L 4 R 3153/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 1195/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3153/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. August 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung höherer Regelaltersrente unter Anerkennung der Zeiten vom 1. September 1973 bis zum 31. Oktober 1974 und vom 1. Oktober 1977 bis zum 5. Juli 1980 als Zeiten einer beruflichen Ausbildung.

Der 1953 geborene Kläger arbeitete nach dem am 7. Juni 1973 abgelegten Abitur im Zeitraum vom 1. September 1973 bis zum 31. Oktober 1974 im Betrieb seines Onkels, der O GmbH (im Folgenden O), als Zimmererhelfer. Danach studierte er bis zum Abbruch des Studiums am 30. September 1977 Bauingenieurwesen. Zum 1. Oktober 1977 nahm er erneut eine Beschäftigung bei O auf. In der Mitgliedskarte seiner gesetzlichen Krankenkasse, der AOK M, war für die Tätigkeit die Beitragsgruppe 111 vermerkt, zunächst ohne Bezeichnung der Beschäftigungsart, ab 1978 wurde als solche „45113“ angegeben. Für Januar, April, Juli und November 1978 sowie Januar 1979 wurden jeweils keine Beschäftigung oder Entgelte gemeldet. Am 9. Dezember 1979 beantragte der Kläger bei der Handwerkskammer Karlsruhe die Zulassung zur Gesellenprüfung im Zimmererhandwerk unter Befreiung vom Nachweis der Lehre. Zur Begründung verwies er auf sechs Semester Bauingenieursstudium sowie 38 Monate praktische Tätigkeit als Zimmerer. Unter Stattgabe dieses Antrags ließ ihn die Handwerkskammer am 23. April 1980 nach § 37 Abs. 2 Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung – HwO) zur Gesellenprüfung zu, die der Kläger am 6. Juli 1980 ablegte.

Mit Schreiben vom 15. März 2018 begehrte der Kläger bei der Beklagten u.a., „für die Zeit der Ausbildung … die Entgeltpunkte zu erhöhen“. Nach dem Abitur habe er als Zimmererhelfer bei O gearbeitet. Nach Abbruch des Studiums habe er sich entschlossen, den Beruf des Zimmerers zu erlernen. Seit Oktober 1977 sei er durchgehend für O tätig gewesen. Ergänzend verwies er auf die Zulassung zur Gesellenprüfung.

Mit Bescheid vom 8. Mai 2018 stellte die Beklagte nach § 149 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) die im Versicherungsverlauf des Klägers enthaltenen Daten bis zum 31. Dezember 2011 verbindlich fest. Die Zeiten vom 1. September 1973 bis zum 31. Oktober 1974 und vom 1. Oktober 1977 bis zum 5. Juli 1980 bewertete sie hierbei als Pflichtbeitragszeiten. Die Kennzeichnung von Zeiten der versicherungspflichtigen Beschäftigung als Zeiten der beruflichen Ausbildung bis Juli 1980 sei ausgeschlossen. Aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen sei die Dauer der Lehrzeit vor dem 6. Juli 1980 nicht zu entnehmen und deshalb nicht nachgewiesen.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches legte der Kläger eine Bescheinigung der O vom 4. Juni 2018 vor. Danach sei der Kläger vom 1. September 1973 bis 31. Oktober 1974 als Helfer in der Zimmerei ihres Betriebes tätig gewesen. Nach Tätigkeiten in den Semesterferien sei er ab 1. Oktober 1977 wieder in der Zimmerei beschäftigt gewesen, habe praktische Erfahrungen gesammelt und sich auf die Gesellenprüfung vorbereitet. Unter Verweis auf die Zulassung zur Gesellenprüfung und deren erfolgreiches Bestehen wurde angegeben, die Zeiten vom 1. September 1973 bis zur Ablegung der Gesellenprüfung seien einer Lehrzeit gleichzusetzen.

