/16, später S 4 AS 448/16 fortgeführt.
Am 25. Juni 2020 hat es dieses Verfahren gemeinsam mit weiteren Verfahren der Kläger mündlich verhandelt.
Die Kläger haben beantragt,
das Verfahren S 16 AS 488/14 fortzusetzen.
Der Beklagte hat beantragt,
den Fortsetzungsantrag abzulehnen.
Mit Urteil vom 25 Juni 2020 hat das Sozialgericht den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Verfahren S 16 AS 488/14 sei nicht fortzusetzen, weil die Kläger dieses bezogen auf die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt hätten und es deshalb beendet und nicht fortzusetzen sei. Die Erledigungserklärung sei wirksam und insbesondere durch die Kläger nicht wirksam angefochten oder widerrufen worden. Materielle Anfechtungsgründe seien auch nicht erkennbar.
Gegen dieses ihnen am 29. September 2020 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Kläger vom 8. Oktober 2020.
Zur Begründung tragen sie vor, sie hätten die ernst gemeinte Untätigkeitsklage nicht zurückgenommen. Sie könnten den Imageschaden nicht so stehen lassen und wollten in dem gewählten Beruf arbeiten. Die Untätigkeit sei begründet, denn es seien mehrmals Beweise gegen das Sozialzentrum eingereicht worden. Es werde ständig unentwegt von allen Seiten Macht ausgeübt, um ihnen zu schaden.
Die Kläger beantragen schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. Juni 2020 aufzuheben, das Verfahren S 16 AS 488/14 fortzusetzen und den Beklagten zu verurteilen ihren Antrag vom November 2013 zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Kläger mit Schreiben vom 20. Januar 2021 darauf hingewiesen, dass er die Berufung einstimmig für unbegründet hält und es daher beabsichtigt sei, diese mit Beschluss zurückzuweisen. Die Kläger erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Ergänzend wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss über die Berufung entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet hält und er die Kläger zuvor dazu angehört hat.
Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht mit dem angefochtenen Urteil die Fortsetzung des Rechtsstreits S 16 AS 488/14 abgelehnt.
Der unter dem Aktenzeichen S 16 AS 488/14 geführte Rechtsstreit ist in bzw. aufgrund der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichtes vom 9. September 2016 wirksam beendet worden. Gründe für eine Fortsetzung bzw. Wiederaufnahme dieses Rechtsstreits liegen nicht vor.
Zu unterscheiden sind zwei Klagen, die die Kläger in subjektiver Klagenhäufung am 6. Oktober 2014 in einem einheitlichen Schriftsatz erhoben haben, und die im Folgenden auch unter einem einheitlichen Aktenzeichen geführt worden sind.
Zum einen haben die Kläger zulässig eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, gerichtet auf Gewährung eines Darlehens, gegen den zuvor ergangenen Bescheid vom 7. Januar 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2014 erhoben. Über diese Klage hat das Sozialgericht mit Urteil entschieden. Das Urteil ist in der mündlichen Verhandlung vom 9. September 2016 verkündet worden und den Beteiligten zeitnah dazu, nämlich am 16. September 2016, zugestellt worden. Dadurch hat die Anhängigkeit des Rechtsstreits in der ersten Instanz geendet. Da das Urteil nicht innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Berufung angefochten worden ist, ist es rechtskräftig im Sinne von § 141 Abs. 1 SGG geworden. Der Rechtsstreit hat sich damit insoweit erledigt, als er den geltend gemachten Anspruch auf Gewährung eines Darlehens betraf.
Davon zu unterscheiden ist die gleichzeitig erhobene Untätigkeitsklage. Diese war bereits unzulässig. Zulässig erhoben werden kann eine Untätigkeitsklage gemäß § 88 Abs. 1, Abs. 2 SGG, wenn eine Behörde ohne zureichenden Grund nicht innerhalb von 6 Monaten über einen bei ihr gestellten Antrag entschieden hat bzw. wenn sie nicht binnen 3 Monaten ohne zureichenden Grund über einen Widerspruch entschieden hat. Gegenstand der sozialgerichtlichen Untätigkeitsklage ist allein der Anspruch auf Bescheidung gestellter Anträge und erhobener Widersprüche. Vorliegend haben die Kläger ihre Untätigkeitsklage mit dem im November 2013 gestellten Antrag auf Gewährung eines Darlehens begründet. Über diesen hat der Beklagte indessen mit Bescheid vom 7. Januar 2014 entschieden. Über den dagegen erhobenen Widerspruch hat er mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2014 entschieden. Dass bei der Entscheidung über den Widerspruch die 3-Monatsfrist nicht eingehalten wurde, führt nicht zur Zulässigkeit der konkreten Untätigkeitsklage, denn bei Erhebung derselben am 6. Oktober 2014 lag auch bezogen auf den Widerspruch der Kläger keine Untätigkeit mehr vor.