Nach Beiziehung der Mitgliedskarten der Krankenkasse wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2019 als unbegründet zurück. Eine Kennzeichnung der Zeiten vom 1. September 1973 bis zum 31. Oktober 1974 und vom 1. Oktober 1977 bis Juli 1980 als Zeiten der beruflichen Ausbildung sei nicht möglich. Allein die Zulassung zur Gesellenprüfung nach § 37 Abs. 2 HwO mache aus den Beschäftigungszeiten keine Ausbildungszeiten. Auch die Krankenkasse habe lediglich eine Tätigkeit als Zimmerer und keine Ausbildungszeit bestätigt.

Hiergegen erhob der Kläger am 2. April 2019 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der er die Anerkennung der Zeiten vom 1. September 1973 bis zum 31. Oktober 1974 und vom 1. Oktober 1977 bis 5. Juli 1980 als Zeiten der beruflichen Ausbildung geltend machte.

Mit Bescheid vom 27. Juni 2019 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Juni 2019 eine Regelaltersrente. Dabei bewertete sie die streitbefangenen Zeiten als Pflichtbeitragszeiten, nicht als Zeiten der beruflichen Ausbildung.

Zur Begründung der Klage führte der Kläger aus, nachdem die Handwerkskammer die Zeiten seiner praktischen Tätigkeit bei O als Ersatz für die Berufsschule anerkannt habe, seien diese Zeiträume auch von der Beklagten als Zeiten der beruflichen Ausbildung zu berücksichtigen. Es sei eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen und die gesetzlichen Regelungen seien weit auszulegen. Auch die Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 4. Juni 2014 L 2/12 R 124/12 juris) stütze sein Klagebegehren. Für seine Tätigkeit bei O habe er damals einen höheren Lohn als die übliche Lehrlingsvergütung erhalten; dieser sei aber geringer gewesen als das eines ungelernten Zimmererhelfers.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die Gründe des Widerspruchsbescheides entgegen und führte ergänzend aus, bei Berücksichtigung der streitgegenständlichen Zeiten als Ausbildungszeit würde sich die Rente des Klägers um ungefähr monatlich 30,00 € erhöhen.

Mit Urteil vom 17. August 2020 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung der streitbefangenen Zeiten als Zeiten der beruflichen Ausbildung. Er habe diese Tätigkeit nicht in einem Berufsausbildungsverhältnis ausgeübt. Ein Ausbildungsverhältnis, das – wie erforderlich nach Inhalt und zeitlicher Gestaltung sowie Leistungskontrolle einem von vornherein festgelegten Plan entspreche und sich an einem bestimmten Ausbildungsziel orientiere, habe nicht vorgelegen. Es sei kein sachkundiger verantwortlicher Ausbilder bestellt gewesen, der den Kläger angeleitet, belehrt und ihn mit dem Ziel unterwiesen habe, ihm die für den erstrebten Beruf notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Auch habe die Vergütung des Klägers über dem eines Auszubildenden gelegen. Allein aufgrund der Zulassung zur Gesellenprüfung nach § 37 Abs. 2 HwO seien die streitgegenständlichen Zeiten nicht als Zeiten der beruflichen Ausbildung zu werten. Einer solchen Zulassung hätte es gerade nicht bedurft, wenn der Kläger in den streitgegenständlichen Zeiträumen eine Ausbildung zum Zimmerer absolviert hätte. Das angeführte Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen beziehe sich nicht auf die Anerkennung von Zeiten der beruflichen Ausbildung, sondern auf die Berücksichtigung eines Berufsgrundbildungsjahres als Anrechnungszeit in Form einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI.

Gegen dieses ihm am 8. September 2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. Oktober 2020 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt und in der Folge sein Begehren auf die Gewährung einer höheren Regelaltersrente unter Berücksichtigung der streitbefangenen Zeiten als Zeiten beruflicher Ausbildung umgestellt (Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 15. Januar 2021). Über sein bisheriges Vorbringen hinaus hat er zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, sein – mittlerweile verstorbener Onkel, der Gründer des Unternehmens und Zimmerermeister, habe ihn, den Kläger, nach seinem abgebrochenen Bauingenieurstudium von Oktober 1977 bis Juli 1980 gründlich und qualifiziert ausgebildet. Er habe in einem nach Inhalt, zeitlicher Gestaltung und Leistungskontrolle planmäßigen und an einem bestimmten Ausbildungsziel orientierten Ausbildungsverhältnis eine gründliche theoretische und praktische Ausbildung erhalten. Im letzten Jahr seiner Ausbildung sei er im Fachgebiet Treppenbau unterwiesen worden. Dieses Spezialgebiet des Zimmererhandwerks habe er sofort nach der Gesellenprüfung im Juli 1990 in der Praxis ausüben können.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. August 2020 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27. Juni 2019 zu verurteilen, ihm eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeiten vom 1. September 1973 bis zum 31. Oktober 1974 und vom 1. Oktober 1977 bis zum 5. Juli 1980 als Zeiten einer beruflichen Ausbildung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Unter Vorlage eines Kodierungsschlüssels (Bl. 27/29 der Senatsakten) hat sie ergänzend darauf hingewiesen, in der vorliegenden Mitgliedskarte des Klägers bei der AOK M sei in der Rubrik Beschäftigungsart die Nummer „45113“ festgehalten. Aus deren vierter Stelle gehe hervor, dass der seinerzeitige Arbeitgeber den Kläger nicht als Auszubildenden bzw. Lehrling, sondern als Arbeiter beschäftigt habe. Andernfalls wäre die vierte Stelle mit „0“ angegeben (Auszubildender, Lehrling, Anlernling, Praktikant, Volontär).

Der Berichterstatter hat am 27. Juli 2021 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt und in diesem Termin den Sohn des früheren Unternehmensinhabers, WO (im Folgenden WO), als Zeugen vernommen. Auf das Protokoll vom 27. Juli 2021 wird insoweit Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Protokoll vom 27. Juli 2021).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG. Denn das Begehren des Klägers bezieht sich auf laufende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr.

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren des Klägers auf Gewährung einer höheren Regelaltersrente unter Anerkennung der Zeiten vom 1. September 1973 bis zum 31. Oktober 1974 und vom 1. Oktober 1977 bis zum 5. Juli 1980 als Zeiten einer beruflichen Ausbildung. Die Berücksichtigung dieser Zeiten ist nach Eintritt des Leistungsfalls der Regelaltersrente nicht mehr durch eine gesonderte Korrektur des ursprünglich mit der Klage angefochtenen Vormerkungsbescheides vom 8. Mai 2018, sondern im Rahmen der Überprüfung des Rentenbescheids zu verfolgen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16. Juni 2015 – B 13 R 23/14 R – juris, Rn. 12 m.w.N.). Streitbefangen ist damit allein der Rentenbescheid vom 27. Juni 2019, der nach § 96 Abs. 1 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Verfahrens geworden ist, soweit er auf den ursprünglich streitigen Feststellungen beruht (BSG, a.a.O., Rn. 13).

3. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 27. Juni 2019 ist im hier zu prüfenden Umfange rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat keinen Anspruch auf höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeiten vom 1. September 1973 bis zum 31. Oktober 1974 und vom 1. Oktober 1977 bis zum 5. Juli 1980 als Zeiten einer beruflichen Ausbildung.

a) Nach § 64 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ist der Monatsbetrag der Rente das Produkt aus den unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkten, dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert. Die genannten Faktoren sind mit ihrem Wert miteinander zu vervielfältigen. Die persönlichen Entgeltpunkte für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente errechnen sich aus der Summe aller Entgeltpunkte u.a. für Beitragszeiten und Zuschläge für beitragsgeminderte Zeiten (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB VI). Nach § 54 Abs. 1 Nr. 1b SGB VI sind rentenrechtliche Zeiten unter anderem Beitragszeiten als beitragsgeminderte Zeiten. Als beitragsgeminderte Zeiten gelten nach § 54 Abs. 3 Satz 2 SGB VI Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine Berufsausbildung (Zeiten einer beruflichen Ausbildung). Für beitragsgeminderte Zeiten ist die Summe der Entgeltpunkte um einen Zuschlag zu erhöhen (§ 71 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Für die Gesamtleistungsbewertung werden jedem Kalendermonat mit Zeiten einer beruflichen Ausbildung mindestens 0,0833 Entgeltpunkte zugrunde gelegt und diese Kalendermonate insoweit nicht als beitragsgeminderte Zeiten berücksichtigt (§ 71 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VI).