Entscheidend ist aber, dass die Kläger die Untätigkeitsklage zur Niederschrift des Sozialgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 9. September 2016 für erledigt erklärt haben. Dadurch hat sich auch diese Klage erledigt. Zwar sieht das SGG die einseitige Erledigungserklärung nicht ausdrücklich als Instrument der Erledigung des Rechtsstreits vor, jedoch folgt bereits aus der Dispositionsmaxime die Möglichkeit der Kläger, das Prozessrechtsverhältnis in der Hauptsache einseitig wieder zu beenden. Eine Abgrenzung zwischen einer Erledigungserklärung und einer Klagerücknahme hat Bedeutung in gerichtskostenpflichtigen Verfahren gemäß § 197a SGG, weil dort an die Klagerücknahme zwingende Kostenfolgen geknüpft sind. Diese Bedeutung besteht nicht bei Verfahren, bei denen ‑ wie hier die Kläger ‑ ein Beteiligter gemäß § 183 SGG von den Gerichtskosten befreit ist. In diesen Fällen kann daher eine einseitige Erledigungserklärung durch den Kläger auch ohne ausdrückliche Zustimmung durch den Beklagten als Klagerücknahme ausgelegt werden (vergleiche Keller in Meyer-Ladewig u.a. SGG, 13. Aufl. § 125 Rn. 10).
Die Klagerücknahme wiederum erledigt gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 SGG den Rechtsstreit in der Hauptsache.
Zweifel daran, dass die Erledigungserklärung in der mündlichen Verhandlung vom 9. September 2016 tatsächlich erfolgt ist, bestehen nicht. Die Protokollierung dieser Erklärung führt gemäß § 122 SGG in Verbindung mit § 165 Zivilprozessordnung (ZPO) vielmehr zu einer Richtigkeitsvermutung. Der dagegen nur zulässige Nachweis einer Fälschung ist nicht erbracht worden.
Die als Klagerücknahme auszulegende Erledigungserklärung ist als Prozesshandlung nur unter engen Voraussetzungen angreifbar. Sie kann grundsätzlich nicht widerrufen werden und auch nicht wegen Irrtums angefochten werden (vergleiche Burkiczak in jurisPK SGG § 102 Rn. 38; BSG, Beschluss vom 17. Dezember 2015, B 2 U 150/15 B). Beseitigt werden können die Wirkungen einer Klagerücknahme nur bei Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes im Sinne von § 179 SGG bzw. §§ 578 ZPO. (Vgl. Burkiczak aaO).
Die Wiederaufnahme und Fortführung eines rechtskräftig beendeten Verfahrens richtet sich im Sozialgerichtsprozess nach §§ 179, 180 SGG.
Eine Nichtigkeitsklage gemäß §§ 179 SGG, 579 ZPO findet statt, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war, wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war oder wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.
Daneben findet eine Restitutionsklage gemäß §§ 179 SGG, § 580 ZPO statt bei falschem Eid durch den Prozessgegner, Urkundenfälschung, strafbarem falschem Zeugnis oder strafbarer falscher Sachverständigenaussage, strafbarer Urteilserschleichung durch den Gegner, strafbarer Amtspflichtverletzung durch einen mitwirkenden Richter, Aufhebung eines anderen Urteils, welches Grundlage des angefochtenen Urteils war, Auffinden eines bis dato unbekannten rechtskräftigen Urteils in gleicher Sache bzw. einer anderen Urkunde und der Feststellung einer Verletzung der europäischen Menschenrechtskonvention durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Derartige Wiederaufnahmegründe liegen nicht vor. Sie werden von den Klägern schon nicht geltend gemacht und sind auch nicht im Ansatz ersichtlich.
Daneben findet in sozialgerichtlichen Verfahren die Wiederaufnahme eines zuvor abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 180 Abs. 1 SGG auch im Falle einander widersprechender, bestands- bzw. rechtskräftiger Entscheidungen in Bezug auf den gleichen Anspruch und die Leistungspflicht mehrerer Versicherungsträger statt. Auch diese Konstellation ist ersichtlich nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.