b) Zu Recht hat die Beklagte in die Berechnung der Rentenhöhe jedoch vorliegend keine Zeiten einer beruflichen Ausbildung für die Zeiträume vom 1. September 1973 bis zum 31. Oktober 1974 und vom 1. Oktober 1977 bis zum 5. Juli 1980 einbezogen.

aa) Der Begriff der Berufsausbildung wird in § 54 Abs. 3 Satz 2 SGB VI nicht näher definiert. Für die Begriffsbestimmung ist zunächst der für alle Bereiche des Sozialversicherungsrechts geltende § 7 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) heranzuziehen, der die Berufsbildung im Rahmen der Definition einer Beschäftigung berücksichtigt, sowie ergänzend die Regelungen der §§ 1, 3 und 19 Berufsbildungsgesetz (BBiG).

Berufsausbildung ist demnach die Vermittlung beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen in einem Berufsausbildungsverhältnis oder innerhalb eines anderen Vertragsverhältnisses. Der in mehreren Rechtsbereichen des Sozialrechts verwendete Begriff setzt voraus, dass es sich dem Wesen nach um eine Ausbildung handelt und diese dazu dient, Fähigkeiten zu erlangen, die die Ausübung des zukünftigen Berufes ermöglichen (Gürtner, in: Kasseler Kommentar, SGB VI, Stand März 2021, § 54 Rn. 16 m.w.N.; Flecks, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, Stand April 2021, § 54 Rn. 22; Fichte, in: Hauck/Noftz, SGB VI, Stand Juni 2008, § 54 Rn. 17). Voraussetzung ist in Abgrenzung zu einem normalen Beschäftigungsverhältnis ein echtes Ausbildungsverhältnis, das nach Inhalt und zeitlicher Gestaltung sowie Leistungskontrolle einem von vornherein festgelegten Plan entspricht und sich an einem bestimmten Ausbildungsziel orientiert. Dazu gehört in der Regel, dass sachkundige verantwortliche Ausbilder bestellt sind, die den Auszubildenden anleiten, belehren und ihn mit dem Ziel unterweisen, ihm die für den erstrebten Beruf notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln (BSG, Urteile vom 23. August 1989 – 10 RKg 12/88 – juris, Rn. 20 und vom 18. September 1975 – 4 RJ 295/74 – juris, Rn. 9; vgl. auch BSG, Urteil vom 31. August 2000 – B 4 RA 5/00 R – juris, Rn. 16; Gürtner, a.a.O., Rn. 17). Die Ausbildung muss Zeit und Arbeitskraft überwiegend beanspruchen (Gürtner, a.a.O., Rn. 17; Flecks, a.a.O., Rn. 24). Aus dem vom Kläger angeführten Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 4. Juni 2014 (L 2/12 R 124/12 juris) ergibt sich nichts Anderes. Wie bereits das SG zutreffend dargelegt hat, bezieht sich dieses nicht auf Zeiten der beruflichen Ausbildung, sondern auf die Berücksichtigung eines Berufsgrundbildungsjahres als Anrechnungszeit in Form einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI.

bb) Der Senat vermochte sich aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens nicht mit der notwendigen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon zu überzeugen, dass die Voraussetzungen einer Berufsausbildung i.S. des § 54 Abs. 3 Satz 2 SGB VI bei der Tätigkeit des Klägers in den streitbefangenen Zeiträumen vorlagen. Die dabei berücksichtigte Vernehmung des Zeugen WO konnte außerhalb der mündlichen Verhandlung (§ 117 SGG) im vorbereitenden Verfahren durch den Berichterstatter erfolgen (§§ 155 Abs. 1 und 2, 106 Abs. 3 Nr. 4 SGG; vgl. BSG, Beschluss vom 8. Dezember 1988 – 2 BU 52/88 – juris, Rn. 5), weil es nicht in besonderem Maße auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen ankam (BSG, Beschlüsse vom 12. September 2018 – B 14 AS 414/17 B – juris, Rn. 10 und vom 24. Februar 2004 – B 2 U 316/03 B – juris, Rn. 7).

(1) Für den Zeitraum vom 1. September 1973 bis zum 31. Oktober 1974 steht für den Senat allerdings mit ausreichender Sicherheit fest, dass der Kläger in dieser Zeit keine Berufsausbildung absolvierte. Dieser war im genannten Zeitraum im Betrieb der O als Zimmererhelfer beschäftigt. Dies entnimmt der Senat zunächst dem eigenen Vorbringen des Klägers. Bereits im Antragsschreiben an die Beklagte vom 15. März 2018 gab der Kläger an, in diesem Zeitraum gearbeitet zu haben, um die Zeit bis zur Aufnahme des Studiums zu überbrücken. Der Kläger beabsichtigte also in dieser Zeit noch gar keine Ausbildung zum Zimmerer. In Übereinstimmung hiermit bezeichnete er seine Tätigkeit in diesem Zeitraum – zur Überbrückung bis zur Aufnahme des Studiums – ausdrücklich als „Zimmererhelfer“. Dies entspricht auch dem Inhalt der Bescheinigung der O vom 4. Juni 2018 („Helfer in der Zimmerei unseres Betriebes“). In dem von ihm mit handschriftlichem Kommentar vorgelegten Versicherungsverlauf (Bl. 64 der Senatsakten) hat der Zeuge nur den Zeitraum vom 1. Oktober 1977 bis zum 5. Juli 1980 als „quasi Lehrzeit“ bezeichnet, nicht aber den Zeitraum vom 1. September 1973 bis zum 31. Oktober 1974. Konkrete Inhalte einer vermeintlichen Ausbildung hat der Kläger für diesen Zeitraum auch nicht angegeben, erst recht nicht substantiiert vorgetragen. Die vorgelegte Mitgliedskarte des Klägers bei der AOK M (Bl. 65 der Widerspruchsakte) bietet ebenfalls keinen Hinweis auf eine Berufsausbildung.

(2) Für den Zeitraum vom 1. Oktober 1977 bis zum 5. Juli 1980 lassen sich die Voraussetzungen der Berufsausbildung nicht zur vollen Überzeugung des Senats nachweisen. Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 2 RU 31/90 juris, Rn. 17). Entsprechend geht die Nichterweislichkeit einer Berufsausbildung hier zu Lasten des Klägers.

Ein schriftlicher Vertrag über ein Ausbildungsverhältnis liegt für diesen Zeitraum nicht vor. Der Kläger macht selbst nicht geltend, dass ein solcher geschlossen worden sei. Er hat jedoch – erstmals im Berufungsverfahren – vorgetragen, er habe in einem nach Inhalt, zeitlicher Gestaltung und Leistungskontrolle planmäßigen und an einem bestimmten Ausbildungsziel orientierten Ausbildungsverhältnis eine gründliche theoretische und praktische Ausbildung erhalten. Mit dieser pauschal gehaltenen Angabe behauptet der Kläger im Ergebnis jedoch nur die Voraussetzungen einer Berufsausbildung, ohne dies zu substantiieren. Die Inhalte der Ausbildung und deren Vermittlung im zeitlichen Verlauf wurden ebenso wenig näher konkretisiert wie die angegebenen Leistungskontrollen. Eine nähere Angabe findet sich nur insoweit, als er im letzten Jahr seiner „Ausbildung“ im Fachgebiet Treppenbau unterwiesen worden sei. Mit dem erfolgreichen Ablegen der Gesellenprüfung am 6. Juli 1980 ist zwar nachgewiesen, dass der Kläger über die für den anerkannten Ausbildungsberuf eines Zimmerers erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügte, nicht aber, ob er diese im Rahmen einer Ausbildung erlangt hatte, die den o.g. Anforderungen entsprach. Die Zulassung zur Prüfung erfolgte nach § 37 Abs. 2 HwO gerade unter Befreiung vom Nachweis einer Lehre (dazu unten). Das in der Bescheinigung der O vom 4. Juni 2018 angegebene „Sammeln praktischer Erfahrung“ ist nicht gleichzusetzen mit der gezielten und geplanten Vermittlung von Fähigkeiten und Kenntnissen durch den ausbildenden Arbeitgeber. Dass der Kläger „sich auf die Gesellenprüfung vorbereitet“ habe, wie dort angegeben, bedeutet nicht, gezielt durch den Arbeitgeber vorbereitet zu werden. Auch die Zeugenaussage des WO vermochte eine nach Inhalt, zeitlicher Gestaltung und Leistungskontrolle planmäßige Berufsausbildung nicht zu belegen. Zunächst war er nach seinen eigenen Angaben in den Jahren 1977 bis 1980 noch im Studium und, wenn auch häufig, so doch nicht durchgängig und dauerhaft im elterlichen Betrieb tätig. Eine regelmäßige Zusammenarbeit mit dem Kläger fand nicht statt. Schon deshalb stellen seine Angaben keine ausreichend sichere Grundlage für die Annahme einer Berufsausbildung dar. Dies zeigt auch seine überwiegend allgemein gehaltene Darstellung der Tätigkeit von Lehrlingen im Betrieb, ohne definitiv bestätigen zu können, dass dies auch für den Kläger galt. Denn er, der Zeuge, war nach seinen eigenen Angaben „nicht so oft dabei gewesen“. Nach den weiteren Angaben des Zeugen hat der Kläger im genannten Zeitraum mit verschiedenen Zimmerergesellen, u.a. in der Tischlerei, zusammengearbeitet. Dies besagt aber nichts über den genauen Inhalt der Tätigkeit und die gezielte Vermittlung bestimmter Kenntnisse. Dass der Onkel des Klägers als Betriebsinhaber und Meister Ansprechpartner war, „wenn Fragen waren, gerade technische“, erlaubt schon keinen Rückschluss auf eine planmäßige Ausbildung. Diese Angaben ermöglichen keine – hier relevante Abgrenzung zu einer ungelernten Beschäftigung, in deren Rahmen gegebenenfalls auch (quasi nebenbei), aber nicht planmäßig, bestimmte Fertigkeiten und Kenntnisse erworben werden können. In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass der Kläger auch in seinem Antrag auf Zulassung zur Gesellenprüfung vom 9. Dezember 1979 (Bl. 3 der Widerspruchsakte) keine planmäßige Berufsausbildung behauptet, sondern seinen Antrag vielmehr auf sein sechssemestriges Bauingenieursstudium und auf die „praktische Tätigkeit von 38 Monaten als Zimmerer“ gestützt hat.

Dem Versicherungsverlauf und dem Aktenvermerk der Beklagten vom 2. Januar 2019 (Bl. 69 der Widerspruchsakte) ist zwar zu entnehmen, dass der Kläger im genannten Zeitraum einen deutlich unterdurchschnittlichen Lohn erhalten hat. Dies könnte für eine Entlohnung als in Ausbildung befindlicher Mitarbeiter sprechen und damit ein (lediglich) mittelbares Indiz für eine Berufsausbildung darstellen. Allerdings hat der Kläger selbst eingeräumt, dass dieser Lohn über einem Ausbildungsentgelt gelegen habe. Dem Indiz kommt daher letztlich keine Aussagekraft zu.

Demgegenüber sprechen die Zulassung der Gesellenprüfung nach § 37 Abs. 2 HwO und die Meldung zur Krankenkasse gegen eine Berufsausbildung. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 HwO (in der bis 31. Dezember 1993 geltenden Fassung vom 18. März 1975) ist zur Gesellenprüfung auch zugelassen, wer nachweist, dass er mindestens das Zweifache der Zeit, die als Ausbildungszeit vorgeschrieben ist, in dem Beruf tätig gewesen ist, in dem er die Prüfung ablegen will. Hiervon kann abgesehen werden, wenn durch Vorlage von Zeugnissen oder auf andere Weise glaubhaft dargetan wird, dass der Bewerber Kenntnisse und Fertigkeiten erworben hat, die die Zulassung zur Prüfung rechtfertigen (Satz 2). Zutreffend hat bereits das SG dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Zulassung zur Gesellenprüfung eine solche nach § 37 Abs. 2 HwO nicht erforderlich gewesen wäre, wenn der Kläger in den streitbefangenen Zeiträumen eine Ausbildung zum Zimmerer absolviert hätte. In der Mitgliedskarte seiner gesetzlichen Krankenkasse wurde für die Tätigkeit ab dem 1. Februar 1978 und damit für den überwiegenden Teil des hier relevanten Zeitraums jeweils die Beschäftigungsart „45113“ kodiert; für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2017 ist kein Eintrag in diesem Feld enthalten. Insoweit wird auf Bl. 67 der Widerspruchsakte Bezug genommen. Anhand des von der Beklagten vorgelegten Kodierschlüssels ergibt sich aus dieser Eintragung nachvollziehbar eine Meldung als Arbeiter und gerade nicht als Auszubildender. Während die ersten drei Ziffern (hier: 451) nur die ausgeübte Tätigkeit bezeichnen (hier: Zimmerer), gibt die vierte Ziffer die Stellung im Beruf an, die fünfte betrifft die Ausbildung. Letzteres bezieht sich auf die (bereits) vorhandene Ausbildung, unterschieden nach schulischem Abschluss (Hauptschule/Realschule/vergleichbarer Abschluss = 1 und 2; Abitur 3 und 4; jeweils binnendifferenziert nach ohne und abgeschlossene Berufsausbildung). Die hier angegebene Ziffer „3“ steht also für Abitur ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Diese spricht demnach nicht gegen das Begehren des Klägers. Denn die mit dieser Ziffer ausgewiesenen Zeiten liegen vor der abgelegten Gesellenprüfung, d.h. es ist konsequent, wenn eine „abgeschlossene“ Ausbildung nicht bescheinigt wird. Anderes gilt für die 4. Stelle. Hier wird der Kläger gerade nicht mit „0“ als Auszubildender (umfassend: Lehrling, Anlernling, Praktikant, Volontär) geführt, sondern mit „1“ und damit als Arbeiter, der nicht als Facharbeiter tätig ist. Schließlich sind auch die Lücken in der Tätigkeit des Klägers für O zu beachten. So wurden für Januar, April, Juli und November 1978 sowie Januar 1979 jeweils keine Beschäftigung oder Entgelte gemeldet. Dies entnimmt der Senat der genannten Mitgliedskarte der AOK M. Diese enthält jeweils entsprechende Ein- Austrittsdaten. Die danach bestehenden Lücken stimmen auch mit den im Versicherungsverlauf der Beklagten für den Kläger gespeicherten Daten überein. Entgeltersatzleistungen oder andere rentenrechtlich relevante Tatbestände sind für diese Zeiten weder ersichtlich noch vorgetragen. Diese Lücken sprechen gegen eine regelmäßige und planvolle Berufsausbildung. Zwar traten in der Folgezeit keine weiteren Lücken solcher Art mehr auf. Der Kläger hat aber auch zu keinem Zeitpunkt eine Änderung in seiner Tätigkeit für O im Zeitraum vom 1. Oktober 1977 bis zum 5. Juli 1980 behauptet. Eine unterschiedliche Betrachtung innerhalb dieses Zeitraums ist daher nicht angezeigt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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